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(Ver)wachsende Datenbanken: Digitale Grenzen als Integrationsprojekt

von Eric Töpfer

Die Zahl der großen IT-Systeme der EU zur Kontrolle von Grenzen, Migration und Kriminalität wird sich in den kommenden Jahren verdoppeln. Zugleich werden sie mit dem Ziel, die Datenbanken interoperabel zu machen, immer enger zusammengeführt. Allen Widerständen zum Trotz sind die Kommission und ihre Agenturen die Gewinner dieser Entwicklung. Verlierer sind insbesondere jene, die nicht das Privileg der Unionsbürgerschaft haben.

Seit 27 Jahren brummen in einem Bunker bei Straßburg die Server des Schengen-Informationssystems (SIS). Gedacht war das polizeiliche Fahndungssystem als „Ausgleichsmaßnahme“ für den befürchteten Sicherheitsverlust durch den Wegfall der Grenzkontrollen zwischen den Schengen-Staaten. Sein Personendatenbestand wird seit jeher durch Ausschreibungen von Nicht-EU-Bürger*innen zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung dominiert. 2003 gesellte sich die zentrale Einheit für Eurodac hin­zu, ein automatisches Fingerabdruckidentifizierungssystem (AFIS) zur biometrischen Erfassung von Asylsuchenden und irregulären Migrant*innen. Zwar dient Eurodac primär der Umsetzung des Dublin-Regimes und soll sicherstellen, dass Asylanträge im Land der Ersteinreise bearbeitet werden. Da die Verordnung von 2000 es den teilnehmenden Staaten aber freistellte, auch Menschen zu erfassen, die im Hinterland beim unerlaubten Aufenthalt erwischt werden, zielte Eurodac von Anfang an auch auf die Kontrolle irregulärer Migration. Im Jahr 2011 nahm das Visa-Informationssystem (VIS) seinen Betrieb auf, das der alphanumerischen und biometrischen Registrierung von Menschen dient, die Anträge auf EU-Kurz­zeitvisa stellen. Etwa 80 Millionen Personendatensätze waren Ende 2020 in den drei Systemen erfasst: 73 Mio. im VIS,[1] 5,8 Mio. in Eurodac[2] und etwa 965.000 im SIS.[3] Bereits seit Mitte der 2000er Jahre plant die EU den weiteren Ausbau von SIS, Eurodac und VIS, den Aufbau neuer Datenbanken und die enge Verschränkung all dieser Systeme.[4] (Ver)wachsende Datenbanken: Digitale Grenzen als Integrationsprojekt weiterlesen