von Otto Diederichs
Der zweite Weltkrieg – dessen Greuel auch die Holländer nicht verschont hatte – war kaum zu Ende, da knüpften im Grenzdreieck um Aachen hohe Polizeibeamte des Nachkriegsdeutschlands und der Niederlande wieder erste Kontakte zueinander. Sinn dieser Kontaktaufnahme, die zunächst auf bereits bestehenden privaten Kontakten und Freundschaften aufbaute, war es, eine polizeiliche Zusammenarbeit im Grenzgebiet zu ermöglichen.
Dieser Runde, die anfangs nur aus Beamten der Präsidien in Aachen (BRD), Kerkrade und Vaals (Niederlande) bestand, schlossen sich 1947 auch die Belgier an. Systematisch wurde der Kreis nach und nach auf alle übrigen Poli-zeibehörden des Grenzgebietes ausgedehnt. Im Jahre 1969 schließlich gab der damalige Aachener Polizeipräsident Dr. Dundalek dem Herrenzirkel eine halboffizielle Weihe, indem er sämtliche Behördenleiter des Grenzraumes nach Aachen einlud. Ergebnis war die Gründung einer Arbeitsgemeinschaft zur Verbesserung der polizeilichen Zusammenarbeit und des Erfahrungsaustausches.
Die Anfänge
Der richtigen Erkenntnis folgend, daß institutionelle Planungen über Grenzen hinweg äußerst schwerfällig sind, begann man noch im Jahre 1969 damit, in jedem der drei Länder Kontaktstellen einzurichten und Beamte auszutauschen. 1971 entwickelte man ein dreisprachiges Merkblatt, auf dessen Grundlage sich die Behörden untereinander über Straftäter unterrichteten, die in den jeweiligen Nachbarländern wohnten. Noch im selben Jahr wurde auch eine Telex-Verbindung zwischen allen Dienststellen im Grenzgebiet eingerichtet. 1973 schließlich konnte eine erste Funkverbindung zwischen den niederländischen Polizeistationen und dem Polizeipräsidium in Aachen in Betrieb genommen werden. Die rechtliche Grundlage für diese Aktivitäten entlehnte man einem Anfang der 60er Jahre zwischen der Bundesrepublik, Belgien und den Niederlanden geschlossenen Verwaltungsabkommen und dem BKA-Gesetz.
Als im November 1978 am Grenzübergang Kerkrade bei einer Schießerei mit mutmaßlichen deutschen Terroristen zwei niederländische Zöllner getötet und zwei weitere verletzt wurden , nahm die „Arbeitsgemeinschaft der Leiter der belgischen, niederländischen und deutschen Polizeien im Aachener Grenzgebiet“, abgekürzt NEBEDEAG-Pol, dies zum Anlaß, in ihrer „Monschauer Resolution“ eine Modifizierung der bestehenden Abkommen und Regelungen zu verlangen. U.a. forderte man nun konkrete Regelungen für das Recht auf Nacheile; das Recht, in den Nachbarländern die Schußwaffen mitzuführen; das Recht zur direkten Übersendung von Ersuchen, ohne zuvor ein zeitaufwendiges formelles Rechtshilfeersuchen einleiten zu müssen; das Recht, ohne Umwege über die Staatsanwaltschaften unmittelbar bei den jeweiligen Polizeibehörden strafprozessuale Maßnahmen zu erbitten; sowie die Befugnis, sich untereinander im Bedarfsfalle technische, materielle und personelle Hilfen zu leisten.
1979 stellte man die NEBEDEAG-Pol dann durch eine Eintragung ins Ver-einsregister auch auf gesichertere Füße. Vorsitzender ist der jeweilige Aa-chener Polizeipräsident, seine Stellvertreter jeweils ein Polizeichef aus Bel-gien und den Niederlanden. Seither tagt die Mitgliedersammlung, bestehend aus 28 führenden Beamten, einmal jährlich, im Bedarfsfalle auch öfter.
Auftrieb dank Schengen
Mit den Verhandlungen um das Schengener Abkommen erhielten die Ziele und Bemühungen der NEBEDEAG-Pol plötzlich eine neue Aktualität. Um unter den sich nun abzeichnenden Rahmenbedingungen nach weiteren Verbesserungen in der grenzüberschreitenden Kooperation zu suchen, setzte die Mitgliederversammlung im November 1989 eine Arbeitsgruppe ein mit dem Auftrag, entsprechende Vorschläge zu entwickeln, sowie eine zweite zur Ausarbeitung eines länderübergreifenden Polizeialarms im Falle schwerer Straftaten. Ende 1990 legten beide Gruppen ihre Arbeitsergebnisse vor. Während für die Umsetzung der von der „AG Informationsaustausch“ entwickelten Vorstellungen, insbesondere hinsichtlich einer anzustrebenden Kompatibilität der länderspezifischen Kommunikationssysteme, die Ratifizierung des Schengen-Abkommens zwingend notwendig ist, hat der von der „AG Fahndung“ vorgelegte „Polizei-Alarm-Euregio“ bereits Eingang in die polizeiliche Praxis gefunden. Er sieht vor, daß im Falle einer schweren Straf-tat, etwa einem Banküberfall, analog zur innerstaatlichen Ringfahndung, auch die grenznahen Polizeien der Nachbarländer entsprechende Kontrollstellen errichten, um des flüchtigen Täters habhaft zu werden. „Ich habe zwar keinen rechtlichen Anspruch auf diese Unterstützung, aber ich weiß, wie meine Kollegen auf das Stichwort `Euregio-Alarm` reagieren und was sie tun werden, und sie wissen es von mir“, erläutert der gegenwärtige Vorsitzende der NEBEDEAG-Pol, der Aachener Polizeipräsident Heinrich Bön-ninghaus, den Charakter dieser Vereinbarung.
Die Zukunft
Mit Blick auf die bevorstehende politische Grenzöffnung versteht sich die NEBEDEAG-Pol als „Triebfeder, da in einer Region, in der drei Staaten mit unterschiedlichen Polizeiorganisationen und unterschiedlichen Rechtssystemen aneinandergrenzen, die aus dieser Situation resultierenden Schwierigkeiten tägliche Praxis sind.“
Da sich die bisherige Zusammenarbeit in der Regel stets bewährt habe, denke man gegenwärtig auch darüber nach, so Bönninghaus, den Verein nach dem Inkrafttreten des Schengener Abkommens eventuell in eine institutionelle Einrichtung umzuwandeln.