Polizeiliche Todesschüsse 2005

von Otto Diederichs

Dass es zunehmend schwieriger wird, den polizeilichen Schusswaffengebrauch verlässlich nachzuvollziehen und auswerten zu können, ist ein bekanntes und schon häufig beklagtes Problem.[1] Zu den üblichen Schwierigkeiten kam in diesem Jahr die Verstocktheit des sächsischen Innenministeriums.

Die offizielle Schusswaffengebrauchsstatistik erschien Ende Mai 2006 als Pressemitteilung des bayerischen Innenministers Günther Beckstein (CSU), der derzeit als Vorsitzender der Innenministerkonferenz (IMK) waltet.[2]

Während die IMK offiziell jedoch nur vier tödliche Polizeischüsse verzeichnet, hatten die Recherchen von Bürgerrechte & Polizei/CILIP fünf Schusswaffenopfer ergeben. Dieser fünfte Fall hatte sich in Sachsen ereignet, was das dortige Innenministerium auf unsere Anfrage am 26. Juli 2006 auch bestätigte. Über weitere Einzelheiten zu Ort und Zeit, so hieß es, lägen jedoch keine Informationen vor – eine offensichtliche Falschauskunft. Die Polizeidirektion Oberes Elbtal/Osterzgebirge, in deren Bereich sich der Todesschuss ereignet hatte, hatte am 7. Mai 2005 eine Pressemitteilung dazu veröffentlicht. Den allgemeinen Regularien zufolge müssen jene Polizeipräsidien, in deren Verantwortungsbereich Schusswaffeneinsätze erfolgen, die entsprechenden Daten an ihr Innenministerium weitermelden, das sie sammelt und schließlich zur Erstellung der IMK-Statistik an die Deutsche Hochschule der Polizei (DHPol, früher: Polizei-Führungsakademie) übermittelt. Vom Innenministerium in Nordrhein-Westfalen waren in einem anderen Fall die gewünschten Auskünfte innerhalb weniger Stunden verfügbar. Bei der Dresdener Nicht-Auskunft handelt es sich somit entweder um Unlust der zuständigen BeamtInnen, Schlamperei oder um eine bewusste Blockade.

Wildwest in Thüringen

Fragen zum Umgang mit und der Ausbildung an der Waffe wirft ein Fall aus Thüringen auf: Am 5. April 2005 wurde in Rudolstadt ein Mann auf offener Straße erschossen und ein weiterer schwer verletzt. Hintergrund der Tat war offenbar ein Beziehungsstreit. Als Polizeibeamte den Tatort erreichten, versuchte der Täter zusammen mit seiner Freundin und dem gemeinsamen Baby in seinem Fahrzeug zu flüchten. Ein Polizist wurde verletzt, als der Mann auf ihn zuraste. Zwei andere Beamte gaben daraufhin insgesamt 16 Schüsse auf den Fahrer ab – und das, obwohl sie wussten, dass sich eine unbeteiligte Frau und ein Säugling im Wagen befanden.[3] Dass ein solcher Vorgang die Sicherheitsverantwortlichen in Erklärungsnot bringen muss, liegt auf der Hand. So meldete denn der thüringische Innenstaatssekretär an den von allen Zeugen bestätigten Umständen der Tat rasch seine Zweifel an, da die beiden Getöteten in der örtlichen Drogenszene aktiv gewesen sein sollen.[4] Auch wenn ein tödlich verlaufener Streit im Drogenmilieu dem Innenministerium sicher besser ins Schema passt, so kann er dennoch kaum die völlig überzogene Reaktion der Beamten vor Ort erklären.

Weitere Zahlenangaben der IMK-Statistik

Polizeilicher Schusswaffeneinsatz 2005 insgesamt: 6.058 (2004: 5.946); davon Schüsse auf Tiere: 5.911 (5.769); Schüsse auf Sachen: 6 (12); Warnschüsse: 72 (72); auf Personen: 37 (63), davon Verletzte: 30 (23). Drei Schüsse auf Personen wurden als unzulässig gewertet (2004: 2).[5]

[1] zuletzt: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 81 (2/2005), S. 78
[2] Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (Der Vorsitzende): Pressemitteilung Nr. 13/2006 v. 30.5.2006, www.stmi.bayern.de/imperia/md/content /stmi/ministerium/imk/pressemitteilungen/pm_13.pdf
[3] Berliner Morgenpost v. 6.4.2005 u. 7.4.2005
[4] Thüringer Allgemeine v. 21.4.2005 u. 26.4.2005
[5] Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (Der Vorsitzende) a.a.O. (Fn. 2)