Antirepressiondemo am 22.3.2014 in Berlin. www.montecruzfoto.org

Kriminalitätsbelastete Orte in Berlin bleiben geheim

In Hamburg heißen sie „Gefahrengebiete“, in Berlin „kriminalitätsbelastete Orte“. Die Berliner Polizei hat im Vergleich zu Hamburg sogar noch weiter reichende ortsbezogene Sondereingriffsrechte. Normalerweise darf sie nur dann Personen auf ihre Identität überprüfen und durchsuchen, wenn eine konkrete Gefahr vorliegt. An kriminalitätsbelasteten Orten darf sie eine Person hingegen verdachtsunabhängig durchsuchen und kontrollieren, wenn diese sich dort lediglich aufhält. In Hamburg ist nur eine „Inaugenscheinnahme” von Sachen möglich.

In Berlin werden die „kriminalitätsbelasteten Orte“ sowie die Kriterien, nach denen diese festgelegt werden, geheim gehalten. Die interne Liste der Berliner Polizei ist als Verschlusssache eingestuft. Senatsinnenverwaltung und Polizei begründen dies damit, dass „die Örtlichkeit und deren Bewohnerinnen und Bewohner weder stigmatisiert noch deren subjektives Sicherheitsgefühl beeinträchtigt werden soll. Ebenso wenig soll es den Adressatinnen und Adressaten der polizeilichen Maßnahmen ermöglicht werden, diese aufgrund der Veröffentlichung der Kriterien zu unterlaufen.“[1] Trotzdem werden diese Orte regelmäßig von der Tagespresse veröffentlicht: Zwanzig bis dreißig sollen es demnach sein[2] – darunter etwa der Görlitzer Park in Kreuzberg, die Hasenheide in Neukölln, der Leopoldplatz im Wedding oder der Alexanderplatz in Mitte. Innenverwaltung und Polizei haben diese Informationen zwar nicht bestätigt, aber auch nicht dementiert.

Zuständig für die Festlegung „kriminalitätsbelasteter Orte“ sind die lokalen Polizeidirektionen. Seit 2010 haben sie 14 neue definiert, wie die Senatsinnenverwaltung auf eine Anfrage der Piratenfraktion bekannt gab. Allein sechs davon liegen in Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln (Direktion 5), in Reinickendorf (Direktion 1) und in der für den Osten Berlins zuständigen Direktion 6 hingegen kein einziger.[3]

Auf die Frage, ob die Polizei einen Ort auch ad hoc als „kriminalitätsbelastet“ klassifizieren könne, gab Innensenator Frank Henkel (CDU) nur eine unklare Antwort: Maßgebend für die Gefährlichkeit eines Ortes sei „die jeweilige auf Tatsachen begründete Prognose“ der PolizistInnen vor Ort. „Begründet ein besonderer Umstand eine erhebliche Gefahrenlage, kann auch ohne bereits angefallene Straftaten ein kri­minalitätsbelasteter Ort gegeben sein.“[4] In einer Sondersitzung des Innenausschusses am 31. Januar 2014 stritten Innensenator und Polizeipräsident allerdings ab, dass es eine solche Ad hoc-Festlegung gebe. Eine Statistik der polizeilichen Maßnahmen an diesen Orten wird nicht geführt. Eine parlamentarische Kontrolle der Polizei ist so nicht möglich.

(Christian Schröder)

[1]      Abgeordnetenhaus Berlin Drs. 17/11096 v. 25.10.2012
[2]     Die Weltv 10.5.2004; BILD v. 26.3.2013 und 27.1.2014
[3]     Abgeordnetenhaus Berlin Drs. 17/12793 v. 14.1.2014
[4]     ebd.