Literatur zum Schwerpunkt
Vorbemerkung: Die Diskussion um die Schengener Abkommen, TREVI und die neuere Entwicklung von Interpol zeichnet sich durch ein erhebliches exekutives Übergewicht aus. Die wichtigsten Informationen sind meist öffentlich nicht zugänglich. Einen Überblick könnten die Berichte des BMI bzw. Kanzleramtsministers an den Innenausschuß des Bundestages vermitteln – der nach einigen Konflikten – regelmäßiger informiert wird.
Veröffentlichungen aus dem Umfeld der Polizei u.a. offizieller Instanzen
Wir führen hier nur die wichtigeren Publikationen auf. Fast alle polizeilichen Fachzeitschriften haben sich in den letzten Jahren zu Fragen der internatio-nalen oder europäischen Zusammenarbeit, der Grenzöffnung u.ä. geäußert. Die wichtigsten Artikel sind in „Kriminalistik“ erschienen. Die „Deutsche Polizei“ (Zeitschrift der GdP) hat sich vor allem mit der künftigen Rolle des Grenz-schutzeinzeldienstes befaßt. Die „Polizeizeitung – Baden-Württemberg“ brachte über mehrere Ausgaben verstreut Darstellungen anderer westeuropäischer Polizeisysteme und druckt ansonsten treu die Stellungnahmen des Innenministers Schlee, der in der IMK, was offizielle Erklärungen betrifft, eine treibende Rolle für mehr Kooperation über die Grenzen einnahm.
Schaefer, Kurt: Internationale Verbrechensbekämpfung, BKA-Schriftenreihe Bd. 44, Wiesbaden 1976/77
Steinke, Wolfgang: Polizei und Justiz in der internationalen Zusammenarbeit, BKA-Vortragsreihe Bd. 23 – Polizei und Justiz, Wiesbaden 1977, S. 39-45 (auch in Kriminalistik 11/ 1976, S. 481 ff.)
Steinke kritisiert u.a. die Voraussetzungen und Wege der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen und fordert einen eigenständigen Bereich der Amtshilfe, der weder im damals noch geltenden Deutschen Auslieferungsgesetz, noch im Internationalen Rechtshilfegesetz (IRG) von 1983 vorgesehen ist.
Herold, Horst: Perspektiven der internationalen Fahndung nach Terroristen – Möglichkeiten und Grenzen, BKA-Vortragsreihe Bd. 25 – Möglichkeiten und Grenzen der Fahndung, Wiesbaden 1980, S. 137-145
Der Aufsatz des früheren BKA-Chefs benennt im wesentlichen dieselben Fragen, die seit den 80er Jahren im Zusammenhang mit organisierter Kriminalität und Drogenhandel thematisiert wurden: die Schwerfälligkeit von Interpol und internationaler Rechtshilfe, die Hindernisse für eine Zusammenarbeit im tech-nischen Bereich etc. Interessanterweise wird die Zusammenarbeit mit den damaligen „sozialistischen“ Ländern bei der Terrroistenfahndung als geradezu vorbildlich dargestellt.
Boge, Heinrich: Komplizierte Verfahrensvorschriften und schwerfällige Ge-schäftswege, in: Kriminalistik 1/ 1985, S. 38 ff.
Boges Artikel zielt in dieselbe Richtung wie Steinke. Das IRG wird kritisiert als nur auf das gerichtliche Hauptverfahren abzielend. Polizeiliche Ermitt-lungen insb. im Vorfeld kämen zu kurz und der technische Standard im Inneren käme nach außen nicht zur Geltung.
BKA (Hg.): Internationale Verbrechensbekämpfung, COD-Literaturreihe Bd. 3, Wiesbaden 1984
Die Bibliographie enthält Abstracts zu Veröffentlichungen aus den Jahren 1973-1984.
ders. (Hg.): Internationale Verbrechensbekämpfung – Europäische Perspektiven, BKA-Vortragsreihe Bd. 30, Wiesbaden 1985
Der Band gibt die Beiträge der BKA-Tagung von Ende 1984 wieder und steht bereits im Zusammenhang mit der Diskussion um die Grenzöffnung. Das Saarbrückener Abkommen zwischen der BRD und Frankreich, der Vorläufer von Schengen I, war bereits unterzeichnet. Die Beiträge beziehen sich auch auf Rechtshilfe-Abkommen des Europarats, Interpol, TREVI, Zusammenarbeit in der Informationstechnik, operative Zusammenarbeit vs. Rechtshilfe.
Kriminalistik 8-9 und 10/ 1987
Die Schwerpunkthefte bieten wichtiges Material zur internationalen Zusam-menarbeit. Dabei werden die Beiträge in der vorgenannten Publikation weit-gehend vertieft. Insbesondere Heft 10 widmet sich den Fragen der grenznahen Zusammenarbeit.
BKA (Hg.): Ausländerkriminalität in der Bundesrepublik Deutschland, BKA-Vortragsreihe Bd. 34, Wiesbaden 1989
Der Band greift eine Reihe von Fargen der internationalen Zusammenarbeit auf. Ausländerkriminalität wird u.a. unter dem Gesichtspunkt der organisierten Kriminalität thematisiert.
ders. (Hg.): Technik im Dienste der Straftatenbekämpfung, BKA-Vortragsreihe Bd. 35, Wiesbaden 1990
Von besonderer Bedeutung ist der Aufsatz von Rupprecht, der die technische Vereinheitlichung unter den europäischen Polizeien beschreibt (S. 153 ff.). Auch andere Beiträge werfen Schlaglichter auf die europäische Zusammen-arbeit im technischen Bereich.
PFA-Schriftenreihe 3-4/ 1989: Grenzöffnung in der Europäischen Gemeinschaft – Perspektiven für die innere Sicherheit,
Das Heft enthält eine Reihe von Beiträgen, die außer der Standardargumentation zu Grenzöffnung-Sicherheitsverlust-Ausgleichsmaßnahmen etc., weiterhin Informationen über das Schengener Informationssystem, TREVI, Reaktionen und Entwicklungen bei den europäischen Partnerpolizeien etc.
IMK (Hg.): Organisierte Kriminalität in Europa, Stuttgart Juni 1990
Es handelt sich hier um Beiträge einer Expertenanhörung der IMK im März 1990, deren Ausfluß u.a. die Vorlage des „OrgKG“ im Bundesrat war. Die ausländischen Beiträge vermitteln einen Eindruck über die Ähnlichkeit der Entwicklung polizeilicher Ermittlungsmethoden in Europa insbesondere hinsichtlich verdeckter Methoden.
Stümper, Alfred: Die große Herausforderung der Sicherheitsorgane, in: Bereitschaftspolizei – heute, 6/ 1990, S.4-10 und 7-8/1990, S. 14-20
ders.: Sicherheit in Europa, in: Kriminalistik 1/ 1990, S. 2-8
Der ehemalige oberste Polizist Baden-Württembergs hat immer wieder in die Debatte um Grenzöffnung und Ausgleichsmaßnahmen eingegriffen. Seine Artikel repräsentieren die Beschwörungen organisierter Kriminalität und die daran geknüpften Forderungen der Polizei nach einer Fahndungsunion und mehr Zusam-menarbeit im operativen Bereich nahezu in Reinform.
BKA (Hg.): Organisierte Kriminalität in einem Europa durchlässiger Grenzen, COD-Literaturreihe Bd. 10, Wiesbaden 1990
Die hier erfaßte Literatur stammt aus 1980-1990 und bezieht sich sowohl auf das Thema OK als auch auf Fragen der Zusammenarbeit in Europa und stellen damit eine gewisse Verlängerung des o.g. Bd. 3 dar.
ders. (Hg.): Organisierte Kriminalität in einem Europa durchlässiger Grenzen, BKA-Vortragsreihe Bd. 36, Wiesbaden 1991
Den Hintergrund der BKA-Tagung von 1990 bildete einerseits die wachsende Diskussion um die organisierte Kriminalität und das OrgKG, andererseits die nunmehr auch nach Osten geöffneten Grenzen. Insofern hat sich die Debatte gegenüber dem o.g. Band 30 der Vortragsreihe verschoben.
Polizeiveröffentlichungen aus dem Ausland
Großbritannien
Exeter University Centre for Police Studies (Hg.): Policing Europe after 1992, Exeter 1990
Beiträge einer Konferenz, an der vorwiegend Polizeibeamte teilnahmen, Bezug über: Bill Tupman, Director of the Centre for Police Studies, Exeter University, Exeter EX 4 4QJ, England
Clutterbuck, Richard: Terrorism, Drugs and Crime in Europe after 1992, Routledge 1990
Der Autor ist als polizeinaher Hardliner bekannt wegen seiner Veröffentli-chungen zu Nordirland. Seine Arbeit über Europa geht in dieselbe rechte Richtung.
House of Commons, Home Affairs Committee: Practical Police Cooperation in Europe, I. Report, II. Memoranda of Evidence, London (HMSO) 1990
Vor allem die Stellungnahmen (II.) von Polizeibehörden, Innenministerium, Zoll etc. enthalten wichtiges Material über die diversen Formen der Polizei-kooperation und der Beteiligung Großbritanniens.
Baker, Stuart Robin: When Boundaries dissapear. How will Europe be when its frontiers are removed in 1992?, in: Policing 4/1988, S. 281 ff.
Einer der frühesten Artikel, der den britischen Unmut über die Aufhebung der Grenzkontrollen verdeutlicht.
Imbert, Sir Peter: Do we need a British FBI, in: Police Review 1989, 14. Juli, S. 1416 ff.
Der Chef der Metropolitan Police of London fordert in diesem vieldiskutierten Artikel eine zentrale Polizeiinstanz und damit das Ende des zumindest formal vorhandenen Dezentralismus des englischen Polizeisystems. Er begründet dies u.a. mit den Aufgaben, die sich im Rahmen der EG-Kooperation stellen würden.
Birch, Roger: International Cooperation of the Police, in: Police Journal Nr. 4/ 1991
Der Vorsitzende der Vereinigung der Polizeichefs (ACPO) wendet sich gegen die Aufhebung der Grenzkontrollen und kritisiert die Schengener Regelungen als unzureichend. U.a. fordert er ein Datensystem zum Austausch von weichen Daten.
Niederlande
In den vergangenen beiden Jahren hat das Allgemeen Politieblad (Zeitschrift der Gemeindepolizeien) regelmäßig Aspekte der Schengener Verhandlungen und der Verträge kommentiert. Die meisten Beiträge wurden von Beamten der neuen Europa-Abteilung im CRI (der Zentralstelle der holländischen Kriminalpolizei) verfaßt.
Fijnaut, C./ Hermans, R. (Hg.): Police Cooperation in Europe, Lochem 1987
Beiträge in Englisch u.a.: von dem holländischen Polizeiforscher Fijnaut (Internationalization of criminal investigation in Europe), dem belgischen Gendarmerie-Oberst Bruggemann (über grenzüberschreitende Observation), und dem deutschen Polizisten Tabarelli (über kontrollierte Lieferungen).
Fijnaut, C./ Heijder, A. (Hg.): Recht van spreken. Twintig jaar Recherche Advies Commissie, Lochem 1989
Interessant sind insbesondere die Beiträge von Fijnaut, der die Entwicklungen der polizeilichen Ermittlungen in den Niederlanden, Belgien, der BRD und Frankreich vergleicht, und van Straten – dem damaligen Chef des CRI – über Interpol und internationale Zusammenarbeit.
Blonk, G./ Fijnaut, C./ de Kerf, E. (Hg.): Grensverleggende Recherche, Lochem 1990
Mit Beiträgen über die Schengener Verhandlungen, die Kooperation im Grenzbereich um Aachen und Maastricht, gegen ein europäisches FBI u.a.
van Reenen, Piet: Policing Europe after 1992. Cooperation and Competition, in: European Affairs Heft 2/ 1989, S. 45-53
Im Unterschied zu vielen anderen argumentiert van Reenen (damals Leiter der Nederlandse Politie Akademie) nicht mit dem angeblichen Sicherheitsverlust, sondern hebt die Unterschiede der europäischen Polizeisysteme hervor und thematisiert die Konflikte, die bei einer Vereinheitlichung entstehen können.
Nederlandse Politie Academie/ Politie Studie Centrum (Hg.): Report of the European Police Summer Course 1989, Warnsveld/ Apeldoorn Dezember 1989
Neben Vorträgen von van Reenen, Fijnaut u.a. enthält dieses Bändchen ver-gleichende Informationen über die Polizeisysteme europäischer Staaten (in Englisch).
Bürgerrechtliche und Polizeikritische Beiträge
Die kritischen Beiträge kamen vor allem von Ausländergruppen, Daten-schutzorganisationen und aus dem Kreis kritischer Juristen. Viele dieser Stellungnahmen wurden von der Presse nicht wahrgenommen und liegen daher nur in Kopie vor. Dies gilt insbesondere für das Ausland. Auch die deutsche Übersetzung der negativen Empfehlung des niederländischen Staatsrates ist bisher nicht über den Bundestags-Innenausschuß hinausgedrungen. Verwiesen sei ferner auf die Beiträge in Bürgerrechte & Polizei/CILIP (Hefte 30 und 33) sowie auf die regelmäßigen Kurzinformationen und Materialhinweise in STATEWATCH (PO-Box 1516, London N 16 0EW).
Bürger Kontrollieren die Polizei/ Straßenmedizin/ Bürgerrechte & Polizei/CILIP (Hg.): Europol – die Bullen greifen nach den Sternen. Europäische Gemeinschaft der Inneren Sicherheit, Hamburg 1990 (Bezug über Straßenmedizin, c/o BUU, Hohenesch 63, 2000 Hamburg 50)
Die Broschüre ist mittlerweile in 2. Auflage erschienen und enthält u.a. den Text des Schengener Abkommens. Dieser kann bei der o.a. Adresse auch separat bestellt werden.
Busch, Heiner: Europa – ein Mekka der Kriminalität, in: Kritische Justiz 1/1990, S. 1-13
Fijnaut, C.; Rüter, F. u.a.: Schengen en verder, Schwerpunkt von Delikt en De-linkwent 21 – Sept. 1991
Beiträge sowohl von offizieller als auch von kritischer Seite auf einer Konfe-renz in Amsterdam (siehe Universiteit Amsterdam).
Gössner, Rolf: Zur Europäisierung des Sicherheits- und Überwachungsstaats, in: Neue Kriminalpolitik 3/ 1990, S. 26 ff.
Institute of Race Relations (Hg.): Europe – Variations on a theme of racism, Race and Class – Special Issue, No. 32, 3/ 1991
(Siehe hierzu den Aufsatz von T. Bunyan in diesem Heft.)
Internationale Liga für Menschenrechte: EG 1993 – Europa der Bürgerrechte und der Demokratie? Memorandum an die Mitglieder des Deutschen Bundestages, Berlin 1989 (Bezugsadresse: Mommsenstr. 27, W-1000 Berlin 12)
Klerks, Peter: Terreurbestrijding in Nederland, Amsterdam (Ravijn) 1989
ders.: Het Schengen Informatie Systeem, in: Privacy en Registratie 3/ 1989, S. 16-21
Lagodny, Otto: Europäischer Binnenmarkt, justitielle internationale Rechts-hilfe in Strafsachen und (inter-) nationaler Grundrechtsschutz, in: Neue Kri-minalpolitik 3/ 1990, S. 31 ff.
Meijers, H., et. al.: Schengen. Internationalisation of central chapters of the law on aliens, refugees, security and the police, Amsterdam (Kluwer) 1991
Sicherlich eine der genauesten Veröffentlichungen zum Thema. Der Band enthält u.a. die englische Version des Schengen-Abkommens und der europäischen Asylkonvention, die noch nicht in einer deutschen Veröffentlichung vorliegt.
Mols, G.P.M.F. (Hg.): Dissonanten bij het akkord van Schengen, Deventer (Kluwer) 1990
Der Band erschien noch vor der Unterzeichnung des Abkommens und thematisiert alle wesentlichen damit zusammenhängenden Fragen.
Spencer, Michael: Europe and that all, hg. vom National Council for Civil Liberties, London 1990 (erhältlich bei Central Books, 99 Wallis Road, London E9)
Universiteit Amsterdam – Seminarium voor Strafrecht en Strafrechtspleging ‚van Hamel‘ (Hg.): Documentatiemateriaal voor de Schengen Conferentie (17.6.1991), Amsterdam 1991
Materialsammlung für eine Tagung der Universität Amsterdam, enthält u.a. die Entwürfe für ein Ratifikationsgesetz, die ablehnende Stellungsnahme des Staatsrats und die Antwort der Regierung.
Weichert, Thilo: Die internationale Zusammenarbeit der Polizei, in: geheim 3/ 1988, S. 11 ff. und 1/ 1989, S. 18 ff.
ders.: Drittausländer in der EG, in: Informationsbrief Ausländerrecht 9/ 1990, S. 257-268
ders.: Das geplante Schengen Informationssystem, in: Computer und Recht 1/ 1990, S. 63 ff.
sämtlich: HB
Sonstige Neuerscheinungen
Komitee für Grundrechte und Demokratie: Jahrbuch ’90, Sensbachtal 1991, rd. 400 S., DM 25,-, Rabatte bei größeren Abnahmemengen)
Das Jahrbuch enthält eine Vielzahl von Artikeln und Materialien, die nicht nur die Aktivitäten des Komitees beleuchten, sondern auch allgemein für Bürgerrechtsaktivisten von Bedeutung sind. Schwerpunkt u.a.: Die Wende in der DDR und ihre Folgen.
HB
Hildebrandt, Helmut: Professionelle Polizei. Ein Beitrag zu einer denkbaren Organisationsphilosophie, Stuttgart (Boorberg) 1990, 159 S., DM 48,–
Über das Erkennen und Benennen organisations- und bewußtseinsmäßiger Schwachstellen im polizeilichen Handeln – etwa bei Führung, Ausbildung, Spezialisierung – hinaus bleiben die weiteren Ausführungen des Autors bedau-ernswert dünn. Darüber kann auch die Flut an Quellenangaben und Fußnoten nicht hinwegtäuschen. Letztlich reduziert sich der Inhalt auf die Erkenntnis: „Sicherheit im Auftreten, Handeln, Entscheiden, d.h. die Auf-gaben der ge-genwärtigen Position souverän meistern, bedeutet z.B. mit weniger Zeitaufwand mehr und Besseres leisten, sympathischer und wirkungsvoller einzuschreiten oder auch führen, bedeutet, seine Arbeit pro-fessioneller zu gestalten“ (S. 41). Die Frage, ob die vom Verlag umworbenen Polizeiführungskräfte das Buch wegen ausgeprägtem Soziologiechinesisch überhaupt annehmen, wird da nebensächlich. Schade, da hätte man von dem gelernten Polizeibeamten und heutigen Vorsitzenden des Berliner Innenaus-schusses mehr erwarten dürfen – und müssen.
OD
See, Hans: Kapital-Verbrechen. Die Verwirtschaftung der Moral.
Düsseldorf (Claasen) 1990, 367 S.
„Mit Kapital-Verbrechen meine ich alle Verbrechen des Kapitals und nicht nur kriminelle Taten, die im Strafgesetzbuch mit Höchststrafen bedroht sind“, definiert See seine Auffassung von Wirtschaftskriminalität. Im Gegensatz zu sonstigen Abhandlungen befaßt er sich dann auch nicht mit rein juristischen oder gängigen Aspekten der ‚Sozialschädlichkeit‘ von Wirtschafts-kriminalität, sondern geht das Thema aus dem Blickwinkel einer generellen Kapitalismuskritik an. Dieser grundsätzlich interessante Ansatz erweist sich indes als die Schwäche des Buches. Immer wieder stolpert See über die eigene Brille: da wird das Ozonloch ebenso zum bloßen Ergebnis von Wirtschaftskriminalität (S. 170), wie der gesamte deutsche Nationalsozialismus zum „Kapital-Verbrechen (…) von 1933 bis 1945“ (S. 36). Handfeste Zahlen und Fakten fehlen hingegen vielfach. Dennoch bietet See immer wieder interessante neue Denkansätze – zur aktuellen Diskussion um Wirtschaftskriminalität allerdings trägt sein Buch leider nichts bei.
OD
Butz Peters: RAF – Terrorismus in Deutschland, Stuttgart (Deutsche Verlags-Anstalt), 1991, 442 S., 39,80 DM
Nach Bekanntwerden der STASI-RAF-Connection konnte man Wetten abschließen, wann das Thema RAF erneut auf dem Büchermarkt auftauchen würde. Butz Peters ist als erster durch’s Ziel gegangen – womit er Sinn für verkaufsträchtige Themen bewiesen hat, mehr allerdings nicht. Dabei hätte sich die Fülle an Quellenmaterial durchaus zu einem guten Buch verarbeiten lassen – vorausgesetzt, der Autor hätte es geistig durchdrungen. Das ist hier offenkundig nicht der Fall. Insbesondere gilt dies für die Geschichte der bun-desrepublikanischen Linken, die mit ihren zahlreichen Facetten und Verirrungen für die Aufarbeitung des Phänomens RAF eine zentrale Rolle spielt. Bei Peters kommt davon so gut wie nichts vor. Überhaupt scheint der Autor, Redakteur beim NDR, das Sendeprinzip der Funkhäuser verinnerlicht zu haben: kaum einer der von ihm bearbeiteten Aspekte überschreitet die magische (Sendezeit)Grenze von 1.30 Minuten. Leider gibt es bei Büchern keinen Verbraucherschutz. Ließen sich hier nur annähernd Maßstäbe des Lebensmittelsrechts anwenden, hätte Peters‘ die Regale nie erreicht.
OD
Franke, Werner: Luise, Karriere einer Wildsau – Die fast unglaubliche Ge-schichte eines Drogenschweines im Dienst der Polizei, Bergisch-Gladbach (Bastei-Lübbe) 1987, 399 S., 12,80 DM
Vorgeblich schildert der Ausbilder des einzigen Drogenspürschweines, das die Polizei je trainiert und in Dienst gestellt hat (1985-87), in seinem Buch Hintergründe und Stationen dieses ungewöhnlichen Versuches. Tatsächlich allerdings ist es zum Psychogramm des Autors geworden. Zunehmend bezieht er die eigene Identität über eben dieses Tier. So nehmen denn die ewig gleichen Schilderungen von Presse- und Showauftritten mit rund 200 Seiten allein die Hälfte des Buches ein, dazu 40 Fotoseiten. Da bleibt für den Rest nicht mehr viel, was bei dem unsäglichen Schreibstil eher ein Glück ist.
OD
G. Berghaus, B. Brinkmann, C. Rittner, M. Staak (Eds.): DNA-Technology and its Forensic Application, Berlin/ Heidelberg (Springer) 1991, 225 S., DM 138,–
In dem Sammelband werden 35 Aufsätze zur Technik und Methode des „genetischen Fingerabdrucks“ vorgelegt. Einigen Überblicksaufsätzen folgt eine Reihe sehr spezieller Forschungsberichte. Für den, der selbst nicht unmittelbar auf dem Gebiet arbeiten, ist das Buch daher von begrenztem Wert. Es vermittelt zwar einen Eindruck, wie vielfältig die mit der DNA-Analyse verbundenen Probleme sind, gibt aber keinen systematischen Überblick. Auch befassen sich die meisten Beiträge mit der Frage, wie die Untersu-chungstechnik vorangetrieben werden kann, und weniger damit, wie ihre Zuverlässigkeit zu verbessern ist. Eine Ausnahme ist der Aufsatz von Brinkmann, Wiegand und Rand vom Rechtsmedizinischen Institut in Münster, der insbesondere die statistische Basis der heute vorwiegend verwendeten Single-Locus-Technik einer kritischen Prüfung unterzieht. Da die meisten Beiträge von deutschen Rechtsmedizinern geschrieben sind, kann es von Rechtsanwälten, die nach Gutachtern suchen, als Adressenverzeichnis genutzt werden. Auf der Suche nach kritischeren Moleku-larbiologen wird man sich aber wohl im Ausland umsehen müssen. (Vgl. Artikel in diesem Heft.)
BG
BKA, Bibliothek (Hg.): Kriminalstatistik, BKA-Bibliographiereihe Bd.5, Wiesbaden 1990, ca. 460 S.
Eine außerordentlich hilfreiche Bibliographie, die umfassend Auskunft gibt über eine Unzahl kriminologisch interessanter offizieller und behördeninterner Statistiken. Soweit es letztere betrifft, kann dieser Band auch dazu dienen, Polizeibehörden wie dem BKA vorsätzliche Fehlauskünfte – um ein deutlicheres Wort zu vermeiden – nachzuweisen. Eingeleitet wird der Band durch einen kenntnisreichen Beitrag von Wolfgang Heinz, der nicht nur kriminalstatistische Quellen und ihre Geschichte vorstellt, sondern auch die Grenzen des Indikatorenwerts von Kriminalstatistiken diskutiert.
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