Literatur

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In der öffentlichen Rede über Europas Grenzen ist kaum ein Ausdruck so missverständlich wie der vom „Wegfall der Grenzen“. Selbst die korrekte Formulierung vom „Wegfall der Binnengrenzkontrollen“ zwischen den Schengen-Mitgliedstaaten verschleiert den Umstand, dass an die Stelle vollständiger Personen- und Warenkontrollen an den nationalstaatlichen Grenzen ein komplexes Kontrollarrangement getreten ist. Die nationale Grenze bleibt in diesem System weiterhin eine Option, zu der die Regierungen dann schreiten dürfen (und schreiten), wenn sie es für angezeigt halten, Ein- und Ausreisende zu kontrollieren und gegebenenfalls die Bewegungsfreiheit für Einzelne zu beschränken. Die beiden anderen, für den Alltag bedeutsameren Elemente des europäisierten Grenzregimes sind die Verlagerungen der Grenzen nach außen und innen. Die Sicherung der Außengrenzen mit technischen Sperren, mit polizeilichen und militärischen Mitteln und unter Einsatz moderner Überwachungstechnik sind ebenso Ausdruck der Grenzverschiebung nach außen wie die Einrichtung von Lagern in verschiedenen Anrainerstaaten der Union. Die neuen Grenzen im Innern zeigen sich an den ausgeweiteten Befugnissen, jede Person ohne Vorliegen von Verdacht oder Gefahr kontrollieren zu dürfen. Was vormals nur der Grenzübertritt erlaubte, ist nun beim Betreten eines Bahnhofs, bei der Fahrt auf der Autobahn oder beim Passieren eines „gefährlichen Ortes“ zulässig.

Eigmüller, Monika: Grenzsicherungspolitik. Funktion und Wirkung der europäischen Außengrenze, Wiesbaden (VS Verlag für Sozialwissenschaften) 2007, 263 S., EUR 29,90

In drei Kapiteln untersucht diese soziologische Dissertation die Voraussetzungen und Folgen der europäischen Grenzsicherung an den Schengen-Außengrenzen. Im ersten Kapitel wird eine „Theorie der Grenze“ entwickelt, die sich dahingehend zusammenfassen lässt, dass „Grenze“ als eine soziale Institution betrachtet wird, die einerseits aus Handlungen sozialer Akteure entsteht, andererseits aber unabhängig von deren Absichten Wirkungen entfaltet. Das zweite Kapitel schildert unter der Überschrift „Die Politik der Grenze“ die Ziele und Instrumente der EU-Grenzpolitik. Nachdem die Zusammenarbeit in der „dritten Säule“ der EU und die Phasen hin zu einer gemeinsamen Einwanderungspolitik (d.h. vor allem einer Einwanderungs-Verhinderungspolitik) beschrieben werden, stellt die Autorin die beiden zentralen Dimensionen der Grenzsicherungspolitik vor: Abschottung und Kooperation mit bzw. Druck auf Drittstaaten. Am Beispiel Spaniens untersucht die Arbeit im dritten Kapitel die „Praxis der Grenze“. In diesem umfangreichsten Kapitel des Buches werden sowohl die Praktiken der Grenzsicherung vorgestellt, wie der Umfang und die Wirkungen der illegalen Migration. Die – gemessen an den europäischen Absichten – ineffektive „spanische Migrationsverhinderungspolitik“ erklärt die Autorin durch die ambivalenten Interessen von Arbeitgebern und Gewerkschaften sowie die Ignoranz der Regierung gegenüber der Lage der „Illegalen“: „Profiteure sind schließlich alle, sowohl die inländische Wirtschaft, als auch die Konsumenten spanischer Produkte weltweit – nur die Migranten gehören nicht dazu.“ (S. 216). In ihrem kurzen Fazit weist Eigmüller auf die gewandelte räumliche und soziale Dimension der neuen europäischen Grenze hin: Im Raum sei sie „zugleich eine starre lineare Grenze, wie auch beweglicher Grenzsaum“; in sozialer Hinsicht sei die Außengrenzpolitik zwar nach innen motiviert (Binnenmarkt etc.), aber sie entfaltete ihre Wirkung maßgeblich nach außen, „indem sie vor allem das Verhalten der Menschen jenseits der Grenze strukturiert“ (S. 217 f.).

Pflüger, Tobias u.a.: Was ist FRONTEX? Aufgaben und Strukturen der Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen, Brüssel, Berlin 2008, 52 S. (www.imi-online.de/download/FRONTEX-Broschu ere.pdf)

Diese im Auftrag des Europaabgeordneten Tobias Pflüger erstellte Broschüre gibt einen Einblick in Entstehungsgeschichte, Aufgaben, Arbeitsformen und bisherige Leistungen von FRONTEX. Eine Pflichtlektüre für alle, die sich über die Warschauer Agentur genauer informieren wollen – und die keine Angst vor dem Dschungel an Institutionen, Kooperationen, Projekten und Verfahren haben, der als Netzwerk auf den Seiten 26 f. grafisch und im Glossar auf den Seiten 42-50 in erläuternden Worten dargestellt wird.

Georgi, Fabian: Migrationsmanagement in Europa. Eine kritische Studie am Beispiel des International Centre for Migration Policy Development (ICMPD), Saarbrücken (VDM Verlag Dr. Müller) 2007, 126 S., EUR 49,–

Diese auf eine politikwissenschaftliche Diplomarbeit zurückgehende Veröffentlichung untersucht das „International Centre for Migration Policy Development“, eine zwischenstaatliche Einrichtung, die 1993 zunächst von Österreich und der Schweiz gegründet wurde, der sich aber mittlerweile neun weitere europäische Staaten angeschlossen haben. Georgi zeichnet die Gründungsmotive, die Aufgaben und die Leistungen des ICMPD nach. Ursprünglich als ein Instrument der Politikberatung und -koordination nach dem Fall es Eisernen Vorhangs gegründet, hat das Zentrum nicht nur seine Aufmerksamkeit von der Ost- auf die Südgrenze Europas gelegt, sondern es hat sich zu einer Dienstleistungsagentur entwickelt, deren Spektrum von der Organisation von Rückführungen bis zur Entwicklung strategischer Konzepte reicht. Der Autor sieht im ICMPD eine Einrichtung, „die einen umfassenden planerischen Zugriff auf Bevölkerung und ihre Zusammensetzung ermöglichen soll. Ihr Ziel ist es, Bevölkerungsbewegungen und damit die Zusammensetzung der Bevölkerung zu kontrollieren und auf verschiedenen Weise zu ‚verbessern‘“ (S. 107). Dass die Interessen der MigrantInnen in diesem Migrationsmanagement keinen Platz haben, ist offenkundig.

Graf, Susanne: Verdachts- und ereignisunabhängige Personenkontrollen. Polizeirechtliche und verfassungsrechtliche Aspekte der Schleierfahndung, Berlin (Duncker & Humblot) 2006, 414 S., EUR 87,80

Wenn das Bundesinnenministerium die Veröffentlichung einer Arbeit mit einem „großzügigen Druckkostenzuschuss unterstützt“, dann ahnt das Publikum, was es erwarten darf. Insofern enttäuscht diese umfängliche rechtswissenschaftliche Untersuchung der Schleierfahndung nicht. Die Autorin stellt die einschlägigen Regelungen im deutschen Polizeirecht (Begründung, Abgrenzung zu anderen Befugnisse, zulässige Maßnahmen, Umfang und Erfolge etc.) vor und prüft ihre verfassungs- und europarechtliche Zulässigkeit (wobei sich der europarechtliche Bezug mittlerweile durch den Schengener Grenzkodex verändert hat). Grafs Fazit lautet: „Die derzeit gültigen Schleierfahndungsnormen sind allesamt verfassungsgemäß“ (S. 374) – kleine Nachbesserungen werden allen­falls bei einzelnen Folgemaßnahmen vorgeschlagen. Die argumentativen Kunststücke, die die Autorin vollführen muss, um zu ihrem Ergebnis zu gelangen, sind beachtenswert: Da es nachweislich keine belastbaren Erfolge der Schleierfahndung gibt, rettet sie sich mit dem Hinweis, die Kontrollen seien „nicht völlig ungeeignet“ (S. 372). Der Aufenthalt an einem gefährlichen Ort rechtfertige „die Inanspruchnahme des Bürgers“ (S. 373) – auch wenn geheimgehalten wird, welcher Ort von der Polizei als „gefährlich“ klassifiziert wird. Und dass „es bei Kontrollen zur Verhinderung unerlaubter Einreise zu einer erhöhten Inanspruchnahme von ausländischen Staatsangehörigen komme“, sei keine Diskriminierung, sondern „durch den Normzweck gerechtfertigt“ (S. 340) – obwohl das Selektionskriterium, wie jeder Reisende weiß, nicht die Staatsangehörigkeit ist, die man bekanntlich nicht sehen kann, sondern die Hautfarbe. Besonders entlarvend ist der Hinweis der Autorin, die Schleierfahndung sei deshalb rechtsstaatlich unbedenklich, weil sie sich „problemlos“ in die „allgemeine Tendenz … eine(r) Vorverlagerung polizeilicher Aktivität“ einfüge. (S. 369). Denn genau in dieser entgrenzenden Vorverlagerung liegt das Problem.

Niechziol, Frank; Schmucker, Mirko: Polizeiliche Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität nach Wegfall der Grenzübertrittskontrollen. Recht­liche Rahmenbedingungn und taktische Umsetzungsmöglichkeiten, in: Kriminalistik 2008, H. 2, S. 105-111

Die Autoren stellen den Schengener Grenzkodex und die Strategien der deutschen Polizeien zur Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität dar. Durch den Grenzkodex würden die verdachtsunabhängigen Kontrollen „durch den europäischen Gesetzgeber sogar ausdrücklich gewünscht“. Der Schleierfahndung (durch die Bundespolizei) wird eine „durch jahrelange Evaluation nachgewiesenen zwingenden Erforderlichkeit“ bescheinigt (was angesichts der Standards dieser „Evaluation“ ein Hohn ist). Als zentrale Elemente der Kriminalitätsbekämpfung werden eine „hochwertige operative und strategische Auswertung“ sowie intensivere Formen internationaler Zusammenarbeit (Datenaustausch, gemeinsame Ermittlungsgruppen, grenzüberschreitende verdeckte Maßnahmen) genannt. Für das Inland werden die Gemeinsamen Fahndungsgruppen gelobt, in der durch die Kopplung unterschiedlicher Befugnisse „hohe Synergieeffekte“ erzielt würden.

Walter, Bernd: Grenzsicherheit zwischen Wegfall der Binnengrenzkontrollen und einem integrierten Schutz der Außengrenzen. Paradigma für das schnelle Verfallsdatum von kriminalpolitischen Prognosen, in: Kriminalistik 2006, H. 12, S. 730-736

Schober, Konrad: Replik auf den Artikel von Bernd Walter, in: Kriminalistik 2007, H. 4, S. 212-216

Walter, Bernd: Anmerkungen zur Replik von Konrad Schober, in: Kriminalistik 2007, H. 8/9, S. 557-559

Eine interessante Debatte über die Grenzsicherheit: Auf der einen Seite Bernd Walter, pensionierter Präsident des Grenzschutzpräsidiums Ost, auf der anderen Seite der bayerische Kriminaldirektor Konrad Schober. Gemeinsam ist beiden Polizeiführern, dass sie kein Wort über die Folgen der Abschottungspolitik nach außen verlieren, gemeinsam ist ihnen auch die Sorge vor der grenzüberschreitenden Kriminalität, die beliebig zwischen organisierter Kriminalität und illegaler Migration festgemacht wird. Während jedoch Walter, ein polizeilicher Hardliner alter Schule, den Verlust der alten Grenzkontrollen bedauert und ihre Abschaffung für einen von der Politik zu verantwortenden Fehler hält, der nun mühsam und mit seiner Ansicht nach nur halbherzig zur Verfügung stehenden Mitteln durch die Polizeien wieder aufgefangen werden müsste, verteidigt Schober, der als Ländervertreter an den Beratungen zum Schengener Grenzkodex teilnahm, das europäische Grenzregime. Vor allem die Schleierfahndung hat es beiden angetan: Walter weist darauf hin, dass ihre Legalisierung eine direkte Folge des Schengener Vertrages war, durch die die Grenzkontrollen funktional ersetzt werden sollten. Dem widerspricht Schober vehement, denn ein solcher Ersatz hätte deren Rechtswidrigkeit nach dem Schengener Durchführungsübereinkommen und jetzt auch nach dem Grenzkodex zur Folge. Walter kann in seiner Replik jedoch nachweisen, dass um die Formulierungen im Grenzkodex so lange gefeilscht wurde, bis dessen Art. 21 die deutsche Kontrollpraxis absegnete: „Schöner kann man einen Freibrief für die deutsche Schleierfahndung eigentlich nicht formulieren.“

Flüchtlingsrat Niedersachsen; Komitee für Grundrechte und Demokratie; Forschungsgesellschaft Flucht und Migration (Hg.): AusgeLAGERt. Exterritoriale Lager und der EU-Aufmarsch an den Mittelmeergrenzen, Hamburg 2005 (http://www.nds-fluerat.org/rundbr/ru%20110/RU%2
0110%20ohne%20Deckblatt.pdf)

Die Aufrüstung an der Südgrenze der Europäischen Union und die Strategie der außerhalb Europas liegenden Flüchtlingslager sind Gegenstand dieser Gemeinschaftspublikation. Fast die Hälfte der 190 Seiten nimmt die Analyse Helmut Dietrichs über „das Mittelmeer als Raum der Abschreckung“ ein. Dargestellt wird die Bedeutung des Mittelmeers als migrationsstrategischer Raum, in dem unterschiedliche Gefahren aus unterschiedlichen Himmelsrichtungen abgewehrt werden sollen. Infolge der Abschottungspolitik sei die Meerenge von Gibraltar mit schätzungsweise 12.000 bis 14.000 Ertrunkenen zum größten Massengrab Nachkriegseuropas geworden. Der Beitrag endet mit einem Überblick über die Abschiebelager in Italien und Spanien sowie den Lagern und Grenzregimen in den nordafrikanischen Staaten. In den weiteren Beiträgen des Bandes werden die Logik des Lagersystems (einschließlich der deutschen Sammelunterkünfte und Ausreisezentren), die Chronologie der EU-Lagerpläne sowie die unterschiedlichen Konzepte, Flüchtlinge aus Europa fernzuhalten, vorgestellt. Im dritten Teil von „AusgeLAGERt“ werden Gegenaktionen gegen das Lagersystem dokumentiert. Sie reichen von Protesten in Griechenland, Italien und Deutschland bis zu Appellen gegen die Lager in Marokko bzw. gegen die Lager an den Grenzen Europas insgesamt.

Antirassistische Initiative e.V.: Bundesdeutsche Flüchtlingspolitik und ihre tödlichen Folgen 1993 bis 2007 (15. aktualisierte Auflage) (2 Hefte), Berlin 2008, EUR 16,–

Mittlerweile in der 15. Aktualisierung legt die ARI Berlin ihre einzigartige Sammlung über die negativen Folgen der deutschen Abschottungspolitik vor. In chronologischer Folge werden seit 1993 Ereignisse aufgelistet, in denen Flüchtlinge durch das Grenzregime unmittelbar oder mittelbar – etwa durch Anschläge auf Flüchtlinge oder als Folge ihrer Abschiebung – zu Schaden kamen. Insgesamt kamen demnach in den letzten 15 Jahren 370 Flüchtlinge durch staatliche Maßnahmen ums Leben, 81 starben in Folge rassistischer Übergriffe.

Pieper, Tobias: Die Gegenwart der Lager. Zur Mikrophysik der Herrschaft in der deutschen Flüchtlingspolitik, Münster (Verlag Westfälisches Dampfboot) 2008, ca. 400 S., EUR 29,90

In der Untersuchung, die in diesen Tagen erscheint, wird die Wirklichkeit in den Sammelunterkünften und „Ausreisezentren“ aus Sicht der BewohnerInnen rekonstruiert und analysiert. Der Autor fragt nach den politischen, ideologischen und ökonomischen Funktionen der Unterbringung in Lagern.

Aus dem Netz

http://frontex.antira.info

Diese Seite hält laufend aktualisierte Berichte über die Tätigkeit der europäischen Grenzschutzagentur „Frontex“ sowie über die EU-Planun­gen für den Außengrenzschutz bereit. Von den Rubriken der Seite, die von „Frontex in den Medien“ bis zu „Researcher’s toolkit“ reichen, sind die „Meldungen“ und die „Analysen“ von besonderem Interesse. Die Berichte sind in der Regel mit Links zu den Originalquellen versehen; ggw. z.B. die Stellungnahme des europäischen Datenschutzbeauftragten zum Grenzmanagement oder das Gutachten von amnesty international zu Frontex. Das bis Sommer 2007 zurückreichende „Archiv“ erlaubt zudem, Entwicklung und Aktivitäten der Agentur nachzuzeichnen.

http://www.noborder.org/

Diese nur in Englisch publizierte Seite entstand als Teil des „No border“-Netzwerks, das seit 2004 nicht mehr aktiv ist. Die Seite wird jedoch fortgeführt. Sie versteht sich als eine Plattform zur internationalen Vernetzung von Aktivitäten und über Ereignisse im Bereich Migration. Wer sich über die aktuellen Kampagnen (etwa die geplante gegen Frontex in Warschau), aber auch über die Grenzcamps der vergangenen Jahre oder die Aktionen gegen Fluggesellschaften, die Abschiebungen ausführen, informieren will, wird bei „noborder.org“ bestens bedient.

http://fortresseurope.blogspot.com/ 

Diese italienische Seite liefert Informationen in 17 Sprachen. Das Angebot variiert erheblich zwischen den einzelnen Sprachen. Während in der deutschen Ausgabe vorwiegend über Italien (inkl. der Beziehungen zu Libyen) berichtet wird, enthält die englische Seite links zu den Frontex-Aktivitäten, zur Situation von Flüchtlingen im Jemen oder Berichte über die Internierung von Flüchtlingen in der Türkei oder in den zehn neuen EU-Mitgliedstaaten; auf der französischen wird zusätzlich über die Lage in Algerien berichtet.

(sämtlich: Norbert Pütter)

Sonstige Neuerscheinungen

della Porta, Donatella; Peterson, Abby; Reiter, Herbert (eds.): The Policing of Transnational Protest, Aldershot (Ashgate) 2006, 224 S., EUR 76,–

Rund zehn Jahre nach ihrem Sammelband „Policing Protest: The Control of Mass Demonstrations in Western Europe“ haben Donatella della Porta und Herbert Reiter, diesmal zusammen mit der Soziologin Abby Peterson, einen Sammelband zur polizeilichen Bearbeitung transnationalen Protests vorgelegt. In acht Kapiteln beschäftigen sich zehn AutorInnen mit den Gewaltexzessen der Polizei auf dem G8-Gipfel in Genua, den EU-Treffen in Göteborg und Kopenhagen. Von Vancouver (1997), Calgary (2000), Ontario (2000), Quebec (2001), Ottawa (2001) und Kananaskis (2002) in Kanada über Seattle (1999), Washington D.C. (2000) bis nach Philadelphia (2000) in den USA reichen die Fallstudien. Die Militarisierung der Polizei durch neue Strategien, Taktiken und Ausrüstung ist einer der zentralen Entwicklungstrends, den die AutorInnen transatlantisch – und lange vor 9/11 – ebenso konstatieren, wie ein durchgehendes Defizit bei der parlamentarisch-politischen Kontrolle der Exekutive.

Hatten della Porta und Reiter 1989, wenngleich auf empirisch dünner Basis, noch die These vertreten, die „Arbeit“ der Polizei habe sich seit den 1960er Jahren „zivilisiert“, so mag diesen Befund für das ausgehende 20. Jahrhundert kein Beitrag mehr vertreten. John Noakes und Patrick Gillham zeigen anhand der USA (S. 97-115), dass neben exzessiver Gewaltanwendung durch die Polizei und einer Strategie, die auf Verhandeln setzt, heute ein dritter Typ von Polizeiarbeit zur Anwendung kommt, den sie als „strategic incapacitation“ bezeichnen (S. 111). Drei Kernelemente ließen sich identifizieren: „risk assessment“, „temporary incapacitation“ und „rearrangement of offenders“. Insbesondere die neuen Überwachungstechniken und -technologien erlaubten Geheimdiensten und Polizeibehörden, „Risiken“ einzuschätzen und Individuen und Gruppen zu identifizieren, die sich an der Vorbereitung und Durchführung von Events beteiligen (könnten). Sie werden sodann Gegenstand „strategischer Entmündigung“ und – mittels Vorfeldkriminalisierung, Zutrittsverboten, präventiver Haft oder schlichter Gewalt etc. – selektiv kaltgestellt.

Reiter und Fillieule (S. 145-173) beschreiben für die Europäische
Union, wie – unter Kontrolle der Exekutive in Gestalt der Police Chiefs Task Force (PCTF) – auf EU-Ebene informelle Agreements formalisiert und die Spielräume für das Recht auf freie Meinungsäußerung weitgehend ohne parlamentarische Kontrolle systematisch untergraben werden. Die alte Frage „Wer bewacht die Wächter?“ stellt sich mithin nicht allein im Hinblick auf den Nationalstaat, sondern supranational. Man darf hinzufügen, dass dies zunehmend auch für das kommerzielle Sicherheitsgewerbe relevant wird.

Republikanischer Rechtsanwältinnen- und Anwälteverein / Legal Team (Hg.): Feindbild Demonstrant. Polizeigewalt, Militäreinsatz, Medienmanipulation. Der G8-Gipfel aus Sicht des Anwaltlichen Notdienstes, Hamburg, Berlin (Assoziation A) 2008, 175 S., EUR 10,–

Nur wenige Monate nach dem G8-Gipfel in Heiligendamm erschien diese Bilanz des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins e.V. (RAV) und der auf seine Initiative eingesetzten Legal Teams. Der Band ordnet G8 als Chiffre in die politische und rechtliche Gesamtsituation Deutschlands und der Welt ein. Rechtswidrige Festnahmen, polizeiliche Sondereinheiten, mediale Aufrüstung vor dem Gipfeltreffen („Feindbild Demonstrant“), menschenunwürdige Zustände in Gefangenen-Sammelstellen, Übergriffe auf und fehlender Zugang für RechtsanwältInnen werden aus juristischer und politischer Perspektive beleuchtet und als illegitim und illegal bewertet. RechtsanwältInnen, polizeiliche Vertreter, politisch Verantwortliche und Betroffene kommen zu Wort – was zu einer gewissen Redundanz führt, gleichwohl aber Einblicke bietet, die in den Medien nicht zur Sprache kamen. Mittlerweile sind zahlreiche weitere Publikationen zum Thema G8 erschienen. Die Diskussionen, wie der größte Aufmarsch polizeilicher und militärischer Macht an einem Ort in der Bundesrepublik nach 1945 einzuschätzen ist, sind bei weitem noch nicht abgeschlossen.

Groß, Hermann; Frevel, Bernhard; Dams, Carsten (Hg.): Handbuch der Polizeien Deutschlands, Wiesbaden (Verlag für Sozialwissenschaften) 2008, 593 S., EUR 49,90

Dies vorneweg: Das „Handbuch der Polizeien Deutschlands“ bietet einen kompakten Überblick zur Polizeiorganisation des Bundes und der Länder. Man mag hoffen, dass sein Erscheinen zum Anlass für vertiefende Auseinandersetzungen wird. Immerhin hat das kommerzielle Sicherheitsgewerbe bereits 2004 mit dem „Handbuch des Sicherheitsgewerberechts“ gezeigt, dass damit in einem Handbuch begonnen werden kann.

Nimmt man den Band insgesamt, so überwiegt, was fehlt: Schätzungsweise 125.000 bis 250.000 KommunistInnen erhielten seit den 1950er Jahren Berufsverbote und wurden verfolgt. Gleichzeitig war die Re-Nazifizierung des Polizei- und Justizapparates in vollem Gange. Jüngst übersetzte die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (30.9.2007) das Kürzel BKA für das Jahr 1954 mit „Braunes Kriminalamt“. Manfred Klink, u.a. ehemaliger Leiter der Staatsschutzabteilung des BKA und Autor des Kapitels über das Bundeskriminalamt im „Handbuch“ (S. 516-554), erwähnt zwar, dass seit 1954 das BKA jährlich Herbsttagungen veranstaltet und seit 1955 eine Schriftenreihe herausgibt – dass das vom ehemaligen SS-Sturmbannführer Bernhard Niggemeyer in seiner Funktion als Leiter des Kriminaltechnischen Instituts (bis 1968) geschah, davon ebenso wenig ein Wort, wie dazu, dass zwei Drittel der BKA-Führungs­ebene sich aus SS-Leuten zusammensetzten, die das Amt bis weit in die 1960er Jahre unmittelbar prägen konnten. Zu den Kontrolldefiziten und kaskadenhaft auftretenden Skandalen innerhalb des Apparats der Gegenwart – kein Wort.

Zum Zoll(kriminalamt), nach allgemeiner Auffassung zwar keine Polizei, aber mit mehr Befugnissen ausgestattet als jene (Überwachung und Kontrolle von Brief-, Post- und Fernmeldeverkehr ohne Anfangsverdacht oder Richtervorbehalt), finden sich keine Hinweise. Zu den rund 35.000 Beschäftigten (allein 8.000 operativ in der Bekämpfung der „Schwarzarbeit“ aktiv), in deren Reihen sich mit der Zentralen Unterstützungsgruppe Zoll (ZUZ) gar ein „Pendant zu den Mobilen Einsatzkommandos des BKA“ befindet – kein Wort.

Ein Kapitel zur deutschen Polizei auf EU-Ebene fehlt. Wie es um den Einsatz deutscher Polizisten im Ausland bestellt ist – seit 1989 immerhin rund 5.300 Abordnungen –, auch dazu kein Wort. Zum Bedeutungsgewinn von Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS), die etwa das Technische Hilfswerk, Bundes- und Landespolizeien, Geheimdienste (Landes- und Bundesämter für Verfassungsschutz), Teile der Bundeswehr und des Katastrophenschutzes verknüpfen – kein Wort. Die Zusammenarbeit von Landes- und Bundespolizeien mit kom­merziellen Sicherheitsdiensten – in den so genannten Police-Private Partnerships – findet, trotz Weltmeister- und Europameisterschaften sowie sonstiger Massen-Events aller Couleur, ebenso wenig Erwähnung wie die Zusammenarbeit von Polizei mit kommunalpräventiven Gremien.

Kurz: Wer gehofft hatte, das „Handbuch“ liefere eine sozialwissenschaftliche Analyse der „deutschen Polizei“, die oder der wird den Band enttäuscht zur Seite legen, daran ändern auch einzelne gelungene Beiträge (wie der von Herrnkind zu Schleswig-Holstein (S. 451-484) und Pütter zu Berlin (S. 93-119)) wenig.

(sämtlich: Volker Eick)

Hunold, Daniela: Migranten in der Polizei. Zwischen politischer Programmatik und Organisationswirklichkeit, Frankfurt/M. (Verlag für Polizeiwissenschaft) 2008, 130 S., EUR 16,90

Das Prägnanteste über die Einstellungspraxis bei der deutschen Polizei sagt die Autorin eigentlich mit einer kleinen Schnurre im Vorwort. Im Rahmen ihres Forschungsprojektes hatte die Kriminologin an einer Einstellungsprüfung teilnehmen dürfen und verfehlte dabei die erforderliche Punktzahl, um als polizeidienstfähig eingestuft zu werden, knapp: Der psychologische Test bescheinigte ihr, für den Polizeialltag nicht „gruppentauglich“ zu sein. Wie vielen BewerberInnen, insbesondere MigrantInnen, mag es ähnlich ergehen? Ohnehin ist deren Zahl nicht besonders hoch; daran ändert auch die verstärkte Werbung vieler Länderpolizeien nicht viel. Mit ca. 2 Prozent liegt die Hamburger Polizei hier vorn, gefolgt von Berlin (1,5 Prozent), Bremen und Schleswig-Holstein (je 1,2 Prozent). Exakt ist deren tatsächlicher Anteil ohnehin nicht feststellbar, da spätestens mit der Verbeamtung die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen werden muss. Damit verschwinden migrantische PolizistInnen dann aus den Statistiken. Akribisch beleuchtet die Autorin die verschiedenen Gründe für die Schwierigkeiten beim Umgang von Politik und Polizei bei der Einstellung von MigrantInnen in die Polizei. Dabei kommt sie zu dem richtigen Ergebnis, dass es sich insgesamt eher um „Assimilationspolitik“ denn um „Integrationspolitik“ handelt. Für jemanden, der das Thema ohnehin bereits aufmerksam verfolgt, bietet das Werk nicht viel Neues. Dennoch ist es in seiner Ausführlichkeit und Genauigkeit ein wichtiges Buch. Problematisch ist indes, dass jene in den Innenministerien und Polizeipräsidien, die es in erster Linie angeht, es kaum lesen werden, da sie Daniela Hunolds ausgeprägt wissenschaftliche Ausdrucksweise kaum verstehen werden. Sinnvoll wäre es daher, das Buch für diese Zielgruppe noch einmal zu überarbeiten.

Smidt, Wolbert; Poppe, Ulrike u.a.: Geheimhaltung und Transparenz. Demokratische Kontrolle der Geheimdienste im internationalen Vergleich, Berlin (LIT Verlag) 2006, 368 S., EUR 29,90

Auffällig ist zunächst der Titel, beharren Schlapphüte doch zumeist (wie auch in ihren Beiträgen) geradezu psychotisch auf der Bezeichnung geheimer Nachrichtendienst. Verglichen jedenfalls werden in diesem Buch die Geheimdienste von insgesamt zwölf recht unterschiedlichen Staaten. Das reicht von Deutschland über Britannien und Spanien, Russland und Tschechien, die USA und Kanada bis nach Israel. Wobei bei den großen westeuropäischen Diensten die französischen komplett fehlen, was sich vermutlich aus dem Zustandekommen des Buches erklärt, handelt es sich doch um die (erweiterte) Dokumentation einer gleichnamigen Tagung, die der „Gesprächskreis Nachrichtendienste in Deutschland e.V.“ gemeinsam mit der „Evangelischen Akademie zu Berlin“ im März 2004 ausgerichtet hat. Und die Franzosen waren wohl erst gar nicht angereist.

Bei der Mehrzahl der AutorInnen handelt es sich gleichwohl um ehe­malige oder aktive hochrangige Geheimdienstler unterschiedlicher Couleur. Da wundert es denn auch nicht, dass die parlamentarische, die bürokratische und die öffentliche Kontrolle (etwa durch die Medien) überwiegend als funktionierend und ausreichend eingestuft wird – selbst wenn hier und da kleinere Mängel eingeräumt werden (müssen). Das reicht bis hin zur Peinlichkeit, wenn ein solches Resümee etwa von der Leiterin des Berliner Verfassungsschutzes gezogen wird. Als stellvertretende Datenschutzbeauftragte sah sie die Sache seinerzeit noch ganz anders. Um einiges interessanter ist da schon der erheblich kleinere Analyseteil, an dem sich zumeist AutorInnen ohne Schlapphut versuchen. Insbesondere der Beitrag der Literaturwissenschaftlerin Eva Horn (S. 257-277) ist hier lesenswert. Insgesamt handelt es sich jedoch eher um ein Buch für LeserInnen mit einem bereits gefestigten Grundwissen über die rechtlichen Rahmenbedingungen und Arbeitsweisen von Geheimdiensten.

Rott, Joachim: Bernhard Weiß. Polizeivizepräsident in Berlin – Preußischer Jude – Kämpferischer Demokrat, Teetz, Berlin (Verlag Hentrich & Hentrich) 2007, 64 S., EUR 5,90

Als Bernhard Weiß im Sommer 1918 zum stellvertretenden Leiter der Berliner Kriminalpolizei ernannt wurde, war er nach eigener Aussage der erste Jude, der „in die bis dahin judenreine preußische Verwaltung“ gelangte. Er krempelte die alte kaiserliche Polizei komplett um, übernahm dabei auch die Leitung des polizeilichen Staatsschutzes und brachte es bis zum Polizeivizepräsidenten – zeitweise in Personalunion. Bernhard Weiß, „kein gläubiger, aber ein bewusster Jude“, war ein überzeugter liberaler Demokrat und mutiger Kämpfer gegen den aufkommenden NS-Faschismus. Diese Kombination machte ihn zwangsläufig zum bevorzugten Hassobjekt von Goebbels. Im letzten Augenblick konnte er mit seiner Familie am Abend der Reichtagswahlen vom 5. März 1933 über den Dienstbotenaufgang seiner Wohnung fliehen, während die SA bereits das Vorderhaus stürmte – und auf Umwegen schließlich nach Großbritannien emigrieren, wo er 1951 starb. Das in der Reihe „Jüdische Miniaturen“ erschienene Bändchen zeichnet in Kürze die wichtigsten Stationen in Weiß’ Leben und Wirken nach. Wer jedoch mehr über den engagierten Demokraten und wichtigen Polizeireformer (einschl. seiner politischen Fehler) wissen will, muss auch andere Literatur mit hinzuziehen.

(sämtlich: Otto Diederichs)

Heinrich, Stephan: Innere Sicherheit und neue Informations- und Kommunikationstechnologien. Veränderungen des Politikfeldes zwischen institutionellen Faktoren, Akteursorientierungen und technologischen Entwicklungen, Berlin, Münster (LIT Verlag) 2007, 496 S., EUR 34,90

„Was macht die Polizei mit der Technik, was macht die Technik mit der Polizei?“ fragte Detlef Nogala 1998 in seiner Arbeit zu „Social Control Technologies“, um auf die Ambivalenz der Technisierung von Polizeiarbeit hinzuweisen. Derselben Aufgabe nimmt sich auch das Buch von Stephan Heinrich an; nur liegt sein Schwerpunkt explizit auf Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT). Dabei ist sein Erkenntnisinteresse weniger die gesellschaftliche Tragweite der technologischen Aufrüstung, da diese erst dann „sinnvoll“ zu untersuchen sei, „wenn die internen Technisierungsprozesse und ihre Auswirkungen auf die Sicherheitsbehörden, ihr Selbstverständnis und ihre Techniknutzung erfasst sind“ (S. 27). Getreu diesem Motto wagt sich Heinrich tief in das Akronym-gesättigte Dickicht polizeilicher IKT und wirft einen sezierenden Blick auf den sich selbst technisierenden Apparat. Er macht dies im Stil einer Politikfeldanalyse, steckt nach einer ausgiebigen theoretischen Vorrede sein Feld ab, identifiziert maßgebliche Akteure und legt die Interessenkonflikte und Machtkämpfe offen, von denen die Informatisierung der Polizei begleitet war und ist.

Was sich in einer ersten historischen Rückschau, die von der Frühzeit kriminalpolizeilichen Meldewesens im späten 19. Jahrhundert bis zur Informatisierung des polizeilichen Alltags im frühen 21. Jahrhundert reicht, als linearer Prozess der vom Zentrum in die Peripherie diffundierenden Technisierung und Methodenoptimierung darstellt, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als inkrementaler, „ungelenkter Prozess des schleichenden institutionellen Wandels sowie der Entstehung eines höchst komplexen sozio-technischen Systems“ (S. 369). Anhand einer detaillierten Fallstudie der Informatisierung der Polizei in Nordrhein-Westfalen nach 1990 wird gezeigt, dass trotz mitunter ambitionierter Pläne eine klare Strategie fehlt. Vielmehr wird deutlich, wie Differenzen und Kompetenzgerangel zwischen Polizeiführung und „Fußvolk“, den Sparten Kriminal- und Schutzpolizei oder zwischen zentralen Diensten, „EDV-Fachbruderschaften“ und Kreispolizeibehörden die Gestaltung, Diffusion und Anwendung der Informationstechnik in der Polizei prägen.

Auch wenn Heinrich angesichts des nur „rudimentär abgestimmten Vorgehens“ (S. 379) die Entstehung eines panoptischen Kontrollapparates daher für unwahrscheinlich hält, fürchtet er, dass die wachsende Komplexität der „sozio-technischen Konstellation“ Polizei diese in wachsendem Maße externer, sprich parlamentarischer, Steuerung und Kontrolle entziehe und so eine schleichende „Entkernung und Auflösung bürgerlicher Freiheitsrechte“ (S. 382) bedeute. Zudem weist er darauf hin, dass auch das verwaltungsinterne Steuerungspotenzial absinke und somit Dysfunktionalität, Ineffizienz und eine Schwächung der Legitimität polizeilicher Aufgabenerfüllung vorprogrammiert seien. Als weiteren Effekt der steigenden Komplexität nennt Heinrich die wachsende Abhängigkeit von externer Expertise der Technikhersteller und ‑dienst­leister, die mit ihren immer stärker patentrechtlich geschützten „Black Box“-Lösungen die Herausforderung für Kontrollier- und Steuerbarkeit verschärfen, während sie gleichzeitig einen immer größeren Anteil an Verwaltungsressourcen binden.

Schade, dass trotz der mehrfach zitierten „Funktionskrise“ staatlicher Gewalt die Entwicklung im Innern des Apparats selten kontextualisiert wird. Nur gestreift werden z.B. die neoliberale Kolonisierung der Polizei durch Ideen des New Public Management oder Restriktionen monetaristischer Haushaltspolitik und ihre Implikationen für die Informatisierung. Gleichwohl sucht das Buch von Heinrich in seiner detaillierten Darstellung und abgewogenen Analyse seinesgleichen und hat – nicht zuletzt aufgrund seines hilfreichen Indexes – das Potenzial, ein Standard- und Nachschlagewerk für all jene zu werden, die sich für den unübersichtlichen Themenkomplex Polizei und IKT interessieren.

(Eric Töpfer)

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