Telekommunikationsdaten

Auf seiner Sitzung vom 2. Dezember 2004 hat sich der Rat der Innen- und Justizminister mit einem weiteren Thema befasst, das seit dem Anschlag in Madrid definitiv unter die „Terrorismusbekämpfung“ subsumiert wird: die Speicherung von Verbindungsdaten, die bei der Telekommunikation notwendigerweise anfallen, für den Zugriff der Sicherheitsbehörden.

Schon auf seiner Ad-hoc-Sitzung am 19. März – eine Woche nach dem Anschlag – hatte der Rat erklärt, die Ausarbeitung eines Rahmenbeschlusses zu dieser Frage sei vorrangig zu behandeln.[1] Bereits Ende April präsentierten Frankreich, Großbritannien, Irland und Schweden einen entsprechenden Entwurf.[2] Danach sollen die Provider Verbindungsdaten in einer einheitlichen Form aufbewahren und für den Zugriff der Strafverfolgungsbehörden vorhalten. Die einheitliche Form sei notwendig, um den Austausch im Rahmen der Rechtshilfe in Strafsachen zu ermöglichen. Bei der Dauer der Aufbewahrung setzt der Entwurf den Mitgliedstaaten nur einen Rahmen. Sie können Fristen zwischen einem und drei Jahren festlegen, aber auch „aufgrund nationaler Kriterien“ darüber hinaus gehen, „wenn dies eine notwendige, angemessene und verhältnismäßige Maßnahme in einer demokratischen Gesellschaft ist.“ In Frage kommen dabei alle Formen der Telekommunikation vom Telefon und Fax über SMS und andere Dienste, die „als Teil eines Telefondienstes angeboten werden,“ bis hin zu E-Mail und Internet-Nutzung. „Künftige technologische Entwicklungen, die die Kommunikationsübermittlung erleichtern, sind von diesem Rahmenbeschluss ebenfalls erfasst.“ Diesen will der Rat bis spätestens Juni 2005 annehmen, die Mitgliedstaaten sollen ihn dann bis Juni 2007 in ihr nationales Recht überführt haben.

Damit vollzieht der Rat den endgültigen Bruch mit der EG-Richtlinie „über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre bei der Telekommunikation“, die in ihrer ursprünglichen Fassung von 1997 die Speicherung von Verbindungsdaten nur zu
Abrechnungszwecken und auch nur für den dafür notwendigen Zeitraum zuließ. Die Neufassung dieser Richtlinie im Jahre 2002 hatte den Mitgliedstaaten schon eröffnet, eigene rechtliche Regelungen für den Zugriff von Polizei und Strafverfolgungsbehörden (und je nach nationalem Recht auch Geheimdiensten) auf diese Daten zu verabschieden.[3] Jetzt erfolgt eine Angleichung, die die Mitgliedstaaten zu einer Vorratsspeicherung zwingt.

Dabei geht es auch nicht mehr nur um Daten, die die Telekommunikationsfirmen zu „Fakturierungszwecken, zu kommerziellen Zwecken oder zu anderen rechtmäßigen Zwecken“ ohnehin speichern. Eine Beschränkung auf diese Daten – das macht der Rat in seiner Presseerklärung zur Tagung vom 2. Dezember klar – hätte nämlich zur Konsequenz, „dass die Möglichkeiten des Zugriffs … vom technischen und kommerziellen Konzept jedes einzelnen Diensteanbieters abhingen.“[4] Bei Internet und E-Mail fallen nämlich gar keine Abrechnungsdaten mehr an, wenn der Zugang zum Netz über einen DSL-Anschluss (flatrate) erfolgt. Beim Telefon sind zur Abrechnung nur die Daten ausgehender Anrufe notwendig, denn nur für die muss einE KundIn zahlen. Wählt sich
jemand über ein billigeres fremdes oder gar ausländisches Netz ein, müssen unter Umständen bis zu dreißig Ziffern gespeichert werden, bis die tatsächliche Nummer der anderen Seite ganz ersichtlich wird. Zur bloßen Abrechnung wären für den Provider nur die ersten Ziffern von Interesse.

Der Rat will dagegen das volle Programm. Er „hat daher seine Vorbereitungsgremien angewiesen, einen anderen Ansatz zu prüfen, wonach die Diensteanbieter zur Vorratsspeicherung aller im Rechtsaktentwurf in einer gemeinsamen Liste aufgeführten relevanten Daten verpflichtet würden.“ Für die Telekom-Firmen bedeutet dieser Beschluss, dass sie ihre Anlagen technisch aufrüsten müssen, was selbst bei kleinen E-Mail-Providern Investitionskosten von mehreren zehntausend Euro erforderlich macht. Große Anbieter müssten mehrere Millionen hinblättern. Der deutsche Branchenverband Bitkom geht insgesamt von Investitionen in Höhe von 150 Millionen Euro und jährlichen Betriebskosten von ca. 50 Millionen Euro aus.[5]

(Heiner Busch)

[1]      Ratsdok. 7486/04 v. 19.3.2004
[2]     Ratsdok. 8958/04 v. 28.4.2004
[3]     siehe Bunyan, T.: Was wird aus den Verkehrsdaten?, in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 71 (1/2002), S. 45-48; siehe ferner Bürgerrechte & Polizei/CILIP 72 (2/2002), S. 88
[4]     Ratsdok. 14894/04 v. 2.12.2004
[5]     www.heise.de/newsticker/meldung/54222