Bücher und Zeitschriftenartikel zur DDR
Krüger, Waltraud:
Ausreiseantrag, im PULS-Verlag, Magdeburg, 1990
Beschrieben wird die Entfremdung zwischen einer Frau aus der DDR und „ihrem Staat“ sowie die daraus folgende Leidensgeschichte bis hin zur Ausreise im Jahre 1981. Diese Entfremdung beginnt, als die Familie der Frau bei einem Autounfall Reisenden aus dem Westen hilft. Diese Hilfe wird von der STASI als „feindliche Kontaktaufnahme“ ausgelegt. Bei ihren Ausreiseanträgen erhält die Autorin Unterstützung aus dem Westen: von Löwenthals ZDF-Magazin, „Hil-ferufe von drüben“ und der Interna-tionalen Gesellschaft für Menschen-rechte. Die entsprechenden Presse-kampagnen in den Westmedien haben die Ausreise sicher nicht beschleunigt, eher die ansonsten auf Diskretion bedachten Bemühungen der Bundesre-gierung und des Rechtsanwalts Vogel behindert. Doch aus der naiven Perspektive der Autorin stellen sich die Anstrengungen der kalten Krieger als einziger Rettungsanker dar. Und in der Tat: die Repression der STASI, bis hin zu psychiatrischer Einweisung und „medizinischer“ Folter sind un-entschuldbar, ganz gleich in welcher politischen Konstellation. Wohl ist das Buch, das zuerst 1989 im Kölner Markus Verlag erschien, ein authentisches Dokument gravierender Men-schenrechtsverletzungen, doch das Vorwort des Figaro-Journalisten Pica-per, die abgegriffene Polemik der Bildunterschriften und das relativ spä-te Erscheinen zu einem politisch „günstigen“ Zeitpunkt schwächen sei-ne Glaubwürdigkeit. Um so dringli-cher ist es heute, die Vorwürfe gegen die Bezirksgewaltigen in Magdeburg wenigstens im Nachhinein zu klären. (BG)
Schnauze! Gedächtnisprotokolle 7. und 8.Oktober 1989, Berlin, Leipzig, Dresden; Berliner Verlags-Anstalt Union 1990
Im Vorwort begründet Heinrich Fink, Rektor der Berliner Humboldt-Universität mit Erich Fried, warum es wichtig ist, die Ereignisse jener Tage im Gedächtnis zu behalten: „Denn ich kann nicht denken, ohne mich zu erinnern, denn ich kann nicht wollen, ohne mich zu erinnern.“ Die Demonstrationen gegen die 40-Jahr-Feier des SED-Staates am 07. und 08. Oktober waren auf Weisung von MfS-Minister Mielke von der Vopo und der STASI mit Knüppeleien und Massenverhaf-tungen aufgelöst worden. Die Gedächtnis-Protokolle von Demonstran-ten und Passanten verdeutlichen die Empörung derjenigen, die von sich aus immer friedlich geblieben waren und deswegen die brutalen Übergriffe als vollkommen unbegründet und ab-surd erleben mußten. (BG)
Hannes Bahrmann, Peter-Michael Fritsch:
Sumpf – Privilegien, Amtsmißbrauch, Schiebergeschäfte, LinksDruck Verlag, Berlin 1990
Kaum daß der Spuk zu Ende ist, haben Bahrmann und Fritsch schon ein Buch darüber herausgebracht: die windigen Geschäfte der „Kommerziel-len Koordination“ des Alexander Schalck-Golodkowski werden darin beschrieben. Viele spannenden Fakten wurden zusammengetragen, aber es fehlt vielfach eine schlüssige Erklä-rung, welchen Sinn die aufgezeigten Winkelzüge hatten. Dem westlichen Auge erscheint vieles als ganz gewöhnliche kapitalistische Transaktion, obwohl mich zunächst wunderte , daß überall die STASI beteiligt war. Je-doch, die Geschäfte haben gegen das westliche Technologie-Embargo (Co-com-Liste), gegen die Außenhan-dels-gesetze der DDR und offenbar gegen die sozialistische Moral verstoßen – deshalb war Konspiration erforder-lich. Deshalb ist auch die Empörung der Autoren verständlich, die diese Moral als DDR-Bürger Tag für Tag eingebleut bekamen. In der Empörung werden aber die Vorwürfe vermischt: wurde mit den Devisen-Geschäften nun die DDR-Wirtschaft ausgeblutet oder im Gegenteil notdürftig geflickt? Hat Schalck den seit ca. 1980 drohenden Zusammenbruch der Wirt-schaft durch seine Umschuldungskün-ste wirksam hinausgezögert? Oder dienten die Milliarden-Gewinne vor allem den Privilegien der SED-Bon-zen? Die Feststellung allein, daß die bürokratischen Entscheidungsprozedu-ren der Planwirtschaft umgangen wur-den, beweist nur de-ren Starrheit. Die Tatsache, daß Schalck-Golodkowski dabei keine buchhalterische Akribie walten ließ, beweist eher seine Cle-verneß, verglichen z.B. mit von Brauchitsch, der alle Bestechungsgelder der Flick-Affäre fein säuberlich auflistete.
Auch bei den Quellen sind Zweifel anzumelden. Journalistisch geschrieben, verzichtet das Buch auf Fußnoten, aber auch auf nähere Hinweise im Text. Im Vorwort werden die ausgewerteten Zeitschriften genannt: von der sich seriös gebenden ZEIT bis zum unseriösen WIENER, kunterbun-tes Rauschen des Blätterwaldes. Schließlich wird noch ein BND-Doku-ment zitiert, das allerhand Gerüchte gegen die SED bzw. PDS lanciert. Die höchste aller Schätzungen über das SED-Auslandsvermögen stammt bezeichnenderweise ebenfalls vom BND: es soll 100 Milliarden DM betragen. Doch manches wird schon stimmen von der Vielzahl illustrer Be-hauptungen. Doch bei alldem gilt: Vor weiterem Gebrauch eingehend prüfen! (BG)
Schwerpunktheft
Ein Jahr nach der Wende: ein Schwerpunktheft mit Blick auf die Volkspolizei der DDR, Die Polizei, Heft 10/ 1990
Als der Artikel des letzten DDR-Innenministers Diestel in der „Polizei“ erschien, war die Volkspolizei schon nicht mehr Volkspolizei. Weitere Au-toren: Rolf Gruner – Prorektor der Hochschule des Inneministeriums, Volkspolizeirat Schwandt aus Berlin und Robert Harnischmacher aus Münster. (HB)
Felfe, Heinz: Eine schwere Geburt – Das Reichskriminalpolizeigesetz vom 21. Juli 1922 – Geschichte und historische Lektion, in: Kriminalistik 8-9/90
Gelegentlich zeigt sich die Realität noch um vieles absurder, als es sich erfinden ließe, denn niemand würde es glauben wollen. Just so verhält es sich mit dem Beitrag von Heinz Felfe in Kriminalistik.
Dabei ist es nicht der Beitrag als solcher, der eine Würdigung durch CI-LIP erfordert, sondern der Verfasser. Zunächst mag man den Augen nicht trauen, wenn man beim ersten Sichten unter der Rubrik „Polizeigeschichte“ auf Felfe stößt:
1936 Eintritt in den SS-Motor-Sturm; 1941 Dienstantritt im Reichssicher-heitshauptamt (RSHA); 1949 Arbeitsaufnahme für den russischen KGB; 1951 Eintritt in die „Organisation Gehlen“, den Vorläufer des Bundes-nachrichtendienstes (BND); 1961 Verhaftung; 1963 Verurteilung zu 15 Jahren Haft; 1969 Austausch und Übertritt in die DDR; seitdem Tätigkeit als Hochschullehrer an der Humboldt-Universität in Ost-Berlin. Das sind die Daten, die sich spontan mit dem Namen Felfe verbinden.
Neugierig geworden sucht man nun nach der redaktionellen Vorbemerkung für den ungewöhnlichen Gastautoren. Vergebens! Sollte es tatsächlich einen Namensvetter geben? Ein Fotovergleich mit Felfes Selbstbekenntnis von 1985, „Im Dienst des Gegners“, vertreibt diese Zweifel: Felfe ist Felfe!
Dieser Zusammenhang sollte der Redaktion von Kriminalistik tatsäch-lich nicht aufgefallen sein? In diesem Mo-ment fällt der Blick auf die Einleitung zu Felfes Artikel:
„Nun weisen solcherart Einfaltspinsel jede Art von Torheit weit von sich, reklamieren allenfalls sachliche Zwän-ge“.
Eine vorgezogene Amnestie also für den dreifach gewendeten Felfe. Nun ja, inhaltlich sind sich die Polizeifachleute hüben und drüben bei der Beurteilung des Reichskriminalpolizeigesetzes ohnehin stets einig gewesen. (OD)
Howorka, Horst:
Zur Situation der Kriminalistik in der früheren DDR. Abgrenzung nach Westen hatte Konsequenzen, in: Kriminalistik 11/1990, S. 600-603
In der DDR wurde im Unterschied zur BRD das Fach Kriminalistik an den Universitäten und nicht an einer polizeilichen Fachhochschule gelehrt. Die DDR-Kriminalistik bezieht sich übrigens auf dieselben „Väter“ wie die bundesdeutsche (Hans Groß u.a.). Das Beiwort „sozialistisch“, mit dem sie sich schmückte, scheint insofern keinen wesentlichen Einfluß auf die Konzeption kriminalpolizeilichen Denkens gehabt zu haben. (HB)
Organisierte Kriminalität und verdeckte Methoden
Peters, Butz:
Die Absahner. Organisierte Kriminalität in der Bundesrepublik, Reinbek (Rowohlt) 1990
Journalistische Arbeiten über Kriminalität haben oft einen großen Nach
teil: Um die Aufmerksamkeit des Lesers zu erregen, müssen ihre Fälle ins Gewand eines Krimis gesteckt werden. Die Gefährlichkeit der Täter wird überhöht, eine kühle distanzierte Analyse ist so gut wie unmöglich. Dies gilt auch für Butz Peters, bei dem diese Krankheit schon in den ersten Zeilen steckt. Daß der Autor viel Literatur verarbeitet hat, mag man ihm zugestehen. Es gibt aber keinen Grund, warum Journalisten nicht gefälligst auch ihre Quellen zitieren sollten, um dem Leser eine Überprüfung zu ermöglichen. Die „Experten“ in Sachen OK, die sich in Peters‘ Buch die Klinke in die Hand geben, und die Literatur, die er zitiert, sind dabei recht einseitig. Die Quellen und Abbildungen entspringen mehrheitlich bei der Polizei. In deren und der IMK Forderungen mündet dann auch der Strom der Darstellung. Statt aus zweiter Hand zu lesen, sollten sich die Leser besser gleich die Originale be-schaffen. Weit interessanter als Peters‘ Halbkrimi ist nämlich die von ihm mehrfach angeführte BKA-Studie von Rebscher und Vahlenkamp. (HB)
Rebscher, Erich/ Vahlenkamp, Werner:
Organisierte Kriminalität in der Bundesrepublik Deutschland, BKA-For-schungsreihe, Sonderband, Wiesbaden 1988
Rebscher und Vahlenkamp haben Kri-minalbeamte aus den für „Organisierte Kriminalität“ zuständigen Dienststel-len interviewt. Das Ergebnis der Be-fragung müßte eigentlich zur Revidie-rung der üblicherweise vertre-tenen Auffassungen über die Struktur von kriminellen Organisationen füh-ren. Diese sind nämlich, glaubt man den Autoren und den Befragten, in der BRD nur selten mit der Mafia ita-lienischen Zuschnitts zu verglei-chen. Hier handelt es sich nur am Rande um hierarchisch strukturierte Banden, an deren Spitze ein Pate steht, sondern vielmehr um Netzwerke, wie sie auch im legalen Geschäft zu finden sind. Eine der Folgen des falschen Bildes über die OK ist denn auch, daß der Versuch, diese Netzwerke mit Hilfe des 129 StGB (kriminelle Vereini-gungen) zu verfolgen meist scheitert. Interessant an dieser Schrift ist des-halb weniger die Palette an Forde-rungen, mit der die Autoren nur die Liste der IMK wiederholen, sondern die spannende Analyse. (HB)
Dörmann, Uwe/ Koch, Karl-Friedrich/ Risch, Hedwig/ Vahlenkamp, Werner:
Organisierte Kriminalität- Wie groß ist die Gefahr? Expertenbefragung zur Entwicklung der Organisierten Kriminalität in der Bundesrepublik vor dem Hintergrund des zusammenwachsenden Europa, BKA-Forschungsreihe, Sonderband, Wiesbaden 1990
Verglichen mit der oben besprochenen Schrift ist die neue Veröffentlichung des BKA schlicht mißlungen. Befragt wurden hier nicht mehr nur Polizeibeamte, die aus ihren Erfahrungen den Gegenstand ihrer Ermittlungen darstellen, sondern 26 Experten aus Polizei, Medien, Wissenschaft und Justiz. Anstatt aber die verschiedenen Auffassungen und Begründungen, die dieser Kreis vorträgt, dem Leser kundzugeben, werden hier standardisierte Fragebögen auch statistisch ausgewertet, um das in den einzelnen Berufsgruppen vorherrschende Bild über Stand, Gefährlichkeit, Entwicklungstendenzen und Bekämpfungsmöglichkeiten der OK zu ermitteln. Daß bei der Liste der Befragten das Ergebnis im wesentlichen polizeiliche Auffassungen bestätigt, ist nicht weiter verwunderlich. Wieviel interessanter wäre da eine gute Literaturstudie gewesen! (HB)
Beck, Axel:
Bekämpfung der Organisierten Kriminalität speziell auf dem Gebiet der Rauschgiftkriminalität unter besonderer Berücksichtigung der V-Mann-Problematik, Frankfurt (Peter Lang Verlag) 1990
Diese Dissertation ist vor allem deshalb interessant, weil sie die Arbeit der Polizei mit V-Leuten und Verdeckten Ermittlern darstellt und sich dabei nicht nur am juristischen Gerüst aufhält, das Gegenstand der meisten deutschen Arbeiten auf diesem Gebiet ist. Ein Ergebnis Becks ist dabei der schleichende Verbrauch verdeckter Methoden der Polizei und ihr vorsich-tiger werdender Umgang mit diesen Mitteln. (HB)
Ständige Konferenz der Innenminister und -Senatoren:
Organisierte Kriminalität in Europa. Internationale Expertentagung der IMK an der Polizei-Führungsakademie Münster am 15.3.1990, Stuttgart (Dorotheenstr. 6, 7000 Stuttgart 1), Juni 1990
Referate der Teilnehmer u.a. aus der BRD, Italien, USA, Frankreich, Großbritannien und der Schweiz. Die Broschüre muß im Zusammenhang der Diskussion um Schengen und die Verrechtlichung verdeckter Ermittlun-gen in den Polizeigesetzen und der StPO hierzulande gesehen werden. (HB)
Historisches
Steinborn, Norbert/ Schanzenbach, Karin:
Die Hamburger Polizei nach 1945 – Ein Neuanfang, der keiner war, Hamburg (Verlag Heiner Biller) 1990
Während in den letzten Jahren die Zahl der Arbeiten zur Polizeigeschichte der Weimarer Republik gewachsen ist, ist die Polizeigeschichte der Bundesrepublik noch immer ein nahezu unbeackertes Feld. So ist es umso erfreulicher, daß Steinborn, der bereits an der Studie „Parteisoldaten – Die Hamburger Polizei im Dritten Reich“ (Hamburg 1987) mitgearbeitet hat, zusammen mit Karin Schanzenbach die Chance ergriff, die Lokalgeschichte der Hamburger Polizei bis zu Beginn der 60er Jahre fortzuschreiben. Das Ergebnis ist mehr als eine Lokalgeschichte. Die Entwicklung der Polizei Hamburg zwischen 1945 – 62 ist exemplarisch für die Entwicklung der bundesdeutschen Polizei in dieser Zeitspanne insgesamt. Nach den 5 Jahren des britischen Besatzungsregimes zwischen 1945-50 als eines von außen oktroyierten Versuchs, radikal mit staatsautoritären deutschen Polizeistrukturen zu brechen, begann auch in Hamburg eine Phase des Restauration, deren zentraler Bezugspunkt die Bewährung der Polizei in der offenen Bürgerkriegsschlacht wurde. Daß es auch in Hamburg vorrangig sozialdemokratische Polizeiführer waren, die ihren Autoritarismus und ihre Staatsbesoffenheit bei der Neustrukturierung der Polizei ab 1950 austobten, und die die neuen Polizeisoldaten in Gestalt der Bereitschaftspolizei systematisch zur Unterdrückung von Arbeitskämpfen einsetzten, hat vielfältige Parallelen zur sozialdemokratischen Polizeipolitik in anderen Bundesländern. Profiteure dieser Entwicklung waren zum einen Polizisten aus der Nazi-Zeit, die nach 1945 kurzfristig entlassen worden waren, und nun wieder eingestellt wurden sowie jene Polizeiführer, die der da-malige GdP-Vorsitzende Kuhlmann „als verhinderte Bataillonskommandeure“ charakterisierte.
Wie die AutorInnen im Vorwort knapp anmerken, gab es erhebliche Behinderungen bei der Arbeit im Hamburger Staatsarchiv. Kritische Polizeigeschichte bleibt unerwünscht. Umso erfreulicher ist es, daß ein Hamburger Polizist diese Studie in seinem Verlag publiziert hat. (FW)
Werle, Gerhard:
Justiz-Strafrecht und polizeiliche Verbrechensbekämpfung im Dritten Reich, Berlin, New York (Walter de Gruyter), 1988, DM 248,–
Weyrauch, Walter Otto:
Gestapo V-Leute. Tatsachen und Theorie des Geheimdienstes. Untersuchungen zur Geheimen Staatspolizei während der nationalsozialisten Herrschaft; Jus Commune. Studien zur Europäischen Rechtsgeschichte, Bd. 41, Frankfurt (Klostermann), 1989
Lichtenstein, Heinz:
Himmlers grüne Helfer. Die Schutz- und Ordnungspolizei im „Dritten Reich“, Köln (Bund-Verlag), 1990
Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema Justiz und Nationalsozialismus fand in der Bundesrepublik bis in die siebziger Jahre hinein kaum statt. In den letzten Jahren häufen sich nun die wissenschaftlichen Studien über die NS-Justiz. 1988 erschien Gruchmanns voluminöses Werk über die Justiz im Dritten Reich 1933 – 1940, in dem der Historiker und Politikwissenschaftler die Entwicklung einer Justiz „ohne juristische Skrupel“ (S. 1146) nachzeichnet. Gruchmanns Darstellung warf die Frage nach den normativen Kriterien auf, mit denen die Rechtsschöpfung, -interpretation und -durchsetzung zu analysieren und zu bewerten wären. Erforderlich sind deshalb nicht zuletzt rechtswissen-schaftliche Arbeiten, die sich mit diesem Thema befassen. Daher ist auch die juristische Habilitationsschrift von Gerhard Werle von Interesse, die „den Versuch einer übergreifenden Interpretation der Strafrechtsentwicklung 1933 bis 1945“ wagt, mit dem Ziel, einen Bezugsrahmen zu formulieren, „der die Einordnung und Bewertung von Einzelbefunden ermöglicht.“(S. 1) Werle hat eine umfassende, kenntnisreiche und detaillierte Rechtsgeschichte des materiellen und formellen Strafrechts präsentiert. Die Darstellung der Gesetze und Verordnungen reicht von der VO des Reichspräsidenten zum Schutze des deutschen Volks im Februar 1933 (Nr. 1) über das „Blutschutzgesetz“ von 1935 (Nr. 17), die Änderungen des RStGB von 1941 (Nr. 39) und das Polenstrafrecht (Nr. 40) bis hin zur Volkssturmstraf-rechtsverordnung vom Februar 1945 (Nr. 56).
Werle bleibt nicht bei einer immanenten Darstellung der Strafrechtsentwicklung stehen. Der große Vorzug der Arbeit liegt darin, daß die justitielle Strafrechtsentwicklung und -anwendung in ihrem Verhältnis zur „polizeilichen Verbrechensbekämpfung“ analysiert. Warum sich hierbei Strafrecht und Polizei nicht in Recht und Unrecht, Gesetzesnorm und Maß-nahme trennen lassen, macht Werle detailliert und überzeugend deutlich. „Die polizeiliche Verbrechensbekäm-pfung ist … keine ‚Perversion‘ natio-nalsozialistischen Rechts. Sie liefert vielmehr umgekehrt den bittersten und deutlichsten Beweis für die Orientierung des nationalsozialisti-schen Rechts am „Führerwillen“ (S. 684). In seiner Analyse des „Rechts der polizeilichen Verbrechensbekäm-pfung“ zeigt Werle darüberhinaus auch, daß die häufigen Konflikte zwi-schen Justiz und Polizei mitnichten ein Ringen um rechtsstaatliche Be-grenzungen darstellten, sondern ein Kampf um Kompetenzen konkurrie-render Behörden waren, der seitens der Justiz mit einer Verschärfung des eigenen Instrumentariums geführt wurde. („Die Sicherheitsverwahrung biete … gegenüber der po-lizeilichen Vorbeugehaft die größere Gewähr für den Schutz der Allgemeinheit, DStR 1941, zit. FN 128, S. 519). Polizei und Justiz bildeten eine Einheit, wo-bei der gemeinsam verfolgte mate-rielle Zweck des „Volksschutzes“ die „Verfügbarkeit vergleichbarer ‚wirk-samer Mittel‘ (erheischte): Unbe-grenzter Zugriff für Polizei und Ju-stiz.“ (S. 634)
Werles Arbeit stellt eine mit großem Gewinn zu lesende und als Fundgrube zu nutzende Geschichte des nationalsozialistischen Rechts der „Verbre-chensbekämpfung“ dar. Als rechtswis-senschaftliche Analyse enttäuscht die Arbeit jedoch. Herausgearbeitet wird die politische Instrumentalisierung des Rechts, die Frage, welche Spuren die-se denn in den Normen, der Norm-struktur, in der juristischen Methode hinterlassen haben, nicht nur im Na-tionalsozialismus, sondern nach 1945 – blieben doch die Rechtsinterpreten weitgehend dieselben – wird um-gangen. Die juristische Methode wird durch die historisierende ersetzt. Nach einer kurzen Auseinandersetzung mit den in der Literatur vorfindlichen me-thodischen Ansätzen, die zu Recht als unzureichend kritisiert werden, propagiert Werle als Ausweg eine „mög-lichst umfassende Bestandsaufnahme“. (S. 54) Mit dieser deskriptiven Me-thode gelingt es Werle zwar deutlich zu machen, daß das Justizstrafrecht als Ganzes „substantiell durch natio-nalsozialistische Weltanschauung be-stimmt ist“ (S. 687); die in Teilen noch vorhandene Kontinuität in der Binnenstruktur des Strafrechts (einzel-ner Normen) dürfte deshalb auch nicht zur Annahme verleiten, es seien noch gewisse „rechtsstaatliche Inseln“ im damaligen Recht verblieben, wie dies in der Jurispudenz der fünfziger Jahre in ihrem Bemühen weite Bestän-de des alten Rechts zu übernehmen, getan wurde.
In den fünfziger Jahren wäre eine Habilitation, die nachweist, daß es sich bei dem nationalsozialistischen „Ver-brechensbekämpfungsrecht“ um ein kohärentes, die gesamte Struktur des Strafrechts durchdringendes System handelt, bei dem „im Strafziel ‚Schutz der Volksgemeinschaft‘ sich justi-tielles ‚Urteil‘ und polizeiliche ‚Maß-nahme‘ (treffen) und ununterscheidbar (werden)“ (S. 731), wohl von keiner juristischen Fakultät angenommen werden. Denn solange die Kontinuität nationalsozialistischer und bundesre-publikanischer Richter, Rechtsprofes-soren und Justizbeamter so offenkun-dig war, hätte die Fest-stellung Werles eine kritische Auseinandersetzung mit der Justiz des Dritten Reiches erzwun-gen; eine Flucht auf vermeintlich „rechtsstaatliche Inseln“ wäre verbaut gewesen.
Heute aber ist die Feststellung, vom „Gesamtsystem des nationalsozialistischen Verbrechensbekämpfungsrecht“ her betrachtet, sei „der Bruch in der historischen Entwicklung unverkennbar“, so richtig sie ist, nicht nur banal, heute dient sie wohl vor allem dazu, der Jurispudenz erneut die Aus-einandersetzung mit ihrer eigenen Geschichte als Profession der Normschöpfer,-Interpreten und -Systematisierer zu ersparen. Normtextbetrachtung betreffe nicht das geltende Strafrecht, sondern eben nur Normtexte, stellt Werle bei der Darstellung des politischen Strafrechts, wo die Kontinuitäten mit dem bundesrepublikanischen nicht zu unterschlagen sind, fest (S. 131). Haben aber nicht die von Werle herausgearbeiteten Leitideen des „Volksschutzes“, der „vorbeugen-den Bekämpfung der Volks- und Staatsfeinde“, in den Normtexten, der Struktur des Strafrechts, in der Rechtsdogmatik tiefe Spuren hinter-lassen; Spuren, die teilweise bis heute fortwirken? Werle widmet diesem Problem in der immanenten juri-stischen Darstellung des NS-Straf-rechts selbst nur wenig Auf-merk-samkeit, kann dies auch kaum bei dem enzyklopädischen Charakter seiner Bestandsaufnahme. Die Frage, ob und inwieweit die nationalsozialistischen Rechtsfiguren – etwa dem in 240 StGB zur Verwerflichkeit mutierten „gesunden Volksempfinden“, den „schädlichen Neigungen“ im Jugend-gerichtsgesetz, der Formel der „vor-beugenden Verbrechensbekämpfung“ – noch über 1945 hinaus normative Wirkung entfaltet haben, wird von Werle als falsche Problemstellung verworfen. Schließlich hätten durch „die veränderten Wertungsgrundlagen“ auch textlich gleichgebliebene Vorschriften eine „Mutation“ erfahren (S. 133).
Der dauernde Verweis auf den Kontext, auf veränderte Wertungsgrundla-gen dient dazu, das Problem der „Mu-tation“ von der Ebene der mit juri-stischen Mittel und Methoden zumin-dest mitbeförderten Rechtsverände-rung auf die Ebene der vorjuristischen Leitmotive und -ideologien zu ver-schieben. Die Figur des „furchbaren Juristen“ löst sich bei Werle in der Begegnung des „politischen Strafrich-ters“ mit dem „politischen Polizeirat“ auf (S. 731). Die Lehren aus der Ge-schichte sind für Werle gleichbedeu-tend mit dem Rückzug der Juristen in eine Sphäre reiner Gesetzlichkeit, in der Kriminalpolitik und Strafrecht scharf getrennt sind. Der profes-sionellen Ideologie der heutigen Juri-sten mag es entsprechen, sich selbst als alleine dem Legalitäts- und Geset-zesethos verpflichtet zu sehen und sich über die Vorgänger von vor 1945 und die realsozialistischen furchtbaren Juristen zu erheben (letzteren z.T. gar die Qualifikation des Juristen ganz ab-zusprechen). Als selbstkritische und analytische Positionsbestimmung reicht dies aber nicht aus.
Wie Rechtsgeschichte für eine kritische Auseinandersetzung mit heute (noch) virulenten Problemen fruchtbar gemacht werden kann, zeigt mit einer für deutsche Juristen kaum vorstellbaren Deutlichkeit W.O. Weyrauch (der sich auch als einer der ersten mit dem Gesellschaftsbild der Juristen befaßt hat). Als historische Studie über die Gestapo und ihre V-Leute ist Weyrauchs Buch sicher unzureichend. Sei-ne Ausführungen stützen sich auf eine Auswertung der Frankfurter Gestapo-Kartei, der darin enthaltenen 1.200 V-Leute kurz nach dem Kriege und die damals angefertigten Auswertungsno-tizen. (Die Kartei liegt heute unzu-gänglich in den National Archives, wobei unklar ist, ob es sich hierbei um einen Teilbestand der in Arolsen beim internationalen Suchdienst vor-handenen, zugänglichen Hauptkartei der Gestapo handelt). Weyrauchs schmale historische Quellenbasis ver-biete es zwar, dieses Werk als um-fassende Arbeit über Gestapo-Leute zu lesen. Doch dies ist auch gar nicht Weyrauchs Intention. Er will viel-mehr das Problem der V-Leute an dem zugespitzten Problem Gestapo generell diskutieren. Hierzu ent-wickelt er – immer wieder mit Quer-verweisen auf die USA und westliche Demokratien heute – eine V-Mann-Typologie und zeigt, daß diese in der Regel gerade nicht aus dem Milieu der Nazis rekrutiert wurden, sondern vielfach selbst aus dem Lager der politisch, religiös oder rassisch Ver-folgten kamen und aus Gründen des Überlebens sich zu diesen Diensten hergaben.
Hingewiesen sei schließlich auf ein Buch des WDR-Redakteurs Lichtenstein, das im Staatsbürgerkundeunterricht der Polizei einen festen Platz erhalten sollte. Es dokumentiert anhand von Einzelfällen das Wüten der Polizeitruppen in Polen, Rußland und der Tschechoslowakei. Darüberhinaus zei-gen die von Lichtenstein herausgegrif-fenen Fälle aber auch, mit welcher Unbefangenheit der bundesdeutsche Staat auf diese mordenden Polizisten beim Wiederaufbau der Apparate zurückgriff, ja Beamte trotz bereits laufender Ermittlungsverfahren weiter beförderte. (AF)
Sonstige Bücher
Schöneberger, Manfred:
Das Lernen polizeilichen Handelns – Entwicklung und Begründung eines handlungsbezogenen Lernkonzepts für die Ausbildung von Polizeibeamten, Frankfurt/M – Bern – New York – Paris (Peter Lang Verlag) 1990
Gegenstand dieser Dissertation ist die Ausbildungsreform für den mittleren Polizeidienst. Der Autor, Erziehungswissenschaftler mit langjähriger pädagogischer Erfahrung, u.a. als nebenamtlicher Fachlehrer an Polizeischulen, kennt mithin aus eigener Erfahrung die derzeitige Ausbildungssituation.
Die recht detailliert entwickelten Überlegungen zur Reform der Poli-zeiausbildung für den mittleren Dienst, der immerhin ca. 80% aller Polizisten umfaßt, sind daran orientiert, „Kommunikation statt Zwang und Gewaltanwendung zum Handlungsprinzip des Polizeibeamten“ werden zu lassen (S.184) – ein sym-pathisches Ziel. Entsprechend deutlich fällt auch die Kritik an den bisherigen Ausbidlungsformen und -inhalten aus, die stärker dazu dienen, einen bestimmten polizeilich-autoritäten Habitus bei den Polizei-Novizen herauszubilden, als auf die möglichst gewaltfreie Bewältigung von polizeitypischen Alltagskonflikten vorzubereiten. „Theorielast in Verbindung mit kognitiven Lernzielen und weitgehend lehrerzentriertem Unterricht verlagern den Erwerb praktischer Kenntnisse und Fertigkeiten auf die Zeit nach der Ausbildung. Dort entstehen dann Handlungsdispositionen, die durch ältere Kollegen und Vorge-setzte geprägt werden: hierarchisches Denken, Kompensation von Unsicherheit durch Härte und Aggression, geringere Flexibilität im Umgang mit den Bürgern; kurz: mangelnde Professionalität.“(S.111) Der Autor plädiert für und begründet ein Ausbildungskonzept, das sich nicht am Erlernen abfragbaren Wissens sondern konsequent an typischen Situationen orientiert (eskalierende Handlungssituationen, in denen ein Polizeibeamter tödlich verletzt wird; polizeiliche Personenkontrolle, Demonstrationseinsätze etc.), in denen polizeiliches Handeln stattfindet und „in denen sein Handeln von dem Verhalten und Handeln anderer an der Situation beteiligten Personen abhängt.“(S.38).
Es ist für jeden, der an einer demokratischen Reform der Polizeiausbildung interessiert ist, eine sowohl in der Kritik an der bisherigen Ausbildung wie in den konzeptionellen Überlegungen zur Ausbildungsreform treffliche, lesenswerte Studie. Es bleibt die Frage, ob nicht die bisherige Polizeiausbildung gleichwohl für einen Apparat die adäquatere ist, dessen Einsatz in gesellschaftlichen Konfliktsituationen immer wieder vorexerziert, daß Gewalt sehrwohl ein probates Mittel herrschender Politik ist. Kurz: die Funktion der Polizei setzt m.E. harte Grenzen für eine Ausbildungsreform, die Polizei auf Kommunikation statt Gewalt einschwören will. (FW)
Weiß, Dr. Max:
Das Dschiu Dschitsu, die Selbstverteidigungskunst ohne Waffen, Verlag Deutsche Polizeiliteratur, Hilden 1990
Bei diesem Buch handelt es sich um den Nachdruck eines Kapitels aus „Die Polizeischule“ von Dr. Max Weiß aus dem Jahre 1920.
Wie sich dem Nachwort entnehmen läßt, wurde es 1980 in einem Hamburger Antiquariat aufgestöbert. Mir war „sofort klar, daß es sich hier um die ältesten Fotos dieses Sports handeln muß. So war mein Entschluß schnell gefaßt, diese sporthistorischen Dokumente möglichst vielen Interessenten wieder zugänglich zu machen“, schreibt der stolze Entdecker.
Zumindest teilweise scheint ihm dies gelungen zu sein, indem er den Verlag Deutsche Polizeiliteratur zu einem Reprint motivieren konnte. Dem Verlagsprogramm entsprechend beschäftigt sich das Buch ausschließlich mit der Selbstverteidigung bei der Polizei.
Die reichlichen Fotos haben aus heutiger Sicht bestimmt einen gewissen Unterhaltungswert. Alles in allem jedoch nichts für den Bücherschrank, sondern eher etwas für E. Vollands Agentur „Komische Fotos“. (OD)
OSTROVSKY, Victor & Claire HOY:
By Way of Deception. A Devastating Insider’s Portrait of the Mossad. 371 S. Toronto 1990. Stoddart Publishing Co., Ltd. Can$ 26,95.
So unterschiedlich die Autoren sind, so unterschiedlich ist auch die im Buch enthaltene Informationsware: Claire Hoy ist ein renommierter kana-discher Journalist und politischer Kommentator; Victor Orlovsky, kanadischer Bürger jüdischer Abstammung, der bereits mit achtzehn Jahren zum Offizier in der israelischen Armee avancierte; in den Jahren 1967-1971 bei der Militärpolizei und von 1977-1981 bei der israelischen Marine diente. Während dieser Dienstver-pflichtung wurde er vom israelischen Geheimdienst MOSSAD, angewor-ben, bei dem er später zum katsa aus-gebildet wurde, wie die Agentenfüh-rer/ Führungsoffiziere der Auslandss-pionageorganisation genannt werden. Die ins minuziöse Detail reichende Schilderung verschiedener Aspekte seiner Ausbildungszeit ist eine offen-kundige Kooperation zwischen Os-trovsky und seinem schreib- und fabu-lierfreudigen Mitautoren, die eher an die nach Nervenkitzel Hungernden unter den LeserInnen gerichtet, als die, an nachprüfbaren oder verifizier-baren Fakten Interessierten. Verlangt wird Mut, Phantasie, zielgerichtetes Handeln unter Streß und – als hätte es nicht fehlen dürfen – auch ein Flair mit den Damen. Die vier Hauptfächer sind das einheitliche Verfahren für sämtliche schriftlichen Mitteilungen von MOSSAD, NAKA genannt; APAM oder Avtahat Paylut Modienit, wie das System der Sicherung von MOSSAD Nachrichtenbeschaffungs-aktivitäten genannt wird; allgemeine Militärkunde und schließlich die Kunst der Tarnung. Während des zweiten Teils seiner Ausbildung erfahren wir, daß der israelische Geheimdienst an illegalen Waffenverkäufen beteiligt gewesen ist – in einem Fall der Verkauf von 30 US-amerikanischen Düsenjägern vom Typ Sky-hawk an Indonesien. Nach diesem Hinweis auf Unterstützung illegaler Waffengeschäfte erfolgt der anekdo-tenhafte Unterricht in Sachen ent-setzliche Waffen (S. 143ff.) im Stil spannenden Unterrichts für die 8./9. Klasse. Weiter folgt ein Kapitel über ungewöhnliche Sexualpraktiken eini-ger Mitglieder seines Ausbildungs-zugs, das danach riecht, von einem Fachanwalt für Pornographieklagen bereinigt worden zu sein (S. 153 ff.). Schließlich kommt es im Februar 1986 zu einem Eklat. Ostrovsky quit-tiert den Dienst Ende März 1986, ver-läßt Israel und kehrt nach Nord-ame-rika zurück (S. 168ff.). Der letzte Abschnitt des Buches umfaßt Ent-hüllungen über die nicht sehr ehren-haften Machenschaften des MOSSAD bis weit in dessen Vergangenheit, von denen hier der Fleischextrakt eines Einzelfalls zur Veranschaulichung ihrer Qualität vorgeführt werden soll. Es handelt vom Umgang mit Informa-tionen der MOSSAD-Station in Beirut über den bevorstehenden Anschlag shiitischer Muslime auf das 8. Batail-lon der US-Marineinfanterie in Bei-rut: „Binnen weniger Tage gaben die Israelis die Namen von 13 Personen an die CIA weiter, die ihrer Meinung nach mit dem Bombentod der US-Ma-rineinfanteristen und französischen Fallschirmjägern zu tun hatten… Im MOSSAD-Hauptquartier herrschte Er-leichterung darüber, daß wir nicht die Zielscheibe gewesen sind. Für den MOSSAD war es eher ein kleiner Vorfall gewesen – worauf wir gestos-sen waren und niemanden davon in Kenntnis setzen wollten. Das Problem bestand darin, hätten wir die In-formationen (über die Umrüstung des für den Anschlag benutzten Lkws zum Transport von Bomben) weiterge-geben und wären sie zurückverfolgt worden, so wäre unser Informant ge-tötet worden.“ Kaum das Zeug echter Enthüllungen und ähnlich hat es das US-Gericht in New York gesehen, das im September 1990 dem israelischen Antrag auf gerichtliche Verkaufsver-bot schließlich nicht stattgab. Alles in allem sehr gemischte Ware nach dem Motto, kann sein, kann nicht sein. Angereichert durch englischsprachige Übersetzungen israelischer Original-dokumente sowie Glossar und Beleg für den tatsächlichen Dienst Ostrovs-kys beim MOSSAD. Als Buchveröf-fentlichung auch ein Beleg für den Geschäftsinstinkt des Torontoer Ver-lagshauses Stoddart. Der nach James Bacques‘ Enthüllungen über Eisen-howers Behandlung deutscher Kriegs-gefangener 1989 nun auch das „verheerende Portrait eines Insiders über den MOSSAD. (DH)
Interessante „graue“ Literatur
Der Innenminister des Landes Schleswig-Holstein:
Zur Lage der Polizei in Schleswig-Holstein, Kiel (Düsternbroker Weg 82) Juni 1990
Eine materialreiche Antwort auf eine Große Landtags-Anfrage der CDU.
Landtag NRW:
Bericht des III. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses, Drucksache 10/ 5291, Auszüge in: Die Streife, 7-8/ 1990, S. 9-16
Bericht zum Gladbecker Geiseldrama
Interessantes aus Zeitschriften
Wilhelms, Uwe:
Kripo-International 1990. Drogenbekämpfung 1990 – Aktion statt Reaktion, in: Der Kriminalist, 7-8/ 1990, S. 298-309
Bericht über die jährliche internationale Tagung des BDK mit knappen Zusammenfassungen der Referate von Teilnehmern aus der BRD, der Türkei, Spanien, Italien, der Sowjetunion und den Niederlanden.
Schnarr, Karl-Heinz:
Der Zeugenschutz im Strafprozeßrecht. Möglichkeiten und Reformerfordernisse, in: Kriminalistik, 6/ 1990, S. 293-296
Der Autor ist Oberstaatsanwalt am BGH. Er erörtert die Möglichkeiten der Geheimhaltung von Zeugendaten in erster Linie gegenüber dem Angeklagten und seinem Verteidiger. Dargestellt werden die derzeitige Rechtslage sowie Reformvorschläge.
Füllkrug, Michael:
Telefonüberwachung als kriminalistische Erkenntnisquelle, in: Kriminalistik 7/ 1990, S. 349-356
Erörtert werden u.a. die Möglichkeiten zur Verwertung von „Zufalls-funden“ bei Telefonüberwachungen nach 100 a der StPO. Dabei geht es insbesondere um die Möglichkeiten, die der 129 StGB (Kriminelle Vereinigung) eröffnet.
Reuter, Michael:
Arbeiten an HEPOLAS begonnen, in: Hessische Polizeirundschau, 6/ 1990, S. 17-20
Das Konzept von HEPOLAS (Hessi-sches Polizeiliches Arbeitsplatz-Sys-tem) wird dargestellt. Ziele des Sys-tems sind u.a die Umstellung der Vor-gangsverwaltung (Anzeigenaufnah-me) von Papier auf Computer, die de-zentrale Auskunft und Recherche, die Möglichkeit, Nachrichten direkt vom Bildschirmarbeitsplatz abzusetzen.
Zechlin, Lothar:
Polizeigesetzentwurf in Hamburg, in: Demokratie und Recht 2/1990, S. 129-135
Eine Analyse von Geschichte und Inhalt des vom sozialliberalen Hamburger Senat im Januar d.J. an die Bürgerschaft weitergeleiteten Polizeigesetzentwurfs (BüDrs. 13/ 5422)
Brendel, Robert:
Die polizeilichen Informationssysteme – ein Überblick im Extrakt, in: Die Polizei 4/ 1990, S. 73-75
Kurze und informative Beschreibung des INPOL-Systems in seinem derzeitigen Stand, insbesondere im Verhältnis zu den Landessystemen.
„Philologischer Fingerabdruck“?
Brückner, Tobias
Verrät der Text den Verfasser, in Kriminalistik 1/ 1990, S. 13 ff.
Drommel, R./ Löhr, U./ Rückel, F.H.
Verrät der Text den Verfasser. Entgegnungen auf Brückner, in: Kriminalistik 8-9/1990, S. 467-474
Spillner, Bernd/ Brandt, Wolfgang/ Braun, Angelika
Grenzen und Möglichkeiten der forensischen Texturheberschaftsermittlung, in: Kriminalistik 8-9/1990, S. 475-483
Kniffka, Hannes
Der Linguist als Gutachter vor Gericht, in: Kriminalistik 8-9/ 1990, S. 484-488
Hecker, Manfred/ Steinke, Wolfgang
Ein exemplarischer Fall. Die Untersuchungsgeschichte eines legendären Beweises, in: Kriminalistik 8-9/ 1990, S. 488-491
Steinke, Wolfgang
Um Irrtümern vorzubeugen. Eine Zusammenfassung über die Untersuchungen von Schriften, in Kriminalistik 8-9/1990, S. 492-494
Kniffka, Hannes
Thesen zu Stand und Aufgaben „forensischer Linguistik“, Kriminalistik 11/ 1990, S. 604-610
In der Kriminalistik wird seit Anfang des Jahres eine Debatte um forensische Linguistik geführt, d.h. um die Frage, ob ein Text mit Sicherheit einem Autor zugeordnet werden kann. Die Diskussion ist vor dem Hintergrund der seit mindestens einem Jahrzehnt andauernden Bemühungen zu sehen, den Personenbeweis, d.h. die Aussage vor einem Gericht zu ersetzen durch „objektive“ Sachbeweise, wenn sich solche finden lassen. Daß dies nicht nur eine abstrakte wissenschaftliche Frage ist, zeigt sich an vielen Ermittlungen und Prozessen der Gegenwart und jüngeren Vergangenheit – von der Untersuchung der „Hitler-Tagebücher“ und der letzten brieflichen Äußerungen Barschels bis hin zur Analyse von Bekennerschreiben in Verfahren nach 129a StGB (u.a. gegen Rolf Hartung 1989). (HB)
Polizeikultur
Meier-Welser, Conrad:
Polizeikultur – Über den Kern einer neuen Worthülse, in: Deutsche Polizei 7/ 1990, S. 17-19
Kube, Edwin
Polizeikultur – mehr als ein Modebegriff im letzten Jahrzehnt diese Jahr-hunderts?, in: Die Polizei 5/1990, S. 97-100
Debatten über Organiationskultur beginnen meist dann, wenn in der Organisation etwas faul ist und ein gemeinsames Band gesucht wird, das den Laden zusammenhält. Die Polizei hat offenbar eine „corporate identity“ notwendig; sonst würde nicht so viel über dieses Thema geschrieben. Auffallend an den Diskussionsbeiträgen, die sich in der letzten Zeit häufen und zu deren Autoren allen voran Edwin Kube vom BKA zählt, ist daß sie die Neubestimmung der polizeilichen Identität in erster Linie innerorganisatorisch und nicht in Bezug auf den Bürger und seine Interessen gegenüber der Polizei thematisieren.