Auf dem Weg ins polizeiliche Europa – Spanien

von Heiner Busch

Spanien ist am 25. Juni dieses Jahres ebenfalls dem Schengener Abkommen beigetreten. Nicht erst seit diesem Tag bemüht sich die dortige Regierung um eine Integration ins polizeiliche Europa. Schon in den 70er Jahren gab es Pläne für einen maschinenlesbaren Personalausweis nach deutschem Vorbild, die nunmehr in die Praxis umgesetzt werden. Als Voraussetzung für die Teilnahme am Informationsaustausch im Rahmen des Abkommens muß auch ein Datenschutzgesetz verabschiedet werden, von dem die „Comi-sión Libertades e Informática“, die neugegründete spanische Da-tenschutzvereinigung, behauptet, es sei schlechter als der gesetzlose Zustand.

Mit dem Beitritt zum Schengener Abkommen verstärkt sich der seit Jahren spürbare Druck der spanischen Ausländerpolitik, der sich am deutlichsten im Anstieg der offiziellen Zahlen der an der Grenze zurückgewiesenen, ausge-wiesenen und festgenommenen Ausländer niederschlägt.

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1989 erhöhte die spanische Regierung die Geldmenge, die Ausländer bei der Einreise nach Spanien neben ihren Papieren vorweisen müssen. Wenige Tage vor der Unterzeichnung des Schengen-Abkommens wurde ferner für die gesamten Maghreb-Länder (Tunesien, Algerien, Marokko) eine Visumspflicht eingeführt. Im Vorgriff darauf begann die Polizei Kontrollen auch in Ceuta und Melilla, zwei zu Spanien gehörenden Städten auf der marokkanischen Seite der Meerenge von Gibraltar, einzuführen. Marokkanischen Staatsangehörigen wird die Einreise nach Ceuta und Melilla nur noch mit einem Passierschein gestattet, die Zahl der Einreisenden ist aufgrund der strikteren Kontrollen erheblich zurückgegangen.1 Weiter müssen sich nun auch spanische Staatsangehörige dieser Städte bei Reisen in das Mutterland ausweisen.
Als nächster Schritt, so wird vermutet, wird Spanien sich ebenso wie Portugal (das sich bereits verpflichtet hat, brasilianische Bürger stärkeren Einrei-sekontrollen zu unterwerfen) gegenüber Lateinamerikanern, die traditionell ohne größere Probleme einreisen konnten, restriktiver vorgehen. Genährt wird diese Vermutung u.a. durch die Forderung Belgiens und der Niederlande nach Einführung einer Visumspflicht für Kolumbianer, Bolivianer und Peruaner.

Personalausweis und Sicherheitsgesetz

Aber nicht nur die Ausländerpolitik verläuft nach europäischem Muster, sondern auch die Polizeipolitik gegenüber Inländern. Im Jahre 1944 hatte Francos Regierung einen Personalausweis eingeführt, der zu einem der zentralen Kontroll- und Erfassungsinstrumente der Informationsdienste, der politischen Abteilungen, der Polizei und der Guardia Civil wurde. Dieser bis heute ge-bräuchliche Personalausweis enthält nicht nur die Personenangaben des Inhabers und eine Personenkennziffer (PKZ) für alle bürokratischen Vorgänge, sondern darüber hinaus einen Fingerabdruck sowie die Namen, Vornamen und Geburtsdaten der Eltern. Letztere wurden bisher vor allem deswegen erhoben, weil die Zugehörigkeit zur politischen Linken oft familiär „vererbt“ wird.

Der Übergang zur Demokratie hat dieses Dokument der Diktatur nicht beseitigt. Bereits in den 70er Jahren gab es Pläne für einen neuen Personalausweis, der nach bundesdeutschem Vorbild maschinenlesbar sein sollte. Während sich der bundesdeutsche Personalausweis „nur“ eines natürlichen Personenkennzeichens (Name, Vorname, Geburtsdatum) bedient, enthält die Lesezone des spanischen weiterhin eine Nummer als PKZ; sie ist identisch mit der Steuernummer, nach der auch in der Sozialversicherung, bei Anstellungen usw. gearbeitet wird.

Im neuen Ausweis sind die Daten der Eltern und die Fingerabdrücke zwar nicht mehr enthalten, doch hat die Polizei weiterhin direkten Zugriff auf diese Daten. Nach wie vor werden bei der Ausstellung der Ausweise erken-nungsdienstliche Maßnahmen vorgenommen. Die Fingerabdrücke werden inzwischen im Computersystem der Comisaría de Documentación erfaßt und sind von einer Datenstation der Nationalpolizei, der Guardia Civil und des Geheimdienstes CESID direkt abfragbar. Die Polizeien der autonomen Regionen haben bisher keinen Zugang zu diesem System und betreiben, wie auch in anderen Angelegenheiten, ihre eigenen Datenbanken. Um das Ungleichgewicht zu beseitigen, hat die autonome Polizei des Baskenlandes, die Ertzantza, sich daher an den Daten der Volkszählung sowie des Telefonregisters bedient und verfügt daher über ein Adreßregister mit umfangreichen Sozialdaten für den größten Teil der Bürger ihrer Region.

Vor dem Hintergrund der Einführung des neuen Ausweises ist auch ein Gesetz zu sehen, das Ende November verabschiedet wurde. Das „Gesetz über die bürgerliche Sicherheit“, nach dem verantwortlichen Innenminister auch als „Corcuera-Gesetz“ bekannt, erlaubt der Polizei die Festnahme und erkennungsdienstliche Behandlung jeder Person, die an einer Kontrollstelle ohne Ausweis angetroffen wird. Ferner werden der Polizei Möglichkeiten eingeräumt, bei Verdacht auf Drogenhandel ohne richterlichen Befehl Hausdurchsuchungen durchzuführen.

Datenschutz(verhinderungs)gesetz

Während das Corcuera-Gesetz auf breiten Protest inner- und außerhalb des Parlaments stößt, wird der Entwurf des Datenschutzgesetzes kaum wahrgenommen. Nachdem bereits 1988 ein Entwurf vorgelegen hatte, der wieder in den Schubladen verschwand, beeilt sich die spanische Regierung nun, da die Verabschiedung eines Datenschutzgesetzes formale Voraussetzung für die im Sommer 1992 geplante Ratifikation des Schengener Abkommens ist. „Das Gesetz kommt spät und ist schlecht“, lautet das Urteil der in San Sebastián erscheinenden neuen Datenschutzzeitschrift „Kristal“. Tatsächlich ist die Regierung bereits seit 1978 ein solches Gesetz schuldig. Die spanische Ver-fassung von 1978 schreibt in Art. 18 Abs. 4 vor, daß ein ausführendes Gesetz den Gebrauch der Informationstechnik begrenzen müsse, „um die Ehre und die persönliche und familiäre Intimität der Bürger zu schützen und die volle Ausübung ihrer Rechte zu garantieren“. Der Entwurf folgt im wesentlichen den auch in anderen europäischen Ländern üblichen Formen: Daten dürfen nur aufgrund einer gesetzlichen Regelung erhoben und nur zu den Zwecken verarbeitet und weitergegeben werden, zu denen sie erhoben wurden. Die Betroffenen haben ein Recht auf Berichtigung, Veränderung bzw. Löschung sowie auf Auskunft, außerdem wird eine Datenschutzbehörde gebildet.

Aber auch hinsichtlich der Ausnahmen, die den Entwurf wieder in sein Gegenteil verkehren, hat die spanische Regierung von europäischen Vorbildern gelernt: Das Gesetz betrifft nur die in automatisierten Dateien gespeicherten Daten. Ferner kann die Auskunft verweigert werden, wenn dadurch die Ausübung der rechtmäßigen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung verhindert oder erschwert wird oder wenn die nationale Verteidigung oder öffentliche Sicherheit betroffen sind (Art. 22 des Entwurfs). Während im Grundsatz sensible Daten nur mit Zustimmung erhoben werden dürfen, erlaubt Art. 7 die Erhebung aufgrund eines Gesetzes und Art. 20 für polizeiliche Ermittlungen, die nicht weiter qualifiziert werden. Die zu schaffende Datenschutzbehörde wird direkt dem Innenminister unterstellt.

Zwar ist die spanische Polizei in weit geringerem Maße informatisiert als etwa die bundesdeutsche, auch gibt es nach wie vor eine strikte Trennung der Datensysteme der verschiedenen Polizeien. Wie wichtig aber ein effektiver Datenschutz gerade im Sicherheitsbereich ist, zeigt die Tatsache, daß 14 Jahre nach der Amnestie für unter der Franco-Diktatur begangene politische Delikte die entsprechenden Daten noch immer erfaßt sind und nach wie vor Personen aufgrund der Speicherung dieser Daten angehalten und festgenommen werden.

1 El País v. 16.5.91
2 Aierbe, Peio: Ley orgánica para la regulación del tratamiento automatizado de datos personales – tarde y mal, in: Kristal, 3/1991, S. 4 ff., siehe auch die Forderungen der Comisión de Libertades e Informática (CLI), die am 1.7.1991 in Madrid vorgelegt wurden. Die CLI ist ein Zusammenschluß von Menschenrechts- und anderen Nicht-Regierungsorganisationen. Parallel dazu hat sich auch im Baskenland eine Datenschutzvereinigung gebildet