Redaktionelle Vorbemerkung

von Heiner Busch

Runde Jahrestage haben es so an sich, daß die Jubilare ein wenig über ihr bisheriges Leben und ihre weiteren Aussichten nachdenken. So wollen auch wir es halten, denn es sind nunmehr 20 Jahre vergangen, seit im März 1978 die Nullnummer des CILIP-Informationsdienstes erschien. Schon rein äußerlich gesehen, hat sich das Blatt erheblich gewandelt. Die ersten Ausgaben waren noch auf einer Kugelkopf-Schreibmaschine „gesetzt“, eine der damals neueren Errungenschaften der Bürotechnik. Ab Nr. 8 erschien das Heft im A5-Format, in der Hoffnung, dadurch in den Buchläden nicht nur auf den Krabbeltischen zu landen. Diverse Veränderungen des Layouts folgten über die Jahre. Die Grafiken und Karikaturen auf dem Titel mußten 1988 aus Kostengründen entfallen – sehr zum Bedauern der Redaktion und wohl auch der LeserInnen.

Vom reinen Informationsdienst, der die verschiedensten Nachrichten unter bestimmten Kategorien zusammenfaßte, wechselten wir 1990 zu Schwerpunktheften. Mehr und mehr konnten auch AutorInnen von außerhalb der Redaktion gewonnen werden. Die kritischen Stimmen zu den Themen Polizei, Geheimdienste, Datenschutz, Innere Sicherheit und deren öffentlicher Kontrolle sind heute unzweifelhaft zahlreicher, als das ein Jahr nach dem Deutschen Herbst der Fall war, wo wir feststellen mußten, daß das Interesse an dem nach innen gerichteten Teil des staatlichen Gewaltmonopols viel geringer war als das Interesse an Fragen des Militärs.

Dies könnte eine beruhigende Nachricht sein, wäre da nicht gleichzeitig zu konstatieren, daß wir heute wiederum über ähnliche Probleme und Gefahren schreiben müssen wie vor 20 Jahren. „Neue Gesetze für ein neues Polizeikonzept“ lautete der Titel eines Artikels der Null-Nummer, in dem es insbesondere um die Kontrollstellenparagraphen im Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes ging. Wenige Monate zuvor hatte die Polizei über 140.000 TeilnehmerInnen der Demonstration gegen den geplanten (und später gescheiterten) Bau des AKW Kalkar kontrolliert und einer Fahndungsabfrage in INPOL unterzogen. Dies waren die Anfänge der elektronischen Fahndung und des darauf ausgelegten polizeilichen Kontrollkonzeptes, das heute als Schleierfahndung eine neue Fassung erhält. Der Lauschangriff gegen den Atomphysiker Klaus Traube war 1976 ein Skandal; die Methode wurde vor kurzem durch eine Verfassungsänderung geadelt.

Mit dem Schwerpunkt dieser Ausgabe knüpfen wir ebenfalls an ein Thema an, das uns schon 1978 bewegte. Die Gefahr, daß sich eine supranationale europäische Polizei herausbilden würde, schien Ende der 70er Jahre zwar noch ziemlich unrealistisch. TREVI, das informelle Kooperationsgremium der EG-Innenminister, war gerade zwei Jahre alt. Über die Tragweite dieser Kooperation war kaum etwas bekannt. Erkennbar war demgegenüber die Tendenz zur Vereinheitlichung der polizeilichen Methoden und Konzepte in Westeuropa. Diese Vereinheitlichung war es denn auch, die uns dazu bewog, in Überschätzung unserer eigenen Kräfte den CILIP-Informationsdienst sowohl in Deutsch als auch in Englisch herauszugeben. Die englische Ausgabe wurde 1980 eingestellt. Geblieben ist dagegen das Bestreben, über den engen Tellerrand des Nationalstaats hinauszublicken. In den vergangenen Jahren wurde das polizeiliche Europa, seine (neuen) Grenzen und Institutionen, seine fortbestehende Geheimhaltung und fehlende politische Kontrolle zu einem Dauerthema von ‘Bürgerrechte & Polizei’.

In Sachen Europa, aber auch bei fast allen anderen Themen, die diese Zeitschrift seit 20 Jahren behandelt hat, gilt die Feststellung aus dem Editorial der Nullnummer, der kleine Informationsdienst könne nur „wie ein kleiner David wirken“ und „gegenüber dem riesigen Goliath der etablierten Polizei und der Geheimdienste nur mit einer kleinen Schleuder öffentlicher Informationen arbeiten. Dies ist gewiß wenig, vielleicht zu wenig (…) Aber alles, was angesichts beobachtbarer Tendenzen getan werden kann, um rechtsstaatliche Verfahren, bezogen auf die Grund- und Menschenrechte zu verteidigen bzw. ihre Gefährdung zu dokumentieren, sollte man versuchen.“

In seiner nächsten Ausgabe, die Ende Juli erscheinen wird, beschäftigt sich Bürgerrechte & Polizei/CILIP im Schwerpunktteil mit dem Thema „Überwachungstechnologien“.

Noch etwas in eigener Sache: CILIP ist seit Ende 1996 im World Wide Web mit einer Homepage und einer Online-Ausgabe vertreten (Adresse im Impressum). Zusätzlich bietet unser Provider ‘Info Pool Network’ unseren LeserInnen die Möglichkeit, unter http://www.infolinks.de in den bislang im WWW erschienenen Ausgaben im Volltext zu recherchieren.

Heiner Busch ist Redakteur und Mitherausgeber von Bürgerrechte & Polizei/CILIP.