Personal-Computer als polizeilicher Arbeitsplatz – zwischen Typenhebel und Shift-Taste

von Reinhard Borchers

Nachdem (in den alten Bundesländern) die Vernetzung der Polizei mittels INPOL und SPUDOK nahezu abgeschlossen ist und der ONLINE-Zugriff auf bundesweite Datenbanken wie ZEVIS1 und Ausländerzentralregister möglich ist, werden EDV-Anlagen nun auch als Einzelplatzlösungen bzw. lokal vernetzte Anlagen installiert.

Soweit möglich streben die Polizeien weit vernetzte Systeme an, um den Datenfluß schnell und ohne Klippen zu gewährleisten. Allerdings hat auch die Polizei erkannt, daß sich PCs nutzbringend und zeitsparend einsetzen lassen. PCs als Einzelplätze werden jedoch nur dort eingesetzt, wo eine Vernetzung mit den bestehenden Systemen wenig Sinn macht, z.B. bei der Gestaltung der Pressemitteilungen, Aufbau eng umrissener Datenbanken, Auswertung von Bilanzen und Kontenbewegungen im Bereich der Wirtschaftskriminalität etc.
Gerade im täglichen Dienst bei der Anzeigenaufnahme und Berichtsfertigung dominiert immer noch die Schreibmaschine, bisweilen Geräte, die jedem Technikmuseum Ehre machen würden. Falls schon ein modernes Informations- und Kommunikationsnetz besteht, werden die Möglichkeiten dieses Netzes z. T. für lokale Arbeiten erweitert (Textverarbeitung, Fernschreiben über Datenleitungen etc.).

Arbeitsplatzsituation

Sie hat sich in den letzten Jahren grundlegend gewandelt. Während früher nach dem Motto „Schreibmaschine raus – Terminal rein“ gehandelt wurde, werden die Arbeitsplätze heute nach arbeitsmedizinischen Gesichtspunkten mit entsprechenden Sitz- und Lichtverhältnissen gestaltet. Out sind die grünflimmernden Bildschirme der ersten Generation. Mittlerweile sind höher auflösende, mit einer akzeptablen Bildwiederholfrequenz im Einsatz. Inwieweit diese Bildschirme den Anforderungen nach den neuesten schwedischen Normen2 entsprechen, kann leider nicht gesagt werden.

KollegInnen, die überwiegend oder ausschließlich an Bildschirmen arbeiten, werden in regelmäßigen Abständen arbeitsmedizinisch untersucht. Falls erforderlich, werden Spezialbrillen verordnet.

Ausbildung an den Geräten

Auch hier ist eine Wandlung zu verzeichnen. Bei Einführung der Neuen Techniken wurden nur wenige KollegInnen an den Geräten ausgebildet. Diese gaben ihr Wissen dann als sog. Multiplikatoren an die KollegInnen der jeweiligen Dienststellen und -gruppen weiter oder die KollegInnen fummelten sich nach den Methoden „learning by doing“ und „try and error“ in die Programme ein. Dies war neben der alltäglichen Arbeit zu gewährleisten. Heute wird auf eine fundierte Ausbildung Wert gelegt. Diese findet an den Polizeischulen im Rahmen der Aus- und Fortbildung, bzw. auf speziellen Lehrgängen statt. Bei Problemen besteht während der allgemeinen Dienstzeiten die Möglichkeit, sich telefonisch helfen zu lassen. Vielfach wird der Wunsch geäußert, daß umfangreichere Hilfsfunktionen im System enthalten sein sollten. Bemängelt werden noch die „Benutzeroberflächen“3. Sie sind z. T. unübersichtlich und noch nicht den heute gültigen Standards (als Beispiel sei die „SAA-Oberfläche“ genannt) angepaßt. Viele Programmpunkte sind zwar über Funktionstasten aufrufbar, bei anderen Systemen aber sind bis zur Vollendung eines Arbeitsganges immer noch mehrere Befehle einzugeben.

Akzeptanz der Geräte

Eine Polizei ohne Datenverarbeitung kann sich heute niemand mehr vorstellen. Da fast jede Polizeidienststelle mit Terminals ausgerüstet ist, die man-nigfaltigste Abfragemöglichkeiten gestatten, werden diese natürlich genutzt. Dies führt häufig dazu, daß sich KollegInnen zuweilen mehr auf den „Großen Bruder“ verlassen als auf die vor Ort angetroffenen Gegebenheiten. Als Bei-spiel seien die Möglichkeiten von ZEVIS angeführt: Abfrage des Kennzeichens eines parkenden Wagens – man bekommt die Daten des Fahrzeughalters. Mit diesen Personendaten kann nun festgestellt werden, ob der Halter gesucht wird, schon bei der Polizei bekannt ist oder wegen welcher Delikte u.U. gegen den Halter ermittelt wurde. Es ist außerdem möglich, festzustellen, ob der Halter eine Fahrerlaubnis hat, wenn nicht, mmhhh …. Verdachtsschöpfung über Computer.

Auch auf den Dienststellen der Polizei gibt es einige Freaks, die sich tage- und nächtelang mit den vorhandenen Systemen beschäftigen und genau wissen, was sie hergeben. Die meisten KollegInnen wünschen sich jedoch eher einfach zu bedienende Geräte, die vor allem die Berichtsfertigung erleichtern.
Ein wünschenswerter Arbeitsablauf sähe folgendermaßen aus: Gerät einschalten und Magnetkarte zur Benutzeridenfikation einstecken. Es erscheint eine Maske mit einer Auswahl der zu bearbeitenden Formulare. Das entsprechende Programm wird angewählt und das System fragt nach Aktenzeichen, Datum und allen sonstigen relevanten Dingen. Ein Tastendruck zum Ausdrucken, fertig. Immer wiederkehrende „Floskeln“, wie Rechtsbelehrungen, Verteilerschlüssel etc. sollten als Textbausteine verfügbar sein.

Neue Systeme werden bei der Polizei fast immer so umfangreich wie möglich und mit entsprechenden Schnittstellen zu den schon bestehenden Netzten geplant. In diesem Zusammenhang wird immer wieder die mangelnde MitarbeiterInnenbeteiligung bei der Planung bemängelt. Sprüche über Planungsgruppen wie: „Das sind doch keine Praktiker; die haben von unserer Arbeit doch keine Ahnung“ hört man häufiger. Auf Weiterleitung des Berichtes auf Datenverbundnetzen, Speicherung des Textes über längere Zeiträume, statistische Auswertungen, geschweige denn Weiterverarbeitung von persönlichen Daten der Anzeigenden, Beschuldigten und Zeugen wird nämlich von Seiten der „datenmündigen Basis“ kein oder nur geringer Wert gelegt.

Anders sieht es aus, wenn für Spezial-Dienststellen PCs angeschafft werden; ein eng umrissener Personenkreis an den Geräten arbeitet und eine Vernetzung der Daten nicht nötig ist. In diesen Fällen wird u. U. auch schon mal ein individuelles Programm entwickelt und eingesetzt, es sei denn, man kann auf Standard-Software zurückgreifen.
Akzeptiert wurden die Geräte insbesondere da, wo die Lieferfirma als Zugabe ein paar einfache Spiele ins System aufnahm. Bei einer Auslastungs-Analyse wurde dann allerdings festgestellt, daß die meiste Zeit mit den Spielen verbracht wurde. Reaktion der Behörde: Spiel gelöscht!

Reinhard Borchers ist Beamter in der Einsatzleitzentrale der Hamburger Polizei und Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer Polizistinnen und Polizisten; ‚Hamburger Signal e.V.‘.
1 Zentrales Verkehrsinformationssystem
2 Schweden gilt als vorbildlich bei der Festlegung von Grenzwerten bei strahlungsarmen Bildschirmen.
3 Anwenderfreundlicher Bildschirmaufbau der jeweiligen Programme