Chronologie

zusammengestellt von Hanna Noesselt

April 2006

03.04.: Mutmaßliche PKK-Funktionärin festgenommen: Auf Weisung des Generalbundesanwalts nimmt das Bundeskriminalamt (BKA) in Berlin eine 35-jährige Türkin kurdischer Abstammung fest.

04.04.: Rasterfahndung verfassungswidrig: Laut der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) waren die von Landespolizeien unter Mitwirkung des BKA durchgeführten Rasterfahndungen zur Aufdeckung von sog. „Schläfern“ verfassungswidrig. (Az.: 1 BvR 518/02, vgl. S. 83 f. in diesem Heft)

05.04.: Kabinett beschließt BDBOS: Die „Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben“ soll die Interessen des Bundes und der Länder bei der seit langem geplanten Einführung des Digitalfunks koordinieren.

06.04.: Urteil zu Republikanern: Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg erklärt die Aufnahme der Republikaner in den Berliner Verfassungsschutzbericht 1997 für rechtswidrig. Das Gesamtbild der Partei ermögliche nicht die Feststellung, dass sie verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolge. (Az.: OVG 3 B 3.99)

07.04.: Untersuchungsausschuss zur BND-Affäre: Der Bundestag setzt den ersten Untersuchungsausschuss der 16. Wahlperiode ein. The­men der Untersuchung sind: CIA-Geheimflüge über deutsches Staatsgebiet, CIA-Geheimgefängnisse in Europa, die Rolle der Bundesregierung bei der Verschleppung von Khaled El-Masri und die Beteiligung deutscher Sicherheitsbehörden an seiner Vernehmung sowie die Rolle des Bundesnachrichtendienst während des Irakkrieges.

09.04.: Brandanschlag auf Polizeipräsidium: In der Nacht wird die Nebeneingangstür des Polizeipräsidiums im Berliner Bezirk Tempelhof in Brand gesetzt. Das Feuer kann ohne Hilfe der Feuerwehr von Polizeibeamten gelöscht werden. Die linksextremistische „Militante Gruppe“ bekennt sich zu der Tat.

11.04.: Mecklenburg-Vorpommern verhängt Abschiebestopp: Aus humanitären Gründen verfügt der Innenminister des Landes für die Zeit vom 11.4. bis zum 10.10.2006 einen Abschiebestopp für togolesische Staatsangehörige ohne Aufenthaltsbefugnis in Deutschland.

13.04.: Urteil im Berliner „Ehrenmord“-Prozess: Das Berliner Landgericht (LG) verurteilt Ayhan Sürücü zu neun Jahren und drei Monaten Jugendstrafe für den Mord an seiner Schwester. Die beiden älteren Brüder werden freigesprochen.

14.04.: Polizei erschießt Mann: Nach einem Überfall auf einen Kiosk erschießt ein Polizist in Dortmund einen 23-jährigen Kongolesen. Dieser habe ihn mit einem Messer attackiert.

Todesfälle in Polizeigewahrsam: Das Nachrichtenmagazin Focus berichtet von einer Studie der Universität Halle, der zufolge zwischen 1993 und 2003 bundesweit 128 Menschen im Polizeigewahrsam ums Leben kamen. Jeder zweite Fall hätte verhindert werden können. Die Zahlen basieren auf erstmals veröffentlichten Angaben der Innenministerien der Länder.

Polizei verletzt Mann lebensgefährlich: Nach einer versuchten Brandstiftung in Dassow (Mecklenburg-Vorpommern) richtet der unbekannte Täter eine Gasflasche auf zwei Polizisten, die diesen dann durch zwei Schüsse lebensgefährlich verletzen.

15.04.: Deutsche Behörden helfen FBI: Laut Presseberichten gab das BKA in den Jahren 2002 und 2005 mindestens drei Mal Erkenntnisse des Bremer Landeskriminalamtes (LKA) über den Bremer Guantánamo-Häftling Murat Kurnaz an das FBI weiter. Ende August wird er nach viereinhalb Jahren Haft freigelassen und nach Deutschland überstellt.

16.04.: Anschlag in Potsdam: Ein 37-jähriger Deutsch-Äthiopier wird in Potsdam lebensgefährlich verletzt. Nach Auffassung der Polizei hat der Angriff zweier Männer einen fremdenfeindlichen Hintergrund. Der Fall wird zunächst vom Generalbundesanwalt übernommen, am 26.5. aber an die Staatsanwaltschaft Potsdam abgegeben. Nach drei Tagen in Untersuchungshaft werden die zwei Tatverdächtigen am 23.5. entlassen. Einer der beiden wird am nächsten Tag erneut in Untersuchungshaft genommen. Vier Monate nach dem Anschlag wird gegen beide wegen gefährlicher Körperverletzung bzw. wegen unterlassener Hilfeleistung Anklage erhoben.

19.04.: Jahresbilanz 2005 häusliche Gewalt in NRW: Mit über 8.000 Verweisen und Rückkehrverboten steigt die Zahl der der Wohnung verwiesenen Personen weiter an. 18.000 Mal wurde die Polizei wegen häuslicher Gewalt zu Hilfe gerufen. In allen Fällen erstattete sie gegen die Täter (und wenigen Täterinnen) Strafanzeige.

27.04.: TKÜ-Jahresstatistik 2005: Die Bundesnetzagentur in Bonn teilt mit, dass die richterlich angeordneten Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen seit 2004 um fast 24 Prozent auf 42.508 angestiegen sind. Besonders betroffen sind Mobilfunkanschlüsse mit einem Anstieg von rund 7.500 Fällen. Seit 1995 ergibt sich eine Steigerung von mehr als 600 Prozent.

Mai 2006

01.05.: Berliner Erster Mai: Im Rahmen der Feiern zur Walpurgisnacht und den Aktivitäten am ersten Mai werden 179 Personen festgenommen, 50 erhalten einen Haftbefehl. Im vergangen Jahr hatte es 78 Haftbefehle nach 193 Festnahmen gegeben. Laut Polizeiangaben kam der Großteil der „Randalierer“ aus Berlin, der Anteil der AusländerInnen sei gering gewesen.

06.05.: Polizist erschießt Mann: Bei einem Einsatz wegen Ruhestörung in Lage/Westfalen erschießt ein Polizist einen mit einer Gaspistole bewaffneten 41-Jährigen. Das Ermittlungsverfahren wird im Laufe der fol­gen­den Woche eingestellt.

Mann stirbt bei Festnahme: In Wiesbaden bricht ein 44-Jähriger bei der Festnahme durch die Polizei tödlich zusammen; Wiederbelebungsmaßnahmen bleiben erfolglos.

09.05.: Prozess wegen Al Qaeda-Mitgliedschaft: Vor dem Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf beginnt der bundesweit erste Prozess gegen zwei Männer, denen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung vorgeworfen wird.

10.05.: Jahresbilanz 2005 Politisch motivierte Kriminalität: Nach Angaben des Bundesinnenministeriums (BMI) ist die Zahl der politisch motivierten Straftaten im Vergleich zum Vorjahr um 24,7 Prozent gestiegen. Der Hauptanteil entfiel mit 15.916 auf die rechts motivierten Delikte. 4.898 links motivierte Delikte wurden erfasst.

Polizei erschießt Mann: Nach einem Banküberfall in Hanau schießt ein Polizist auf einen 30-jährigen flüchtenden Marokkaner. Der Mann stirbt wenig später an dem Lungendurchschuss im Krankenhaus. Er hatte auf seiner Flucht einen Beamten mit einem Roller überfahren.

BND-Sonderbericht zu Journalisten-Bespitzelungen: Der Sonderberichterstatter Gerhard Schäfer, Bundesrichter a.D., stellt seinen Bericht dem Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) vor. Die Vorwürfe werden weitgehend bestätigt. (vgl. S. 67 ff. in diesem Heft)

Anklage nach tödlichem Brechmitteleinsatz: 16 Monate nach dem Vorfall in Bremen wird der Arzt, der Laye-Alama C. das Brechmittel verabreicht hatte, angeklagt. Ihm wird fahrlässige Tötung vorgeworfen.

11.05.: 294 Kilogramm Heroin beschlagnahmt: DrogenfahnderInnen in Hessen und den Niederlanden stellen nach gemeinsamen Ermittlungen in Hoechst im Odenwald und in Rotterdam/NL 90 bzw. 204 kg hochwertiges Heroin sicher. Nach weiteren Ermittlungen in den Niederlanden werden am 4.7. weitere 10 kg beschlagnahmt.

15.05.: BMI veröffentlicht Kriminalstatistik: Die Zahl der erfassten Straftaten ist 2005 um 3,6 Prozent zurückgegangen, die Aufklärungsquote leicht gestiegen. Bei den erfassten nichtdeutschen Tatverdächtigen lag der Rückgang bei 5 Prozent; einen Anstieg gab es bei Waren- und Warenkreditbetrügereien.

Teleskopschlagstöcke für Berliner PolizistInnen: Wie die Berliner Zeitung berichtet, testet die Berliner Polizei derzeit verschiedene Teleskopschlagstöcke, die bei erfolgreichem Verlauf StreifenbeamtInnen in den Abschnitten zur Verfügung gestellt werden sollen. Tests der Bundespolizei seien erfolgreich verlaufen; beim Zoll sind die neuen Schlagstöcke bereits im Einsatz.

16.05.: BND zieht teilweise um: Der Haushaltsausschuss des Bundestages beschließt einen halben Umzug: Während etwa 1.000 MitarbeiterInnen in Pullach bei München bleiben werden, sollen 4.000 nach Berlin umziehen. In Berlin werden die BND-MitarbeiterInnen im neuen Sitz des Dienstes im Bezirk Mitte arbeiten, der bis 2011 fertiggestellt sein soll. Die Umzugskosten belaufen sich voraussichtlich auf bis zu 1,7 Milliarden Euro.

18.05.: El-Masri Klage gegen CIA abgewiesen: Die von der American Civil Liberties Union (ACLU) wegen Entführung gegen die CIA geführte Klage wird von einem US-Bundesgericht in Alexandria (Washington) aus Gründen der nationalen Sicherheit abgewiesen.

Mutmaßlicher DHKP-C-Funktionär ausgeliefert: Auf Grund eines Haftbefehls des Bundesgerichtshofes (BGH) wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung wird der im Januar festgenommene 41-Jährige Türke Yusuf K. von Belgien nach Deutschland ausgeliefert. Mit Schriftsatz vom 24.7. erhebt der Generalbundesanwalt Anklage.

BKA veröffentlicht Ergebnisse zu „Ehrenmorden“: Nach einer vom BKA durchgeführten bundesweiten Untersuchung kamen zwischen 1996 und Mitte 2005 48 Menschen bei sogenannten „Ehrenmorden“ ums Leben. 36 davon waren Frauen.

19.05.: Giyasettin Sayan attackiert: Der migrationspolitische Sprecher der Linkspartei im Berliner Abgeordnetenhaus wird von zwei Unbekannten niedergeschlagen und als „Scheißtürke“ beschimpft.

20.05.: 133 Opfer rechter Gewalt: Laut einer Zusammenstellung der Amadeu-Antonio-Stiftung kamen seit der deutschen Wiedervereinigung 133 Menschen durch rechtsextremistische oder rassistische Gewalt ums Leben; 71 Fälle ereigneten sich in West- und 60 in Ostdeutschland. Den höchsten Anteil hat Brandenburg mit 26 Todesfällen.

22.05.: Ramelow überwacht: Der Vize-Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Bundestag veröffentlicht ein Schreiben des Bundesamtes für Verfassungsschutz, in dem seine Überwachung auf Grund seiner Funktionärstätigkeit für die Linkspartei bestätigt wird.

Hakenkreuz im Halteverbotsschild: Das OLG Stuttgart eröffnet das Hauptverfahren gegen einen Versandhändler von Punk-Artikeln wegen Verwendens und Verbreitens von Kennzeichen nationalsozialistischer Organisationen. Aufgrund einer Vielzahl unterschiedlicher Urteile sieht das Gericht „ein Bedürfnis nach rascher Klärung durch den BGH“.

25.05.: Ausschreitungen an Himmelfahrt/Vatertag: In Berlin kommt es zu Sieg-Heil-Rufen und rassistisch motivierten Angriffen und Beleidigungen. Die Demonstration am folgenden Tag wird von etwa 1.250 Personen besucht. Es sind 300 PolizistInnen präsent; 20 Platzverweise gegen Mitglieder der rechten Szene werden ausgesprochen.

30.05.: Weitergabe von Fluggastdaten illegal: Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) ist die Übermittlung europäischer Flugdaten an US-Sicherheitsbehörden rechtswidrig. (Rechtssachen C-317/04 und C-318/04, vgl. S. 44 f. in diesem Heft)

31.05.: Gesetz für Jugendstrafvollzug: Nach einem Beschluss des BVerfG muss der Strafvollzug für Jugendliche auf eine eigenständige gesetzliche Grundlage gestellt werden. Bisher ist der Jugendstrafvollzug durch bundeseinheitliche Verwaltungsvorschriften geregelt. (Az.: 2 BvR 1673/04; 2 BvR 2402/04)

Juni 2006

01.06.: Lufthansa-Urteil aufgehoben: Nach einem Urteil des OLG Frankfurt erfüllt die Aufforderung zu einer Online-Demonstration keinen Straftatbestand. Die Initiative Libertad hatte dazu aufgerufen, die Homepage der Lufthansa zu blockieren, um gegen den Transport von Abschiebehäftlingen in Lufthansa-Maschinen zu protestieren. Das Amts­gericht (AG) Frankfurt hatte den Angeklagten am 1.7.2005 wegen Nötigung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt. (Az.: 1 Ss 319/05)

Harms wird Generalbundesanwältin: Monika Harms, zuvor Vorsitzende Richterin beim BGH, löst Kay Nehm in seinem Amt ab.

02.06.: Castor-Festnahme unzulässig: Nach einem Beschluss des BVerfG war die Ingewahrsamnahme von vier Atomkraftgegnern im November 2001 bei Laase rechtswidrig. Die Männer waren außerhalb der Versammlungsverbotszone festgenommen und ohne richterlichen Beschluss über Nacht festgehalten worden. (Az.: 2 BvR 2118/05)

03.06.: Übergriffe bei Anti-Hartz-IV-Protesten: Bei einer Demonstration in Berlin kommt es zu Übergriffen der Polizei auf friedliche TeilnehmerInnen.

07.06.: Verschleppungsflüge und Geheimgefängnisse: Der Europarat veröffentlicht seinen Abschlussbericht über CIA-Aktivitäten in Europa. Der Bericht stellt fest, dass Regierungsstellen in Deutschland und in 13 anderen europäischen Staaten den USA geholfen haben, Terrorverdächtige zu verschleppen und ohne jegliche Rechte gefangen zu halten.

08.06.: Razzia bei NPD: Die Polizei durchsucht die Bundeszentrale der NPD in Berlin-Köpenick und beschlagnahmt mehrere tausend „WM-Planer“. Das LG Berlin gibt einer einstweiligen Verfügung des Deutschen Fußball-Bundes statt, da der Planer volksverhetzend sei.

10.06.: Anti-NPD-Demo in Gelsenkirchen: Mehrere tausend Menschen protestieren gegen einen Aufmarsch der NPD. Der etwa 250 Nazis umfassende Aufmarsch steht unter dem Motto „Arbeit für Millionen statt Profit für Millionäre“.

18.06.: Angriff in Berlin: In Schönefeld wird ein 15-jähriger Äthiopier von zwei Jugendlichen aus fremdenfeindlichen Motiven schwer verletzt. Wegen Volksverhetzung und gefährlicher Körperverletzung wird Haftbefehl gegen die beiden Angehörigen der rechten Szene erlassen.

Angriff in Sachsen-Anhalt: In Merseburg wird ein 26-jähriger Serbe in einer Regionalbahn geschlagen und getreten. Wegen gefährlicher Körperverletzung wird gegen zwei Verdächtige Haftbefehl erlassen.

21.06.: Prozesse gegen Terrorverdächtige: In München und Stuttgart beginnen Prozesse gegen fünf mutmaßliche Mitglieder der irakischen Organisation Ansar al-Islam. Sie wird von Deutschland und der Europäischen Union als Terrororganisation eingestuft.

22.06.: Jahrelange Überwachung des Berliner Sozialforums: Berlins Innensenator Erhart Körting (SPD) verteidigt die Aktivitäten des Verfassungsschutzes: Die Organisation sei von autonomen Gruppen dominiert und zunehmend unter Einfluss der extremen Linken geraten. Akteneinsicht erhält bisher nur der FU-Professor Peter Grottian.

23.06.: USA überwachen Finanztransfers: Die US-Regierung bestätigt die Existenz eines Geheimprogramms, mit dessen Hilfe Geldtransfers von Terrorverdächtigen überwacht werden. Seit dem 11. September 2001 wird der belgische Transferknoten SWIFT angezapft; weltweite Geldüberweisungen können so überwacht werden. Die Deutsche Bundesbank sei informiert.

24.06.: Anne-Frank-Tagebuch und US-Flagge verbrannt: Nach einer in Pretzien (Sachsen-Anhalt) vom „Heimatbund Ostelbien“ organisierten Sonnenwendfeier wird wegen Volksverhetzung ermittelt. Die im Ort wohnenden Verfassungsschützer waren nicht in der Lage gewesen, das Geschehen zu unterbinden.

Juli 2006

02.07.: Umgang mit Aussagen von Gefolterten: Heinz Fromm, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), teilt mit, dass seine Behörde im Anti-Terror-Kampf auch auf Informationen zurückgreifen muss, die unter Folter entstanden sein können.

03.07.: Wohnungsdurchsuchung unzulässig: Nach einem Beschluss des BVerfG verletzt eine Razzia, die auf der Grundlage nur vager Anhaltspunkte angeordnet wird, die Unverletzlichkeit der Wohnung (Az.: 2 BvR 2030/04). In einem ähnlich lautenden Beschluss vom 4.7. rügt das Gericht einen Durchsuchungs- und Abhörbeschluss gegen einen Rechtsanwalt. Die Anordnung sei den Mindestanforderungen „bei weitem“ nicht gerecht geworden. (Az.: 2 BvR 950/05)

04.07.: „Schutzbund Deutschland“ verboten: Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm verbietet die rechtsextreme Kameradschaft. Bei einer Razzia am Vortag waren dreizehn Objekte durchsucht und zehntausende Plakate und Flugblätter beschlagnahmt worden. Der Verein weise eine „besondere Wesensverwandtschaft zum Nationalsozialismus“ auf, begründet Schönbohm das Verbot.

06.07.: Studierende blockieren Autobahn: In Frankfurt blockieren mehrere hundert Studierende einen Autobahnzubringer, um gegen Studiengebühren zu protestieren. Nach Ausschreitungen erstattet die Polizei Strafanzeige gegen alle 235 Festgenommenen, in den meisten Fällen wegen Landfriedensbruchs. Studierende berichten über extrem hartes Durchgreifen und unnötige Schikanen der Polizei.

Mutmaßlicher PKK-Führungsfunktionär angeklagt: Wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung erhebt die Bundesanwaltschaft Anklage gegen den 51-jährigen Hasan K. Am 8.8. und 9.8. werden zwei türkische Staatsangehörige wegen desselben Vorwurfs festgenommen.

07.07.: Neonazi verurteilt: Es wird bekannt, dass das LG Stuttgart einen Neonazi zu drei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt hat. Im Herbst 2005 hatte der 17-Jährige Molotow-Cocktails auf ein Asylbewerberheim und auf ein von AusländerInnen bewohntes Haus geworfen.

08.07.: Haft wegen Terrorverdacht: Die Bundesanwaltschaft nimmt in Kiel durch Beamte des BKA einen mutmaßlichen Unterstützer von Al Qaeda fest.

10.07.: Links-/Rechtsarbeitsgruppe: Wie der Berliner Tagesspiegel berichtet, haben die Berliner und Potsdamer Polizeien spezielle Arbeitsgruppen gegründet, deren Aufgabe es ist, sich um die zunehmenden Spannungen zwischen der rechten und linken Szene zu kümmern.

11.07.: BGH begrenzt Sicherungsverwahrung: Nach einem Urteil des BGH darf eine Sicherungsverwahrung nachträglich nur in Ausnahmefällen angeordnet werden. Mit dieser Entscheidung lehnt der fünfte Strafsenat in Leipzig in zwei Fällen eine nachträgliche Sicherungsverwahrung ab. (Az.: 5 StR 125/06; 5 StR 113/06)

Brechmittel-Urteil: Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) stellt der zwangsweise Einsatz von Brechmitteln in der Bundesrepublik einen Verstoß gegen das Folterverbot dar. (Az.: 54810/00, vgl. S. 83 in diesem Heft.)

12.07.: Neue Rechte für Geheimdienste: Das Bundeskabinett beschließt den Entwurf für ein Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz (TBEG). Die zeitlich befristeten Befugnisse aus dem Terrorismusbekämpfungsgesetz von 2002 werden durch die Novelle verlängert und durch neue ausgeweitet.

16.07.: Massengentest in Coswig: Auf der Suche nach einem zweifachen Sexualstraftäter ruft das LKA Sachsen mit großer Resonanz zum bisher größten Gentest in Deutschland auf. Die Staatsanwaltschaft begründet das Vorgehen mit der konkreten Wiederholungsgefahr.

17.07.: BMI stellt GASIM vor: Aufgabe des „Gemeinsamen Analyse- und Strategiezentrums illegale Immigration“ (GASIM) soll die „bessere Bekämpfung illegaler Immigration“ sein. In dem Zentrum arbeiten 36 MitarbeiterInnen von BKA, Bundespolizei, Bundesnachrichtendienst, Bundesamt für Verfassungsschutz, Zoll, Auswärtigem Amt und Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

20.07: Diskriminierender Fragebogen im Justizvollzug: Die Berliner Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) kündigt an, Homosexualität be­tref­fende Passagen aus den Formularen zur Aufnahme in die Untersuchungshaft zu streichen. Neben „seelischen und geistigen Besonderheiten“ und „Krankheiten (insbesondere ansteckende)“ werden bisher auch „gleichgeschlechtliche Neigungen“ abgefragt.

1300 kg Cannabis sichergestellt: Dem BKA und der niederländischen Polizei gelingt ein „Schlag gegen den internationalen Drogenhandel“ in Almere/NL, wo die 1.300 Päckchen im Motorraum einer Segelyacht versteckt waren. Gegen den 43-jährigen Kapitän aus Bayern wurde bereits seit Februar ermittelt.

26.07.: Berlin setzt Abschiebungen aus: Entsprechend einer Weisung von Innensenator Erhart Körting (SPD) werden ausreisepflichtige Familien mit minderjährigen Kindern, die seit mehr als sechs Jahren in Berlin leben, bis Ende 2006 nicht abgeschoben. Vor dem Hintergrund einer möglichen Altfallregelung im Herbst soll verhindert werden, dass durch Abschiebungen vollendete Tatsachen geschaffen werden. Am 28.7. kündigt der Oberbürgermeister von Potsdam an, dass bis zum Erlass bundeseinheitlicher Regelungen alle Einzelfälle in der Stadt geprüft werden. Der brandenburgische Innenminister Schönbohm verweigert einen Abschiebestopp für ganz Brandenburg. Auch der hessische Innenminister lehnt einen Abschiebestopp ab.

27.07.: Großer Polizeieinsatz bei Alternativ-Festival in Freiburg: Bei der Veranstaltung geht die Polizei, nachdem ein Polizist schwer verletzt werde, rabiat gegen die etwa 300 TeilnehmerInnen vor.

31.07.: Sprengstofffunde in Koblenz und Dortmund: In zwei Regionalzügen von Aachen nach Hamm und von Mönchengladbach nach Koblenz werden Sprengsätze gefunden, die aber wegen eines handwerklichen Fehlers nicht detonieren. Auf Grund von Videoaufnahmen können die mutmaßlichen Täter identifiziert werden. Einer der Tatverdächtigen wird am 19.8. in Kiel, ein weiterer am 24.8. in Tripoli/Libanon und ein dritter am 25.8. in Konstanz festgenommen.

August 2006

01.08.: Tote bei Verfolgungsjagd in Brandenburg: Beim Versuch der Bundespolizei, einer Schleuserbande habhaft zu werden, kommt das flüchtende Fahrzeug von der Straße ab und sechs der acht Insassen verunglücken tödlich. Es habe sich um sieben illegal eingereiste Vietnamesen und einen wegen „gewerbsmäßigem Einschleusen von Ausländern“ gesuchten Tschechen gehandelt.

Großeinsatz in Berlin-Neukölln: Die Berliner Polizei nimmt im Rahmen von drei Wohnungsdurchsuchungen 21 ChinesInnen fest, die illegal nach Deutschland gebracht worden seien, unter ihnen zwei Mitglieder einer Schleuserbande. An dem Einsatz waren 80 BeamtInnen beteiligt.

02.08.: Neonazi verurteilt: Das LG Dresden verurteilt einen 32-Jährigen zu einer achtmonatigen Haftstrafe ohne Bewährung. Der Mann habe die seit 2001 verbotene Organisation „Skinheads Sächsische Schweiz“ weitergeführt und als Verbindungsperson zu anderen rechtsextremistischen Vereinigungen und zur NPD fungiert.

03.08.: Polizist tötet Mann: In Gersfeld/Röhn (Hessen) erschießt ein Polizist einen wegen räuberischer Erpressung gesuchten 28-Jährigen. Der Russlanddeutsche sei den Beamten mit entsicherter Waffe entgegengekommen, als diese seine Wohnungstür aufbrachen. Die daraufhin von einem der Beamten abgegebenen Schüsse trafen den Mann tödlich.

06.08.: Polizei tötet Mann: In Fürth im Odenwald (Hessen) schießen ein Polizist und eine Polizistin auf einen 55-Jährigen, der diese mit einer Axt angegriffen haben soll. Der Mann, der der Polizei wegen Gewaltdelikten bekannt gewesen sei, stirbt noch am Tatort. Die Ermittlungen ge­gen die PolizistInnen sind noch nicht abgeschlossen.

07.08.: Prozess gegen junge Linke: Vor dem LG Potsdam müssen sich fünf, zum Tatzeitpunkt zwischen 16- und 21-jährige Angeklagte verantworten, die einen 17-Jährigen wegen dessen offenbar rechter Gesinnung tätlich angegriffen haben sollen. Der ursprüngliche Vorwurf des versuchten Mordes wurde zurückgezogen.

10.08.: Anschlag auf CDU-Politiker: Unbekannte Täter werfen einen Molotow-Cocktail in das Wohnhaus eines Pankower Abgeordneten im Berliner Abgeordnetenhaus. Der entstandene Schaden bleibt gering.

11.08.: Urteil rechtskräftig: Nach einem letzen auf einem Verfahrensfehler basierenden Revisionsverfahren gilt im Prozess gegen die Berliner „Revolutionären Zellen“ nun das Urteil des Kammergerichts Berlin vom 18.3.2004. Die fünf Angeklagten waren wegen mehrerer Attentate zu längeren Haftstrafen verurteilt worden. (Az.: 3 StR 284/05)

Wachmann erschossen: Beim Überfall auf einen Geldtransporter in Berlin-Hellersdorf wird ein 40-jähriger Angestellter einer Sicherheitsfirma von Unbekannten erschossen.

15.08.: Udo Ulfkotte und LKA-Beamter angeklagt: Die Staatsanwaltschaft Frankfurt wirft dem Journalisten Anstiftung zum Verrat von Dienstgeheimnissen und dem Staatsbediensteten Geheimnisverrat vor. Zur mündlichen Verhandlung kommt es jedoch „wegen Personalmangels“ zunächst nicht.

18.08.: „Mehmet“ ausgewiesen: Das Bayerische Innenministerium teilt mit, dass die Ausweisungsverfügung der Stadt München gegen Muhlis A. unanfechtbar geworden sei, da dieser keine Rechtsmittel eingelegt habe. Bei einem Einreiseversuch drohen dem 22-Jährigen bis zu drei Jahre Haft.

19.08.: Polizei räumt Nazis den Weg frei: Die Berliner Polizei ermöglicht mit teilweise rabiaten Methoden, 230 Nazis im Bezirk Prenzlauer Berg zu demonstrieren. Immer wieder hatte es Sitzblockaden durch die mehreren hundert GegendemonstrantInnen gegeben, die unter Einsatz von Schlagstöcken, Fausthieben und Pfefferspray geräumt wurden.

24.08.: Polizisten freigesprochen: Das AG Berlin-Tiergarten spricht vier Beamte vom Vorwurf der Körperverletzung im Amt frei. Den Männern war vorgeworfen worden, im Juni 2004 bei einem Einsatz wegen häuslicher Gewalt einen bereits wehrlosen Mann durch Schläge und Tritte verletzt zu haben.

Mann stirbt in Polizeigewahrsam: Ein in Frankfurt/Main vorläufig festgenommener 20-jähriger Algerier stirbt aus unbekannten Gründen in seiner Zelle. Der Mann war wegen mutmaßlichen Verstoßens gegen das Ausländergesetz inhaftiert worden.

28.08.: Ringstorffs Wohnhaus mit Farbbeuteln beworfen: Laut eines Bekennerschreibens linksradikaler GlobalisierungskritikerInnen wollten diese mit der Tat gegen Abschiebungen und den für Juni 2007 in Heiligendamm geplanten G8-Gipfel protestieren. Am Haus des mecklenburg-vorpommerschen Ministerpräsidenten entstand ein Sachschaden.

29.08.: GEMA-Gebühr bei Demo-Musik: Wie die taz berichtet, notierte ein Berliner Beamter bei einer Antifa-Demonstration im Stadtteil Lichtenberg die gespielten Titel und meldete sie der GEMA. Polizeipräsident Glietsch habe daraufhin eine Weisung an alle Dienststellen erteilt, die den BeamtInnen ein solches Verhalten untersagt. Die Rechtmäßigkeit der Handlung werde derweil überprüft.