Polizeiproblem 7/2023

Ermittlungen gegen Polizist*innen:

4. Juli: Nach einem Autobrand auf dem Gelände des Anti-Terror-Zentrums in Berlin-Tempelhof haben Ermittler in einem Blechschrank unerlaubt gelagerte Munition entdeckt. Dabei soll es sich um 200 Patronen unterschiedlichen Kalibers gehandelt haben, darunter auch Munition, wie sie von den Präzisionsschützen des Spezialeinsatzkommandos (SEK) verwendet wird. Nach Angaben einer Zeitung seien disziplinarrechtliche Ermittlungen gegen eine Dienstkraft des LKA 6 eingeleitet worden.

6. Juli: Im Strafprozess gegen einen Inspekteur der Polizei wegen sexueller Nötigung vor dem Stuttgarter Landgericht hat die mutmaßlich Geschädigte nun auch die Zivilkammer des Landgerichts angerufen und begehrt eine einstweilige Verfügung gegen die Verteidigerin des ranghöchsten Polizeibeamten Baden-Württembergs. Die Frau fordert, dass der Anwältin bestimmte Äußerungen und Behauptungen untersagt werden, die diese in einer Pressemitteilung zu Beginn des Strafprozesses Ende April verbreitet hatte. Darin wird ihr vorgeworfen, bewusst Kontakt zu älteren und beruflich höher gestellten Männern gesucht zu haben, um ihre Karriere voranzubringen.

14. Juli: Die Dresdner Polizei ermittelt gegen einen Studenten der Sächsischen Polizeihochschule wegen Körperverletzung und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Der 22-Jährige soll in einer Bar an der Löbtauer Straße in Dresden wiederholt den Hitlergruß gezeigt haben. Auch habe er Getränke anderer Gäste gestohlen und sei mit diesen aus der Bar geflohen. Als alarmierte Polizisten den Tatverdächtigen in der näheren Umgebung aufgriffen, habe der Polizeikommissar-Anwärter einen Mitarbeiter vom Sicherheitsdienst des Lokals gebissen..

18. Juli: Die Polizei Berlin ermittelt gegen einen Beamten der Brennpunkt- und Präsenzeinheit, weil dieser während eines Einsatzes im Görlitzer Park Gegenstände unterschlagen haben soll. Dort war nach Angaben der Polizei ein Mann unerkannt geflüchtet, nachdem er die Einsatzkräfte gesehen hatte. Er ließ einen Rucksack zurück, in dem sich unter anderem eine Musikbox und eine Powerbank befand. Diese soll der Polizeibeamte unterschlagen haben.

28. Juli: Die Bundespolizei hat gegen eine Polizeihauptkommissarin in Rostock, die sich zur Letzten Generation bekennt und dort mitarbeitet, ein Disziplinarverfahren eröffnet. Die Frau ist nach eigenen Angaben für den Austausch zwischen der Gruppe und der Polizei zuständig (angeblich in einer eine „Arbeitsgruppe ‚Polizeivernetzung'“). Jedoch sei sie bislang weder dienstlich noch privat bei Straßenblockaden anwesend gewesen.

Polizeischüsse:

6. Juli: Bei einer Kontrolle will die Polizei ein Fahrzeug mit mehreren Insassen überprüft haben. Dabei habe sich nach Angaben der Pressestelle herausgestellt, dass eine der Personen per Haftbefehl gesucht wird. Der 27-jährige Gesuchte sei allein davongefahren, verfolgt von der Polizei. Der angeblich Wohnsitzlose habe die Kontrolle über das Fahrzeug verloren und sei zu Fuß weiter geflüchtet. Ein Polizist sei ihm gefolgt, dabei sei es zu einer „Schussabgabe“ gekommen. „Nach einer ersten Bewertung durch die Staatsanwaltschaft Dortmund war die Abgabe des Warnschusses rechtmäßig“, heißt es in einer Pressemitteilung des Polizeipräsidiums Recklinghausen tags darauf.

Anklage gegen Polizist*innen:

11. Juli: Das Landgericht Frankfurt hatte die Anklage gegen Beamte des 1. Reviers in Frankfurt nicht zugelassen, weil ihre rassistischen und antisemitischen Chatgruppen klein und exklusiv seien. Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt widerspricht dem jetzt. In ihrer Stellungnahme für das Oberlandesgericht heißt es, dass die Anklage der Staatsanwaltschaft Frankfurt entgegen dem Beschluss des Landgerichts Frankfurt zugelassen werden und das Hauptverfahren eröffnet werden muss. Bei 83 der 101 angeklagten Taten seien tatsächlich Inhalte im strafrechtlichen Sinn verbreitet worden.

13. Juli: Das Mannheimer Landgericht verhandelt ab dem 12. Januar gegen zwei Polizeibeamte, die unverhältnismäßige Gewalt bei der Festnahme eines psychisch Kranken am 2. Mai 2022 eingesetzt haben könnten. Dabei starb ein 47-jähriger Patient des Mannheimer Zentralinstituts für seelische Gesundheit. Laut einem Gutachten der Staatsanwaltschaft Mannheim erstickte der Mann aufgrund seiner Fixierung am Boden. Einem der Beamten wird Körperverletzung im Amt mit Todesfolge in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung vorgeworfen, dem anderen fahrlässige Tötung durch Unterlassen.

Tod nach Polizeieinsatz:

11. Juli: Ein 39 Jahre alter Mann starb nach einem Polizeieinsatz in der Stralauer Allee in Berlin. Laut dem Polizeipräsidium sei der Mann „randalierend und belästigend“ aufgetreten, auf einer nahegelegenen Baustelle soll er „wirr“, geredet und die Tasche eines Zeugen in die Spree geworfen haben. „Aufgrund gewalttätigen Verhaltens“ sei er von der Polizei „zu Boden“ gebracht und gefesselt worden. Der Mann habe dabei über Atemnot geklagt.

Urteile gegen Polizist*innen:

14. Juli: Im Prozess gegen den baden-württembergischen Inspekteur der Polizei ist der Angeklagte freigesprochen worden, entschied das Landgericht Stuttgart. Dem 50-jährigen Spitzenbeamten wurde vorgeworfen, im November 2021 eine jüngere Hauptkommissarin sexuell genötigt zu haben. Der ranghöchste Polizist des Landes habe seine Machtstellung als Vorgesetzter demnach nicht missbraucht, um die Kommissarin zu sexuellen Gefälligkeiten zu drängen. Nach Einschätzung des Gerichts sei der Austausch von Zärtlichkeiten in einer Bar „einverständlich“ gewesen. Die Nebenklägerin, die den Inspekteur angezeigt hatte, muss die Kosten des Verfahrens tragen.

17. Juli: Das Amtsgericht Hameln hat am 20. Juni einen Polizeibeamten der örtlichen Inspektion wegen Beleidigung zu 90 Tagessätzen mit insgesamt 8.550 Euro verurteilt. Mit 91 Tagessätzen hätte der Beamte als vorbestraft gegolten. Zudem muss er seiner ehemaligen Vorgesetzten Schadenersatz von 1.500 Euro zahlen. Als Polizeioberkommissar hat der Verurteilte seinen Kollegen aus der Fahndungsgruppe in einem Whatsapp-Chat diskreditierende Nachrichten geschickt, darunter über eine türkisch-stämmige Kollegin. Nach NDR Informationen hat die Dienststelle selbst nicht nur keinen Strafantrag gestellt, sondern sich explizit dagegen entschieden.

18. Juli: Wer verfassungsfeindliche Symbole in privaten Chatnachrichten empfängt oder versendet, kann nach einem Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts als Bewerber für den Polizeidienst abgelehnt werden. Zwar könne aus dem Weiterleiten von rassistischen und den Holocaust verharmlosenden Bildern noch keine rechtsradikale Überzeugung abgeleitet werden. Für die Ablehnung sei jedoch bereits das unreflektierte, aber bewusste Versenden der Bilder mit menschenverachtenden und antisemitischen Bezügen ausreichend.

25. Juli: Das Düsseldorfer Verwaltungsgericht hat die Entlassung zweier Polizeianwärter nach rechtsextremen Äußerungen als gerechtfertigt bestätigt. Durch das Verschicken von Hitler-Bildern mit entsprechenden Text-Zusätzen habe ein 26-jähriger Kommissaranwärter den Nationalsozialismus verharmlost. Damit sei er für den Polizeidienst charakterlich nicht geeignet. Dass sich der Mann wie von ihm in der Verhandlung betont während seiner dreijährigen Ausbildung ansonsten unauffällig verhalten habe, sei „eine Selbstverständlichkeit“, sagte der Richter. Auch ein 21-jähriger Polizeianwärter aus Duisburg muss sich vom Polizeiberuf verabschieden, wenn das Urteil Bestand hat: Seine zur Tatzeit als 17-jähriger verfassten, antisemitischen und rassistischen Chat-Beiträge seien stark menschenverachtend, so das Gericht.

Polizei und Pressefreiheit:

Das Hamburger Verwaltungsgericht hat die Polizei der Hansestadt verurteilt, eine Presseanfrage des „Stern“ zu korrekt zu beantworten. Der hatte sich erkundigt, wie viel Honorar der Extremismusforscher Peter Neumann für seine Beurteilung des vom Amokläufer Philipp F. geschriebenen Buches erhalten hat. Mit der Begründung, dies sei ein Geschäftsgeheimnis, hatte die Pressestelle eine Antwort verneint. Behörden seien aber verpflichtet, der Presse „die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen“ so die die drei Richter. Die Presse müsse auch nicht wie von der Polizei verlangt darlegen, wofür sie Informationen brauche.mmo

Beitragsbild: Solidaritätsdemonstration am 15. Juli für den 19-jährigen Bilel aus Herford, auf den die Polizei bei einer Verkehrskontrolle 34 Mal geschossen hat (Sebastian Weiermann)

Institut für Bürgerrechte & öffentliche Sicherheit e.V.