von Anja Lederer
In den vergangenen zwei Jahrzehnten war die sogenannte Politik der „Inneren Sicherheit“ vor allem von straf- und polizeirechtlichen Gesetzesänderungen dominiert, die dem vermeintlichen Bedürfnis der Bevölkerung nach mehr Wehrhaftigkeit des Staates Rechnung tragen sollten. Obschon kaum ein Wunsch der RepressionsstrategInnen insoweit offen geblieben sein dürfte, wird immer noch beklagt, daß sich das „Unsicherheitsgefühl“ der BürgerInnen, nicht nur nicht verringert, sondern sogar noch verstärkt habe. Auf letzteren Umstand nimmt nun der Trend zur „Bürgerpolizei“ Bezug.
Die Ziele einer „Bürgerpolizei“ werden in Polizeikreisen selbst mit „Bürgernähe“ und einer bürgerzentrierten Polizeiarbeit umschrieben. Dem Konzept sollen als Basis, Richtlinie und Schranke allen polizeilichen Handelns die Menschen- und Bürgerrechte zugrunde liegen. Daraus ergebe sich, daß die Polizei „in die gesamtgesellschaftliche Aufgabe einer Friedensgestaltung und -sicherung eingebunden sein muß“. Hieraus wird abgeleitet, daß sich die Polizei „weiter zur Gesellschaft öffnen muß“.[1] Eine der Möglichkeiten, polizeiliche Bürgernähe zu demonstrieren, stellen die mittlerweile fast schon inflationär stattfindenden, mehr oder weniger spektakulär aufgezogenen BürgerInnenbefragungen dar.
Ziele der Befragungen
Derartige, vor allem regional ausgerichtete Befragungen, die insbesondere das Sicherheitsgefühl der Interviewten, die Qualität der polizeilichen Arbeit und Erwartungen an die Polizei zur „Erhöhung der Sicherheit“ zum Gegenstand haben, waren bei der Polizei in der Bundesrepublik Deutschland bis zum Ende der achtziger Jahre unüblich.[2] Im Vordergrund stand bis dato vielmehr die Aufstockung des technischen, logistischen und nicht zuletzt juristischen Repressionsinstrumentariums. Seit aber offenkundig zu sein scheint, daß das Unsicherheitsempfinden der Bevölkerung auch ungeachtet der zahlreichen als „Allheilmittel“ angepriesenen Maßnahmen zur Verbrechensbekämpfung wächst, wird versucht, die präventiven Aspekte polizeilicher Arbeit zu verstärken. Die BürgerInnenbefragungen sind ein Element dieser Bemühungen.
Die Methoden und konkrete Ausgestaltung der BürgerInnenbefragungen sind im einzelnen unterschiedlich. So sind die Befragungen teilweise, etwa in Frankfurt am Main, in allgemeine Erhebungen im Zusammenhang mit der Modernisierung der kommunalen Verwaltung eingebunden. In vielen Fällen handelt es sich hingegen um Umfragen, die von einzelnen Polizeirevieren vor Ort durchgeführt werden. Gemeinsam ist allen, daß sie darauf abzielen, das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung zu steigern. Dies soll auf verschiedenen Wegen erreicht werden: sei es durch die Befragung selbst, weil allein dadurch demonstriert wird, daß die Polizei präsent und (zur Abwechslung einmal nicht nur technisch) mit dem „Ohr am Volk“[3] ist, sei es, um Daten zur Kriminalitätsfurcht vor Ort zu erhalten. Die offiziellen Nahziele der BürgerInnenbefragungen reichen von „Marktanalyse“ über „Messung des Behördenimages“[4], die angesichts der Konkurrenz sogenannter alternativer Sicherheitsproduzenten für erforderlich gehalten werden, bis zu indirekter Information der Bevölkerung, indem beispielsweise nach dem Bekanntheitsgrad bestimmter präventiv-polizeilicher Institutionen gefragt wird.[5]
Vorrangige Funktion der BürgerInnenbefragungen für die Polizei ist, ihr zusätzliche Informationen zu liefern. Sie könne auf diesem Wege erfahren, welche konkreten Befürchtungen, welche Wünsche und Erwartungen in welchem Ausmaß in „ihrer“ Bevölkerung vorhanden sind. Sie könne ihre Arbeit gegebenenfalls darauf abstimmen. Die Bürgerinnen und Bürger erhielten an Hand der Befragungsergebnisse einen zuverlässigen Bezugsrahmen und könnten ihre eigenen Meinungen mit denen vergleichen, die in ihrer Stadt vorhanden seien. Sie fühlten sich dadurch außerdem von der Polizei als AnsprechpartnerInnen ernst genommen.[6] Allgemein werden die BürgerInnenbefragungen nicht zuletzt auch als taugliches Mittel zu mehr Transparenz der polizeilichen Arbeit dargestellt.
Methoden und Ergebnisse
Nur die wenigsten der Umfragen erheben vom Konzept her Anspruch auf wissenschaftliche Exaktheit oder Repräsentativität. Die Fragenkataloge sind im einzelnen höchst unterschiedlich konzipiert und werden in der Regel ausschließlich von PolizeibeamtInnen selbst entwickelt. In wenigen Fällen findet eine wissenschaftliche Begleitung statt. Zum Teil handelt es sich um einmalige Befragungsaktionen zwecks Standortbestimmung, teilweise sollen die Befragungen in regelmäßigen Abständen wiederholt werden, um ein „Feedback“ für die präventive polizeiliche Arbeit zu erhalten und Entwicklungstendenzen bestimmen zu können. Die bislang durchgeführten BürgerInnenbefragungen stellen sich vorwiegend als Einzelaktionen der Polizeibehörden vor Ort dar. Entsprechend unterschiedlich sind Herangehensweise und Methodik sowie die Zuverlässigkeit der Ergebnisse. Neben Fragebögen, die gezielt oder nach dem Zufallsprinzip, per Post, in öffentlichen Einrichtungen oder durch Polizeibeamte selbst verteilt wurden, fanden in den letzten Jahren Befragungen auch in Form persönlicher Interviews statt, die entweder bei den befragten Personen zu Hause oder spontan an öffentlichen Orten durchgeführt wurden.
Hinsichtlich der befragten Personen ist die Zufälligkeit bereits in den meisten Konzeptionen selbst angelegt. So wurden etwa 1995 bei einer BürgerInnenbefragung in Neumünster die Fragebögen in einer Wochenendausgabe der Lokalzeitung veröffentlicht und etwa 1.000 weitere Exemplare in kommunalen Einrichtungen ausgelegt. Den Ergebnissen lagen schließlich 650 auswertbare Fragebögen zugrunde.[7] In München interviewten im Jahre 1997 Kontaktbereichsbeamte 586 Passanten an ausgewählten Orten. Im Ergebnis wurde festgestellt, daß in der als Stichprobe bezeichneten Umfrage ausländische MitbürgerInnen und junge Erwachsene zwischen 20 und 30 Jahren deutlich unterrepräsentiert waren,[8] also gerade jene Bevölkerungsgruppen, die im allgemeinen offensichtlich als per se kriminalitätsverdächtig angesehen werden.
Auch die Bemühung, so weit wie möglich realistische Antworten zu erhalten, ist bei den Umfragen unterschiedlich stark ausgeprägt. Sie hängt davon ab, welcher Wert der vermeintlichen Informationsfunktion im Verhältnis zum „PR-Effekt“ jeweils beigemessen wird. So wurden beispielsweise 1997 in Oberhausen die 100 befragten EinwohnerInnen beim Ausfüllen der Fragebögen direkt von den zuständigen Bezirksbeamten des Polizeipräsidiums betreut. Ungeachtet dessen, daß es dadurch „möglicherweise (…) auch gelegentlich eine ‚Beeinflussung‘ durch den betreuenden zuständigen Bezirksbeamten“[9] gab, wird die Umfrage als großer Erfolg gewertet. Ihre Ergebnisse seien einer früheren repräsentativen Umfrage der Stadt sehr nahe gekommen.
Aufgrund der hier nur exemplarisch angedeuteten konzeptionellen Unzulänglichkeiten der meisten Befragungen liegt es auf der Hand, daß die gewonnenen Ergebnisse nur sehr vorsichtig verallgemeinerbar sein dürften. Verzerrungen entstehen nicht allein, weil die Befragungen nicht repräsentativ sind. In einigen Fällen kommt noch die verfälschende Auswirkung des Interviewereinflusses hinzu, zumal Befragte insbesondere bei persönlichen Interviews ohnehin dazu tendieren, die ihnen gestellten Fragen sozial adäquat zu beantworten. Nicht zu unterschätzen ist zudem der Einfluß der Befragung selbst und der konkreten jeweiligen Frage. Wenn schon die Polizei selbst nach den Ursachen für schwindendes Sicherheitsgefühl fragt, muß offensichtlich ein Anlaß zu eigener Beunruhigung bestehen. Je mehr Unsicherheitsfaktoren außerdem in einer Frage zur Auswahl stehen, desto wahrscheinlicher ist, daß die Befragten schließlich ein irgendwie geartetes Bedrohungsgefühl artikulieren. Letztlich ist zu vermuten, daß sich an Umfragen, die von der Polizei selbst durchgeführt werden, eher solche BürgerInnen beteiligen, die ein im wesentlichen positives oder zumindest mehr oder weniger neutrales Verhältnis zu dieser Institution haben, nicht dagegen Angehörige sogenannter sozialer Randgruppen oder Menschen, die wegen ihrer Erfahrungen als Objekte der Polizeiarbeit derartigen, auf „Bürgernähe“ abzielenden Aktionen eher unzugänglich sind.
Trotz dieser Einschränkungen lassen sich scheinbar bei den Antworten gewisse Trends ausmachen. Überraschend für die InitiatorInnen dürfte die Tatsache gewesen sein, daß in sämtlichen Befragungen – soweit ersichtlich – die Kriminalität innerhalb der von den TeilnehmerInnen wahrgenommenen Problembereiche nur einen mittleren Rang einnimmt. Vorrangig als Problem empfunden wird statt dessen der Bereich der städtischen Infrastruktur, allen voran der Straßenverkehr. Im Mittelpunkt stehen in den meisten der Befragungen die Wohnzufriedenheit der BürgerInnen in ihrem Bezirk, ihr Sicherheitsgefühl, vermeintliche Gründe für die erklärte Unsicherheit, die Bewertung der Arbeit der Polizei sowie die Erwartungen an die Polizei zur Erhöhung der Sicherheit. Insgesamt lebt die überwiegende Mehrheit der Befragten gern in ihrer Wohngegend und fühlt sich dort, abgesehen von BewohnerInnen in sogenannten Problemvierteln, auch im wesentlichen sicher. Dennoch hat das vermeintliche Unsicherheitsgefühl anscheinend in den letzten Jahren zugenommen.[10]
Nach konkreten Bedrohungen durch einzelne Formen kriminellen Handelns befragt, äußerten die meisten insbesondere Furcht vor Wohnungseinbrüchen und Gewaltdelikten, obschon diese Straftaten zumindest ausweislich der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik keine exponierte Rolle spielen. Diese Tendenz ist schon aus früheren Täter-Opfer-Befragungen bekannt. Ebenso bekannt sind die Anlässe vermeintlicher Unsicherheit. Als potentiell verdächtig gelten danach weiterhin vor allem ausländische Personen, Drogenabhängige und Jugendliche.[11] Wenig Anlaß zum Erstaunen gibt auch, daß die mit Abstand meisten der Befragten auf die Frage nach Freundlichkeit und Bürgernähe der Polizei „gute Noten für ihre Arbeit“ erteilen, andererseits aber konstatieren, daß „die Polizei mit der Arbeit völlig überlastet“ sei.[12]
Folgerungen für die polizeiliche Arbeit
Die Empfehlungen für die Polizei, die direkt in den Umfragen ausgesprochen oder indirekt aus den Antworten hergeleitet werden, ergeben sich fast zwangsläufig. Übereinstimmend wird von den BürgerInnen mehr polizeiliche Präsenz gefordert, sei es durch verstärkte Fußstreifen oder den „Polizisten zum Anfassen“[13]. Dementsprechend gibt es vielfältige Bemühungen, den BürgerInnen auf unterschiedliche Art und Weise eine vermehrte Verfügbarkeit von PolizeibeamtInnen zu vermitteln. Diese sollen sich um präventive Belange der Betroffenen kümmern und Opfer von Straftaten unterstützen. Sogenannte Vorbeugungsdienststellen, Präventionsbeauftragte und Kontaktbereichsbeamte sollen etabliert werden. Allein durch „Mehr Grün auf den Straßen“ verspricht man sich in Polizeikreisen eine Erhöhung des subjektiven Sicherheitsempfindens, wobei gleichzeitig suggeriert wird, bereits die verstärkte polizeiliche Präsenz habe nennenswerte präventive Wirkungen. Schon bei der Realisierung dieser – tatsächlich nur begrenzt wirkenden – präventiven Maßnahmen stößt der gute Wille indessen unmittelbar an Grenzen. Regelmäßig wird in diesem Zusammenhang die mangelhafte personelle Ausstattung der Polizei beklagt, die nur kurzfristig eine Verstärkung von Fußstreifen u.ä. zulasse. So wurde beispielsweise in Lahr im Zusammenhang mit einer BürgerInnenbefragung im Mai letzten Jahres die polizeiliche Präsenz per Streife verstärkt. Schon kurz nach Auswertung der Umfrage, die ergab, daß sich das Sicherheitsgefühl der Lahrer BürgerInnen verbessert habe, wurde das sogenannte Kriminalpräventionsprogramm wieder heruntergefahren und personell auf ein kleines Kernteam begrenzt.[14]
Demzufolge eignen sich die Ergebnisse der Umfragen trefflich, um den Forderungen nach finanzieller, personeller und sachlicher Aufstockung des polizeilichen Budgets Nachdruck zu verleihen. Eine Erhöhung der Polizeietats aus den öffentlichen Haushaltsmitteln würde zwangsläufig zu Lasten anderer Bereiche gehen, denen mit großer Wahrscheinlichkeit höhere Bedeutung für eine wirksame Verbrechensvorbeugung zukommt als den tendenziell kurzsichtigen Präventionsmaßnahmen der Polizei. Indessen wird anderen Formen der Prävention, soweit diese überhaupt thematisiert wurden, etwa einer verbesserten Jugend- und Sozialarbeit, in den Befragungen nur ein geringerer Rang eingeräumt.[15]
Zur Legitimation herkömmlicher präventiver polizeilicher Tätigkeiten sind die Ergebnisse der polizeilichen Befragungen auch noch in anderer Hinsicht nutzbar. So scheint sich einmal mehr zu bestätigen, daß „die BürgerInnen“ härtere Bestrafungen, schärfere Gesetze und eine Erhöhung des polizeilichen Verfolgungsdrucks wünschen.[16] Durch die Ergebnisse fühlen sich auch alle diejenigen bestätigt, die das Sicherheitsgefühl durch Phänomene sogenannter Unordnung (im weitesten Sinne) im öffentlichen Raum bedroht sehen. So wurde beispielsweise im Rahmen der Auswertung der Umfrage in Moers als immer wieder vorkommende Äußerung kolportiert, „Obdachlose und Drogenabhängige sollten sich in der Innenstadt nicht aufhalten“.[17] Um die diesbezüglichen „Empfehlungen“ umzusetzen, muß die Polizei kein Neuland betreten. Die Verdrängung sogenannter sozialer Randgruppen, insbesondere Obdachloser und (vermeintlich) Drogenabhängiger aus den Innenstadtbereichen mittels Platzverweisung oder längerfristigen Aufenthaltsverbots gehört schon seit längerem zum Repertoire „bürgerorientierter“ Polizeiarbeit. Insofern bieten bestimmte Befragungsergebnisse lediglich eine nachträgliche Legitimation für bereits realisierte Maßnahmen der „Stabilisierung der öffentlichen Ordnung“.
Nicht zuletzt geben einige der Aussagen der Befragten auch eine willkommene Handhabe für eher unpopuläre präventiv-polizeiliche Maßnahmen. So wurde beispielsweise in vielen Umfragen vor Ort explizit nach öffentlichen Plätzen gefragt, an denen sich die Befragten besonders unsicher fühlten. Zwar ist das Bemühen der örtlichen Polizeien, „Angsträume“ ausfindig und sicherer zu machen, grundsätzlich verdienstvoll und notwendig. Im Zusammenhang mit den schon seit einiger Zeit nachhaltig erhobenen Forderungen nach der Ausweitung polizeilicher Befugnisse an sogenannten „gefährlichen Orten“, etwa derjenigen nach der rechtlichen Zulässigkeit unterschiedsloser technischer Überwachung, besteht indessen die Befürchtung, daß die solchermaßen artikulierten „Erwartungen der Bevölkerung an die Polizei“ einmal mehr auch dazu dienen sollen, massive Grundrechtseinschränkungen zu rechtfertigen.
Interessant sind in diesem Zusammenhang die Ergebnisse unabhängiger Umfragen, die in etwa zeitgleich mit polizeilichen BürgerInnenbefragungen stattfanden. So stimmten etwa 1994 bei einer bundesweiten EMNID-Repräsentativumfrage 54% der Befragten aus Ostdeutschland und 69% derjenigen aus den westlichen Bundesländern der These zu: „Die meisten Leute sind froh, wenn sie von der Polizei nichts sehen oder hören“.[18] Auch wenn das Antwortverhalten bei dieser Umfrage wegen verschiedener Kontexte vermutlich ein anderes war, läßt dieses Ergebnis immerhin die Schlußfolgerung zu, daß die Haltung der BürgerInnen zur Arbeit „ihrer“ Polizei durchaus nicht so zustimmend ist, wie es die Ergebnisse der polizeilich initiierten BürgerInnenbefragungen zu belegen scheinen.
Bürgernähe und Transparenz: fromme Wünsche
Zusammenfassend ist festzustellen, daß BürgerInnenbefragungen für eine bürgerorientierte Polizeiarbeit – unterstellt, dieses Ziel sei ernst gemeint – nur wenig bringen können. Die Ursachen hierfür sind vielschichtig, vorrangig struktureller Natur und ergeben sich nicht einmal in erster Linie aus den zum großen Teil zweifelhaften Befragungskonzeptionen. Fragwürdig sind nämlich bereits die Bereitschaft und Fähigkeit der PolizeibeamtInnen, die Empfehlungen der Befragten in der polizeilichen Arbeit umzusetzen. Nicht allein die zunehmend schmalen finanziellen Ressourcen setzen enge Grenzen. Auch die Aufgaben der Polizei selbst, innerhalb derer die Prävention im engeren Sinne nach wie vor eher Alibifunktion hat, sowie die Struktur der polizeilichen Organisation verhindern eine tatsächliche Ausrichtung der Arbeit an den Bedürfnissen der Bevölkerung. So finden zwar die Befragungen regelmäßig auf unterster örtlicher Ebene statt, indessen können die dortigen PolizeibeamtInnen selbst nur sehr begrenzten Einfluß auf die Schwerpunktsetzung ihrer Arbeit nehmen. Für einige der geäußerten Wünsche nach konkreten Präventionsmaßnahmen, etwa nach der Verbesserung der Jugend- und Sozialarbeit oder mehr Beleuchtung auf öffentlichen Plätzen, sind die Polizeibehörden ohnedies nicht zuständig.
Bereitschaft und Fähigkeit, sich an den Wünschen der Bevölkerung zu orientieren, stehen außerdem unter dem Vorbehalt, daß die konkret geäußerten „Verbesserungsvorschläge“ mit den innenpolitischen Trends konform gehen und nicht zuletzt auch mit den persönlichen Wertvorstellungen der vor Ort agierenden BeamtInnen vereinbar sind. Im Rahmen der bereits mehrfach angesprochenen BürgerInnenbefragung in Neumünster schlugen Befragte beispielsweise als Maßnahme zur Verringerung der Kriminalität die Integration ausländischer MitbürgerInnen vor.[19] Selbst wenn man den fragwürdigen Hintergrund dieses Vorschlags – die angeblich besonders hohe Kriminalität von Nichtdeutschen – außer acht läßt, so steht der Vorschlag konträr zur herrschenden Politik. Exemplarisch sei hier nur an die jüngst von der Innenministerkonferenz beschlossene Altfallregelung für AsylbewerberInnen erinnert, die Integration geradezu unmöglich macht. Angesichts dieser Konstellation dürften die Bereitschaft an und die Erfolgschancen von lokalen Integrationsinitiativen wohl eher gering sein.
Bei allem guten Willen des einzelnen Polizeibediensteten vor Ort, mehr Bürgernähe zu zeigen, läßt sich außerdem erforderliche soziale Kompetenz der AkteurInnen nicht von heute auf morgen entwickeln. Schließlich hat sich die Polizei in den letzten zwei Jahrzehnten vorrangig als Verbrechensbekämpfungsorgan begriffen, und sie tut dies wohl auch – entgegen aller anderslautenden Beteuerungen – nach wie vor. Auch das parallel zu den BürgerInnenbefragungen entwickelte Instrument der polizeiinternen Mitarbeiterbefragungen wird hier, wenn überhaupt, so allenfalls nur langfristig etwas verändern können.
Vor allem aber tragen die BürgerInnenbefragungen nicht wirklich zu mehr Transparenz der polizeilichen Tätigkeit bei. Transparenter werden hierdurch bestenfalls die verschwommenen Bedrohungsängste der befragten Bevölkerungskreise. Insoweit taugen die Befragungen zwar möglicherweise in bestimmten Gruppen als vertrauensbildende Maßnahme und verschaffen den trotz allem dürftigen, im engeren Sinne präventiven Aktivitäten der Polizei gegebenenfalls eine höhere Bekanntheit. Die vielbeschworene Kommunikation zwischen BürgerInnen und Polizei findet erwartungsgemäß jedoch nur in eine Richtung hin statt.