In zwei RABIT-Missionen entsendet die EU-Grenzagentur 100 zusätzliche BeamtInnen an die griechisch-türkische Grenze. Von den insgesamt 600 Einsatzkräften für Frontex stammt ein großer Teil aus Deutschland.
Frontex hat zwei neue Missionen in Griechenland begonnen. Nach einem Beschluss des Direktors Fabrice Leggeri entsendet die EU-Grenzagentur ein Soforteinsatzteam für Grenzschutzzwecke mit „technischen Einsatzmitteln“ in die Ägäis. Ein weiterer Einsatz erfolgt seit heute zur Verstärkung von polizeilichen und militärischen Einheiten an der Landgrenze zur Türkei. Vorausgegangen war eine Anforderung der Regierung in Athen.
Die Einsätze stimmt Frontex auch mit der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ab, die am 3. März mit dem Parlaments- und dem Ratspräsidenten die griechisch-türkische Landgrenze besucht hat. Von der Leyen verlor kein Wort über die von Griechenland verhängte einmonatige Aussetzung von Asylanträgen und kommentierte auch griechische Übergriffe auf Geflüchtete nicht. Stattdessen lobte sie die Maßnahmen der Regierung als „europäisches Schild“ und versprach eine finanzielle Soforthilfe von 700 Millionen Euro für „Migrationsmanagement“.
Frontex seit 2010 in Griechenland
Die PolizistInnen stammen nicht aus der „Ständigen Reserve“ („Standing Corps“), die Frontex nach einem Beschluss vom vergangenen Jahr bis 2027 mit 10.000 Einsatzkräften einrichtet. Ihre Entsendung erfolgt stattdessen im Rahmen der „Rapid Border Intervention Teams“ (RABITs), zu denen 1.500 Personen gehören. Sie kamen zuerst vor zehn Jahren in Griechenland zum Einsatz. Frontex verspricht, dass die RABITs innerhalb von 10 Tagen einsatzbereit sind. Ab 2021 werden sie in die „Ständige Reserve“ überführt.
Seit 2011 firmiert der Frontex-Einsatz in Griechenland als „Gemeinsame Operation Poseidon“, die mit bis zu 13 Schiffen in der Ägäis tätig ist. Hinzu kommen Einsätze zur Grenzkontrolle („Joint Operation Focal Points Land“) in der Region des Grenzflusses Evros.
Laut der Bundesregierung haben derzeit 27 EU-Mitgliedstaaten und schengenassoziierte Länder insgesamt 509 GrenzbeamtInnen in Griechenland stationiert sowie Schiffe, Boote, Flugzeuge, Hubschrauber, Einsatzfahrzeuge, Busse und fahrbare Wärmebildanlagen dorthin verlegt. Mit den RABIT-Einsätzen koordiniert Frontex demnach mehr als 600 Einsatzkräfte an griechischen Land- und Seegrenzen.
Ausrüstung aus Technik-Pool
Über Art und Umfang der beiden neuen RABIT-Soforteinsätze entschied der Frontex-Direktor Leggeri. Angefordert waren 108 BeamtInnen, in der Pressemitteilung anlässlich des Beginns der Operationen ist von 100 die Rede. Sie sind in eigenen Fahrzeugen unterwegs und stammen unter anderem aus Polen, Italien, Spanien, Österreich, Slowenien und den Niederlanden. Zehn „Border Surveillance Officer“ und einen „Frontex Support Officer“ entsendet die Bundespolizei zunächst bis zum 6. Mai, wobei unklar ist ob diese an den Land- oder Seegrenzen eingesetzt werden.
Für die griechisch-türkische Landgrenze bringt Österreichs Polizei einen Sonderwagen „SurvivorR“ und zwei Drohnen mit. In die Ägäis schickt Frontex ein Hochsee-Patrouillenschiff, sechs weitere Küstenpatrouillenschiffe, zwei Hubschrauber, ein Flugzeug und drei Fahrzeuge mit Nachtsichtanlagen auf die Ägäis-Inseln.
Die Ausrüstung stammt aus dem „Rapid Reaction Equipment Pool“ und dem allgemeinen „Technical Equipment Pool“ von Frontex, an dem sich auch deutsche Polizeibehörden mit drei Hubschraubern, einem Einsatzschiff, zwei Patrouillenbooten, zehn Wärmebildkameras, zwei Einsatzfahrzeugen und einem mobilen Herzschlagdetektor beteiligen. Einer der deutschen Hubschrauber samt achtköpfiger Besatzung wird jetzt auf Samos verlegt. Dort stationiert die Bundespolizei bereits seit 2016 ihre zwei Patrouillenboote samt 27-köpfiger Besatzung aus dem „Technical Equipment Pool“.
Deutsche Grenzüberwachung und -kontrolle
Insgesamt beteiligen sich deutsche Polizeien nach Angaben der Bundesregierung jetzt mit 77 Einsatzkräften an Frontex-koordinierten Einsätzen in Griechenland. Elf deutsche PolizistInnen waren bereits im Rahmen von „Poseidon“ für Grenzkontrollen an den Übergangen Kastanies, Kipi und Evzoni eingesetzt, weitere 29 auf den fünf Ägäis-Inseln. Auf Lesbos übernehmen die insgesamt 15 deutschen BeamtInnen auch die Registrierung von Geflüchteten im Lager Moria und unterstützen Rückführungen in die Türkei.
Grenzkontrollen mit deutschem Personal erfolgen außerdem mit 12 PolizeibeamtInnen an Flug- und Seehäfen in Piräus, Athen, Thessaloniki, Heraklion, Rhodos, Igoumenitsa und Patras. Dabei handelt es sich (außer in Piräus) nicht um Frontex-Missionen, sondern um Einsätze von „Grenzpolizeilichen Unterstützungsbeamten Ausland“ (GUA), die das Bundesinnenministerium auf Grundlage bilateraler Vereinbarungen entsendet.
Allein 34 deutsche PolizistInnen patrouillierten zudem im vergangenen Jahr mit zehn Streifenfahrzeugen an griechischen Landgrenzen, darunter an den aktuellen Brennpunkten am Evros.
Weitere Aktivitäten in der Region
Auch in Griechenlands Nachbarstaaten ist deutsche Polizei im Einsatz. Zehn BeamtInnen überwachen im Rahmen der ersten Frontex-Mission in einem Drittstaat in eigenen Fahrzeugen die albanisch-griechische Landgrenze. Weitere 20 assistieren bulgarischen Behörden an der bulgarisch-türkischen Grenze. Ihr Einsatz erfolgt im Rahmen der „Flexible Operational Activities“ (FOA) von Frontex.
Vermutlich wird das deutsche Kontingent in der Region bald aufgestockt. Sofern „weiterer Unterstützungsbedarf“ festgestellt wird, könnte das Bundesinnenministerium neue PolizistInnen nach Griechenland entsenden. Im Einsatzverlauf der RABIT-Missionen sei außerdem eine Beteiligung von Polizeieinheiten der Bundesländer vorgesehen.
Beitragsbild: Start des Frontex-Soforteinsatzes an der griechisch-türkischen Landgrenze am 13. März 2020 (Pressestelle der Regierung in Athen).