Die Berliner Ombudsstelle nach dem Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) sprach am 15. September eine formelle Beanstandung gegen die Berliner Polizei aus. Sie sieht das Land Berlin in der Verantwortung für den Tod von Kupa Ilunga Medard Mutombo, der am 6. Oktober 2022 in Folge eines Polizeieinsatzes verstarb.[1] Die formelle Beanstandung ist das schärfste Instrument der Ombudsstelle.
Veranstaltung zu Gegenuntersuchungen von staatlicher Gewalt
In den letzten Jahren haben nicht nur die polizeilichen Tötungen von Menschen in Teilen Europas zugenommen, sondern auch die Kämpfe dagegen. Dazu werden auch Unabhängige Kommissionen gegründet, um die Aufklärung der Todesfälle selbst in die Hand zu nehmen . Unter anderem rekonstruieren forensische Analysen, was wirklich passiert ist. Zusammen mit anderen wissenschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Untersuchungen unterlaufen sie die staatlichen Narrative der „Notwehr“ oder „Selbstverteidigung“, rekonstruieren Fakten und liefern damit auch Beweise für Gerichtsverfahren. Diese Erkenntnisse stellen zudem wesentliche Beiträge in der Wahrheitsfindung für Familienangehörige sowie die kritische Öffentlichkeit dar.
Samstag, 11. Oktober, 19:00 Uhr
Aquarium, Skalitzer Straße 6, Berlin
U8 Kottbusser Tor
Zwei Fälle, zu denen Angehörige und Solidaritätsgruppen weiter für Gerechtigkeit kämpfen, sind Sammy Baker aus Wetzlar und Roger (Nzoy) Wilhelm aus Zürich. Sie wurden 2020 in Amsterdam und 2021 in Morges (Kanton Waadt) von der Polizei erschossen. Auf der Veranstaltung wollen wir die Möglichkeiten und Grenzen dieser Aufklärung von Unten diskutieren und ausloten, wie wir uns dazu vernetzen können. Mit:
Justine Seewald-Krieger (Mutter von Sammy Baker) Robert Trafford (Stellvertretender Direktor Forensic Architecture London und Forensis Berlin) Evelyn Wilhelm (Schwester von Nzoy, Unabhängige Kommission zur Aufklärung der Wahrheit über den Tod von Roger Nzoy Wilhelm) Claudia Wilopo (Unabhängige Kommission zur Aufklärung der Wahrheit über den Tod von Roger Nzoy Wilhelm)
Moderation: Vanessa E. Thompson, Matthias Monroy
Kompletter Audiomitschnitt:
Veranstaltet von Bürgerrechte & Polizei | Cilip, Forschungsprojekt Abolition Worlds
Unterstützt von Rote Hilfe Berlin, Justice Collective, Kampagne für die Opfer rassistischer Polizeigewalt, Institut für Bürgerrechte & öffentliche Sicherheit e.V.
Sicherheits- und Verteidigungsfragen gehören zu den Prioritäten der Europäischen Union für 2024-2029. Zu den Profiteuren des verstärkten Sicherheitsfokus gehören die Agenturen im Bereich Justiz und Inneres, insbesondere Europol, die EU-Agentur für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Strafverfolgung. Ihr Mandat soll umfassend überarbeitet werden, damit sie eine „wirklich einsatzfähige Polizeiagentur“ wird.
In ihrem Missionsschreiben an Magnus Brunner, den Kommissar für das Ressort Inneres, kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an, sie wolle Europol zu einer „wirklich einsatzfähigen Polizeiagentur“ machen und deren Personal mehr als verdoppeln.[1] Dies erfordere eine umfassende Überarbeitung der existierenden Rechtsgrundlage für die Tätigkeit Europols aus dem Jahr 2016. Laut der kürzlich verabschiedeten EU-Strategie für die innere Sicherheit, „ProtectEU“, soll der Legislativvorschlag für eine Mandatsreform 2026 veröffentlicht werden.[2]Wer möchte eine europäische Polizei? Die entfesselte Expansion von Europol weiterlesen →
„Rechts“ zu sein in Europa (u. a.) ist derzeit weiter schick, das zeigten – leider und nicht zuletzt – die Wahlen zum EU-Parlament. Dass das der Rechten nicht reicht, sondern sie an die Macht will, belegen alle Studien. „Kriegstüchtig“ zu sein in Europa (u. a.) ist wieder schick, das zeigen derzeit alle Rüstungshaushalte weltweit. Beides – „rechts“ und „kriegstüchtig“ aufgestellt zu sein – solle geflissentlich robust, resilient und reziprok geschehen; selbstredend auf hohem technischen Niveau. Wie das in Teilen der Literatur diskutiert wird, können wir hier nur andeuten.
Polizeien in Deutschland erforschen zunehmend Algorithmen zur „Prognose“ und „Prävention“ von Straftaten. Viele Systeme werden ohne ausreichende Rechtsgrundlage, Transparenz und Risikoabschätzung entwickelt, getestet oder genutzt – obwohl sie die Diskriminierung marginalisierter Menschen verstärken können. Der Trend verlagert sich dabei von orts- zu personenbezogenen sowie von theoriebasierten zu komplexeren algorithmischen Auswertungen.
Polizeien weltweit haben in den vergangenen Jahren Anwendungen eingeführt, die Verbrechen und andere Gefahren prognostizieren sollen: das sogenannte „Predictive Policing“. Auch in Deutschland wurde der Einsatz „vorausschauender“ orts- sowie personenbezogener Datenanalysen und Algorithmen ausgeweitet. Sie sollen bei der Entscheidungsfindung unterstützen, indem sie Risiken frühzeitig erkennen und es ermöglichen sollen, vorhandene Ressourcen auf Orte oder Personen zu konzentrieren, von denen vermeintlich ein besonders hohes Risiko ausgeht. Dies soll dabei helfen, Straftaten und andere Gefahren rechtzeitig durch präventive Maßnahmen zu verhindern.
Thematic Focus: (In)Security and the shift to the right in Europe
EU home affairs policy at the “turning point”: an introduction
by Dirk Burczyk
For decades, the EU’s “internal security” policy has been shaped by changing enemy stereotypes. The most enduring of these is “irregular” migration. Migration is also a key issue for the extreme and conservative right, which is rushing from one election victory to another at national and European level. The current ring-wing shift in all EU institutions — the Commission, Council, and Parliament — coincides with the emergence of “hybrid threat” as the new enemy stereotype and the internal mobilization for an EU/NATO war with Russia. Summaries weiterlesen →
Als die Europäische Union 2012 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, hielten viele das für einen schlechten Scherz. Doch immerhin: Als ein Jahr später mehr als 500 Flüchtlinge bei Lampedusa ertranken, war der Aufschrei so groß, dass die italienische Marine in den Monaten danach 100.000 Menschen aus dem Mittelmeer ans europäische Festland brachte. Zeitgleich zur Ablösung der „Mare Nostrum“-Operation durch Frontex im Oktober 2014 begannen in Sachsen die Demonstrationen der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“. Den anschließenden „langen Sommer der Migration“ wussten diese und andere „Patrioten“ in ganz Europa zu nutzen, um ihre menschenfeindliche Agenda hoffähig zu machen.
EU-Innenpolitik in der „Zeitenwende“
Dirk Burczyk Überwachung: Es wird dunkel in der EU
Tom Jennissen und Konstantin Macher Die entfesselte Expansion von Europol
Chloé Bertélémy Das EU-Weißbuch Verteidigung
Volker Eick Schengen im Zeichen des Rechtsrucks
Eric Töpfer Griechenlands Rutsch gen Populismus
Harry Ladis Feind- und Freundstrafrecht für Italien
Gianluca Vitale Polnisch-belarussische Grenze der Schande
Stefan Zgliczński
Rassismus und Geographien der Polizeibegegnung
Svenja Keitzel FOSPOL – Das Scheitern einer guten Idee
Nils Zurawski Predictive Policing in Deutschland
Sonja Peteranderl Polizeiliche Todesschüsse 2024
Otto Diederichs
Inland aktuell Literatur Autor*innen dieser Ausgabe
Knapp ein halbes Jahr später als angekündigt veröffentlichte das Bundesjustizministerium den Bericht zur Überwachungsgesamtrechnung (ÜGR) Ende April 2025 auf seiner Internetseite.[1] Eine Pressekonferenz gab es nicht; dabei war die ÜGR ein millionenschweres Projekt, das als Grundlage für neue Sicherheitsgesetze dienen sollte und vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zur Vorratsdatenspeicherung (sinngemäß) gefordert worden war. Mit der Durchführung beauftragt war das Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht (MPI). Ein zehnköpfiges Team untersuchte dort, wie tief Sicherheitsgesetze in die Privatsphäre der Bürger*innen eingreifen. Grundlage hierfür sollten Daten zu Überwachungsmaßnahmen von Polizei, Geheimdiensten und Strafverfolgungsbehörden in Bund und Ländern sein. Diese wollte das MPI auswerten und die Eingriffsintensität bestimmen. Kaum Transparenz zu staatlicher Überwachung weiterlesen →
32 Organisationen fordern die sofortige Beendigung der systematischen Behinderung ziviler Seenotrettung durch die italienische Regierung. Allein im letzten Monat wurden nichtstaatliche Schiffe auf Basis des „Piantedosi-Dekrets“ dreimal festgesetzt – das von RESQSHIP betriebene Segelschiff Nadir zweimal hintereinander. Das bewusste Fernhalten von nichtstaatlichen Such- und Rettungsorganisationen aus dem zentralen Mittelmeer führt zu unzähligen weiteren Todesfällen auf einer der tödlichsten Fluchtrouten weltweit.
Trotz viel öffentlicher Kritik durch nichtstaatliche Such- und Rettungsorganisationen (SAR) werden zivile Schiffe seit der Verabschiedung des „Piantedosi-Dekrets” im Januar 2023 weiterhin willkürlich festgesetzt. Dies wurde durch das „Flussi-Dekret” im Dezember 2024 weiter verschärft. Im letzten Monat wurden Nadir und Sea-Eye 5, zwei kleinere Einsatzschiffe, betrieben von RESQSHIP und Sea-Eye, unter dem Vorwurf festgesetzt, den Anweisungen der Behörden nicht Folge geleistet zu haben. Beiden Crews wurden sehr weit entfernte Häfen zugewiesen. Sie wurden außerdem dazu aufgefordert, die Geretteten nach Vulnerabilitätskriterien zu trennen und anteilig auf ein anderes Schiff zu bringen –obwohl eine ordnungsgemäße Vulnerabilitätsprüfung eine sichere Umgebung voraussetzt und nicht an Bord eines Schiffes durchgeführt werden kann. Die Behinderung von Rettungsschiffen führt zu Hunderten von Todesfällen auf See weiterlesen →
Seit 1978 Berichte, Analysen, Nachrichten zu den Themen Polizei, Geheimdienste, Politik „Innerer Sicherheit“ und BürgerInnenrechte.