Arbeitsdatei PIOS – Innere Sicherheit (APIS) – Erläuterungen zur Dokumentation der Errichtungsanordnung

von Lena Schraut

Errichtungsanordnungen, Dateibeschreibungen etc. sind in ihrer nüchternen bürokratischen Formulierung selbst für Eingeweihte nicht immer auf den ersten Blick in ihrem ganzen Ausmaß zu erkennen. Dennoch sind sie auch für interessierte Laien durchaus aufschlußreich. Der Dokumentation auf Seite 46 sind deshalb zunächst einige inhaltliche Erläuterungen und Erklärungen vorangestellt.

Verbunddatei APIS (Nr. 1 der Errichungsanordnung)

Alle zu einer Person bei den Staatsschutzabteilungen vorhandenen Informationen werden in der Datei „verschmolzen“. Für jeden Betroffenen gibt es einen Datensatz, der aus der P-Gruppe (Personalien und „personengebundene Hinweise PHW“) und anderen Datengruppen besteht. Eine Datengruppe kann mehrere Besitzer haben, die alle zu Änderungen und Löschungen des Datensatzes berechtigt sind (Mitbesitzerprinzip). Die Verbundkonventionen sehen vor, daß sich die APIS-Teilnehmer bei „wesentlichen Änderungen“ informieren.
Das Bundeskriminalamt (BKA) vergibt bei Erstspeicherungen zumeist Prüffristen von drei Jahren. Die Landeskriminalämter (LKÄ), die die meisten Erstspeicherungen in APIS vornehmen, verfahren dagegen nach den Richtlinien zur Führung kriminalpolizeilicher Sammlungen (KpS-Richtlinien), wonach bei Erwachsenen bis zu 10 Jahre vergehen können, bevor überprüft wird, ob ein Datum weiter „erforderlich“ ist.
Das bei der Einspeicherung als fester Datenteil vergebene Prüfdatum wird grundsätzlich aus der längsten eingegebenen Prüffrist gebildet. Das bedeutet, daß auch die Speicherungen, die von anderen APIS-Teilnehmern mit kürzeren Laufzeiten versehen worden sind, nicht gelöscht werden. Auch die beim BKA zu den Datensätzen geführten Kriminalakten, die zweijährige Wiedervorlagefristen haben und die im allgemeinen danach auch vernichtet würden, bleiben so erhalten.
Durch das Mitbesitzerprinzip bleibt unklar, welcher APIS-Teilnehmer in welchem Umfang verantwortlich (und damit auskunftspflichtig und -berechtigt) für den Datensatz ist.
Mit dieser Praxis wird gegen den Grundsatz verstoßen, daß Daten nur solange gespeichert werden dürfen, wie sie erforderlich sind. Dies ist ein Verstoß gegen die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen, den die Datenschutzbe-auftragten bei APIS-Prüfungen immer wieder beanstanden.

Zweck der Datei (Nr. 2 der Errichtungsanordnung)

Als Zweck wird die Aufklärung und Verhütung von in einem Katalog aufgezählten Straftaten und „anderen Straftaten“ genannt, soweit sie
– „gegen die freiheitliche, demokratische Grundordnung … gerichtet sind“
– aus „sicherheitsgefährdende(r) oder geheimdienstliche(r) Tätigkeit für eine fremde Macht“ verübt wurden, oder
– durch „Anwendung von Gewalt“ bzw. die Vorbereitung dazu „auswärtige Belange der BRD“ gefährden (Richtlinien des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes in Staatsschutzsachen KPMD-S, Nr. 1, Stand 1987).
Mit der Befugnis, auch „andere Straftaten“ als Speicherungsgrund zuzulassen, wird die ohnehin schon weite Norm des Katalogs völlig entgrenzt. Be-zeichnenderweise erfolgen 80% der Speicherungen auf dieser Grundlage.

Trotz der in Ziffer 2.1.10 vorgesehenen Einschränkungen werden in APIS Straftaten mit politischem Charakter erfaßt, ohne daß „etwas über die Moti-vation des Täters in der beschriebenen Art bekannt wäre“, rügte bereits 1988 der Bundesdatenschutzbeauftragte in einem Prüfbericht.
Bei den Katalog-Speicherungen überwiegen die in Ziffer 2.1.2 mit „Gefährdung des Rechtsstaats“ bezeichneten Delikte, die in der Mehrzahl wegen der „Verwendung verfassungsfeindlicher Kennzeichen“ ( 86 a StGB) erfolgen. Auch hier rügte der Bundesdatenschutzbeauftragte seinerzeit, daß sie häufig nur wegen der im Katalog aufgeführten Straftaten erfolgten. Die laut Errichtungsanordnung ebenfalls erforderlichen Hinweise auf staatsgefährdende Motivation oder Zugehörigkeit zu einer Organisation fehlen zumeist.

Betroffener Personenkreis (Nr. 4 der Errichtungsanordnung)

Wie eingangs erwähnt, werden in APIS neben Beschuldigten und verdächtigen Personen (außer dem Tatbeitrag ist auch die Mitgliedschaft in einer kri-minellen oder terroristischen Vereinigung ein Erfassungsgrund) auch „andere Personen“ erfaßt. Der Kreis der möglichen APIS-Betroffenen wird bei den „anderen Personen“ durch den Rückgriff auf die 138 StGB1 und 129 StGB2, die ihrerseits wieder Kataloge enthalten, nur scheinbar eingegrenzt. Mit diesem ausufernden Straftatenkatalog und angesichts des Verzichts auf das Kriterium des konkreten Verdachts lassen sich alle erdenklichen Speicherungen rechtfertigen.
Aus Ziffer 4.4 der Errichtungsanordnung wird nicht ersichtlich, daß neben den genannten „gefährdeten Personen“ auch jene gespeichert werden, von denen u.U. eine Gefährdung ausgehen könnte. Ausschlaggebend für diese Speicherung sind offenbar einzig und allein die äußeren Bedingungen, die eine Gefährdungshandlung grundsätzlich ermöglichen könnten. Hinweise auf Vorbereitungen dazu sind nicht erforderlich.

Arten der zu speichernden Daten (Nr. 5 der Errichtungsanordnung)

Einen besonders schweren Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen stellen die Daten der L-Gruppe dar. Hier werden Personenbeschreibungen gesammelt, die bis zu mehreren hundert Einzelinformationen umfassen können. Mit „Buchhaltertyp“, „aalglatt“, „Oberbiß“, „o-beinig“, „auffällig“ usw. können nicht nur Aussehen, Kleidung und weitere äußere Merkmale beschrieben werden, sondern auch Verhaltens- und Charaktermerkmale.
Besonders exzessiv nutzt das Land Berlin diese L-Gruppen-Speicherungen. Von den insgesamt 4.708 Berlin zugeordneten Personen haben 139 in ihrem Datensatz Informationen der L-Gruppe. 324 von insgesamt 34.556 in der P-Gruppe erfaßten Personen sind mit Personenbeschreibungen versehen. Mit der Anzahl der in APIS gespeicherten Personen liegt Berlin an 4. Stelle nach dem BKA (7.068), NRW (5.281) und Ba-Wü (4.829).3

Effektivität von APIS

Laut Errichtungsanordnung soll APIS der Aufklärung von Straftaten dienen. Unter Ziffer 2.3 wird postuliert, daß APIS „Erkenntnisse für polizei- und ermittlungstaktisches Vorgehen“ vermitteln soll. Der Bericht einer Arbeits-gruppe der Hamburger Polizei bewertet den Nutzen der Datei erheblich geringer als die Errichtungsanordnung von 1986.
Veranlaßt wurde die Einrichtung dieser Arbeitsgruppe 1989 nach den Über-prüfungen der Datei durch den Datenschutzbeauftragten. Um dessen Bean-standungen zu widerlegen, hätte die Polizei die Erforderlichkeit der Speiche-rungen nachweisen müssen. Dies gelang jedoch nicht, da die Polizei nicht verdeutlichen konnte, „welcher Nutzen von der gespeicherten Information für die zukünftige Arbeit des Staatsschutzes überhaupt zu erwarten war“.4

Am Ende der Untersuchung kommt die Polizei zu dem Ergebnis, daß „der kriminalistische Nutzen in Form einer schnelleren oder überhaupt möglichen Tataufklärung … minimal (ist). Das haben auch die Erfahrungen der letzten Jahre mit diesem System ergeben. Die Technik bietet komfortable Recher-chiermöglichkeiten an. Diese sind jedoch kaum nutzbar, da die Arbeits-grundlagen – nämlich die Straftaten (meist einfachste Sachverhalte …) – für solche differenzierten und diffizilen technischen Möglichkeiten nichts herge-ben“.5 Für die Aufklärung von Straftaten gibt APIS also keine Hilfen. Der Hamburger Bericht sieht den Nutzen des Verfahrens nur für die „Präven-tion“.6 Genau diese Leistung macht die Datei aber zu einem Instrument der Überwachung.

1 Nichtanzeige einer geplanten Straftat
2 Bildung einer kriminellen Vereinigung
3 INPOL-Statistik v. 31.12.90
4 Bericht der Arbeitsgruppe APIS, Hamburg 1989, S. 3
5 ebd. S. 12
6 ebd.