Chronologie

zusammengestellt von Kea Tielemann

August 1991

01.08.: Einem Demonstranten, der 1984 bei einer Sitzblockade von einem Wasserwerfer verletzt worden war, spricht das Landgericht Verden 2.000 DM Schmerzensgeld zu. Statt der vom Hersteller angegebenen 13 Meter hatte der Mindestabstand beim Werfereinsatz nur 8,94 Meter betragen (AZ 8 0 186/87).
In Berlin sollen zum 1. September in den U- und S-Bahnen neben den jetzt 146 privaten Sicherheitskräften 100 weitere eingesetzt werden. Die Anzahl der begleitenden Hunde soll von 60 auf 100 erhöht werden. Ab Herbst sollen zusätzlich ca. 400 ABM-Kräfte im Sicherheitsbereich eingstellt werden.
02.08.: In Berlin stehen erneut über 100 ehemalige Volkspolizisten unter STASI-Verdacht. Bis zur Überprüfung durch die Gauck-Behörde werden sie vom Dienst beurlaubt. Sie sind vorwiegend im mittleren Dienst der Kriminalpolizei angestellt und hatten in ihren Personalfragebögen die Frage nach früherer STASI-Mitarbeit verneint.
03.08.: Nach Angaben des Präsidenten des Bundeskriminalamts Hans-Ludwig Zachert gibt es in der ehemaligen DDR 2.000 bis 3.000 militante Rechtsextreme.
06.08.: Um die illegale Einreise von Asylbewerbern zu verhindern, verlegt das Bundesinnenministerium zwei zusätzliche Grenzschutzabteilungen an die Grenzen zu Polen und zur CSFR.
Es wird bekannt, daß die Berliner Staatsanwaltschaft in ihrer Datenbank „Asta“ 1.566.784 personenbezogene Datensätze mit Angaben zu 819.600 Beschuldigten und 1.552.121 Datensätze mit Angaben zu Ermittlungsverfahren und zu nichtbeschuldigten Personen speichert.
Gegen das mutmaßliche ehemalige RAF-Mitglied Monika Helbing, die im Juni 1990 in der DDR festgenommen worden war, erhebt der Generalbundesanwalt Anklage, u.a. wegen fünffachen Mordes, Geiselnahme und schwerer räuberischer Erpressung.
07.08.: Die Berliner Arbeitsgruppe „Jugendgruppengewalt“, in der 150 Polizeibeamte tätig sind, registrierte bisher 3.000 Jugendliche, denen Körper-verletzungen, Raubtaten, Ladendiebstähle und unbefugter Waffenbesitz vor-geworfen werden.
08.08.: Für die öffentliche Verwertung von Abhörprotokollen erhält der ehemalige hessische Innenminister Gottfried Milde vom Amtsgericht Wiesbaden eine Geldstrafe von 18.000 DM. Eine weitere Geldstrafe von 24.000 DM wird auf ein Jahr zur Bewährung ausgesetzt.
Die Berliner Stadtreinigung entläßt 68 Beschäftigte, die für die STASI tätig waren; von den 3.500 Mitarbeitern aus Ost-Berlin sind bis zu diesem Zeitpunkt 2.000 anhand ihrer Fragebögen überprüft worden.
09.08.: Gegen die beiden in der früheren DDR festgenommenen RAF-Aussteiger Sigrid Sternebeck und Ralf Friedrich erhebt der Generalbundesanwalt Anklage wegen Beteiligung an der Schleyer-Entführung und am Attentat auf den damaligen Nato-Oberbefehlshaber Haig.
Das Bundeskanzleramt übergibt dem Schalck-Untersuchungsausschuß erste Akten des Bundesnachrichtendienstes (BND), verpflichtet den Ausschuß jedoch zur Geheimhaltung und verweigert die Herausgabe weiterer wichtiger Akten. Am 19.8. erklärt der Staatsminister im Bundeskanzleramt, Lutz Stavenhagen, der BND habe im Februar 1990 Schalck-Golodkowski einen falschen Paß ausgestellt; Schalck habe jedoch nicht für den BND gearbeitet.
10.08.: Der Sonderbeauftragte für die STASI-Akten, Gauck, erklärt, von Januar bis Juli 1991 seien Anfragen zur Prüfung von 137.000 Personen gestellt worden, von denen ca. 40.000 inzwischen beantwortet worden seien.
Bei einer Verkehrskontrolle in Forst gibt ein BGS-Beamter gezielte Schüsse auf einen PKW ab, nachdem der Fahrer die Kontrollstelle durchbrochen und zwei Warnschüsse ignoriert hatte.
13.08.: Bundesinnenminister Schäuble spricht sich für einen schnellen Ausbau der Polizei und des Verfassungsschutzes (VfS) in den FNL aus. Dabei sei der Einsatzfähigkeit des Informationssystems INPOL Vorrang einzuräumen. Für die Bereitschaftspolizeien der fünf neuen Länder werden bis 1995 ca. 100 Mio. DM eingeplant.
Zu einer Geldstrafe von 6.000 DM wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung wird ein Polizeibeamter verurteilt, der im September 1988 während einer Demonstration gegen die IWF- und Weltbanktagung in Berlin einen Fotografen verletzt hatte.
Das Landgericht Berlin lehnt die vom Staatsanwalt geforderte Straferhöhung gegen einen Demonstranten ab, der im Zusammenhang mit der Demonstration gegen die Räumung der besetzten Häuser in der Mainzer Str. in Ost-Berlin wegen Landfriedensbruchs in erster Instanz zu 500 DM verurteilt worden war.
14.08.: Gegen den ehemaligen STASI-Bezirksleiter von Schwerin, Werner Korth, wird der Prozeß wegen Bereicherung und Veruntreuung von 150.000 DDR-Mark eröffnet. Damit steht zum ersten Mal ein ehemaliger STASI-Bezirksleiter vor Gericht. Am 27.8. wird Korth zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten ohne Bewährung verurteilt.
Der STASI-Sonderbeauftragte Gauck gibt bekannt, daß die Überprüfung der Abgeordneten der ostdeutschen Landtage abgeschlossen sei. Im Zusammenhang mit dieser Überprüfung traten in Sachsen-Anhalt der Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Brunner, und der Landwirtschaftsminister, Mintus, von ihren Posten zurück. Gegen sieben weitere Abgeordnete Sachsen-Anhalts und drei Abgeordnete Thüringens liegt der Gauck-Behörde belastendes Material vor.
Das Bundeskabinett beschließt die Entsendung von 15 Bundesgrenzschutzbeamten in die West-Sahara. Sie sollen im Rahmen einer UNO-Friedensmission in einer internationalen Polizeieinheit den Waffenstillstand zwischen Marokko und der Befreiungsbewegung Polisario überwachen.
15.08.: Innenminister Schäuble legt den Verfassungsschutzbericht 1990 vor. Angesichts des neonazistischen Gewaltpotentials in den FNL sei die Hauptaufgabe der Aufbau der Verfassungsschutzämter: den Landesparlamen-ten von Thüringen und Sachsen-Anhalt liegen entsprechende Gesetzentwürfe vor; in Sachsen soll im Herbst ein Gesetz abgestimmt werden; in Mecklenburg-Vorpommern wird ein Entwurf erarbeitet. In Brandenburg regelt ein Vorschaltgesetz vom 25.9., daß sich der VfS vorerst keiner nachrichtendienstlichen Mittel bedienen darf. Laut VfS-Bericht hatte der VfS einen Etat von über 218 Mio. DM bei 2.435 Beschäftigten. Der Militärische Abschirmdienst (MAD) erhielt 141 Mio. DM und hatte 1948 Mitarbeiter.
16.08.: Der Kieler Polizeidirektor Röper wird vom Dienst suspendiert. Grund ist seine Einsatzleitung bei der Räumung eines besetzten Hauses am 10. Juli, bei der Demonstranten und Journalisten mit Schlagstöcken verletzt worden waren. Am 29.9. entscheidet das Schleswig-Holsteinische Verwal-tungsgericht, Röper dürfe sein Amt zunächst wieder ausüben, da die Suspendierung „voraussichtlich rechtswidrig“ sei. Gegen diesen Gerichtsbeschluß legt Innenminister Bull Beschwerde ein (AZ: 11 B 41/91).
Brandenburgs Innenminister Alwin Ziel kündigt an, daß die im Haushaltsjahr 1992 für die Polizei eingesetzten 32 Mio. DM vor allem für die Anschaffung neuer Fahrzeug- und Kommunikationstechnik genutzt würden.
21.08.: Der Bundesgerichtshof hebt einen der vier Haftbefehle gegen den früheren Staatssicherheitsminister der DDR, Mielke, den Vorwurf der ge-heimdienstlichen Agententätigkeit betreffend, auf. Am 22.8. wird der Haftbefehl wegen Unterstützung der RAF aufgehoben. Am 26.8. beschließt das Landgericht Berlin, es werde gegen Mielke kein Verfahren wegen Untreue, Anstiftung zur Rechtsbeugung und illegaler Telefonüberwachung eröffnen, da der 83jährige „auf Dauer verhandlungsunfähig“ sei. Mielke bleibt aufgrund eines weiteren Haftbefehls in Zusammenhang mit den Todesschüssen an der Mauer weiter in Untersuchungshaft.
22.08.: Fünf STASI-Offiziere, die im März unter dem Vorwurf der Ausbildung von RAF-Mitgliedern verhaftet worden waren, werden freigelassen. Nach Ansicht des Ermittlungsrichters steht nicht fest, ob die Ausbildung durch die STASI vor den Anschlägen im Frühjahr 1981 oder erst im Frühjahr 1982 stattgefunden hat.
Das Amtsgericht Tiergarten hebt den Haftbefehl gegen einen Libanesen auf, dem die Beteiligung am Anschlag auf die Berliner Diskothek „La Belle“ 1986 vorgeworfen wurde.
Die Grenzschutzdirektion in Koblenz teilt mit, beim Bundesgrenzschutz (BGS) in den neuen Bundesländern seien mehr als 1.000 ehemalige STASI-Mitarbeiter tätig.
23.08.: Berlins Justizministerin Jutta Limbach erklärt auf Anfrage, es habe bei 5.951 abgeschlossenen Verfahren, die in den letzten zehn Jahren wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt gegen Polizeibeamte geführt wurden, 20 Verurteilungen gegeben. 5.846 Verfahren wurden eingestellt; 85 endeten mit Freisprüchen.
27.08.: Das Berliner Verwaltungsgericht entscheidet, daß die Kündigungen ehemaliger Volkspolizisten bei der Berliner Polizei rechtlich anfechtbar seien, da das Mitbestimmungsrecht der Personalvertretungen unzulässig eingeschränkt worden sei.

September 1991

01.09.: Für einen einjährigen Modellversuch werden in Hessen die Polizisten von Kassel und Heppenheim mit Namensschildern ausgestattet.
02.09.: Vor dem Berliner Landgericht beginnt der erste Prozeß um die Todesschüsse auf Flüchtlinge aus der DDR, in dem vier ehemalige Grenz-soldaten angeklagt sind. Die Berliner Staatsanwaltschaft führt wegen der To-desschüsse über 300 Ermittlungsverfahren gegen ca. 100 Beschuldigte.
03.09.: In Bonn kündigt Jugendministerin Angela Merkel an, daß 1992 für ein Sonderprogramm gegen Gewalt und Rechtsextremismus unter Jugendlichen in der ehemaligen DDR 20 Mio. DM aufgewendet werden sollen.
05.09.: In Kassel wird ein aus der Haft entflohener Geiselnehmer von einem Polizisten erschossen; er hatte zuvor bei der Überprüfung durch eine Zivilstreife eine Waffe gezogen.
06.09.: Lothar de Maizière tritt von allen Parteiämtern zurück, nachdem der „Spiegel“ meldet, die Gauck-Behörde habe Anfang August weiteres bela-stendes Material entdeckt. Am 12.9. bestätigt der Bundesnachrichtendienst (BND), er habe de Maizière noch bis zur Volkskammerwahl am 18. März 1990 abgehört. Am 14.10. berichtet der „Spiegel“, der BND hätte das Kanzleramt schon am 28.2.90 auf die STASI-Tätigkeiten hingewiesen.
09.09.: Der Generalbundesanwalt erhebt Anklage gegen den ehemaligen Regierungsoberamtsrat im Bundesamt für Verfassungsschutz, Klaus Kuron. Ihm wird vorgeworfen, seit 1981 für die Hauptverwaltung Aufklärung der DDR gearbeitet zu haben.
Berlins Polizeipräsident Schertz gibt bekannt, daß trotz des Bevölkerungszu-wachses von 60%, die Zahl der angezeigten Straftaten im ersten Vierteljahr nur um 28% gestiegen ist. Damit ist die Gesamtkriminalitätsrate in Berlin um rund 14% gesunken.
13.09.: Die BRD und die CSFR unterzeichnen ein Abkommen über die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität.
14.09.: In Hoyerswerda (Sachsen) wird ein Wohnheim, in dem etwa 200 Vietnamesen und Mocambiquaner leben, von ca. 600 Rechtsextremen und Anwohnern angegriffen. Die Asylbewerber aus Hoyerswerda werden darauf-hin in andere Städte gebracht. Es beginnt eine Serie von Übergriffen auf Ausländer- und Asylheime. Asylbewerber in den neuen Bundesländern flüchten nach Berlin, Hessen und Niedersachsen. Am 23.10. beschließt das Berliner Verwal-tungsgericht, daß die Zuweisung von Asylbewerbern in die ostdeutschen Bundesländer trotz der Überfälle rechtmäßig sei (AZ: VG 24 A 299.91). Das Bundeskriminalamt (BKA) gibt bekannt, daß 1991 in den ersten acht Monaten 58 Brandanschläge auf Wohnheime verübt worden sind. Die Polizei-Arbeitsgruppe „Rechtsorienterte Gewalt (ROG)“ der Länder Brandenburg und Sachsen wird auf alle ostdeutschen Länder und Berlin ausgedehnt.
21.09.: Der Generalbundesanwalt gibt bekannt, in den letzten zwölf Monaten seien ca. 100 ehemalige STASI-Agenten enttarnt worden. Etwa 400 bis 500 seien noch unentdeckt.
Bei einer Hausbesetzung in Frankfurt kommt es zum Schußwaffengebrauch: Als zwei Polizisten durch Steine und Molotowcocktails verletzt werden, gibt einer der Beamten drei Schüsse in die Luft ab. Ein anderer schießt gezielt auf die Beine der inzwischen auf 40 Personen angewachsenen Gruppe von Hausbesetzern, trifft jedoch niemanden.
24.09.: Markus Wolf, der frühere Leiter der Hauptabteilung Aufklärung des MfS, stellt sich den deutschen Behörden, nachdem sein Asylantrag in Österreich und in Schweden abgelehnt worden war. Gegen Wolf liegt seit dem 20.6.89 ein Haftbefehl wegen Spionage, Landesverrat und Bestechung vor. Am 4.10. wird Wolf gegen eine Kaution von 250.000 DM bis zur Entscheidung über ein Verfahren wieder auf freien Fuß gesetzt.
26.09.: Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Berlin mahnt für die Verfolgung der Regierungs- und Vereinigungskriminalität 260 zusätzliche Beamte an, da Großverfahren mit Millionen-Schadenssumme wegen Personalmangels liegenbleiben müßten. 110 Kriminalbeamte, 22 Staatsanwälte und zwei Wirtschaftreferenten seien bisher für die Strafverfolgung zuständig. Ca. 155 Ermittlungsverfahren wurden eingeleitet; 26 der Großverfahren sind derzeit stillgelegt.
27.09.: Die frühere Anwältin Isolde Oechsle-Misfeld wird in Hamburg in einem Revisionsverfahren zu sechseinhalb Jahren Haft wegen Beihilfe zum Mord verurteilt. Ihr ehemaliger Mandant Werner Pinzner hatte 1986 den Staatsanwalt auf einem Hamburger Polizeirevier erschossen.
30.09.: Aufgrund früherer STASI-Verwicklungen erklärt Sachsens Innenminister Rudolf Krause seinen Rücktritt.

Oktober

04.10.: Karl-Heinz Dellwo, Lutz Taufer und Knut Folkerts, die in Celle mehrjährige Haftstrafen wegen Zugehörigkeit zur RAF absitzen, beenden einen elftägigen Hungerstreik. Sie waren in den Hungerstreik getreten, nachdem das niedersächsische Justizministerium einer Journalistin ein Interview mit ihnen untersagt hatte.
05.10.: In Feiburg bewirkte stechender Geruch aus einem Mietshaus, den Feuerwehr und Polizei als Gas deuteten, die vorsorgliche Räumung des Gebäudes. Als Ursache erwies sich ein Käse, den ein Mieter im Keller zur Reifung lagerte.
07.10.: Vom Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln werden ca. 100.000 ehemalige STASI-Angehörige als sicherheitsgefährdend eingestuft.
08.10.: In Stuttgart wird das im Sommer 1990 in der DDR verhaftete ehemalige RAF-Mitglied Silke Maier-Witt, trotz Anwendung der Kron-zeugenregelung, zu zehn Jahren Haft verurteilt. Ihr wird die Mittäterschaft an der Entführung und Ermordung des ehemaligen Arbeitgeberpräsidenten Schleyer, versuchter Mord und ein Banküberfall vorgeworfen.
In Bonn wird bekannt, daß in den nächsten drei Jahren 200 Mio. DM Polizei- und Militär-Entwicklungshilfe an 40 Staaten gezahlt werden sollen.
Dirk Schneider, ehemaliges AL-Gründungsmitglied und seit 1990 Berliner PDS-Abgeordneter, gibt zu, von 1975 bis 1989 Mitarbeiter der Hauptabteilung Aufklärung der STASI gewesen zu sein. Noch am 12.9. hatte die Gauck-Behörde ihm eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt.
09.10.: In Düsseldorf wird ein ehemaliger Chiffrierspezialist bei der Nato-Zentrale wegen Informationsübermittlung an die frühere DDR zu neun Jahren Haft verurteilt.
10.10.: Der Innen-Staatssekretär von Sachsen-Anhalt bestätigt Aussagen des ehemaligen RAF-Mitglieds Inge Viett, aufgrund derer in Magdeburg ein Polizist verdächtigt wird, als früherer STASI-Major in den 80er Jahren RAF-Mitglieder ausgebildet zu haben.
In der Diskussion um Art. 16 Grundgesetz (Asylrecht) einigen sich CDU/CSU, FDP und SPD vorläufig auf eine Beschleunigung der Asylverfahren: Das Verfahren soll künftig auf sechs Wochen begrenzt, und die Asylbewerber generell in Gemeinschaftsunterkünften zusammengefaßt werden.
12.10.: In Holzminden werden zwei Polizisten nach einem Notrufeinsatz vermißt. Im Verlauf der eingeleiteten Großfahndung wird der ausgebrannte Dienstwagen gefunden. Als Tatverdächtige werden am 16.10. drei Brüder aus Bielefeld festgenommen, von denen zwei Geständnisse ablegen; einer der Brüder zeigt den ermittlenden Beamten am 17.10. den Ort, an dem die  erschossenen Polizisten verscharrt wurden. Das Motiv für die Morde bleibt unklar.
20.10.: Politiker aus SPD, CSU und FDP sprechen sich übereinstimmend für die Auflösung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) aus; es sollte durch eine Koordinierungsstelle für die Landesämter für Verfassungsschutz (LfV) ersetzt werden. Die 2.800 Beamten sollten besser in Verwaltungen der neuen Bundesländer eingesetzt werden.
21.10.: Drei Polizisten, die wegen Körperverletzung im Amt angeklagt waren, werden von dem erweiterten Schöffengericht in Berlin-Moabit freige-sprochen. Ihnen war vorgeworfen worden, zwei Pressefotografen mißhandelt zu haben.
Das Bundeskriminalamt (BKA) teilt mit, daß monatlich 1.200 Asylbewerber erkennungsdienstlich behandelt und ihre Fingerabdrücke erfaßt werden. Von den ca. 170.000 Asylbewerbern, die bis Ende September in die BRD kamen, wurden rund 10.800 in Inpol gespeichert.
Vier bewaffnete Häftlinge der Justizvollzugsanstalt Celle flüchten mit drei Gefängniswärtern als Geiseln. Am 23.10. werden sie in Karlsruhe von der Polizei gefaßt, wobei zwei der Geiselnehmer bei einem Schußwechsel mit der Polizei verletzt werden.
23.10.: Vier Hamburger Polizeiführer werden im Kessel-Prozeß wegen Freiheitsberaubung mit gefährlicher Körperverletzung zu Geldbußen zwi-schen 8.400 DM und 16.200 DM verurteilt. Geldstrafen in gleicher Höhe werden auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Die Verurteilten waren für die zwölfstündige Einkesselung von ca. 800 Atomkraftgegnern am 8. Juni 1986 verantwortlich.
Der Bundesgerichtshof hebt das Urteil gegen den RAF-Aussteiger Werner Lotze teilweise auf: das Strafmaß von zwölf Jahren müsse neu bestimmt werden, da der Tatvorwurf des Mordversuchs an einem Polizeibeamten nicht erwiesen sei.
Es wird bekannt, daß die brandenburgische FDP-Abgeordnete Fuchs vom BfV Material gegen den vom Bündnis 90 vorgeschlagenen Kandidaten für den brandenburgischen Datenschutzbeauftragten, Thilo Weichert, erhalten hat.
25.10.: In Stralsund wird ein 20jähriger Wachmann von einem Polizisten erschossen.
26.10.: Im Hamburger Hafen beschlagnahmt die Polizei zwölf Panzer und weiteres als „landwirtschaftliche Geräte“ deklariertes Kriegsmaterial aus den Beständen der ehemaligen Nationalen Volksarmee der DDR, die der BND verdeckt an den israelischen Geheimdienst Mossad liefern wollte.
31.10.: In Berlin beschließt die Konferenz der Innen- und Justizminister von 27 europäischen Staaten „Maßnahmen zur Eindämmung illegaler Einreisen aus und über Mittel- und Osteuropa“. Vorgesehen sind verstärkte und koordinierte Kontrollen an den Grenzen, eine abgestimmte Visapolitik, der Einsatz von „mobilen Kräften“ und die gemeinsame Bekämpfung der Schleuserkriminalität.

November 1991

02.11.: In Brandenburg wurden 1991 bisher 108 Polizisten wegen einer ehemaligen STASI-Tätigkeit entlassen.
04.11.: Das Hanseatische Oberlandesgericht in Hamburg erklärt die am 24.4.89 von der städtischen Hafenrand GmbH ausgesprochene fristlose Kündigung des Pachtvertrages mit dem Verein Hafenstraße für rechtmäßig.
06.11.: Der brandenburgische Abgeordnete und innenpolitische Sprecher des Bündnis 90, Henrik Poller, gibt seine Tätigkeit als ehemaliger inoffizieller STASI-Mitarbeiter von 1982 bis 1984 zu.
07.11.: Vom LfV Berlin wird erstmalig ein Jahresbericht für 1990 vorgelegt.
08.11.: Die Innenminister der Bundesländer beschließen einen Ab-schiebestopp für Flüchtlinge aus Kroatien.
09.11.: In Lüdenscheid wird eine 21stündige Geiselnahme mit der Erschießung des Bankräubers und der Befreiung aller Geiseln beendet.
Bei schweren Schlägereien zwischen ausländischen Studenten und deutschen Jugendlichen in einem Studentenwohnheim in Wismar gibt die Polizei Warnschüsse in die Luft ab.
12.11.: Berlins Polizeipräsident Schertz weist Vorwürfe der Zeitschrift „stern“ zurück, er habe gegenüber einem Ost-Berliner Verwandten Dienst-geheimnisse preisgegeben und der STASI unwissentlich als Quelle gedient.
Der Berliner Senat beschließt, der Wiederaufbau einer Berliner Bereit-schaftspolizei, für den die Bundesregierung 31 Mio. DM bereitstellt; damit soll noch 1991 begonnen und 1995 mit zwei Einsatzabteilungen mit je 701 Beamten abgeschlossen werden.
14.11.: Brandenburgs Justizsprecher teilt mit, in ca. 350 Fällen werde im Zusammenhang mit gewalttätigen Ausschreitungen von Rechtsextremisten gegen Ausländer bzw. Asylbewerber ermittelt. Die Staatsanwaltschaft erhob in 79 Fällen Anklage; in 32 Prozessen kam es zu Verurteilungen.
Der Bundestag beschließt das STASI-Unterlagengesetz gegen die Stimmen von Bündnis 90/Grüne und PDS. Die Bürgerbewegungen fordern ein Verbot der geheimdienstlichen Nutzung; von Seiten der Presse wird das Verbot des Besitzes und der Veröffentlichung von STASI-Akten kritisiert.
15.11.: Bundesinnenminister Schäuble teilt die Umstrukturierung des BGS mit, die aufgrund des Wegfalls der Aufgaben an der ehemaligen innerdeutschen Grenze nötig werde: Künftig erhält der BGS fünf Grenzschutzpräsidien; die bisherige Trennung in Grenzschutzverbände und Grenzschutzeinzeldienst wird aufgehoben. Der BGS soll als neue polizeiliche Aufgaben die Bahnpolizei und die Luftsicherheit übernehmen.
Das Bayerische Oberste Landesgericht in München verurteilt die ehemaligen STASI-Generäle und Agentenführer Schütt und Böttger wegen Beihilfe zum Landesverrat zu Bewährungsstrafen von 2 Jahren bzw. 14 Monaten. Der ehemalige Mitarbeiter des BND, Spuhler, wird wegen Spionage zu 10 Jahren Haft verurteilt.

Kea Tielemann ist Redaktionsmitglied und Mitherausgeberin von Bürger-rechte & Polizei/CILIP.