Polizeiproblem 2/2023

Problematisches Polizeigesetz:

1. Februar: Das Polizeigesetz in Mecklenburg-Vorpommern ist dem laut Bundesverfassungsgericht teils verfassungswidrig. Im Jahr 2020 bekam die dortige Polizei neue Befugnisse, darunter der erleichterte Einsatz von verdeckten Ermittlern und V-Leuten, oder der Einsatz von Staatstrojanern. Dagegen legten unter anderem eine Rechtsanwältin und ein Journalist unterstützt von der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) erfolgreich Beschwerde ein. Laut dem Gericht seien beim Einsatz von verdeckten Ermittlern und V-Leuten keine ausreichenden Vorkehrungen getroffen worden, um die Privat- und Intimsphäre von Verdächtigen zu schützen. Der Einsatz der neuen Abhörbefugnisse sei nur in absoluten Ausnahmefällen erlaubt. Bis Ende dieses Jahres hat das Bundesland Zeit, das Polizeigesetz nachzubessern.

Waffenprobleme:

3. Februar: Laut der Inspektion Stendal hat die Polizei der Überführung eines Gefangenen in die Justizvollzugsanstalt (JVA) Burg (Sachsen-Anhalt) im Jerichower Land im Januar offenbar zwischenzeitlich eine Magazin-Tasche mit Einsatz-Munition verloren. Die Tasche wurde später auf der Landstraße wiedergefunden.

Polizist*innen vor Gericht:

3. Februar: Der auf Tiktok als „Officer Denny“ auftretende Polizist hat seine Videos nicht wie vom Verwaltungsgericht in einem Eilbeschluss auferlegt gelöscht. Der Beamte geht in die nächste Instanz und hat dazu beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) Beschwerde eingelegt. Hintergrund ist ein Video, auf dem er im Livestream mit dem als „Clanboss“ bezeichneten Arafat Abou-Chaker sprach und ihn duzte. Im Juni 2022 weitete die Polizeibehörde das Verbot auf die Plattformen Youtube, Instagram und Twitch aus. Nach einem Widerspruch erhielt „Officer Denny“ schließlich ein Verbot jeder Nebentätigkeit mit Bezug zur Polizei auf allen bestehenden oder zukünftigen Kanälen und Plattformen.

8. Februar: Im Antisemitismus-Verfahren gegen einen suspendierten Personenschützer der Präsidentin der israelitischen Kultusgemeinde, Charlotte Knobloch, hat das Verwaltungsgericht München geurteilt, dass der 43-jährige R. um zwei Stufen in das Amt eines Kriminalmeisters zurückgestuft werden muss. Das berichtet die „Süddeutsche Zeitung“. Er bleibt damit Polizist. Das Polizeipräsidium München wollte ihn wegen verunglimpfender Chats aus dem Dienst entfernen. Der Mann soll in polizeinternen Chatgruppen rassistische, nationalsozialistische und antisemitische Äußerungen getätigt und Informationen über polizeiliche Maßnahmen an die Fußballer Jérôme Boateng und Stefan Effenberg weitergegeben haben. Als Personenschützer des israelischen Generalkonsuls habe er geäußert, ihm wäre als Fahrziel mit seinem Chef nicht Auschwitz oder Flossenbürg, sondern Dachau lieber, da käme man früher heim, so die Zeitung.

23. Februar: Vor dem Landgericht Berlin beginnt der Prozess gegen den Polizisten Stephan K., der vor sechs Jahren gemeinsam mit Dennis Y. und Philipp G. am S-Bahnhof Karlshorst den Asylbewerber Jamil A. angegriffen haben soll. Dabei sollen auch rassistische Beleidigungen gefallen sein. Stephan K. und Dennis Y. wurden deshalb zu Geldstrafen verurteilt, Philipp G. zu einer Bewährungsstrafe. Gegen dieses Urteil legte K. Berufung ein. Bis 2016 arbeitete K. in einer Abteilung mit Schwerpunkt Rechtsextremismus. Im März soll ein Urteil fallen.

Verletzt im Polizeigewahrsam:

5. Februar: Eine 49-Jährige verlor im Polizeigewahrsam in der Wache in Hamburg-Bergedorf das Bewusstsein. Nach Angaben der Beamten habe sie sich in einem psychischen Ausnahmezustand befunden und sollte wegen möglicher Eigengefährdung einem Amtsarzt vorgeführt werden. Im Gewahrsam habe sie sich zunächst unauffällig verhalten, dann sei sie „wieder auffällig geworden“, schreiben Medien dazu. Dabei sei sie zu Boden gestürzt und habe „erheblichen Widerstand“ gegen hinzueilende Beamte geleistet. Nachdem sie keine Vitalzeichen mehr zeigte, hätten die Beamten die Reanimation begonnen, die von Rettungskräften fortgesetzt worden sei, so die Darstellung. Nach ihrer Verbringung in ein Krankenhaus habe sich die Frau nicht mehr in Lebensgefahr befunden.

Tod im Polizeigewahrsam:

14. Februar: Eine in Polizeigewahrsam bewusstlos gewordene Frau aus Hamburg ist in einem Krankenhaus gestorben. Die 49-Jährige soll sich laut der Polizei am Abend des 5. Februar in einem psychischen Ausnahmezustand in der Nähe ihrer Wohnung befunden haben und sei daraufhin in Gewahrsam genommen worden. Auf der Wache in Hamburg-Bergedorf habe sie sich anfangs unauffällig verhalten. Ohne Fremdeinwirkung sei sie dann zu Boden gestürzt und habe sich gegen herbeigeeilte Einsatzkräfte gewehrt. Plötzlich sei sie bewusstlos geworden und habe keine Lebenszeichen mehr gezeigt.

Anklage gegen Polizist*innen:

14. Februar: Im Fall des in im August in Dortmund getöteten Mohammed Lamine Dramé erhebt die Dortmunder Staatsanwaltschaft Anklage wegen Totschlags gegen einen der beteiligten Polizist*innen. Nach WDR-Informationen werden in dem Fall insgesamt fünf Beamte angeklagt.

Ermittlungen gegen Polizist*innen:

9. Februar: Wegen des Vorwurfs, Gefangene gegen Geld mit Drogen und Handys versorgt zu haben, hat die Polizei die Arbeitsplätze und Wohnungen von sieben Beamten der Justizvollzugsanstalt Essen, einem ehemaligen Gefängnisaufseher und einem weiteren Beschuldigten im Alter von 30 bis 46 Jahren durchsucht. Dabei wurden scharfe Munition, verschreibungspflichtige Medikamente, eine vierstellige Summe Bargeld, Utensilien zum Drogenkonsum, Mobiltelefone sowie Datenträger sichergestellt. Gegen die Beschuldigten wird wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz und/oder Bestechlichkeit ermittelt.

14. Februar: Die Generalstaatsanwaltschaft in Dresden hat die Staatsanwaltschaft Zwickau angewiesen, die Ermittlungen im vergangenen Jahr eingestellten Ermittlungen wegen des Verdacht der Weitergabe von Interna an die rechtsextreme Szene durch einen Zwickauer Polizisten weiter zu verfolgen. Der frühere Chef des Polizeireviers steht in Verdacht, eine interne Mail an den Anwalt und Vorsitzenden der rechtsextremen Partei Freie Sachsen, Martin Kohlmann, weitergeleitet zu haben. Dabei ging es um Demonstrationen am 14. Mai 2022 auf dem Hauptmarkt. Gegen den Mann war nach Bekanntwerden der Vorwürfe ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden, außerdem wurde er auf einen anderen Dienstposten versetzt.

15. Februar: In Mecklenburg-Vorpommern wurden nach Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald die Wohnungen und Diensträume von fünf Polizisten durchsucht und Datenträger und anderes Beweismaterial sichergestellt. Anlass sind Zweifel an der Verfassungstreue der Beamten wegen mutmaßlicher Verbindungen zum rechtsextremen Netzwerk „Nordkreuz“. Gegen die drei Beamten aus dem Bereich des Polizeipräsidiums Rostock und zwei von der Wasserschutz-Polizei laufen Disziplinarverfahren, drei von ihnen wurden suspendiert.

15. Februar: Gegen einen Berliner Polizist erfolgten Durchsuchungen in seiner Wohnung und an seinem Arbeitsplatz in der Direktion 5 (City) in Berlin-Kreuzberg, dort seien laut Polizei Beweismittel beschlagnahmt. Gegen den Mann wird wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und der Verletzung von Dienstgeheimnissen ermittelt. Er soll interne Informationen weitergegeben haben. Er habe sofort keinen Zugriff mehr auf das polizeiinterne Abfragesystem.

16. Februar: Eine 44 Jahre alte Kriminalpolizistin der Polizeidirektion 5 (City) in Berlin soll von beschlagnahmtem Kokain etwas für sich behalten haben und es gemeinsam mit mehreren Beamt*innen Anfang Februar gemeinsam konsumiert haben. Namentlich bekannt ist den Angaben zufolge auch eine Schutzpolizistin. Die Wohn- und Diensträume von drei Mitarbeitenden wurden wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz und des Verwahrungsbruchs durchsucht und Beweismittel beschlagnahmt, darunter „kokainsuspekte Substanz“. Am Mittwoch waren die Räume eines Polizisten derselben Direktion durchsucht worden.

21. Februar: Im Rahmen der Ermittlungen gegen einen Polizeikommissar und einen Polizeiobermeister der Direktion 5 (City) sowie sechs weitere Beschuldigte haben die Staatsanwaltschaft und das LKA Berlin abermals Wohnräume und zwei Diensträume durchsucht. Ermittelt wird wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und Bestechung, im Rahmen der Ermittlungen haben sich laut der Polizei weitere Verdachtsmomente unter anderem wegen Straftaten der Strafvereitelung im Amt, Rechtsbeugung in mittelbarer Täterschaft, Steuerhinterziehung und Geldwäsche ergeben. Die Beschuldigten stehen im Verdacht, für die sechs mitbeschuldigten Geschäftsinhaber in ihrem Dienstbereich Datenabfragen im Polizeisystem durchgeführt und diese vor anstehenden Kontrollen gewarnt zu haben. Im Rahmen der Durchsuchungsmaßnahmen an insgesamt 41 Orten in Berlin wurden mehrere digitale Datenträger und Mobilfunkgeräte sowie ca. 287.000 Euro beschlagnahmt.

27. Februar: In einem Verfahren wegen eines tödlichen Schusswaffengebrauchs durch einen Polizisten am 28.6.2020 in Gröpelingen hat die Generalstaatsanwaltschaft Bremen eine Beschwerde gegen die Einstellung der bereits neu aufgelegten Ermittlungen abgelehnt. Gegen diesen Bescheid kann vor dem Landgericht Bremen noch Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt werden.

Rechtsextreme Polizist*innen:

15. Februar: Der Verfassungsschutz überprüft den Professor der Bundespolizeiakademie Stephan Maninger wegen früherer Texte, die einen Rechtsextremismus-Verdacht nahelegen könnten. Nach einer Recherche von „Ippen Investigativ“ im Sommer 2021 darf Maninger schon seit Längerem nicht mehr unterrichten. Die Bundespolizei habe Maninger längst wieder in den Unterricht schicken wollen, will der NDR gehört haben. Das sei auf Betreiben aus der Ministeriumsspitze gestoppt worden. Maninger ist einer der Gründer des Vereins hinter dem „Institut für Staatspolitik“, das mittlerweile vom Bundesamt für Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall und vom Verfassungsschutz in Sachsen-Anhalt als gesichert rechtsextrem eingestuft wird.

Disziplinarmaßnahmen gegen Polizist*innen:

16. Februar: Wegen eines volksverhetzenden Chats unter angehenden Polizisten hat die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg Ermittlungen gegen mindestens acht Personen aufgenommen. Sie sollen während ihrer Ausbildungszeit bei der Polizei Sachsen-Anhalt an einem Klassenchat mit antisemitischen, volksverhetzenden und tierpornographischen Inhalten beteiligt gewesen sein und sollen mit zehn weiteren Beamt*innen deshalb entlassen werden. Das gab die Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) bekannt. Von 5.000 Nachrichten in der Whatsapp-Gruppe sollen 50 entsprechende Inhalte gehabt haben. Auch hier handelte es sich um Zufallsfunde eines Ermittlungsverfahrens wegen Betäubungsmitteldelikten, ähnlich wie im Falle der Polizeibeamt*innen in einer Münchener Wache (siehe Chronologie vom 15. November 2022). Einige Straftaten könnten jedoch bereits verjährt sein.

Verletzt durch Polizeischüsse:

18. Februar: Bei der Festnahme einer angeblichen Ladendiebin im Berliner Hauptbahnhof hat die Polizei auf das Mädchen geschossen und sie dabei an der Hand verletzt. Die Jugendliche war von einem Ladendetektiv bis zum Eintreffen der Polizei in dem Drogeriemarkt festgehalten worden. Nach Darstellung der Bundespolizei hätten die Polizist*innen ein Messer bei ihr am Gürtel festgestellt und sie aufgefordert, dieses wegzulegen. Sie sei damit aber auf die Beamt*innen losgegangen, die zunächst Reizgas eingesetzt hätten. Ein Polizist habe dann geschossen. Das Mädchen und mehrere durch das Reizgas Verletzte wurden in umliegende Krankenhäuser gebracht.

Rechtsextreme beim Verfassungsschutz:

Zwölf Beamte des Bundesamt für Verfassungsschutz, Mitglieder, Unterstützer oder Sympathisanten der AfD sind, treffen sich laut einem Bericht des „FOCUS“ seit drei Jahren einmal im Monat zu einer vertraulichen Runde in Köln. Sie werden als „Spezialisten in der Früherkennung und Überwachung extremistischer Gruppierungen“ beschrieben. Zwei gehörten demnach dem höheren Dienst an, alle hätten Zugang zu geheimen Verschlusssachen. Die Treffen begannen, nachdem BfV-Präsident Thomas Haldenwang alle Mitarbeiter aufrief, sich bei einer Mitgliedschaft oder Unterstützung der AfD freiwillig in der Sicherheitsabteilung zu melden.

Siehe auch „Wieso Polizeimeldungen keine neutrale Quelle darstellen“ von Copwatch Frankfurt/ M.

Beitragsbild: @solimouhamed.

Institut für Bürgerrechte & öffentliche Sicherheit e.V.