Archiv der Kategorie: Rezensionen

Besprechungen ausgewählter Bücher oder Aufsätze zum Schwerpunkt des jeweiligen Heftes und auch außerhalb. Gibt es für alle Ausgaben online.

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Die fortgeschrittenen Technologien der Grenzkontrollen scheinen in mehrfacher Hinsicht entfernt. Das klassische Bild einer physisch gesicherten und nur an Kontrollstellen durchlässigen Grenze ist für Europäer*innen erst an den Schengen-Außengrenzen erfahrbar. Werden diese in ihrem teilweise und zunehmend befestigten Formen in den Blick genommen, so sehen wir regelmäßig nur die durch Zäune, Mauern, Gräben, Wachtürmen errichteten Grenzen. Kaum bis gar nicht wahrnehmbar sind hingegen die mit den Potenzialen der Digitalisierung aufgerüsteten Formen der Überwachung des Grenzraums, der Kontrolle von Einreisewilligen sowie der präventiven Durchleuchtung der Grenzgeschehens. Der Wandel staatlicher Grenzen seit dem ausgehenden 20. Jahrhundert ist verbunden mit der Etablierung neuer Grenzkontrolltechnologien. Wer letztere verstehen will, muss zugleich in Rechnung stellen, dass Funktionen, Formen und Orte von (staatlichen) Grenzen sich verändert haben.

Mit der Europäisierung des Außengrenzgeschehens hängt vermutlich zusammen, dass zu diesem Thema nur wenige Text in Deutsch vorliegen. Wir geben im Folgenden eher Hinweise auf wenige leicht oder kostenlos zugängliche Veröffentlichungen, die einen exemplarischen Zugang zum Thema ermöglichen. Damit werden wir weder der umfänglichen Diskussion über den Form- und Bedeutungswandel von Grenzen gerecht, noch den vielfältigen zivilgesellschaftlichen Initiativen, die kritische Öffentlichkeit herstellen, Protest und Solidarität mit durch Grenzen Ausgeschlossenen praktizieren. In den Beiträgen des Schwerpunktes finden sich entsprechende Hinweise. Literatur weiterlesen

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In dem Jahrzehnt seit unserem letzten Schwerpunkt zur „Kontrolle der Polizei“ (CILIP 99) sind Fortschritte zu verzeichnen: Einige Bundesländer haben immerhin eine Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamt*innen eingeführt, andere haben neue Kontrolleinrichtungen geschaffen. Die Phalanx derjenigen, die in persönlicher Verantwortlichkeit und institutioneller Transparenz eine Bedrohung für den Staat sehen, ist brüchig geworden. Gleichwohl bleiben die Formen und Chancen zur Kontrolle der Polizei hinter dem Möglichen und demokratisch Gebotenen zurück. Die nicht genutzten Möglichkeiten zeigen sich im Vergleich zu den Kontrollmechanismen, die in anderen liberalen Demokratien bestehen. Das Gebotene ergibt sich aus dem Umstand, dass Auftrag, Tätigkeitsfelder, Instrumente, institutionelle und rechtliche Entgrenzungen dazu geführt haben, dass unter „Kontrolle der Polizei“ mehr verstanden werden muss als die der handelnden Polizist*innen, in die sich häufig das „Kontrollproblem“ zu erschöpfen scheint. Dass eine Polizei, die mit verdeckten Methoden arbeitet, die in hybriden Formen mit den Geheimdiensten kooperiert, die eingebunden ist in internationale Operationen und beteiligt ist an EU-Polizeiagenturen anders kontrolliert werden muss, als es das herkömmliche liberal-demokratische Ideal vorsieht, diese mehrfache Herausforderung hat sich in der aktuellen deutschen Diskussion kaum niedergeschlagen. Literatur weiterlesen

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Kann man zugleich vor den Gefahren des Feuers warnen und selbst neues Brennholz zur Verfügung stellen? Eindeutig „ja“, wenn der Blick auf die Innen- gleich Polizeiminister*innen, auf die Polizeipräsident*innen und -funktio­när*innen fällt: Vormittags warnen sie öffentlichkeitswirksam vor den Gefahren, die der „freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ und einer liberalen Gesellschaft durch Extremismen und „Fremdenfeindlichkeit“ drohen. Und am Nachmittag haben sie kein Problem damit, mit dem Kampf gegen die „Clankriminalität“ einen rassistischen Diskurs mit quasi staatsoffiziellen Würden zu versehen. Dass dieser Begriff weder kriminologisch noch einen kriminalistischen Sinn macht, ist offenkundig. Inwiefern er wenigstens geeignet ist, einzelne Phänomene kriminellen Verhaltens beschreibend „auf den Begriff“ zu bringen, darf bezweifelt werden. Eindeutig ist hingegen: „Clankriminalität“ ist von hohem inszenatorischem Wert: Der Feind, das sind die „Fremden“ – arabisch-libanesische Groß- bzw. Riesenfamilien mit undurchschaubaren Verflechtungen, abgeschottet von „uns“, deren Freiheit und Reichtum sie durch ihr skrupellos-raffiniertes kriminelles Handeln bedrohen. „Die“ und „Wir“, unterschieden durch ethnische Zuschreibungen: das ist die klassische Dichotomie des Rassismus. Die, die sie nutzen, haben auch kein Problem damit, dass ihre Verwendung notwendig alle jene trifft, die dem ethnisch definierten „Die“ zugerechnet werden. So werden nicht nur gesellschaftlich wirkmächtige Feindbilder erzeugt, sondern zugleich werden die vermeintlichen „Clanmilieus“ zum Objekt besonderer staatlicher Überwachung und Schikane. Bereits die Razzia (nicht deren Ergebnis) bestätigt das Feindbild aufgrund dessen sie initiiert wurde. Die verheerenden Folgen derartiger Feinderklärungen – für die Integration, für das friedliche Zusammenleben, für eine vor ungerechtfertigten und unverhältnismäßigen Staatseingriffen geschützte Gesellschaft – nehmen die Propagandist*innen der „Clankriminalität“ sehenden Auges in Kauf. Zu nützlich scheint das Konzept, die je eigenen  Interessen zu befördern. Literatur weiterlesen

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Ungewiss, was aus der Europäischen Union wird. Zweifellos ist das „Europäische Projekt“ seit anderthalb Jahrzehnten in einen Zustand der Dauerkrise verfallen, der größere Schritte der „Vergemeinschaftung“ verhindert, der aber gleichzeitig durch den permanenten, emsigen und vieldimensionalen Ausbau europäischer Verflechtungen gekennzeichnet ist. Diese „Inkrementalismus“, das vorsichtige Austasten und Ausbauen neuer Felder, Strategien und Instrumente kennzeichnet auch und insbesondere den Bereich der „polizeilichen und (straf)justiziellen Zusammenarbeit“. Das Gebilde „sui generis“, das die Union jenseits von Bundesstaat und Staatenbund darstellen soll, zeichnet sich gerade dadurch aus, dass das Mischungsverhältnis zwischen europäisierten und mitgliedstaatlichen Politikbereichen dauerhaft umstritten ist – und dass sich im dauerhaften Krisenmodus in dem Maße Konsens zwischen den Akteuren erzielen lässt, wie es gelingt, Themen, Fragen, Probleme als solche der Inneren Sicherheit zu adressieren. Polizei- und Strafverfolgungskooperationen – so die Vermutung – haben das Potential, zum Kern dieser neuen Art von „Europäisierung“ zu werden. Es folgt ein Blick auf ausgewählte deutschsprachige Veröffentlichungen der jüngeren Vergangenheit. Literatur weiterlesen

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Gesetze werden nicht für die Ewigkeit geschaffen. Dass sie geändert werden, wenn die Dinge, die sie regeln sollen, sich ändern, das ist trivial und gilt selbstverständlich auch für die Polizeigesetze in Deutschland. Was hingegen bemerkenswert ist, sind zwei Umstände: Erstens wird das Polizeirecht seit fünf Jahrzehnten einer unendlich scheinenden Zahl von Novellierungen unterworfen; kaum ist eine Neuerung etabliert, wird die nächste bereits vorbereitet. Zweitens kennt das Polizeirecht nur eine Entwicklung: Immer geht es um die Erweiterung von Befugnissen, um die Legalisierung neuer Polizeimethoden, um die Einschränkung von Grund- oder den Abbau von Schutzrechten (nur sehr vereinzelt gab/gibt es temporäre Abweichungen von diesem Trend). Hinzu kommt der Umstand, dass die deutsche „Polizeiverfassung“ neben den beiden Bundesgesetzen zum Bundeskriminalamt (BKA) und zur Bundespolizei (und zum Zoll als aufstrebender Quasi-Polizei) sechzehn Landespolizeigesetze kennt, über die die Novellierungswellen in unterschiedlicher Geschwindigkeit und Intensität hinwegrollen. Ein im Detail unübersichtliches Feld, in ständiger Bewegung. Literatur weiterlesen

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Das Thema Sexualität und Gender lässt sich nicht ohne weitere Herrschaftsverhältnisse betrachten. Wir verweisen daher einerseits auf unsere ausführliche Literaturbesprechung feministischer Perspektiven auf Alternativen zu Polizei im Sinne von #BlackLivesMatter in unserer letzten CILIP-Ausgabe (Nr. 125, April 2021, S. 104-108). Zum anderen widmen wir die folgende Rezensionssektion dem Thema Intersektionalität. Literatur weiterlesen

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Radikale Kritik an der Polizei hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Die Black Lives Matter-Bewegung ist in Deutschland angekommen, sie stieß auf Resonanz bei denjenigen, die das „Racial Profiling“ seit langem kritisieren, die sich erinnern, dass die Polizei bei den NSU-Ermittlungen die Opfer wie Täter behandelte, die die – zufällige – Aufdeckung rechtsextremer Netzwerke in den Sicherheitsapparaten als Indiz dafür werten, dass die Polizeien in Deutschland nicht nur bei Sicherheitsproblemen gerufen werden, sondern selbst ein Sicherheitsproblem darstellen – und zwar unmittelbar für diejenigen Gruppen und Personen, die an die gesellschaftlichen Ränder gestellt werden, und mittelbar für Liberalität und die Geltung der Rechte von Bürger*innen. Literatur weiterlesen

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Auch wenn es durchaus dem kritischen alltäglichen Sprachgebrauch entspricht, die Rede vom „Rechtsextremismus“ ruft zwischen den Zeilen förmlich nach seinem linken Pendant. Wer dem „Hufeisen-Modell“ mit seiner Gleichsetzung von rechts und links, die aus derselben Entfernung der „demokratischen Mitte“ resultieren soll, entgehen will, der oder die sollte lieber von der Rechten oder von der extremen Rechten reden, denn so werden Verbindungen, Anschlüsse und Entwicklungspfade deutlich, die zwischen der „Mitte der Gesellschaft“ und extrem rechtem Denken und Handeln bestehen.

Gerade diese Verbindungen spielen im dominierenden Diskurs keine Rolle. Dessen bevorzugte Quellen sind weiterhin die Berichte der Verfassungsschutzämter, die qua staatlichem Auftrag jene Bestrebungen beobachten, die jenseits der von den Ämtern gezogenen Grenze zwischen Radikalismus und Extremismus liegen. Durch diesen Zugang wird das gesamte Feld zugerichtet. Die Beschreibungen der rechtsextremistischen Gefahren abstrahieren von allen ökonomischen, sozialen und sozialpsychologischen Kontexten, um die Unterschiede zwischen der „freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ und ihren rechten Feinden als wesensmäßige darstellen zu können. In solchen Perspektiven findet sich regelmäßig kein Platz für die Rechten im Staatsapparat, weil der per se auf der demokratischen Seite platziert ist. Literatur weiterlesen