Polizeiproblem 4/2024

Polizeiliche Todesschüsse:

3. April: Bei einem Polizeieinsatz in der Dortmunder Innenstadt ist ein Obdachloser erschossen worden, schreibt das Polizeipräsidium Recklinghausen. Laut ersten Zeugenaussagen und der Sichtung von Bodycam-Aufzeichnungen soll der der 52-jährige eine etwa 2,5 Meter langen Metallstange aus dem Gerüstbau in der Hand gehalten haben, schreibt das Polizeipräsidium Recklinghausen. Damit habe er einen anderen Obdachlosen traktiert. Nachdem die Beamt*innen eintrafen, habe er mit der Eisenstange gegen die Tür der Reinoldikirche geschlagen. Daraufhin hätten die Beamt*innen „mehrfach“ einen Taser eingesetzt. Nachdem dieser jedoch „kaum Wirkung“ gezeigt habe, und sich sich „der Beschuldigte mit der erhobenen Eisenstange weiter auf Polizeibeamte zubewegte“, habe ein Polizist schließlich einen Schuss aus seiner Dienstwaffe abgegeben. Auf einem Video ist indes zu sehen, dass ein Polizist schoss, während ein anderer Beamter sich auf den Mann zubewegte und offenbar versuchte, diesem die Stange abzunehmen. Das Opfer erlag seinen schweren Verletzungen im Krankenhaus.

23. April: Laut einer ersten Pressemitteilung von Polizei und Staatsanwaltschaft in Mannheim soll sich ein mit einer Machete bewaffnete Mann, gegen den bereits ein Hausverbot vorgelegen haben soll, im Bereich der Universitätsbibliothek aufgehalten haben. Bereits vor Eintreffen der Streifenwagenbesatzung sei der 32-Jährige gegen eine Angestellte der Bibliothek handgreiflich geworden. „In der Folge kam es zu einer Bedrohungslage gegenüber den Einsatzkräften, welche im weiteren Verlauf von ihrer Schusswaffe Gebrauch machen mussten“, heißt es dazu vage. Der Angeschossene verstarb schließlich im Krankenhaus.

Anklage gegen Polizist*innen:

3. April: Dreieinhalb Jahre nach einem umstrittenen Polizeieinsatz in Frankfurt-Sachsenhausen hat die Staatsanwaltschaft zwei Beamte wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt angeklagt. Sie sollen einen bereits gefesselten Mann mehrfach getreten und geschlagen und ihm Pfefferspray ins Gesicht gesprüht haben. Von dem Vorfall existieren im Internet veröffentlichte Videoaufnahmen. Vor Gericht sollen sich ein 37 Jahre alter Polizeioberkommissar und ein 28 Jahre alter Polizeikommissar verantworten. Die Ermittlungen gegen einen dritten Polizisten wurden mangels Tatverdacht eingestellt. Dem 34 Jahre alten Polizeioberkomissar war vorgeworfen worden, das 32 Jahre alte Opfer im Streifenwagen weiter getreten zu haben.

17. April: Der am 10. April in Berlin vor dem Landgericht begonnene Zivilprozess gegen das Land Berlin wegen Schmerzensgeld für die Ehefrau von Hussam Fadl endet mit einer Klageabweisung. Der damals 29-jährige Geflüchtete aus dem Irak war 2016 von der Berliner Polizei erschossen worden. In ihrer Sammelunterkunft war die Polizei angerückt, weil ein Bewohner die sechsjährige Tochter der Beiden sexuell missbraucht haben soll. Der Tatverdächtige saß bereits gefesselt im Polizeiauto, als Fadl auf den Platz vor der Unterkunft stürmte. Drei Polizisten schossen viermal von hinten auf ihn. Bis heute ist ungeklärt, weshalb diese das Feuer eröffneten. Die Staatsanwaltschaft hatte die Ermittlungen mit dem Verweis auf Notwehr und Nothilfe 2017 eingestellt. Die Witwe Fadls zog deshalb bis vor den Berliner Verfassungsgerichtshof. Nachdem ihre Verfassungsbeschwerde Erfolg hatte, muss sich erneut das Kammergericht damit befassen.

29. April: In Dresden beginnt der Prozess gegen drei ehemalige Mitglieder des Mobilen Einsatzkommandos (MEK) wegen Bestechlichkeit in Tateinheit mit Diebstahl sowie unerlaubtem Erwerb und Besitz von genehmigungspflichtiger Munition. Hintergrund ist ein Schießtraining von 2018 auf einem privaten Schießplatz in Güstrow, das die Beamten offenbar mit 7000 Schuss Munition aus eigenen Beständen bezahlten und weitere Munition entwendeten.

Ermittlungen gegen Polizist*innen:

4. April: Wegen des Verdachts auf rechtsextremistische Gesinnung und Verschwörungsideologien stehen derzeit mindestens 400 Polizeibeamt*innen der Länder im Fokus von Disziplinarverfahren oder Ermittlungen, berichten „Stern“ und RTL. Da mit Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Bremen und Thüringen vier Bundesländer keine aktuellen Zahlen liefern konnten, dürfte die tatsächliche Zahl deutlich höher liegen. Regionalsender liefern diese Informationen nach: 47 der Disziplinarverfahren sind einem Bericht zufolge in Hessen anhängig. Bei der Zahl 400 im Vergleich zu der hessischen Zahl 47 sei jedoch laut dem Innenministerium zu beachten, dass in den Bundesländern zum einen teilweise andere Einstufungs- und Erfassungsparameter für rechte Verdachtsfälle gelten würden. In Niedersachsen wird nach Auskunft des Innenministeriums derzeit gegen 12 Polizist*innen wegen des Verdachts auf eine rechtsextremistische Gesinnung ermittelt. Hinzu kommen drei weitere Polizeibeamt*innen, gegen die Disziplinarverfahren wegen des Verdachts einer verschwörungsideologischen Einstellung geführt würden. Neun Bremer Polizist*innen sind wegen rechter Tendenzen unter Verdacht (außerdem laufen gegen sechs Mitarbeiter*innen des Innenressorts und eineN des Justizressorts Disziplinarverfahren wegen Rechtsextremismusverdachts). In Hamburg laufen gegen acht Polizisten Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts mangelnder Verfassungstreue. In Schleswig-Holstein laufen ebenfalls gegen acht Polizeibeamt*innen Disziplinarverfahren wegen Extremismusverdachts. Aus Mecklenburg-Vorpommern liegen derzeit keine aktuellen Zahlen zu Verfahren vor. Die letzten Daten gebe es aus dem Jahr 2022: Seinerzeit habe es fünf Disziplinarverfahren im Zusammenhang mit der politischen Treuepflicht in der Landespolizei gegeben.

9. April: Beim Bundeskriminalamt laufen derzeit drei Verfahren gegen Polizisten wegen des Verdachts auf eine rechtsextreme Gesinnung oder das Vertreten von Verschwörungsideologien. In zwei Fällen wurden Disziplinarverfahren eingeleitet. Alle Verfahren lassen sich dem Bereich „Politisch motivierte Kriminalität – rechts“ zuordnen.

10. April: Die Staatsanwaltschaft in Berlin ermittelt gegen einen Beamten der Kreuzberger Polizeidirektion 5 wegen Verrat von Dienstgeheimnissen. Als Angehöriger der Abteilung FAO (Fahndung/Operative Dienste) soll der Mann Daten aus dem Polizeicomputer verkauft haben. Diese Abfragen sollen sich auf Ermittlungen auf Grundlage von durch Behörden gehackte EncroChat-Daten bezogen haben.

11. April: Gegen Angehörige der Bundespolizei werden derzeit acht Disziplinarverfahren wegen des Verdachts einer rechtsextremistischen Gesinnung geführt, in weiteren zehn Fällen wegen des Vertretens von Verschwörungsideologien. Wegen Verschwörungsnarrativen sind außerdem in zwei Fällen Strafverfahren anhängig. Laufende Strafverfahren wegen rechtsextremistischer Gesinnung gibt es aktuell nicht – oder sie sind bereits abgeschlossen.

26. April: Die Polizeidirektion Göttingen hat einem Beamten aus Nienburg, der an dem tödlichen Polizeieinsatz vom Karsamstag beteiligt war, das Führen der Dienstgeschäfte vorläufig untersagt und dienstrechtliche Ermittlungen aufgenommen. Der Diensthundeführer hatte rechte und verschwörungsideologische Inhalte in sozialen Netzwerken geteilt und kommentiert. Bei dem Einsatz war der 46-Jährige Gambier Lamin Touray von acht Schüssen getroffen und getötet worden.

28. April: Weil das Springer-Blatt „B.Z.“ aus einem internen Papier der Berliner Polizei zitiert, ermittelt diese jetzt wegen Geheimnisverrats gegen die eigenen Kollegen. Es geht darin um eine sogenannte Gefährdungsbewertung zu „gewaltorientierten Linksextremisten des autonomen und postautonomen Spektrums sowie aktionsorientierter linker Klientel“ und deren mutmaßliches Agieren am 1. Mai.

Urteile gegen Polizist*innen

15. April: Das Disziplinarverfahren gegen die Bundespolizistin und bekannte Eisschnellläuferin Claudia Pechstein wegen eines Auftritts in Uniform bei einer CDU-Veranstaltung ist gegen eine Geldbuße von 500 Euro eingestellt worden. Für ein mildes Urteil sorgten Pechsteins sportlichen Verdienste sowie, dass sie Reue zeigte. In ihrer damaligen rede sollte sie über eine Stärkung des Vereins- und Schulsports sprechen und hetzte dann gegen Migrant*innen sowie gegen geschlechtssensible Sprache.

16. April: Mit der Zahlung mit insgesamt 1.600 Euro Schadensersatz und einem Vergleich endet ein langjähriges Gerichtsverfahren zwischen der Nichtregierungsorganisation Attac und der Polizei Hamburg. Geklagt hatten drei von Polizeigewalt betroffene Attac-Mitglieder im Januar 2018, ein halbes Jahr nach den G20-Gipfelprotesten. Sie waren Opfer massiver Polizeigewalt geworden, als sie versucht hatten, Straßen zu blockieren und in die Demoverbotszone zu gelangen. Zunächst hatte die polizeiinterne Ermittlungsstelle gegen die Polizist*innen ermittelt, die Staatsanwaltschaft wurde wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt tätig. Das Verwaltungsgericht wollte diese Ermittlungen abwarten wollte, drei Jahre lang passierte jedoch nichts. Schließlich stellte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen ein. Das Verwaltungsgericht wurde erst tätig, nachdem die Attac-Mitglieder eine Untätigkeitsbeschwerde einlegten. Daraufhin schlug das Gericht einen Vergleich vor.

16. April: Das Polizeipräsidium Duisburg hat es zu Recht abgelehnt, einen Kommissaranwärter, der während seines Vorbereitungsdienstes ausländerfeindliche und Menschen mit Behinderung herabwürdigende Bilder in einer Chatgruppe verbreitet hat, in das Beamtenverhältnis auf Probe zu übernehmen. Das hat die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf entschieden und damit die Klage des ehemaligen Polizeibeamten abgewiesen.

18. April: Die Frage eines Polizeibeamten nach der „wirklichen“ Herkunft ist diskriminierend, entschied das Amtsgericht Berlin-Mitte. Zur Entschädigung soll das Land Berlin nun 750 Euro an den Kläger zahlen. Der Student Syed N. war mit einem Bekannten auf dem Fahrrad unterwegs und wurde von der Polizei angehalten. Bei der Identitätskontrolle habe N. auf die Frage nach seiner Herkunft mit „Bochum“ geantwortet. Daraufhin habe einer der Polizeibeamten ihn nachgeäfft und gefragt, woher er denn „eigentlich“ oder „wirklich“ herkomme. Es war die erste Verurteilung der Berliner Polizei nach dem Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG). Innerhalb eines Monats kann die Behörde in Berufung gehen.

20. April: In einem Fall von Polizeigewalt vor 29 Jahren, der einen Bandscheibenvorfall von Iris K. auslöste der schließlich zur Arbeitsunfähigkeit führte, hat das Oberlandesgericht nach einem seit 13 Jahren andauernden Prozess ein neues Gutachten angefordert. Dieses sieht aber keine Beweise für einen Zusammenhang. Iris K. streitet für eine Grundsicherung 2.000 Euro pro Monat bis zu ihrem Rentenbeginn in mehr als zehn Jahren.

Polizeischüsse:

4. April: In Uhldingen-Mühlhofen am Bodensee fiel bei einem Polizeieinsatz mindestens ein Schuss. Ein Mann, der mit einem Messer gedroht haben soll, wurde festgenommen.

Tod im Polizeigewahrsam:

17. April: In einer Sammelzelle des Polizeikommissariats 11 in Hamburg starb ein 32-Jähriger im Gewahrsam. Dorthin war er verbracht worden, da er gegen ein Aufenthaltsverbot verstoßen haben soll. Als der Mann am Morgen wieder entlassen werden sollte, fanden die Beamten ihn leblos vor. Nach Angaben der Polizei gibt es derzeit keine Hinweise auf Fremdverschulden.

Waffenprobleme:

18. April: Nach der landesweiten Waffenrevision bei der sächsischen Polizei stimmt der Bestand aller aktuell in Nutzung befindlichen Schusswaffen mit dem Nachweissystem überein. Jedoch hat die Revision in der Polizeidirektion Görlitz das Fehlen von vier nicht mehr aktiven Schusswaffen festgestellt. Zudem gibt es eine Abweichung bei der Einsatzmunition von fünf Patronen. Die Waffenrevision war am 7. August 2023 durch den Inspekteur der Polizei angeordnet worden, nachdem im Polizeirevier Riesa 2023 eine Maschinenpistole MP 5 mit Munition zunächst nicht aufgefunden werden konnte.

Institut für Bürgerrechte & öffentliche Sicherheit e.V.