Archiv der Kategorie: CILIP 064

(3/1999) „Community Policing“

Summaries

„Community Policing“
by Norbert Pütter
„Community Policing“ (CP) foresees the co-operation of the police and the community on a local level in order to solve security and crime problems together. Against the background of Anglo-American experiences, the author presents the central elements of CP and discusses the preconditions and consequences of community oriented police work. At first sight, CP seems to be a democratic and promising solution to the crises of the present police system. However, on closer scrutiny of certain aspects of CP, considerable problems begin to appear. The concept of „community“ is not adequately explained and it is not clear what the CP philosophy entails for the police force as a whole. The author concludes, that whilst democratic promises are not fulfilled, the establishment of CP exemplifies a new repressive control strategy which reacts to the dangers of the „risk society“. Summaries weiterlesen

Literatur

Literatur zum Schwerpunkt

Die internationale Literatur zu „Community Policing“ füllt vermutlich Bibliotheken. Für die Beiträge des Schwerpunktes haben wir auf die uns bekannten und zugänglichen Veröffentlichungen zurückgegriffen, auf die in den Fußnoten verwiesen wird. Einige interessante und informative Bücher und Aufsätze verdienen jedoch einen besonderen Hinweis. Literatur weiterlesen

Chronologie

von Andrea Böhm

Juli 1999

01.07.: Nach dem Todesurteil gegen den PKK-Chef Abdullah Öcalan kommt es in mehreren deutschen Städten zu Brandanschlägen gegen türkische Einrichtungen. Teilweise entsteht erheblicher Sachschaden.

Die europäische Polizeibehörde Europol nimmt offiziell die Arbeit auf. Das EU-Kriminalamt mit Sitz in Den Haag, das Nachfolger der Europol-Drogeneinheit (EDE) ist, hat neue Zuständigkeiten erhalten und ist zukünftig u.a. für die Bekämpfung von grenzüberschreitendem Terrorismus, Kinderpornographie und Fälschungen des Euro zuständig. Zugleich dürfen erstmals auch personenbezogene Daten aus allen 15 Mitgliedstaaten im zentralen Europol-Computer gespeichert und von den nationalen Polizeibehörden abgerufen werden.

06.07.: Bei einem Großeinsatz der Polizei im Hamburger Rotlichtmilieu, an dem insgesamt 200 Beamte beteiligt sind, werden vier Männer verhaftet und fünf Bordelle geschlossen. Im Visier der Polizei standen 24 Objekte, darunter der größte Hamburger Straßenstrich.

09.07.: Der Bundesrat stimmt der befristeten Einführung des elektronisch überwachten Hausarrestes zu. Der Modellversuch ist zunächst auf einen Zeitraum von vier Jahren beschränkt. Chronologie weiterlesen

Einmal verdächtig, immer verdächtig – Göttinger Spudok-Skandal: BürgerInnen unter Dauerverdacht

von Rolf Gössner

In der Nacht zum 7. November 1997 brannte das Arbeitsamt in Göttingen. Brandstifter hatten im Eingangsbereich Benzin ausgekippt und angezündet. Sie waren unerkannt verschwunden. Alarmstufe 1 für die ermittelnde Polizei, die aufgrund eines „Bekennerschreibens“ von einem „terroristischen“ Anschlag ausging. Routiniert hielt sie sich an die üblichen Verdächtigen aus der linken Göttinger Szene. Dabei geriet auch eine ganze Reihe angesehener Bürgerinnen und Bürger ins Fahndungsvisier, unter ihnen Rechtsanwälte und Ärzte, Journalisten und Pfarrer, ein Stadtarchivar und ein Baudezernent, Stadträte und Fotografen, Fraktionsmitarbeiter und Ministerialbeamte, Angestellte und Hausfrauen.

Auch eine 68jährige Ehrenbürgerin der Stadt Göttingen, die seit ihrer Kindheit auf einen Rollstuhl angewiesen ist, wird von der Sonderkommission 413 des Landeskriminalamtes und der Göttinger Polizei auf der Verdächtigenliste geführt. Insgesamt 105 Personen sind dort mit Namen, Geburtsdaten und Adressen verzeichnet. Die Fahnder legten diese Liste auch dem brandgeschädigten Arbeitsamt vor, das per Datenabgleich (Rasterfahndung) prüfen sollte, „ob diesen Personen Leistungen versagt, gekürzt oder gestrichen wurden“ – für die Ermittler ein mögliches Motiv der Brandstifter.[1] Der Brand, der einen Schaden von einer halben Mio. DM anrichtete, konnte rasch gelöscht werden, die personenbezogenen Daten, die für die Ermittlungen genutzt wurden, jedoch bis heute nicht, obwohl dies nach Datenschutzrecht längst hätte geschehen müssen. Der entstandene Schaden ist nicht bezifferbar. Wie kamen die 105 Männer und Frauen, die zumeist in den 80er Jahren als StudentInnen politisch aktiv gewesen waren, in den schweren Verdacht der Brandstiftung und der Bildung einer „terroristischen Vereinigung“? Einmal verdächtig, immer verdächtig – Göttinger Spudok-Skandal: BürgerInnen unter Dauerverdacht weiterlesen

Münchner Polizeiskandale – Unheimliche Ordnungshüter in der heimlichen Hauptstadt

von Siegfried Krempl

Hamburger Kessel – Münchner Kessel. Hamburger Polizeiskandale – Münchner Polizeiskandale: Zwei Städte und die gleichen Vorfälle! Die Polizeien unserer Großstädte entwickeln offenkundig eigene Handlungsdynamiken und unkontrollierbare Eigenarten.

Die bayerische Metropole war im letzten Jahr ein unrühmliches Beispiel für Polizeigewalt und Polizeiskandale. München steht mit dieser Entwicklung nicht allein. Auch die Polizeien in anderen Städten und in anderen Bundesländern sorgten und sorgen immer wieder für negative Schlagzeilen. Aber in München kam es in der jüngeren Vergangenheit zu einer seltsamen Häufung derartiger Vorkommnisse. Münchner Polizeiskandale – Unheimliche Ordnungshüter in der heimlichen Hauptstadt weiterlesen

Kommunale Kriminalpolitik in Deutschland – Akteure, Themen und Projekte kriminalpräventiver Gremien

von Christine Hohmeyer[1]

Kommunale Kriminalprävention ist in Deutschland durch einen großen rhetorischen „Überbau“ gekennzeichnet, der mit beachtlichen Versprechen lockt. Gesellschaftliche Gruppen, ja die BürgerInnen selbst sollen sich an der Sicherheitspolitik ihres Wohnortes beteiligen können. Diese Sicherheitspolitik beruhe auf mehr Prävention, mehr Kooperation, mehr Gemeinsinn. Zudem sei es im lokalen Kontext möglich, schnell und effektiv auf jeweils entstehende Probleme zu reagieren. Angesichts dieses beglückenden Szenarios stellt sich die Frage, auf welche Art und Weise die neue Kriminalpolitik in den verschiedenen Gemeinden tatsächlich umgesetzt wird.

Um sich der Wirklichkeit kriminalpräventiver Aktivitäten anzunähern, gibt die Datensammlung des BKA zur Zeit die umfangreichste Übersicht.[2] Dort sind im „Infopool Prävention“ 1.380 kriminalpräventive Gremien, Präventionsräte, Sicherheitspartnerschaften und ähnliche Initiativen aufgeführt. Für diese Liste, die u.a. Teilnehmende, Themen und Projekte dokumentiert, griff das BKA auf Angaben der Landeskriminalämter oder der Landespräventionsräte zurück. Durch die unterschiedlichen Erhebungsmodi in den Ländern ist die Datenquelle mit einer gewissen Vorsicht zu betrachten: In manchen Fällen wurde übertrieben weitreichend erfaßt, manchmal blieben die Angaben sporadisch und lückenhaft.[3] Doch obwohl die Auswertung des Infopools nur ein verzerrtes Bild der Wirklichkeit wiederzugeben vermag, werden selbst bei vorsichtiger Interpretation einzelne Tendenzen der „Präventionsbewegung“ sichtbar. Zum einen scheint die Partizipation der Bürgerinnen und Bürger in der Praxis nicht annähernd so ausgeprägt, wie es die Theorie verheißt. Zum anderen scheint das Repertoire der Aktivitäten darauf hinzuweisen, daß die Möglichkeiten lokalen Handelns beschränkt sind – vor allem dann, wenn es sich um präventive Maßnahmen handeln soll. Kommunale Kriminalpolitik in Deutschland – Akteure, Themen und Projekte kriminalpräventiver Gremien weiterlesen

Präventionsrat Schöneberger Norden – Ein nicht ganz typisches Beispiel

von Christine Hohmeyer

Am 21. Mai 1997 beschloß die Bezirksverordnetenversammlung Schöneberg von Berlin, ein „ortsteilbezogenes Sicherheitsforum“ einzurichten. Bezirksamt, PolitikerInnen, Polizei, gesellschaftliche Institutionen, Gewerbetreibende und nicht zuletzt die BürgerInnen selbst sollten an einem runden Tisch zusammenkommen, um den „Abbau des Gewaltpotentials“ im Bezirk voranzutreiben.[1] Im Januar 1998 wurde unter der Leitung der Bezirksbürgermeisterin ein „Präventionsrat Schöneberger Norden“ gegründet. Doch die vielfältigen Aktivitäten des neuen Gremiums zielen nicht allein auf Sicherheit. Vielmehr scheint durch die Kooperation von BürgerInnen und Ämtern eine andere Form der Kommunalpolitik zu entstehen, in der liegengebliebene Aufgaben unter dem Etikett der Kriminalprävention neu bearbeitet werden.

Daß ein Stadtteil auf Gewalt und Unsicherheit mit der Gründung eines Präventionsrates reagiert, ist keine neue Idee. Bereits seit Beginn der 90er Jahre wird in Deutschland zunehmend versucht, Kriminalitäts- und Ordnungsproblemen auf kommunaler Ebene zu begegnen. Dabei soll, in Zusammenarbeit von Polizei, Behörden und lokalen Akteuren, Kriminalität am Ort ihres Entstehens bekämpft werden. Der lokale Kontext, so das Versprechen, erfülle gleich mehrere Funktionen. „Prävention vor Ort kann durch Tätigkeitsangebote und die Möglichkeit der Aktionspartizipation Verantwortungsbewußtsein wecken (…) Vor allem aber kann sie angesichts der auf lokaler Ebene viel direkteren Information und kürzeren Wege zeitnäher, dynamischer und flexibler reagieren.“[2] Mit den Schlagworten Prävention und Partizipation werden die vordringlichsten Aspekte dieser neuen Sicherheitspolitik benannt: Kriminalität und Ordnungsstörungen seien vorbeugend, möglichst sogar ursachenorientiert zu bekämpfen. Dies gelinge dann am besten, wenn möglichst viele gesellschaftliche Institutionen und die BürgerInnen selbst an den neuen Gremien beteiligt werden könnten. Präventionsrat Schöneberger Norden – Ein nicht ganz typisches Beispiel weiterlesen

Polizeiliche BürgerInnenbefragungen – Ist die Polizei unterwegs zu mehr Bürgernähe?

von Anja Lederer

In den vergangenen zwei Jahrzehnten war die sogenannte Politik der „Inneren Sicherheit“ vor allem von straf- und polizeirechtlichen Gesetzesänderungen dominiert, die dem vermeintlichen Bedürfnis der Bevölkerung nach mehr Wehrhaftigkeit des Staates Rechnung tragen sollten. Obschon kaum ein Wunsch der RepressionsstrategInnen insoweit offen geblieben sein dürfte, wird immer noch beklagt, daß sich das „Unsicherheitsgefühl“ der BürgerInnen, nicht nur nicht verringert, sondern sogar noch verstärkt habe. Auf letzteren Umstand nimmt nun der Trend zur „Bürgerpolizei“ Bezug.

Die Ziele einer „Bürgerpolizei“ werden in Polizeikreisen selbst mit „Bürgernähe“ und einer bürgerzentrierten Polizeiarbeit umschrieben. Dem Konzept sollen als Basis, Richtlinie und Schranke allen polizeilichen Handelns die Menschen- und Bürgerrechte zugrunde liegen. Daraus ergebe sich, daß die Polizei „in die gesamtgesellschaftliche Aufgabe einer Friedensgestaltung und -sicherung eingebunden sein muß“. Hieraus wird abgeleitet, daß sich die Polizei „weiter zur Gesellschaft öffnen muß“.[1] Eine der Möglichkeiten, polizeiliche Bürgernähe zu demonstrieren, stellen die mittlerweile fast schon inflationär stattfindenden, mehr oder weniger spektakulär aufgezogenen BürgerInnenbefragungen dar. Polizeiliche BürgerInnenbefragungen – Ist die Polizei unterwegs zu mehr Bürgernähe? weiterlesen

Bürgerorientierte Polizeiarbeit – Gegenwärtige Tendenzen in Deutschland

von Norbert Pütter

Bereits die Bezeichnungen sprechen für die Idee. Ob „bürgerorientierte“, „bürgernahe“ oder „gemeinwesenbezogene Polizeiarbeit“ – wer, so muß man fragen, „möchte keine bürgernahe, demokratisch organisierte und demokratisch eingestellte Polizei?“[1] Insofern ist es nicht verwunderlich, wenn sich Polizeistrategen wie -praktiker durchgängig positiv auf das Konzept der Bürger(innen)orientierung beziehen. Allerdings zeigt der Blick in die Praxis recht schnell, daß der Begriff besonders zur polizeilichen Selbstdarstellung taugt. Die angenehme Rhetorik verbirgt nicht nur eine Konfusion der Begriffe, sie legitimiert auch die unterschiedlichsten Sicherheits- und Ordnungskonzepte, die nicht auf mehr, sondern auf weniger Demokratie hinauslaufen.

Wer die Polizei an den Interessen der BürgerInnen orientieren will, kann sich in Deutschland auf höchste Autoritäten berufen. In der Fortschreibung ihres „Programms Innere Sicherheit“ hat die Innenministerkonferenz den Vorzug der Prävention vor der Repression betont. Dies bedeute „eine bürgernahe Präventionsarbeit insbesondere auf kommunaler Ebene“.[2] In einem Grundsatzpapier, das sich mit der Bedeutung von „Community Policing“ für die Polizeien auseinandersetzte, appellierte die „Projektleitung Polizeiliche Kriminalprävention“ – eine Untergliederung der Innenministerkonferenz – an die Länder und Kommunen, eine „bürgernahe, problemlösungsorientierte und pro-aktive Polizeiarbeit im Rahmen einer deutschen Kommunalen Sicherheits- und Ordnungspartnerschaft“ zu unterstützen.[3] Bürgerorientierte Polizeiarbeit – Gegenwärtige Tendenzen in Deutschland weiterlesen

It takes a village to prevent a crime. Community Policing in den USA [1]

von Albrecht Funk

Was immer man auch unter „Community Policing“ verstehen mag, sicher ist, daß aus einer Philosophie einiger Polizeitheoretiker und -praktiker in den 80er Jahren eine breite Reformbewegung erwachsen ist. Bereits 1994 gaben in einer Umfrage 42% der befragten Polizeichefs an, CP zu betreiben.[2] Die Zahl hat in der Zwischenzeit noch beträchtlich zugenommen.

Der „Violent Crime Control and Law Enforcement Act“ der Clinton-Regierung zielte auf die Veränderung der traditionellen polizeilichen Verbrechensbekämpfung, indem das eigens eingerichtete „Office of Community Oriented Policing Services (OCOPS)“ die Finanzierung von 100.000 Stellen bei den lokalen Polizeien in Aussicht stellte. Im Mai 1999 konnte das Department of Justice stolz vermelden, daß das Büro gerade die 100.000. Stelle eines „community policing officer“ bewilligt habe.[3]

Wörtlich übersetzt benennt der Begriff des Community Policing (CP) eine Banalität. In den USA wurde die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Alltag nie als eine staatliche Funktion verstanden.[4] Zuständig für die Polizei sind die Städte, Counties und Gemeinden. In den Kommunen, nicht auf der Ebene der Bundesstaaten oder gar der Federal Government, entscheidet sich deshalb letztendlich, in welcher Weise Polizei organisiert wird und an welchen Handlungskonzepten diese sich ausrichtet. Generalisierungen über polizeiliches Handeln sind aus diesem Grunde nur schwer möglich. Community Policing bedeutet Unterschiedliches selbst in sozio-ökonomisch vergleichbaren Kommunen. Kaum ein Polizeichef, Bürgermeister oder Sheriff in Idaho versäumt es zwar heute, von „community orientation“, „neighborhood control“ oder „problem-oriented policing“ zu reden. Doch sie verfolgen sehr unterschiedliche, häufig sogar diametral entgegengesetzte Ziele. In ihrem Versuch, möglichst alle Polizeien mit ihrem „100.000 Beamte auf die Straße“-Programm anzusprechen, vermeidet das OCOPS deshalb auch jede konkrete Bestimmung des Konzepts und umschreibt Community Policing statt dessen blumig-allgemein als eine neue „policing philosophy designed to reduce crime and disorder in communities by fostering trust, respect, and collaboration between police officers and citizens“.[5] It takes a village to prevent a crime. Community Policing in den USA [1] weiterlesen