Das Ende der Volkspolizei – Chronologie des Zerfalls

Ungeachtet der Ereignisse vom Sommer, als Tausende DDR-Bürger ihre Ausreise erzwangen, und ohne Rücksicht auf die allgemeine Stimmung im Volk führt die Staatsführung der DDR im Oktober ihre 40-Jahre-Feiern durch.

Im Zuge dieser Feiern kommt es in verschiedenen Städten zu Protestkundgebungen und Schweigemärschen, ihren Höhepunkt erreichen diese Proteste am 08. Oktober 1989 in Ostberlin. Mehrere tausend Menschen ziehen vom Alexanderplatz zum Palast der Republik, wo der sowjetische Staatspräsident und Parteichef Gor-batschow am Abschlußempfang der „Feierlichkeiten“ teilnimmt.

Die SED-Führung setzt daraufhin massiv Volkspolizei gegen die Demonstranten ein. Erstmals sind auch Einheiten der Betriebskampfgruppen im Einsatz, das STASI-Eliteregiment „Felix Dzierzynski“ liegt in Bereitschaft. In Berlin und Leipzig kommt es zu schwersten Ausschreitungen der Vopo, während die Protestierenden zumeist keinerlei Widerstand leisten. „Wir sind das Volk“ und „Keine Gewalt“ sind die zentralen Parolen der Unzufriedenen.
Die Rechnung der SED geht indes nicht auf. Je mehr Menschen von der Vopo mißhandelt und festgenommen werden, umso mehr drängen neue nach. Für die DDR wird der 07./08. Oktober 1989 zum Wendepunkt. Auch während der folgenden Tage reißen die Proteste nicht ab, und münden schließlich einen Monat später in der Öffnung der Berliner Mauer.

Auch für die Volkspolizei ist dieses Datum der Beginn des bisherigen organisatorischen Zusammenbruchs, wie die nachfolgende Chronologie (beginnend mit dem Januar 1990) zeigt.

03.01.90: Eine „Koordinierungsgrup-pe Gewerkschaftlicher Neubeginn“ und die „Inititative für eine eigen-ständige Gewerkschaft der Volkspolizei“ nehmen vorbereitende Arbeiten zur Gründung einer landesweiten un-abhängigen Polizeigewerkschaft auf. In der Gewerkschaft sollen sowohl die Angehörigen von Schutz- und Kriminalpolizei als auch die Verwaltung, einschließlich des neuen Innenministeriums vertreten sein.

08.01.90: Bei den Untersuchungen der gewalttätigen Polizeiübergriffe während der Demonstration vom 07. Oktober 89 stößt der ermittelnde Generalstaatsanwalt immer wieder auf eine „Wand des Schweigens, des Nichterinnerns oder des plötzlichen Gedächtnisverlustes“. Über die Nachrichtenagentur ADN wirft er der Ostberliner Polizeiführung „mangelnde Bereitschaft zur Kooperation“ vor. Als Zeugen und Beschuldigte gela-dene Polizisten blieben den Verneh-mungen fern und oft fehle das Be-weismaterial.
Generalmajor Dirk Bachmann wird neuer Polizeipräsident von Ost-Berlin. Bachmann löst den am 12.12.89 kom-missarisch mit der Amtsführung be-trauten Oberst Joachim Griebel ab.
Griebel, früher Polizeivizepräsident, hatte das Amt von Generalleutnant Friedhelm Rausch übernommen, der in Folge der Ereignisse um den 07./08. Oktober 89 nicht mehr im Amt gehalten werden konnte.
Mit der Ernennung von Generalmajor Dieter Wunderlich zum Chef der Deutschen Volkspolizei wird dieses Amt erstmals nicht mehr vom Innenminister selbst ausgeübt. Gleichzeitig wird Wunderlich auch Stellvertreter von DDR-Innenminister Ahrendt.

19.01.90: Angehörige der Volkspolizei gründen in Potsdam die vom FDGB unabhängige „Deutsche Volks-polizeigewerkschaft (DVPolG)“. Sie wird auf westlicher Seite zunächst von der „Deutschen Polizeigewerkschaft“ im Beamtenbund unterstützt. Einen Tag später gründet sich in Ost-Berlin die Gewerkschaft der Volkspolizei (GdVP), die nach eigenen Angaben rund 77.600 Mitglieder vertritt. Die GdVP will nicht nur Mitarbeiter der Vopo, sondern auch aus Feuerwehr und Strafvollzug organisieren. Da-raufhin löst sich die DV-PolG wieder auf.

24.01.90: Einige hundert Volkspolizisten demonstrieren in Leipzig. Mit ihrer Demonstration wollen sie zu einer „Sicherheitspartnerschaft“ mit allen demokratischen Kräften aufrufen und das Mißtrauen der Bevölkerung gegen die Volkspolizei abbauen.

07.02.90: In einem öffentlichen Schreiben an Betroffene bedauert Bachmann die Ausschreitungen der Vopo am 07./08. Okt. 89. An 143 Betroffene seien insgesamt 45.000 DDR-Mark ausgezahlt worden, um Schäden zu regulieren. Außerdem sei-en in 117 Fällen Ordnungstrafen auf-gehoben und zurückgezahlt worden.

12.02.90: Erstmalig treffen der Westberliner Polizeipräsident Georg Schertz und sein Ostberliner Amtskol-lege zusammen, um die künftige Ko-operation zu besprechen.

14.02.90: Einem Demonstrationsaufruf der GdVP für bessere Arbeitsbedingungen und gegen das schlechte Ansehen in der Bevölkerung folgen rund 3.000 Vopos und Feuerwehrmänner.

24.02.90: DDR-Innenminister Lothar Ahrendt tritt in die GdVP ein.

02.03.90: Das Bundesinnenministerium veröffentlicht „vorläufige Regeln“ für den deutsch-deutschen Datenaustausch zwischen den Polizeien, Staatsanwaltschaften und Gerichten.

09.03.90: Seit den Ereignissen vom 07./08. Okt. ’89 haben insgesamt 165 damalige DemonstrantInnen gegen Vopos wegen Freiheitsberau-bung, vorsätzlicher Körperverletzung oder Beleidigung erstattet.

30.03.90: 45 frühere Mitarbeiter des „Amtes für Nationale Sicherheit“ wer-den von der Ostberliner Kripo über-nommen. Sie wurden aus 300 Bewer-bern ausgewählt.

31.03.90: Das DDR-Innenministeri-um baut in Ostberlin und anderen Ballungszentren Spezialeinheiten zur Terrorismusbekämpfung auf. Ihnen gehören auch ca. 100 „Spezialisten“ der aufgelösten STASI an.

04.04.90: Der Runde Tisch Potsdam stimmt der Übernahme von 41 ehema-ligen STASI-Angehörigen in die Vo-po zu. Sie werden dort in Bereichen der Kriminaltechnik, der Nachrichten-technik und der Munitionsbergungsdienstes beschäftigt.

06.04.90: 506 ehemalige STASI-Bedienstete werden von der Ostberliner Vopo übernommen. Nach Angaben von Polizeipräsident Bachmann erhält keiner von ihnen eine leitende Funktion.

10.04.90: Das Militärgericht Dresden verurteilt einen Volkspolizisten wegen der Mißhandlung von 16 festgenommenen DemonstrantInnen zu einer Be-währungsstrafe von 8 Monaten.

13.04.90: Von der Volkskammer wird die Regierung de Maiziere verei-digt. Innenminister und stellvertreten-der Ministerpräsident wird Dr. Peter-Michael Diestel (DSU).

18.04.90: Die GdVP fordert die Schaffung eines Volkspolizeigesetzes.
DDR-Innenminister Diestel und BMI Schäuble (CDU) treffen in Bonn zum ersten Meinungsaustausch zusammen. Sie vereinbaren, sich künftig monatlich zu treffen.
Der pensionierte BKA-Präsident H. Boge wird Berater Diestels. Diestel bittet darüberhinaus um weitere Berater. Die Minister vereinbaren weiterhin, daß BND und BfV ihre Arbeit in der DDR einstellen und kündigen eine enge Zusammenarbeit der Polizeibehörden beider Länder an. Zur Bekämpfung von Terrorismus, Orga-nisierter Kriminalität und Rauschgiftkriminalität sollen Arbeitsgemeinschaften beider Ministerien gebildet werden.

23.04.90: Innenminister Diestel nennt als eine seiner ersten Aufgaben, die Verunsicheurng der VoPo durch die politischen Umwälzungen zu beenden.
In den ersten vier Monaten der Modrow-Regierung sind rund 3.000 ehemalige MfS-Angehörige vom DDR-Innenministerium übernommen worden.

26.04.90: Innenminister Diestel erklärt vor der Volkskammer, daß Son-derabteilungen der Kripo der DDR getarnt für die STASI gearbeitet haben. Unter dem Namen „K 1“ sollen sie auch nach der Auflösung der STASI in allen Kreisen der DDR weiter Informationen gesammelt haben.

26.04.90: Westberlins Polizeipäsident Schertz gibt bekannt, daß für den be-vorstehenden Einsatz zum 1. Mai mit der Vopo ein „operatives Gesamtkonzept“ entwickelt wurde, daß jedoch die „territorialen Zuständigkeiten“ strikt beachten werde.

27.04.90: Nach dem früheren BKA-Präsidenten Boge wird nun auch der Landespolizeipräsident von Baden-Württemberg, Alfred Stümper, „Fach-berater“ von Innenminister Diestel.
Weiter gibt er bekannt, daß ihm von Bonn und Bayern Ausrüstungs- und Ausbildungshilfe zugesichert worden sei.
Die Polizei räumt im Ostberliner Stadtteil Lichtenberg drei von Rechts-radikalen besetzte Häuser.

30.04.90: Nach Angaben des DDR-Innenministeriums sind bis zu diesem Zeitpunkt 196 Mitarbeiter des Ministeriums und 4.295 Bedienstete untergeordneter Stellen entlassen worden, darunter 20 Generäle.

01.05.90: Um für eventuelle Auseinandersetzungen während des „1. Mai“ besser gerüstet zu sein, hat die Volkspolizei von der Westberliner Polizei 100 Sonderausrüstungen erhalten. Zwischen den beiden Polizei-Einsatzzentralen in Berlin wird eine direkte Kommunikationsleitung gelegt. 40 mobile Einsatzgruppen der Vopo sind an den Grenzübergangsstellen postiert. Insgesamt sind rund 3.500 Vopos im Einsatz.
Auf Ostberliner Seite bleibt es ruhig; zu Zwischenfällen kommt es nur in Westberlin.
Auf dem Ostberliner Flughafen Schönefeld wird eine 55-Mann-starke „An-ti-Terror-Einheit“ aufgestellt. Sie un-tersteht dem Innenministerium.
Die militärischen Dienstränge bei Vopo, Feuerwehr und im Strafvollzug werden durch zivile Rangbezeichnungen ersetzt.

05.05.90: In Ostberlin kommt die IMK zu einer Sondersitzung zusammen. Bei diesem Treffen wird vereinbart, ausgewählte Experten der Führungsebene zur Beratungshilfe in die DDR zu entsenden. Ferner werden Fortbildungsveranstaltungen für polizeiliche Führungskräfte der DDR ver-einbart.
Eine Arbeitsgruppe zur Intensivierung der operativen Zusammenarbeit soll vorrangig folgende Schwerpunkte bearbeiten:
– Fahndung nach Personen und Sachen,
– Identitätsfeststellungen,
– Verbesserung des Informationsaustausches,
– Zusammenarbeit in der Kriminalitätsbekämpfung und Gefahrenabwehr, insbes. in den Bereichen: Organisierte Kriminalität, Rauschgiftkriminalität, Wirtschaftskriminalität, Terrorismus, Umweltkriminalität, Großveranstaltungen und Demonstrationen.
Auf dieser IMK-Sitzung erbittet Diestel zudem Ausrüstungshilfe im Wert von rund 44 Mio. DM in Form von 900 Pistolen, 250 Maschinengewehren, 8000 transparente Schutzschilde, 230 Video-Anlagen und 300 Handfunkgeräten.

06.05.90: Der Chef der DDR-Kripo gibt den Aufbau einer Rauschgiftabteilung bekannt. Diese Abteilung wird mit Unterstützung des BKA errichtet. Weitere Spezialabteilungen sind im Aufbau. Derzeit verfügt die Kripo der DDR über ca. 8.000 Beschäftigte. 500 wurden von der STASI übernommen.

13.05.90: Das DDR-Innenministerium stellt einen selbstkritischen Bericht vor, wonach die von der SED zu verantwortende „in wesentlichen Ansätzen verfehlte Polizeikonzeption“ dazu beigetragen habe, daß es am 07. Oktober 1989 zu einer Eskalation kam, die dann schließlich einen Monat später in die Öffnung der Grenzen mündete.

15.05.90: Innenminister Diestel ernennt den einstigen Polizeipräsidenten von Karl-Marx-Stadt, Peter Müller, zu seinem Staatssekretär. Wegen starker öffentlicher Proteste muß Müller kurz darauf wieder suspendiert werden.

17.05.90: Westberlins Innensenator Erich Pätzold (SPD) lehnt eine Übernahme ehemaliger SED-Mitglieder aus der Spitze der Ostberliner Vopo in die künftige Gesamt-Berliner Polizei-führung ab.

21.05.90: Bayern und Baden-Württemberg beginnen mit einwöchigen Seminaren für Führungskräfte der Vo-po.

25.05.90: Nach Angaben des Innenministeriums sind von den 149 Mitgliedern der neuen Anti-Terror-Einheit lediglich 40 aus den Reihen der Vopo; die übrigen kommen aus einer Sondereinheit des einstigen MfS.

30.05.90: Thomas Krüger (SPD) wird Stadtrat für Inneres in Ostberlin. Bei seiner Amtsübernahme tags darauf findet Krüger eine nahezu leere Verwaltung vor. In der Leitungsebene wird niemand angetroffen. Die Mitarbeiter haben sich selbst degradiert, um unkündbar zu werden. Praktisch haben nur „Hilfssekretärinnen einige Stapel Papier überreicht“.

04.06.90: Stadtrat Krüger fordert von Innenminister Diestel die Zuständigkeit für die Ostberliner Polizei.

06.06.90: Der Streit um die Hoheitsrechte der Ostberliner Polizei zwischen Stadtrat Krüger und Innenminister Diestel endet mit einem vorläufigen Kompromiß: Solange die rechtlichen und organisatorischen Vorausset-zungen nicht geschaffen sind, wird die Arbeit der Vopo durch ein Dreier-Gremium aus Westberliner Senat, Ostberliner Magistrat und DDR-Innenministerium koordiniert.
Das frühere RAF-Mitglied Susanne Albrecht wird nach Hinweisen ehema-liger STASI-Leute aufgespürt und festgenommen.

07.06.90: Aufgrund zunehmender Angriffe von rechtsgerichteten Jugendlichen bietet die Vopo-Inspektion im Stadtbezirk Friedrichshain den Hausbesetzern der Mainzer Straße eine „Sicherheitspartnerschaft“ an.

08.06.90: Innenstadtrat Krüger schlägt für die Ostberliner Polizei die Einrichtung des Amtes eines Polizeibeauftragten vor.

13.06.90: Die DDR bereitet ein eigenes Polizeiaufgabengesetz vor, welches das Polizeigesetz von 1968 ablösen soll.
Mit der bevorstehenden Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion soll nun auch eine Fahndungsunion geschaffen werden. Hierzu legt die Bundesregierung einen entsprechenden Zusatzartikel zum Staatsvertrag vor. Geplant ist darin neben der Übernahme der ausländerrechtlichen Regelungen der BRD, eine enge Zusammenarbeit von Polizei- und Zollbehörden, die Übermittlung personenbezogener Daten und eine grenzüberschreitende Fahndung.
Die Polizei wird an das INPOL-System angeschlossen. Hierzu werden 2 Terminals beim Zentralen Kriminal-amt ZKA und ein weiteres Gerät bei der Zolldirektion der DDR installiert. In Magdeburg wird das ehemalige RAF-Mitglied Inge Viett festgenommen.

14.06.90: Monika Helbing, Christine Dümlein, Werner Lotze und Eckehard, Freiherr von Seckendorf werden festgenommen.

15.06.90: Eine in der Vorwoche angekündigte Sondereinheit, die gezielt gegen Skinheads und Schwarzhändler im Bezirk Mitte vorgehen soll, ist ein-satzbereit. Sie besteht aus 270 Mann, von denen 30 ständig in Alarm-bereitschaft stehen.

16.06.90: In Schwedt a.d. Oder wird Sigrid Sternebeck festgenommen.

18.06.90: Ohne größere Aussprache nimmt der Bundestag-Innenausschuß mehrheitlich das Zusatzabkommen zur Fahndungsunion an, nachdem zuvor die grenzüberschreitende Fahndung auf Fälle der Schwerkriminalität begrenzt wurde.

23.06.90: Nach einer Demonstration kommt es im Ostberliner Stadtbezirk Lichtenberg zu schweren Auseinandersetzungen, als etwa 400 Jugendliche versuchen, von Anhängern der rechtsextremistischen „Nationalen Al-ternative“ besetzten Häuser zu stür-men.

25.06.90: Innenminister Diestel fordert als Konsequenz der Gewalttätigkeiten erneut eine bessere Ausrüstung der Volkspolizei und das Vermummungsverbot.

Innenstadtrat Krüger tritt dafür ein, nun endlich die Polizeihoheit für die Ostberliner Polizei übertragen zu bekommen.
Polizeigewerkschaften in Ost- und Westberlin fordern die Übertragung des Westberliner ASOG auf ganz Ber-lin.
Ein 19jähriger sowjetischer Soldat wird während einer Geiselnahme von einer Sondereinheit der Vopo erschossen.

28.06.90: Die Westberliner Polizei arbeitet ab sofort mit der Vopo auf Führungsebene enger zusammen. Pro Schicht sitzt jeweils ein Ordnungshüter der anderen Seite beim zentralen Lagedienst.
Zur Sicherung der Geldtransporte zur bevorstehenden Währungsunion hat die Volkspolizei ihre Sondereinheiten um 200 Mann verstärkt. Die Kripo hat spezielle Fahndungskommandos gebildet. Insgesamt sind für die Siche-rungsmaßnahmen 3.000 Polizisten bereitgestellt.

29.06.90: Die IMK beschließt weitere Maßnahmen zur Verwirklichung der Fahndungsunion. Das ZKA der DDR wird künftig vom BKA über Erkenntnisse mit terroristischem Hintergrund ständig informiert.
Die Polizeidienststellen in der DDR werden an das Datennetz der bundes-deutschen Polizeien angeschlossen. Es wird eine deutsch-deutsche Arbeitsgruppe zur Intensivierung der polizeilichen Zusammenarbeit unter Vorsitz von A. Stümper gebildet.

03.07.90: Die Berliner Landesverbände von GdP und GdVP beschließen einen gemeinsamen Landesverband zu bilden.

04.07.90: Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) und der Verband der Kriminalisten (VdK) verkünden den bevorstehenden Zusammenschluß ihrer Organisationen (mit dann 17.000 Mitgliedern).

07.07.90: Nach der alliierten Zustimmung dürfen Volkspolizisten im Westteil Berlins ab sofort ihre Uniform tragen. Hoheitliche Rechte bleiben ihnen zunächst noch verwehrt. Einen Monat später wird die Genehmigung widerrufen.
Ibrahim Böhme bewirbt sich um das Amt des Polizeibeauftragten und wird am 10.07.90 per Magistratsbeschluß berufen.

12.07.90: Einige hundert Vopos demonstrieren gegen Einkommenskürzungen in Folge der Währungsunion.

18.07.90: Ca. 1.000 Vopos demonstrieren vor der Volkskammer für Ausgleichszah-lungen und den Erhalt ihrer Arbeitsplätze.

26.07.90: Der wegen seiner SED-Vergangenheit vorübergehend suspen-dierte Innenstaatssekretär Peter Müller wird wieder in sein Amt eingesetzt.

02.08.90: Westberlins Innensenator Pätzold verlangt die sofortige Einführung des Westberliner Polizeirechts in Ostberlin. Er reagiert damit auf einen DDR-Polizeirechts-Entwurf, der im Herbst in Kraft treten soll und eine Übergangsklausel für die DDR-Länder vorsieht.

11.08.90: Aus der Westberliner Polizei dringen Informationen nach außen, wonach Volkspolizisten bei der Übernahme laufbahnmäßig zurückgestuft werden sollen.

15.08.90: Der Leiter der Abteilung Terrorismusfahndung beim BKA, Jürgen Hessel, erklärt auf einer Pressekonferenz in Leipzig, die Terrorismusfahndung seiner Abteilung werde sich künftig auf das gesamte Gebiet der DDR erstrecken.

22.08.90: Die DDR-Volkskammer beschließt eine Änderung des Versammlungsrechts und die Einführung des Vermummungsverbotes.

23.08.90: Innenminister Diestel betraut den ehemaligen Innenminister und zeitweiligen Chef der Volkspolizei, Lothar Ahrendt, mit dem Aufbau des BGS in der DDR.

23.08.90: Nach öffentlichem Protest läßt sich Ahrendt am nächsten Tag von seinem Amt entbinden.

28.08.90: Die Berliner GdP macht Pläne der Innenverwaltung bekannt, wonach 3 der 5 Westberliner Direktionen nach der Vereinigung nach Ostberlin hinein erweitert werden. Auf diese Weise entstehen „Mammut-direktionen“ mit z.T. 1 Mio. Einwoh-nern.

30.08.90: Innenminister Diestel entbindet alle Angehörigen der VoPo von ihrem bisherigen, noch auf die
„Treue zum Sozialismus“ lautenden Diensteid.

02.09.90: Die Leipziger Polizei setzt bei Auseinandersetzungen mit jugend-lichen Fußballrowdies Schußwaffen ein. Zwei „Hooligans“ werden mit Beinschüssen ins Krankenhaus eingeliefert.

03.09.90: Durch sogenannte Kame-radschaftsgerichte versuchen leitende Vopo-Offiziere einzelne Mitarbeiter aus dem Polizeidienst herauszudrängen, um so ihre Übernahmechancen nach der Vereinigung zu erhöhen.

05.09.90: Innenstadtrat Krüger kündigt an, nach dem 03. Oktober alle Polizisten zu entlassen, die wegen der Ereignisse am 07./08. Oktober des Vorjahres von der Untersuchungskommission zur Aufklärung der damaligen Vorfälle berechtigt angeklagt wurden.

13.09.90: Die Volkskammer verabschiedet ein Polizeigesetz, das sich weitgehend an den Bestimmungen der Bundesrepublik. orientiert. Entgegen der Vorlage des Innenministeriums wird ein Passus aufgenommen, in dem es heißt: „Beim Einsatz von Polizei als geschlossene Einheit hat jeder Angehörige der Polizei zur Gewährleistung der Identifizierung deutlich sichtbar eine Dienstnummer zu tra-gen.“

16.09.90: Auf Anweisung des Polizei-Vizepräsidenten Preiß beginnt die Ostberliner Polizei damit, Akten zu vernichten. Zu den für den Reißwolf bestimmten Unterlagen gehören viele bisher geheime Akten.

17.09.90: Die Vopo in Ostberlin vernichtet trotz heftiger Kritik von In-nensenator Pätzold (Westberlin) und Innenstadtrat Krüger (Ostberlin) weiterhin ihre Akten.

18.09.90: Innensenator Pätzold kündigt an, nach der Vereinigung am 03. Oktober jeden zur Verantwortung zu ziehen, der Unterlagen vernichte, dieses dulde oder zu verantworten habe.

19.09.90: Die Ostberliner Vopo stellt auf Weisung von Innenminister Diestel die Aktenvernichtung ein. Nach Angaben von Polizeipräsident Bachmann wurden 427 Dokumente vernichtet.

24.09.90: Nach einem Fußballspiel randalieren jugendliche Fans in Ostberlin. Die Westberliner Polizei lehnt eine Unterstützung wegen der fehlenden Rechtsgrundlagen ab.

25.09.90: Berliner Senat (West) und Magistrat (Ost) beschließen, mit der Vereinigung am 03. Oktober die Hoheit für die Ostberliner Polizei auf das Land Berlin zu übertragen.

25.09.90: Im Landespressedienst werden die ersten konkreten Planungen zur Übernahme der Vopo veröffentlicht: zum 03. Oktober werden 900 Dienstkräfte ins Landeseinwohneramt übernommen; die Polizei übernimmt die rd. 6.800 Beschäftig-ten der Volkspolizeiinspektionen, sowie 100 aus der Wasserschutzpolizei und rd. 1.250 Mann des Wachkommandos Missionsschutz. Die Übernahme von 2.500 Mann des Ostberliner Polizeipräsidiums ist noch ungeklärt. Sämtliche ehemaligen Vopo müssen sich einer Auswahlkommission stellen.

26.09.90: Innensenator Pätzold fordert von Innenminister Diestel ihm die Polizeihoheit bereits vor dem Vereinigungstag zu übertragen. Nur so sei die Sicherheit während der Feierlichkeiten zu gewährleisten.
Desweiteren erläutert Pätzold seine Vorstellungen bzgl. der Vereinigung der beiden Polizeien Berlins. Diese beziehen sich nicht nur auf die veraltete Ausstattung; alle Volkspolizisten, die als Beamte auf Lebenszeit in die Berliner Polizei übernommen werden wollen, müssen den im Westen üblichen Ausbildungsstandard nachholen. Das Nachschulungsprogramm soll ins-gesamt 5 Jahre dauern.

27.09.90: Der Westberliner Polizeipräsident Schertz ersucht die drei We-stalliierten, ihre Hoheitsrechte bereits vor dem 03. Oktober auszusetzen und einer Gesamtberliner Polizei unter seiner Führung zuzustimmen.

28.09.90: Nach der Zustimmung aller vier Alliierten stellt das DDR-Innen-ministerium das förmliche Ersuchen an den Westberliner Senat, die Poli-zeihoheit bereits zum 01.Oktober zu übernehmen. Innensenator Pätzold entspricht dem Ersuchen.
Für die Brandenburger Polizei wird ein neues Landespolizeigesetz erarbeitet, das u.a. eine zivile Führung und kommunale Polizeibeiräte vorsieht.

01.10.90: Die Polizeihoheit für ganz Berlin geht auf den Westberliner Senat über.

03.10.90: Mit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten hört die Volkspolizei der DDR um 0.00 Uhr formell auf zu existieren.

Nicht dem Staate, sondern den Bürgern dienen“
– Für eine bürgernahe Polizei
Ein Gutachten zur demokratischen Neubestimmung polizeilicher Aufgaben, Strukturen und Befugnisse
von: H. Busch, W. D. Narr A. Funk, F. Werkentin
Herausgeber.: Alternative Liste für Demokratie und Umweltschutz
Landesverband: Die GRÜNEN

Dieser Text erscheint auch in der Reihe: „Argumente“ der GRÜNEN im Bundestag
Vertrieb:
Alternative Liste
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1000 Berlin 31
Preis : DM 10,-