Redaktionelle Vorbemerkung

von Heiner Busch

„Schily nennt Situation ‚sehr bedenklich‘“, heißt es im Untertitel eines Artikels der Süddeutschen Zeitung vom 26. Mai dieses Jahres. Der Innenminister stellt gerade die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) für das vergangene Jahr vor und hätte eigentlich Grund zur Freude. Die Zahl der gemeldeten und von der Polizei erfaßten Delikte ist zurückgegangen, die Aufklärungsquote ist die höchste seit 1966. Statt eines freude-strahlenden blickt uns aber ein sehr bedenklich dreinschauender Minister von der Zeitungsseite entgegen.

Schily hat die Jugendkriminalität wieder entdeckt und will deshalb trotz der „positiven Entwicklung“ nicht von einer Entspannung der Lage sprechen. Das Ritual der PKS-Vorstellung, das die Innenminister des Bundes und der Länder jährlich begehen, darf nicht getrübt werden. Zu diesem Ritual gehört es aber, daß zumindest irgendetwas an der „Lage“ nicht entspannt ist. Jugend in ihren diversen Ausprägungen hat sich für dieses Fehlen der Entspannung immer wieder geeignet.

Selbst junge Leute werden sich, wenn sie die eigene Lebenszeit überblicken, an eine ganze Reihe von Phasen erinnern, in denen „die“ Jugend und „ihre“ Kriminalität, „ihre“ Gewalt Konjunktur hatten – sei es, daß es sich um politische Bewegungen handelte, die als Jugendphänomen veranschlagt wurden, sei es, daß es sich nur um die scheinbar rein kriminellen Angelegenheiten handelte. Die „Jugend“ gehört ohne Zweifel zum Hauptthema der Kriminologie. Grund zur Besorgnis gab es immer. Und die Labels der Gewalt und Kriminalität eignen sich hervorragend dazu, den politischen Charakter von Bewegungen abzutun. Bei rechten Skinheads fällt vor allem ihre Jugendlichkeit auf und nicht, daß sie der verlängerte Arm einer repressiven Migrations- und Asylpolitik sind, die die Parole „Ausländer raus“ in bürokratisch-vornehmere Ausdrücke kleidet. Auf die Forderungen linker junger Leute wird ohnehin nicht eingegangen.

Das hier vorliegende Heft soll nicht die kriminologischen Bibliotheken über Jugend erweitern. Unser Ziel ist es, einerseits noch einmal aufzuklären und Jugend und Jugendkriminalität als Konstruktionen darzustellen (was manche für Abwiegelei halten werden). Zum anderen geht es um die Konzepte und organisatorischen Modelle, mit denen die Polizei die realen Jugendlichen bearbeitet.

Glaubt man der Polizei, so sind ihre Vorgehensweisen vor allem „präventiv“ und scheinen mehr denn je jenen zu ähneln, die auch die Sozialarbeit für sich in Anspruch nimmt. Tatsächlich wird jedoch deutlich, daß die polizeiliche Prävention in hohem Maße repressiv ist, daß sie von Platzverweisen bis hin zu umfassenden Datensammlungen reicht, daß Konzepte der „täterorientierten“ Bearbeitung angewendet werden, die bisher vor allem als Rüstzeug im Kampf gegen die „organisierte Kriminalität“ dienten, und daß die Sozialarbeit bei dem wieder aufgelegten Präventionsjargon gegenüber der Polizei schnell den Kürzeren zieht.

Um Prävention wird es auch im nächsten Heft gehen, genauer um „kommunale Kriminalprävention“, um das, was andernorts als „Community Policing“ verkauft wird.

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Heiner Busch ist Redakteur und Mitherausgeber von Bürgerrechte & Polizei/CILIP.

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