Lateinamerika und die Karibik sind – mit Ausnahme von Guatemala und Costa Rica – bis Mitte der 80er Jahre kaum in den Genuß bundesdeutscher Polizeihilfe gekommen. Seit sich das Augenmerk deutscher Drogenbekämpfer zunehmend auf das südamerikanische Kokain richtet, wandelt sich hier der Schwerpunkt der Polizeihilfe. Vergleichbares gilt nach dem Zusammenbruch des Ostblocks auch für die dortigen Länder, wenn auch die Gründe z.T. andere sind.
Nur innerhalb zweier Programme, der sog. NATO-Verteidigungshilfe1 und der Rüstungssonderhilfe2, dürfen von der Bundesregierung Waffen ins Ausland – und zwar an NATO-Staaten – geliefert werden. Traditionelle Nutznießer sind die südeuropäischen NATO-Mitglieder Portugal, Spanien, Griechenland und die Türkei.
Im Rahmen sonstiger Polizei- und Militärhilfe, die sich bisher vorwiegend an Länder der Dritten Welt richtete, dürfen Waffen, Munition und Maschinen zu ihrer Herstellung nicht exportiert werden. Für das Haushaltsjahr 1992 sind für bundesdeutsche Polizei- und Militärhilfen insgesamt 205,6 Mio. DM eingeplant.
Allgemeine „Ausstattungshilfe“ für Polizeien und Streitkräfte:
Sie wird im Haushalt des Auswärtigen Amts veranschlagt.3 Zuständig für die Vergabe sind das Verteidigungsministerium, soweit es Hilfen für das Militär betrifft, und das Innenministerium, wo es um die Polizeien geht. Die Ministerien handeln dabei sog. Ressortverträge (die nicht der Genehmigung der Parlamente unterliegen) mit den Empfängerstaaten aus. Das Auswärtige Amt versteht diese Hilfen als „Beitrag zur Befriedigung staatlicher Grundbedürfnisse“4 und begründet dies damit, daß Militär- und Polizeikräfte in Staaten der Dritten Welt oft auch zivile Aufgaben wahrnehmen, wie etwa die Unterhaltung von Krankenhäusern, den Straßenbau u.a.
Die Hilfen betreffen vor allem
– den Transportbereich (Fahrzeuge, Werkstätten, Aufbau von Straßenbau- und Pioniereinheiten, in geringerem Umfang Lieferung von Hubschraubern und Transportflugzeugen),
– das Kommunikationswesen (Fernmeldeeinrichtungen, Funkausrüstungen),
– das Sanitätswesen und den militärischen Ausbildungssektor,
– die Polizei, vor allem polizei- und kriminaltechnische Anlagen (Funk, Labors etc.).
Enthalten sind dabei Ausbildung und Betreuung durch deutsche Polizeibeamte bzw. Militärs. Im letzten Jahrzehnt ist der Betrag solcher 3-Jahres-Programme kontinuierlich, jedoch nicht überproportional, gestiegen:
Wie aus der Tabelle ersichtlich, sind die Aufwendungen für die Polizeihilfe 1991 sprunghaft gewachsen. Mit dem neuen Programm steigt der Anteil der Polizeihilfe um fast 9%. Diese Steigerung ergibt sich vor allem daraus, daß nun ein Sonderbereich für Hilfen an Rauschgiftbekämpfungsbehörden hinzugekommen ist, der die allgemeine Polizeihilfe um zwei Millionen DM überschreitet (allgemeine Polizeihilfe 26 Mio DM, für „Rausch-giftbekämpfungsbehörden“ 28 Mio DM). Vorher war dieser Bereich in die allgemeine Polizeihilfe einbezogen und wurde nicht gesondert aufgeführt.
Ausbildungs- und Ausstattungshilfe des BKA zur Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität
Dieses Programm wird seit 1982 vom Bundeskriminalamt (BKA) in eigener Regie betrieben5 und umfaßte anfangs zwei Millionen DM jährlich. 1991 war die Summe bereits auf viereinhalb Millionen DM gestiegen, für 1992 sind rund fünfeinhalb Millionen DM angesetzt. Empfänger dieser Hilfen sind Drogenproduktions- und Transitländer. Finanziert werden damit:
- Lieferung von Ausrüstungen: Fahrzeuge, Kommunikationstechnik, Video- und Fotoausrüstungen sowie Nachtsichtgeräte, Laborausrüstungen, Rauschgiftspürhunde, spezielle Überwachungsapparate wie Langzeitbeobachtungswagen und Apparate zur Telefonüberwachung.
- Ausbildungsprogramme: Kurzlehrgänge für Kriminaltechniker am Kriminaltechnischen Institut des BKA sowie für Hundeführer, aber auch Stipendien für die Dauer von 13 Monaten.
- Entsendung von Verbindungsbeamten des BKA: 1988 insgesamt 14 Beamte, davon zwei an das Generalsekretariat von Interpol. Mit Ausnahme dieser beiden sind die Beamten jeweils bei den Deutschen Botschaften stationiert, erhalten einen Diplomatenstatus und sollen Kontakte zu den Polizeien der Stationierungsstaaten aufnehmen, die Abwicklung der „Ausstattungs-hilfe“ koordinieren und ihre Kollegen im Gastland bei Durchsuchungen und Vernehmungen begleiten.
Das BKA bewirtschaftet über den eigenen Etat für Polizeihilfe in Drogenfragen hinaus auch Gelder aus Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ)6 in Höhe von 1 Mio DM. Hieraus werden z.T. dieselben Stipendiatenprogramme wie im BKA-eigenen Programm finanziert.
Mittel in Höhe von 40.000 DM verwaltet zudem der Bundesgrenzschutz (BGS)7 zur „Förderung der Beziehungen zu ausländischen Polizeien und des Studium deutscher Polizeieinrichtungen durch Ausländer“. Die geringe Höhe bedeutet indes nicht, daß der BGS nur geringen Anteil an der Polizeihilfe hat. Die veranschlagten Mittel dürften im wesentlichen für Kurzlehrgänge oder Informationsbesuche anfallen.
Vermutlich werden darüber hinausgehende Teile der sog. Ausstattungshilfe auch über den BGS abgewickelt.
Empfängerländer
Traditionell waren die Empfänger bundesdeutscher Polizei- und Militärhilfe jenseits der NATO-Staaten die Staaten Afrikas und Südostasiens. Im neuen Dreijahresprogramm ist Afrika nur noch Schwerpunkt der Militärhilfe. 102,7 Mio DM von insgesamt 109,2 Mio DM des militärischen Programms gehen an 21 afrikanische Staaten – von Marokko bis Burundi. Dagegen erhalten nur noch vier afrikanische Staaten Polizeihilfe (Ägypten, Algerien, Tunesien, Tansania). Denn bei der Polizeihilfe gibt es nun zwei neue Schwerpunkte: Lateinamerika und Osteuropa.
Mit einigen osteuropäischen Ländern bestanden schon vor dem Zusammenbruch des „Sozialismus“ Verbindungen im polizeilichen Bereich. So war z.B. Ungarn an der „AG Südost“ beteiligt, die (wie andere regional bezogene AGs) Drogen-Ermittlungen mit benachbarten Polizeien koordiniert. Nach der „Wende“ in Ungarn, Polen und der CSFR besteht bei diesen Ländern ein starkes Bedürfnis nach Modernisierung der Polizei. Auch das Interesse der BRD hat sich erheblich ausgedehnt:
– Durch die Öffnung von Grenzen wurden die osteuropäischen Länder zu Transitländern für Heroin aus dem vorderen Orient. Die sog. Balkanroute soll sich entsprechend verlagert haben.
– Polen, die CSFR und Ungarn sind ferner Transitländer für Flüchtlinge aus noch ärmeren Ländern des ehemaligen Ostblocks geworden, die fernzuhalten erklärtes Interesse deutscher Asylpolitik ist. Die BRD hat daher mit jedem der drei Länder Verträge über eine stärkere polizeiliche Zusammenarbeit gegen Drogenhandel und organisierte Kriminalität, Terrorismus und illegale Einwanderung abgeschlossen. Die Polizeihilfe an die Länder Osteuropas ist daher vergleichsweise hoch. Im Rahmen der „Ausstattungshilfe“ erhalten Polen, Ungarn und die CSFR sowohl Gelder für ihre Drogenpolizeien, als auch allgemeine Polizeihilfe. Bulgarien hingegen erhält nur Hilfe im Drogenbereich.
In Lateinamerika waren bisher nur zwei Länder Bezieher größerer deutscher Hilfen: Costa Rica und Guatemala. Guatemala war 1986-88 mit 10,6 Mio DM bei der Neuorganisation seiner Polizei unterstützt worden. Während der Regierungszeit Cerezos sollte die Polizei gegenüber dem Militär gestärkt werden, um den Demokratisierungsprozeß zu stützen. Wegen starker Kritik, der diese Hilfen in der Bundesrepublik ausgesetzt waren, und des offenkundigen Scheiterns wurde das Programm 1988 nicht verlängert. Mit dem neuen Dreijahresprogramm bezieht erstmals auch Uruguay allgemeine Polizeihilfe.
Von diesen Ausnahmen abgesehen hat der Einstieg in lateinamerikanische Hilfsprogramme mit dem BKA-Programm zur Unterstützung von Drogenpolizeien begonnen. Mitte der 80er Jahre begann hier die Entsendung von Verbindungsbeamten; sie sind mittlerweile in Argentinien, Bolivien, Brasilien, Peru und Venezuela stationiert. Eine Entsendung nach Kolumbien wurde wegen der Gefährlichkeit der Situation lange Zeit abgelehnt.
Die Aufteilung der „Ausstattungshilfe“ in allgemeine und solche an Drogenpolizeien hat sich für die lateinamerikanischen Polizeien günstig ausgewirkt, denn hier liegen die Summen nie unter einer Million DM. 1992 werden lateinamerikanische Länder 34,3% aller auf Drogen bezogenen Polizeihilfen erhalten, sie stehen damit im Bereich der Ausbildungshilfen eindeutig im Vordergrund.
Die bundesdeutsche Polizeihilfe in der Veränderung
Im Bereich der Polizeihilfe vollzieht sich derzeit eine Veränderung. Noch vor 10 Jahren wurde sie im wesentlichen nach dem Gießkannenprinzip verteilt. Ziel war es, diplomatisch präsent zu sein und gegen die DDR, die z.T. dieselben Länder unterstützte, zu konkurrieren. Menschenrechte waren damals wie heute kein Gesichtspunkt bei der Vergabe.
Mit der Aufwertung des Drogenbereichs erhält die Hilfe nun einen stärker auf die eigenen Polizeiinteressen ausgerichteten Charakter. Damit geht die BRD einen Weg, den die USA längst beschritten haben. Die Drug Enforcement Agency (DEA) und das FBI haben seit den 70er Jahren verstärkt Verbindungsbeamte ins Ausland geschickt und auf eigenen Ausbildungsstätten Beamte aus anderen Ländern geformt. Verglichen damit sind die deutschen Anstrengungen hier jedoch symbolisch. Seit 1989, dem Beginn des von Präsident Bush neu erklärten Drogenkriegs, haben die USA erhebliche Summen an polizeilicher und militärischer Unterstützung an die Andenländer vergeben: Kolumbien, Bolivien und Peru erhielten im Rahmen der „Andean Strategy“ 1989 82 Mio US$ Militär- und 30,5 Mio US$ Polizeihilfe. 1990 erhöhte sich dieser Betrag auf 138,2 Mio für das Militär und 54,7 Mio US$ an Polizeihilfe.