Unklare Daten im AZR zu Ausreisepflichtigen

Thomas Hohlfeld

Bundeskanzlerin Merkel rief Anfang 2017 öffentlich zu einer „nationalen Kraftanstrengung“ zur Abschiebung abgelehnter Asylsuchender auf. Im Mai 2017 beschloss der Bundesrat das Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht. Dem lag die Annahme zugrunde, die Zahl der Ausreisepflichtigen in Deutschland würde infolge vieler Asylablehnungen drastisch ansteigen. In einer 1,8 Mio. Euro teuren Studie hatte die Beratungsfirma McKinsey Ende 2016 prognostiziert, bis Ende 2017 müsse mit „mindestens 485.000“ ausreisepflichtigen Personen gerechnet werden. Auch die Bundesregierung erwartete eine „erhebliche Steigerung der Zahl der Ausreisepflichtigen“.

Doch die Zahl der nach Angaben des Ausländerzentralregisters (AZR) ausreisepflichtigen Personen ist von Mitte 2016 bis Mitte 2017 mit 221.000 bzw. 226.500 Personen nahezu gleich geblieben. Allerdings sind diese Angaben überhöht und fehlerhaft. Auf Anfrage der Linksfraktion räumte die Bundesregierung ein, dass es im AZR viele „unplausible Angaben“ gibt.[1] So werden knapp 10.000 EU-Angehörige zu Unrecht als Ausreisepflichtige geführt, obwohl bei ihnen kein Verlust des Freizügigkeitsrechts festgestellt wurde. Zudem sollen sich fast 50.000 Ausreisepflichtige noch in einem Asylverfahren befinden – was nicht sein kann. Bei über 10.000 Ausreisepflichtigen wurde der Status im AZR zuletzt vor über drei Jahren aktualisiert, bei 6.500 Personen war die Duldung bereits seit mehr als einem Jahr abgelaufen – viele dieser Personen sind womöglich längst nicht mehr in Deutschland.

Die falschen Angaben im AZR resultieren im Wesentlichen aus nicht aktualisierten oder fehlerhaften Eingaben der Ausländerbehörden bzw. des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge. Zugleich führen nicht registrierte Ausreisen zu einer statistischen Überhöhung der Zahl der Ausreisepflichtigen. Die Bundesregierung kann nicht beziffern, in wie vielen Fällen Zweifel an der im AZR vermerkten Ausreisepflicht bestehen. Mehr als 70 Prozent der Ausreisepflichtigen haben eine Duldung, bei mehr als der Hälfte ist jedoch nicht bekannt, aus welchem Grunde diese erteilt wurde. Viele Geduldete dürfen trotz formeller Ausreisepflicht nicht abgeschoben werden – diese Zahl aber wird im AZR nicht erfasst.

[1]   BT-Drs. 18/12725 v. 14.6.2017

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