Literatur

Zum Schwerpunkt

Weil alle Tätigkeit im Bereich von Polizei und Sicherheit als „Prävention“ deklariert werden kann, ist die Literatur nicht weniger begrenzt. Im Folgenden sei deshalb nur auf einige ausgewählte Veröffentlichungen aus der Diskussion in Deutschland hingewiesen.

Die Kriminalprävention. Europäische Beiträge zu Kriminalität und Prävention. Zeitschrift des Europäischen Zentrums für Kriminalprävention, erscheint seit 1997, 4 Hefte pro Jahr

Forum Kriminalprävention. Zeitschrift der Stiftung Deutsches Forum für Kriminalprävention, erscheint seit 2001, 4 Hefte pro Jahr

Ein beredtes Zeugnis für die Vielschichtigkeit des Präventionsbegriffes liefern diese beiden Zeitschriften, die sich ausweislich ihres Namens ganz der Präventionsidee verschrieben haben. Ein Blick in die Hefte des letzten Jahrgangs offenbart die breite Palette dessen, was „Kriminalprävention“ sein soll. In „Die Kriminalprävention“ überwogen Berichte über Jugendliche und Jugendkriminaltität: von Schuluniformen bis zur Bedeutung von Cliquen, von der Gewalt und ihrer Prävention an Schulen bis zum Stuttgarter Haus des Jugendrechts, vom Positionspapier zur Jugendkriminalität der Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen bis zum mehrteiligen Bericht über die Hallenser Gewaltstudie. Daneben stehen Beiträge, die sich mit der Korruptionsprävention oder der „Bekämpfung der Organisierten Kriminalität in Bulgarien“, mit „politischer Kultur“ als Voraussetzung erfolgreicher Kriminalprävention oder eher essayartig mit dem Verhältnis von Kriminalität und Gesellschaft beschäftigen. Die Hefte werden jeweils mit „aktuellen Meldungen“ eingeleitet; deren Themenspektrum reicht vom Freiwilligen Polizeidienst bis zur deutschen CEPOL-Präsidentschaft. Abgerundet wird das Informationsangebote in jedem Heft durch den „Präventionskalender“ des „Deutschen Forums für Kriminalprävention“ und – technische Prävention darf nicht fehlen – den Meldungen des „Bundesverbandes der Hersteller- und Errichterfirmen von Sicherheitssystemen e.V. (BHE).

Inhaltlich noch bunter – dem aufwendigen und farbigen Layout entsprechend – ist die Zeitschrift des Deutschen Forums für Kriminalprävention. Hier standen 2006 Berichte über die Sicherheitsforschung neben solchen über die Straßenbeleuchtung. Befunde zur Videoüberwachung werden ebenso vorgestellt wie die Aktionen des Württembergischen Fußballverbandes. Andere Themen waren: Gewalt gegen SeniorInnen, Gewalt an Schulen, Terrorismus, Rechtsextremismus, Sicherungstechnik, kommunale Kriminalprävention, europäische Präventionsnetzwerke oder Alkohol im Straßenverkehr …

Bundeskriminalamt (Hg.): Vorbeugende Verbrechensbekämpfung. Arbeitstagung im Bundeskriminalamt Wiesbaden vom 20. April bis 24. April 1964, Wiesbaden 1965

Bundeskriminalamt (Hg.): Polizei und Prävention. Arbeitstagung des Bundeskriminalamtes Wiesbaden vom 3. November bis 7. November 1975, Wiesbaden 1976

Man sei sich, so der damalige BKA-Abteilungspräsident Gemmer, bereits bei der 64er Arbeitstagung einig gewesen, dass man es bei der Prävention „mit der wichtigsten, der ‚vornehmsten‘ Aufgabe der Polizei zu tun“ habe. 1964 – unter einem Titel, der erst ein bis zwei Jahrzehnte später Karriere machte – diskutierte die Arbeitstagung über die Rolle der Kriminalpolizei in der Prävention, über die Bedeutung der Öffentlichkeitsarbeit, über Beratung, „Intensivierung der kriminalpolizeilichen Fahndung in Stadt und Land“ oder „Sicherungsverwahrung, vorbeugende Verwahrung (Jungtäterverwahrung)“ als präventive Instrumente. Ein Jahrzehnt später war der mit Herold verbundene Präventionsaufschwung auch auf der Arbeitstagung zu spüren. Das Programm war mit Vorträgen einiger externer Experten angereichert (Kerner, Schwind, Sack). Beiträge zum Jugendschutz standen neben solchen zur Wirtschaftskriminalität; das kriminalpolizeiliche Vorbeugungsprogramm wurde ebenso vorgestellt wie über die Reichweite der „Prävention durch Repression“ diskutiert wurde.

Herold, Horst: Polizeiliche Informationsverarbeitung als Basis der Prävention, in: Deutsche Kriminologische Gesellschaft (Hg.): Prävention und Strafrecht, Heidelberg, Hamburg 1977, S. 23-35

Dieser Text gibt in Reinform den präventiven Geist der Ära Herold wieder. Es komme darauf an, Polizei und Justiz „regelkreisartig ablaufenden Prozessen der Selbststeuerung und Selbstoptimierung zu unterstellen, um auf diese Weise eine Lernfähigkeit zu entwickeln, die auf einer höheren qualitativen Stufe Repression durch Prävention ersetzt …“.

Kube, Edwin: Systematische Kriminalprävention (BKA-Forschungs­reihe, Sonderband), Wiesbaden 1987 (2., erw. Auflage)

Ein Jahrzehnt später war wieder Realismus eingekehrt. Kube orientierte seine Darstellung an der medizinischen Terminologie von primärer, sekundärer und tertiärer Prävention. Der Schwerpunkt polizeilicher Präventionsarbeit liege in der Sekundärprävention. Deren wirksamste Strategie seien die gezielten Veränderungen der Gelegenheitsstruktur (einschließlich der Erhöhung des Täterrisikos) – weshalb ein strafbewehrtes Vermummungsverbot oder die Kronzeugenregelung klar zum präventiven Repertoire gehörten.

Grimm, Dieter: Verfassungsrechtliche Anmerkungen zum Thema Prävention, in: Ders.: Die Zukunft der Verfassung, Frankfurt am Main 1991, S. 197-220

Dieser Aufsatz des späteren Verfassungsrichters reflektiert den Höhepunkt wohlfahrtsstaatlicher Interventionen. Thematisiert werden die Folgen für das (Verfassungs-)Recht, wenn der Staat versucht, präventiv-gestaltend in verschiedene Lebenssachverhalte einzugreifen: Berechenbarkeit und Kontrollierbarkeit staatlichen Handelns schwinden, das Recht öffnet Räume für exekutives Handeln statt sie zu begrenzen.

Ziegler, Holger: Prävention – Vom Formen der Guten zum Lenken der Freien, in: Widersprüche 2001, Nr. 79, S. 7-24

Bröckling, Ulrich: Die Macht der Vorbeugung. 16 Thesen zur Prävention, in: Widersprüche 2002, Nr. 86, S. 39-52

Beide Aufsätze thematisieren die präventive Kehre im größeren Kontext der Wandlungen sozialer Kontrolle. Ziegler zeichnet den Stellenwert prä­ventiver Orientierungen in unterschiedlichen gesellschaftlichen Kontrollarrangements nach: Fordismus, Postfordismus, Neoliberalismus. Für die Gegenwart werden zwei (präventive) Kontrollstrategien diagnostiziert. Einerseits werden Individuen und soziale Milieus zum selbstbewussten Gestalten ihres Lebens ermuntert. Staatliche Verantwortung wird nach unten abgegeben, der Staat zieht sich zurück und regiert „aus der Distanz“. Andererseits nehmen für diejenigen, die diesem Muster nicht folgen (können, wollen), Ausschluss, Repression und Bestrafung zu. In Bröcklings Thesen werden die Voraussetzungen und Ambivalenzen der Präventionslogik besonders deutlich: Aller Prognose zum Trotz, Prävention fußt auf Unberechenbarkeit. In den ausgefeilteren Prognosemodellen wird das Individuum durch ein Risikofaktorenbündel ersetzt, während gleichzeitig Subjekte unterstellt werden, die ihr eigenes Leben und ihre unmittelbare Umgebung präventiv gestalten können.

Northoff, Robert (Hg.): Handbuch der Kriminalprävention, Baden-Baden 1997 ff. (Loseblattsammlung)

Ammer, Andreas: Kommunale Kriminalprävention, Mainz 1992

In der von Northoff herausgegebenen Loseblattsammlung werden Konzeptionen und Akteure von Kriminalprävention ebenso vorgestellt wie die an Zielgruppen, Interventionszeitpunkt oder Delikten ausgerichteten Strategien und Maßnahmen. Die Sammlung will praxisorientierte Handlungsanweisungen vermitteln und „gemeinschaftliches Vorgehen“ befördern. Ammers im Auftrag des Weißen Rings verfasste Schrift ist eine der frühen – und mittlerweile in reicher Zahl vorhandenen – Darstellungen der Grundgedanken kommunaler kriminalpräventiver Arbeit. In den Gemeinden, im Zusammenwirken unterschiedlicher Akteure werden die entscheidenden Chancen für wirkungsvolle Prävention gesehen.

Lehne, Werner: Präventionsräte, Stadtteilforen, Sicherheitspartnerschaften, in: Trotha, Trutz v. (Hg.): Politischer Wandel, Gesellschaft und Kriminalitätsdiskurse, Baden-Baden 1996, S. 299-319

Frehsee, Detlev: Korrumpierung der Jugendarbeit durch Kriminalprävention?, in: Freund, Thomas; Lindner, Werner (Hg.): Prävention. Zur kritischen Bewertung von Präventionsansätzen in der Jugendarbeit, Opladen 2001, S. 51-68

Angesichts der Anfang der 90er Jahre zunächst in Schleswig-Holstein entstehenden lokalen Präventionsräte hat Lehne schon früh auf den traditionellen Kern der „neuen“ Prävention hingewiesen: Es handele sich um eine Kombination aus herkömmlichen polizeilichen Belehrungen und verstärkter, um neue Akteure erweiterter Repression. Während Lehne darauf hinweist, dass es sich bei diesen aus Skandinavien importierten Modellen um eine sozialdemokratisch motivierte „Reorganisation des Politikfeldes Innere Sicherheit“ handele, betont Frehsee die gesellschaftspolitischen Folgen kriminalpräventiven Argumentierens: Sozial- und Gesellschaftspolitik verlieren unter der Präventionslogik ihre eigene Bedeutung; sie werden zurückgestuft zu bloßen Mitteln zur Erreichung kriminalpräventiver Ziele.

Gatzke, Wolfgang; Jungbluth, Thomas: Neuausrichtung polizeilicher Kriminalprävention in NRW, in: Kriminalistik 2006, H. 11, S. 651-658

In Nordrhein-Westfalen hat der Rechnungshof die politisch-polizeilich Verantwortlichen aufgeschreckt, indem er feststellte, dass die lokalen Präventionsaktivitäten nicht von konzeptionellen Überlegungen, sondern offenkundig von den Vorlieben der vor Ort tätigen PolizistInnen abhängen. Das Innenministerium setzte daraufhin eine Arbeitsgruppe ein, deren Ergebnisse werden in diesem Beitrag vorgestellt. Die Vorschläge, die die Präventionspraxis auch anderer Bundesländer erheblich ändern würden, lassen sich auf zwei Grundsätze zurückführen: Erstens ist Prävention eine Querschnittsaufgabe, die in allen polizeilichen Tätigkeitsbereichen zu berücksichtigen ist. Zweitens hat die Polizei sich im Zusammenwirken mit anderen Akteuren auf ihre „Kernkompetenzen“ zurückzuziehen, die „durch das Fachwissen definiert (werden), das für den Beruf des Polizeivollzugsbeamten prägend und erforderlich ist“.

van den Brink, Henning: Kommunale Kriminalprävention. Mehr Sicherheit in der Stadt?, Frankfurt am Main 2005

van Elsberger, Gisbert: Chancen und Risiken kommunaler Kriminalprävention, Wiesbaden 2005

Pütter, Norbert: Polizei und kommunale Kriminalprävention, Frankfurt am Main 2006

In der jüngeren Vergangenheit ist die kommunale Prävention verstärkt sozialwissenschaftlich untersucht worden. Während van den Brink in den lokalen Gremien „ein großen Potenzial“ diagnostiziert und van Elsbergen es dem Leser überlässt, die von ihm wenig pointierten Risiken und Chancen gegeneinander abzuwägen, dominieren Skepsis, Kritik und Ablehnung die Veröffentlichung von Pütter

Komitee für Grundrechte und Demokratie (Hg.): Verpolizeilichung der Bundesrepublik Deutschland, Köln 2002

Die Beiträge dieses kleinen Sammelbandes machen auf den Zusammenhang auf den ersten Blick unterschiedlicher Entwicklungen aufmerksam: Die jüngeren Novellierungen des Polizeirechts und die Renaissance des städtischen Ordnungsrechts – das sind zwei Seiten praktischer Präventionslogik, als deren Folge Gesellschaft und Gesellschaftspolitik in den Sog kriminalpräventiver und polizeilicher Kalküle geraten.

Sonstige Neuerscheinungen

Backes, Otto; Lindemann, Michael: Staatlich organisierte Anonymität als Ermittlungsmethode bei Korruptions- und Wirtschaftsdelikten, Heidelberg (C.F. Müller Verlag) 2006, 116 S., EUR 28,–

Seit Oktober 2003 hat das Landeskriminalamt Niedersachsen die Möglichkeit geschaffen, über das Internet anonym Anzeige wegen Korruption zu erstatten. Die kriminalstrategische Begründung für dieses „Business Keeper Monitoring System“ (BKMS) ist auf den ersten Blick plausibel: Korruption spielt sich im Verborgenen ab, Kenntnis von ihr erlangen in der Regel nur Insider. Dass diese aber Anzeige erstatten, ist sehr unwahrscheinlich, da sie Nachteile und Repressionen der durch sie Angezeigten befürchten müssen. Die Erfahrungen, die Niedersachsen mit einem Hotline-Angebot machte, bestätigt dieses Argument: In dreizehn Monaten ging nur ein Anruf bei der Hotline ein, der jedoch keinen Korruptionstatbestand betraf.

Die Autoren der vorliegenden Untersuchung haben die Effektivität und die Nebenfolgen der anonymen Anzeigeerstattung ausgewertet. Ihnen standen die Anzeigen der ersten fünfzehn Monate (Oktober 2004 bis Dezember 2004) zur Verfügung. In diesem Zeitraum wurden über das elektronische Anzeigenformular 553 Meldungen aufgegeben. Von diesen standen 410 für die Auswertung zur Verfügung. Knapp die Hälfte (202) hatte keinerlei polizeiliche Relevanz. Sie wurden ohne weiteren Ermittlungsaufwand „abgelegt“. Die restlichen 208 Meldungen führten zur Einleitung von Ermittlungen in 185 Verfahren. Durch Aktenanalyse haben Backes und Lindemann sowohl den Verfahrensausgang als auch die Ermittlungsmethoden untersucht. Hinsichtlich des Verfahrensausgangs stellen sie fest: Die anonymen Anzeigen haben zu keiner einzigen Verurteilung wegen eines Korruptionsdelikts geführt. Insgesamt kam es in den 185 Verfahren nur zu einem Urteil (u.a. Verbreitung pornographischer Schriften), zu zwei Strafbefehlen und zu elf Verfahrenseinstellungen aus Opportunitätsgründen. In über 90 % der Fälle wurden die Verfahren aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen eingestellt.

Das Instrument der anonymen Anzeige ist, so die Autoren, nicht nur wirkungslos, es ist auch gefährlich: Durch die Anonymität werde die Schwelle für Vor-Vorermittlungen gesenkt: Die Anzeige werden dazu genutzt werden, den Anfangsverdacht aufzuspüren, der eigentlich erst polizeiliche Tätigkeit auslöse. Selbst Durchsuchungen und Finanzermittlungen wurden für die Verdachtschöpfung genutzt. Auch bei den sogleich wieder eingestellten Verfahren blieben erhebliche Probleme, weil die entsprechenden Angaben teilweise für mindestens zehn Jahre gespeichert werden. Schließlich weist die Studie darauf hin, dass die durch das niedersächsische Projekte faktisch zugesicherte Straflosigkeit bei falschen Verdächtigungen, den entsprechenden § 164 des Strafgesetzbuches außer Kraft setzt – was weder Polizei noch Staatsanwaltschaft zusteht.

Die Untersuchung liefert überzeugende Argumente für ihr Fazit: „Es besteht kein vernünftiger Grund, das BKMS beizubehalten.“

(sämtlich: Norbert Pütter)

 John Flint (ed.): Housing, Urban Governance and Anti-Social Behaviour. Perspectives, policy and practice, Bristol (The Policy Press) 2006, 350 S., EUR 41,50

Anti-soziales Verhalten (Anti-social behaviour, ASB) ist zu dem entscheidenden Instrumentarium der moralisierenden Disziplinierung und Sozialkontrolle im Großbritannien Tony Blairs avanciert. Der vorliegende Sammelband, der erstmals aus theoretischer und empirischer Perspektive ausgewiesene Experten zu Wort kommen lässt, stellt – zusammen mit dem von Elizabeth Burney verfassten Band „Making People Behave. Anti-social Behaviour, politics and policy“ (Willan Publishing 2005) – gegenwärtig die umfassendste Analyse von Kriminalpolitik without crime dar. In 16 Kapiteln von AutorInnen aus Australien, den USA, Großbritannien und Frankreich wird einer Kriminalisierungswelle nachgespürt, die 2003 mit der Gründung der Anti-Social Behaviour Unit (ASBU) im Sozialen Wohnungsbau ihren Ausgangspunkt nahm und seitdem so unterschiedliche Phänomene wie das Spucken auf die Straße, das Tragen von Kapuzenpullovern, das laute Musikhören des nachts, das Vermüllen der (eigenen) Nachbarschaft und übermäßigen Alkoholgenuss zu einem strafbewehrten Bündel geschnürt hat, ohne dass es sich dabei um Kriminalität handelt.

Bereits 1998 wurde mit dem Crime and Disorder Act deutlich, dass die neue Sozialdemokratie sich anschickte, den Einfluss staatlicher Behörden, aber auch den von Hausbesitzern, auf das Verhalten von Individuen und Gruppen in öffentlichen und privaten Räumen umfassend zu erweitern. Es folgten unmittelbar der Police Reform Act (2002), der Anti-social Behaviour Act (2003), der Serious Organised Crime and Police Act (2005) und der Respect Action Plan (2006), die das Kontrollarsenal erheblich erweitert haben. Fehlverhalten kann unmittelbar zum Verlust der Wohnung führen, Ausgangssperren und Betretungsverbote für Jugendliche sind immanenter Bestandteil der Anti-Social Behaviour Orders (ASBOs). Auch das Wohnen auf Bewährung, also in unsicherem Mietstatus für mehrere Monate, gehört zu den Maßnahmen. Wie Hal Pawson und Carol McKenzie (S. 164) zeigen, sind allein in England in zwölf Monaten (2002/2003) rund 1.600 Wohnungsräumungen durchgeführt, 1.200 einstweilige Verfügungen erlassen und rund 500 ASBOs gegen Bewohner im Sozialen Wohnungsbau ausgesprochen worden.

Adam Crawford (S. 219-238) zeigt, dass die polizeiliche Bearbeitung sozialer Problemlagen begleitet wird von der Gründung neuer Kontrollagenturen, zu denen Nachbarschaftswachen (Neighbourhood Wardens) und verschiedene Kommunalpolizeien (Community Support Officers) ebenso gehören wie das anhaltende Wachstum des kommerziellen Sicherheitsgewerbes (600.000 Beschäftigte). Er macht dafür nicht nur das nachlassende Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei (143.000 Beschäftigte) verantwortlich, sondern vor allem den Wandel von einer sozial zu einer kommunal orientierten Regierungspolitik. Es gehe nicht mehr um soziale Integration, sondern um die kleinräumige Kontrolle vor allem der Urban Poor. Auch daher sei in den vergangenen zehn Jahren die Zahl von Polizei- und sonstigen Sicherheitskräften um über 40 Prozent angestiegen (S. 222). Rawland Atkinson (S. 99-116) verdeutlicht mit dem Begriffspaar Neigbours from Hell und Neighbours from Heaven, wie die lokale Bevölkerung gegeneinander in Anschlag gebracht wird, um gegenüber den städtischen Armen neue Normvorstellungen durchzusetzen. Mittlerweile hat sich die neue Gesetzgebung auch auf die innerstädtischen Areale und damit gegen Bettler, Wohnungslose, Jugendliche und Prostituierte ausgeweitet.

Der Band umfasst zudem Beiträge zu vergleichbaren Entwicklungen in Frankreich), wo in den Entwicklungsgebieten der Banlieus ein Wechsel von der Bekämpfung von Kriminalität zu der von Unordnung konstatiert wird. Für die USA beschreiben Timothy O. Ireland, Terence P. Thornberry und Rolf Loeber ebenfalls vergleichbare Entwicklungen, wobei das Verlagern von Verantwortung für das eigene Leben auf das Individuum auch mit repressiven Mittel (wie etwa Workfare) oktroyiert werde, um so eine behauptete Kultur der Abhängigkeit (vom Wohlfahrtsstaat) zu bekämpfen. Allerdings hat der Band seinen Fokus auf Großbritannien gelegt und nimmt auch Täter-Opfer-Ausgleichsprogramme, Mediationsverfahren und Gated Communities in den Blick.

Rötzer, Florian: Vom Wildwerden der Städte, 2006, Gütersloh u.a. (Bauverlag, Birkhäuser Verlag), 166 S., EUR 24,90

Einigermaßen ratlos bleibt zurück, wer sich durch die rund 170 Seiten wirrer Fabulierkunst – der Tsunami etwa ist, laut Rötzer, ein „Terrorangriff der Natur“ (S. 12) – und Aneinanderreihungen von Allgemeinplätzen – „Die Stadt wird zum Schicksal, der Planet und die Menschheit urbanisiert“ (S. 9) – gekämpft hat. Städte – „[m]it ihnen wuchs aus den verstreuten Gemeinschaften ein neuer Superorganismus, der mit einem Kopf vergleichbar ist und in seinem umgebenden Land wie in einem Leib steckt“ (S. 7) – sind offenbar Gegenstand der 21 Kapitel gedanklichen Treibguts, das sich dem „Wildwerden“ eben jener widmet. Wild meint dabei offenbar so unterschiedliche Phänomene wie die an den Küsten Spaniens, Portugals und Dubais geplanten „Freizeitstädte“ (S. 56-66), das Wachstum von gated communities, zu denen Rötzer offenbar nicht einmal Basiswissen hat (S. 78-80), die Häufung von Naturkatastrophen und Seuchen wie SARS, H5N1 etc. (S. 12-19) und das urbane Leben im Allgemeinen, wie etwa japanische „Hightech-Toiletten“ (S. 50). Motto: Schlimmer geht immer. Ein bisschen sind die USA Schuld (S. 122, 162), aber vor allem Terroristen-Promis (S. 32-34) oder sich international vernetzende Jugend-Gangs (S. 145-162). Und so geht das Seite um Seite weiter.

Ausgangspunkt der gesammelten Geschwätzigkeit ist ein 2003 von Richard Norton verfasster Beitrag aus der Zeitschrift Naval War College Review, der den failed states die feral cities (die wilden Städte) als militärpolitisches, -praktisches und -strategisches Problemfeld der Zukunft an die Seite stellt und Rötzers Aufmerksamkeit erregt, weil hier „bereits 2003“ (S. 138) Probleme benannt würden, die Zukunft hätten. Einmal abgesehen davon, dass die ersten, auch online erhältlichen Beiträge in ähnlich analytischer Qualität schon 1996 (William W. Mendel: Combat in Cities) oder 2001 (Roger J. Spiller: Sharp Corners) in epischer Breite von militärischen Herausforderungen im urbanen Raum berichteten (vgl. ohnehin www.smallwarsjournal.com/ref/urbanoperations.htm), die dann z.T. im „Handbook for Joint Urban Operations“ vom Mai 2000, also vor 9/11, mündeten, das Problem liegt tiefer: An keiner Stelle gelingt es Rötzer einen auch nur halbwegs klar strukturierten Gedanken zu formulieren. Da ist von „Berlin, Leipzig oder Dresden“ als „prosperierenden Orten“ (S. 54) die Rede, von einem zu vermeidenden „Kontakt zwischen Gefangenen und Häftlingen“, wo Wärter gemeint sind (S. 68), gar von Tourismus „auch im Sinne von Viren und Bakterien“ (S. 19) wird schwadroniert. Schließlich, „Wie eine gewaltige Pumpe saugt der Cyberspace … die Organisationen und viele Tätigkeiten und Institutionen aus der wirklichen Welt ab“ (S. 46), während gleichzeitig das Internet „zur weltumspannenden Metropole mit bald einer Milliarde Einwohnern“ geworden sei (S. 40). Wer sich seinen Band „Telepolis“ (1995) angetan hatte, musste gewarnt sein.

Die schon heute rund 900 Millionen Slumbewohner könnten sich mit den Terroristen Faludschas, Basras, Grosnys und den Gangs von Los Angeles bis El Salvador verbünden, und überhaupt müssten all diese Gruppierungen als „nationaler, regionaler oder gar globaler Instabilitätsfaktor gesehen werden“ (S. 162). Was Rötzer zu Vira- und Virtualität, zu Tour- und Terrorismus, zu Taliban und Tsunami irgendwo aufgeschnappt hat und „irgendwie interessant“ (S. 55, 87, 159) fand, hier hat er es aufgeschrieben und „Essay“ genannt. Erklären kann er (sich) das alles nicht und stellt zu Anfang klar, für das Pamphlet nicht verantwortlich zu sein: „Ohne Elisabeth Blum und Peter Neitzke … wäre es nicht zustande gekommen“ (S. 6). Gleich ob dies zutrifft, zu hoffen bleibt, dass uns ein solches Gestammel versammelter Dystopie zukünftig erspart bleibt.

(beide: Volker Eick)

Singelstein, Tobias; Stolle, Peer: Die Sicherheitsgesellschaft . Soziale Kontrolle im 21. Jahrhundert, Wiesbaden (Verlag für Sozialwissenschaften) 2006, 159 S., EUR 19,90

Im Vorwort verheißen die Autoren, „den gegenwärtigen Stand sozialer Kontrolle aus kritischer Perspektive im Überblick darzustellen.“ Dieses Ziel haben sie erreicht. Vor dem lichten Hintergrund des „fordistischen“ ‚Sozial- und Wohlfahrtsstaats‘, der seinerseits unkritisch wie eine feste Einrichtung der Kritik vorausgesetzt wird – wann und wo und für wen in welchem Kontext und welchen Folgen er immer gegolten haben mag – werden die Lesenden pauschal über den „Wandel gesellschaftlicher Vorgaben für soziale Kontrolle“ ebenso informiert wie ihnen „die gegenwärtige Formation sozialer Kontrolle“ samt ihrer Kritik beispiellos allgemein vorgeführt wird. Entsprechend postulativ allgemein bleiben die „alternativen Perspektiven“ und der „Ausblick“.

Die Autoren zeigen sich gut informiert. An Literaturhinweisen und theoretischen Facetten ist kein Mangel. Nur: wer von ihren quer über die westeuropäisch-angelsächsischen Länder springenden punktuellen und/ oder pauschalen Einsichten kritisch und anders handelnd belehrt werden sollte, bleibt eher dunkel. Gerade die „alternativen“ Überlegungen leiden darunter, dass sie wie aufgesetzt wirken, eben nicht deskriptiv analytisch begründet. Darum bleibt nur ein normativ abgehobenes „muss/müsste“ im Spektrum kritischer Kritik.

Arnauld, Andreas von: Rechtssicherheit. Perspektivische Annäherungen an eine idée directrice des Rechts, Tübingen (Mohr Siebeck) 2006, 801 S., EUR 129,–

Welch eine Fundgrube, diese juristische Berliner Habilitationsschrift des Jahres 2005! Sprachlich und darstellerisch wohl geraten findet man vom 1. eher begriffsgeschichtlichen Kapitel – der Ausdruck „Rechtssicherheit“ wird erst ab dem 18. und vor allem dem 19. Jahrhundert üblich –, über das eher genealogisch gehaltene 2., dem Dreifachkapitel 4., 5. und 6. Kapitel, das „topologisch“ eine Reihe wichtiger Aspekte belegreich anführt und damit der Definitionsfalle elegant entgeht, bis hin zu Zusammenhang und Differenz von „Rechtssicherheit und Gerechtigkeit“ (Kap. 8) und der konstitutiven Stellung der „Rechtssicherheit“ als einer verfassungsrechtlich notwendigen Norm (Kap. 9) eine Fülle rechtsgeschichtlichen und rechtssystematischen Materials am Faden „Rechtssicherheit“ aufgereiht. Wohlbegründet stellt von Arnauld den frühliberal geadelten „Schutz der autonomen Privatsphäre“ ins Zentrum dessen, was da „Rechtssicherheit“ genannt wird, ohne die Bedeutung kollektiver Einheiten und die Mitwirkung außerrechtlicher Faktoren zu missachten. Hervorgehoben sei eigens das komparatistisch angelegte Kapitel 7, das der „Rechtssicherheit in Europa“ gewidmet ist.

So zutreffend früh „Strukturelemente“ der Rechtssicherheit vorgestellt werden (s. zusammenfassend schon S. 161f.), als da sind vor anderem „Erkennbarkeit, Verlässlichkeit und Berechenbarkeit“, so zutreffend die abschließende Feststellung ist, dass „Rechtssicherheit ein Prinzip mit Verfassungsrang“ darstelle und mit der Autonomie der Person und ihrer Würde eng gekoppelt sei (S.691f.), so sehr enttäuscht die mangelnde Analyse der heute dominierenden Gesetzgebung in Formen und Inhalten. In diesem dicken, aber nicht überladenen Band wird durchaus auf die frühen Expansionen der Verrechtlichung hingewiesen, auf die Fragmentierung des Rechts, auf die Probleme, die aus seiner Zukunftsrichtung entstehen (etwa im Bereich der Planung), insgesamt auf die geradezu systematische Unübersichtlichkeit der labyrinthisch verrechtlichten Sachverhalte. Wo verweilte da die arme „Rechtssicherheit“?! Es hapert jedoch an aller einigermaßen triftigen Einlassung auf die längst verluderten Rechtsformen, die Rechtssicherheit als Sicherheit des Rechts in beiderlei Hinsicht – durch das Recht und vor dem Recht – einigermaßen gewährleisten könnten. Gleichfalls wird auf die nicht einmal mehr spezialistisch durchdringliche Rechtsfülle hingewiesen. Es wird auch nicht der Rechtsumstand referiert, dass nicht wenige, tief in die Person dringende Verrechtlichungen längst deren Autonomie aufgehoben haben. Kurzum: das Fundament und der zentrale liberale Bezug der Rechtssicherheit sind ihrerseits längst fragmentiert. Rechtssicherheit gerinnt zum primär symbolischen Anspruch. Obwohl sich der Lesende wahrhaft nicht darüber beklagen kann, Literatur sei unzureichend berücksichtigt, fällt doch auf, dass zum einen der mehrfach zitierte Niklas Luhmann just mit seiner wichtigen Unterscheidung zwischen Recht als „Konditional-“ und Recht als „Zweckprogramm“ nicht rezipiert wird, zum anderen neben allen Referenzen zu Otto Kirchheimer, alle außer zum „Dual State“ zu Ernst Fraenkel, vor allem alle, und das ist eine unverzeihliche Lücke, zu Franz Leopolt Neumann fehlen.

Kurzum: ein lesenswerter Band ist anzuzeigen, teilweise geradezu lexikalisch benutzbar. Dem aber mangelt alle, nahezu alle rechtssoziologisch zentrale Einsicht und Analyse. Diese sind indes mitten im Recht und seiner Sicherheit und nicht erst außerhalb desselben für den Kern des Rechts und seiner mehrfachen Sicherheiten bedeutsam.

Buckel, Sonja; Christensen, Ralph; Fischer-Lescano, Andreas (Hg.): Neue Theorien des Rechts, Stuttgart (Lucius & Lucius) 2006, 442 S., EUR 24,90

„Theorie im Recht thront nicht über der Rechtspraxis, sondern steckt mitten drin.“ Mit diesem Paukenschlag beginnen die Herausgebenden ihre „Einleitung: Neue Theoriepraxis im Recht“. Sie setzen fort, indem sie betonen, „Theorie“ – wohl auch Theorien – sei „auf Praxis ausgerichtet“. In den 18 Kapiteln des Bandes freilich, die diversen, rechtlich einschlägigen Theorien gewidmet sind, teils Namen zugeordnet, teils nicht in wenigen Vertreterinnen verdichtet, sucht man nach der Praxis der Theorie(n) im Recht und der Bedeutung der Theorie(n) in der Praxis vergebens. „Praxis“, das will doch wohl heißen, Gesetzgebung, bürokratisch Implementationen des Rechts, Urteilsfindungen, die Rollen und Funktionen juristischer Berufe, das Studium der Juristen und nicht zuletzt die Kommentarliteratur (von den meist vergessenen Bürgerinnen auch hier zu schweigen). Was hat es in all diesen Bereichen mit „Theorie(n)“ für eine Bewandtnis?

Die Palette der repräsentierten Theorien reichen von dem, was die Herausgebenden „Demokratischen Positivismus“ nennen, der durch Jürgen Habermas und Ingeborg Maus zum Teil kontrovers verkörpert wird, bis hin zu dem, was den seltsam tautologisch erscheinenden Namen „Deliberative Rechtstheorie“ erhalten hat (der mangelhaft informierte Leser wie der Rezensent wollte zuerst meinen alles, was Recht ist, bedürfe der Deliberation auch dann, wenn es sich durchgehend um modern gesatztes Recht im Weberschen Sinne handelt; das auch Max Weber z.T. gewidmete Kapitel wird dessen Rechtssoziologie als Teilkern der Herrschaftssoziologie, nota bene, nicht gerecht). Die Lektüre der durchgehend gehaltvollen, zuweilen eher zu dicht und voraussetzungsreich geratenen Beiträge lohnt in jedem Falle. Mir haben es unter anderen vor allem das 4. Kapitel „Systemtheorie: Luhmann/Teubner“ von Gralf Peter Calliess und das 5. „Prozedurale Rechtstheorie: Wiethölter“ von Andreas Fischer-Lescano und Gunther Teubner angetan. Im erstgenannten Beitrag und den in ihm referierten Autoren spielt das, was man als Globalisierung bezeichnet, eine Quantität und Qualität, die die neuen Rechtstheorien insgesamt evoziert, eine zentrale Rolle. Nun besser informiert, stritte ich mich argumentativ gerne über das, was „Weltrecht“ „ist“, sein kann und wie dessen Praxis zu beurteilen ist. Im Wiethölter gewidmeten Kapitel ist dessen „Prozeduralismus“ und seine Weiterentwicklung spannend zu packen, ein konfliktgeneigter Prozeduralismus, der nicht zuletzt im Hinblick auf Vergesellschaftungen und ihre politische Fassung (auch rechtliche Verfassung) von geradezu phantastischem Nutzen sein könnte, die den nationalstaatlichen Bezug und seinen vereinheitlichenden Integrationszwang endlich verlassen müssten und wollten. Trotz der globalen Dämmerung des Nationalstaats scheint im Sinne verschärfter In- und Exklusionen nicht zuletzt im staatsalten Europa gegenwärtig das Gegenteil der Fall.

Lohnend also durchaus, sich in diesen Band und die einzelnen Kapitel zu vertiefen. Schade, dass die Herausgebenden es versäumt haben, am Ende den selbst in der Dissonanz zusammenklingen machenden Konzertstab zu führen angesichts von 18 Prätendenten. Wie spiegelt sich die gegenwärtige Wirklichkeit in den diversen Rechtstheorien; was akzentuiert die eine, versäumt die andere; wie verfahren sie jeweils methodologisch? Und umgekehrt: welche Wirklichkeiten sind in den schaffenden Spiegeln der wo und in welcher Hinsicht neuen Theorien des Rechts zu erkennen?

(alle: Wolf-Dieter Narr)

Schmidt-Eenboom, Erich: BND. Der deutsche Geheimdienst im Nahen Osten. Geheime Hintergründe und Fakten, München (Herbig-Verlag) 2006, 334 S., EUR 22,90

Von einem Buchtitel erwartet man zurecht Orientierung. Aus ihm sollte erkennbar sein, worum es inhaltlich geht. Das ist bei diesem Buch jedoch nur äußerst bedingt der Fall. Mit dem Nahen Osten und den dortigen Aktivitäten des Bundesnachrichtendienstes (BND) haben das Einstiegs- und das Schlusskapitel nämlich absolut nichts zu tun. Vielmehr geht es darin um die „BND-Bespitzelungsaffäre“, die 2005 zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages führte. Neues – Enthüllungen gar – erfährt man hierzu in dem knapp 50-seitigen Auftakt jedoch nicht. Die 30 Seiten am Ende wiederum nutzt Schmidt-Eenboom, der bei den Untersuchungen des eingesetzten unabhängigen Gutachters, des Bundesrichters a.D. Gerhard Schäfer, selbst in den Verdacht geraten ist, Zuträger des BND gewesen zu sein, zu einer Verteidigungs- und Rechtfertigungsschrift. Da wird es dann schon interessanter, denn immerhin muss selbst der Autor einräumen, bei seinen unerlässlichen Kontakten zu BND-Insidern in einigen Fällen „deutlich zu weit gegangen“ zu sein (S. 303). Er habe sogar die „unverzeihliche Dämlichkeit“ begangen, Spenden des Geheimdienstes für sein Forschungsinstitut anzunehmen (S. 300). Selbst da, wo er eigenes Fehlverhalten vehement bestreitet, bleibt nicht selten ein komisches Gefühl zurück.

Der mittlere Teil des Buches wiederum, der sich titelgerecht tatsächlich mit dem Nahen und Mittleren Osten beschäftigt, ist von unterschiedlicher Qualität. Da kramt der Autor ellenlang olle Kamellen hervor (aus der Nazi-Zeit oder davor) oder lässt die deutsche Politik gegenüber den arabischen Ländern seit der Adenauer-Arä noch einmal Revue passieren (mit dem BND hat dies häufig bestenfalls indirekt zu tun). Zwischendurch wird versucht, mit einem kessen Salto an die Jetztzeit anzuknüpfen, was zumeist verkrampft wirkt und schon deshalb misslingen muss. Ärgerlich ist zudem, dass nirgendwo Quellenangaben zu finden sind; der müde Literaturteil wiegt dieses Manko nicht auf. Mit diesem Buch hat sich Erich Schmidt-Eenboom keinen Gefallen getan.

(Otto Diederichs)

Aus dem Netz

www.kriminalpraevention.de

Die Homepage der „Stiftung Deutsches Forum für Kriminalprävention“ (DFK) versteht sich als Serviceangebot für alle, die praktische Kriminalprävention betreiben wollen. Die Informationen werden in acht Kategorien angeboten. Zusätzlich stellt sich die Stiftung selbst (Satzung, Stifter, Gremien) vor, es besteht die Möglichkeit online Geld zu spenden, und der Newsletter kann bestellt werden. Der „Präventionskalender“ und die Rubrik „Nachrichten“ sollen Interessierte mit dem Neuesten versorgen. Im „Pressebereich“ finden sich die Pressemitteilungen der Stiftung. Zu den ausführlicheren Informationsangeboten gehören:

  • Die Zeitschrift „forum kriminalprävention“, deren Beiträge als Zusammenfassungen zugänglich sind. Nur eine kleine Auswahl wird im Volltext als Downloads zur Verfügung gestellt.
  • Im Bereich „Service“ sind Links und Dokumente zum herunterladen zusammengefasst. Zu den gegenwärtig rund 40 Downloads zählen Publikationen des DFK, von Landes- oder kommunalen Präventionsräten oder des Bundeskriminalamtes.
  • Unter „Medien“ werden Spiele, CDs, CD-ROMs und Filme vorgestellt, die eine präventive Botschaft vermitteln.

Die praxisanleitende Intention der DFK kommt besonders in den Kategorien „PräIS“ und „Projekte“ zum Ausdruck.

  • Das „Präventionssystem“ soll einen Überblick über Projekte, Beteiligte und Literatur erlauben. Die Suchmaske erlaubt sowohl eine Freitextsuche als auch eine Eingrenzung über verschiedenen Datenkategorien. Die Suche nach „Sicherheitsgefühl“ ergibt ggw. 241 Treffer (davon rund 160 Literaturhinweise, die nach „polizeilicher Präsenz“ 52 (davon 33 Literaturhinweise).
  • „Projekte“ aus dem In- und Ausland werden vorgestellt. Die gegenwärtig 23 Projekte reichen von „Schutzbär Bulli hilft“ über die Bevölkerungsbefragung in Aalen bis zur Selbstdarstellung der Jugendberatungsstellen der Polizei Sachsen-Anhalt, von dem Berliner Projekt BIG über das Kieler KIK bis zur „Aktion Düsseldorfer Courage – Handeln statt Weggucken“.

(Norbert Pütter)