Nachdem im Oktober 2019 der Missbrauchskomplex Bergisch-Gladbach ans Licht gekommen war, riefen nicht nur Bundesinnenminister Horst Seehofer, einige seiner Länderkollegen, die ehemalige Familienministerin Franziska Giffey, der Deutsche Richterbund und die unvermeidlichen Polizeigewerkschaften wieder einmal nach der anlasslosen und massenhaften Speicherung von Kommunikationsverkehrsdaten auf Vorrat, um Kinderpornographie besser bekämpfen zu können. Auch Johannes-Wilhelm Rörig, der von der Bundesregierung eingesetzte Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauches, legte im Oktober 2020 ein Positionspapier vor, in dem er “eine EU-rechtskonforme Vorratsdatenspeicherung” forderte, ohne jedoch darauf einzugehen, was er sich darunter vorstellt.
Dagegen wenden sich nun Betroffene sexualisierter Gewalt, die sich in der Arbeitsgruppe „Gegen Instrumentalisierung und Vorratsdatenspeicherung“ organisiert haben. In einem offenen Brief werfen sie Rörig mit seinem Ruf nach mehr Überwachung einen Alleingang vor. Demnach habe die Vorratsdatenspeicherung weder auf dem von Rörig mit Betroffenen organisierten Mitsprachekongressen 2016 und 2018 eine Rolle gespielt noch sei sie vom ehrenamtlichen Betroffenenrat, der Rörigs Arbeit berät, in seiner am 1. Juli 2021 veröffentlichten Stellungnahme zum Inkrattreten des Gesetzespaket zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Minderjährige thematisiert worden.
Mit ihrer Initiative stellt sich die Arbeitsgruppe gegen die Vereinnahmung durch den Unabhängigen Beauftragten. Sie schreibt: “Der Entzug von Freiheitsrechten sowie die Ausweitung von digitaler Überwachung – unabhängig davon, ob sie als nationale oder europäische Initiative eingebracht werden – schränkt immer die Freiheiten – auch die der Betroffenen sexualisierter Gewalt – ein und ist der falsche Weg, um der gesellschaftlichen ‘Normalität’ sexualisierter Gewalt entgegen zu wirken.” Vielmehr zeige der Ruf nach schärferen Gesetzen nur das Versagen des Staates im Rahmen seiner Schutzpflicht.