Im Zuge des so genannten Visa-Untersuchungsausschusses wurde zwar die Praxis der Visumvergabe, nicht jedoch das deutsche Visumsrecht verschärft. Kein Wunder, denn die Musik spielt auch hier vor allem in Brüssel.
Im Jahr 2007 haben die deutschen Auslandsvertretungen 1,95 Mio. Visumanträge bewilligt und 210.000 abgelehnt. Nur ein Bruchteil dieser Bewilligungen (136.000) – nämlich die für längerfristige Aufenthalte z.B. zum Familiennachzug oder zur Arbeitsaufnahme – richtete sich nach deutschem Recht. Dagegen erteilten die deutschen Konsulate über 1,8 Mio. so genannte Schengen-Visa mit einer Gültigkeit von drei Monaten, z.B. für Tourismus oder für Familienbesuche.[1] Ausschlaggebend hierfür ist das EU-Recht, genauer: das der EG, denn dieser Politikbereich ist durch Art. 62 Nr. 2 b EG-Vertrag „vergemeinschaftet“. Unsere Visitenkarte – Die deutsche und europäische Visapolitik weiterlesen →
1995 wurde sie in Bayern und Baden-Württemberg eingeführt, 1998 im Bund befristet erprobt, 2003 verlängert, 2007 zum zweiten und letzten Mal nach Art des Bundesinnenministeriums evaluiert. Diese Evaluation führte erwartungsgemäß zur Entfristung der „anlasslosen“ Schleierfahndung.
Man habe dem Bundesgrenzschutz „vor dem Hintergrund der steigenden grenzüberschreitenden Kriminalität und einer erheblich gestiegenen unerlaubten Einreise innerhalb seiner sachlichen und räumlichen Zuständigkeit ein flexibles Befugnisinstrumentarium für verdachtsunabhängige Kontrollen zur Verfügung“ stellen wollen. Ausgeglichen werden sollte auch der Wegfall der angeblichen Filterfunktion der bis zum Aufbau des Schengensystems praktizierten traditionellen Grenzkontrollen. Das ist die offizielle Begründung für den § 22 Abs. 1 Bundespolizeigesetz (BPolG), die Innenstaatssekretär Peter Altmaier letztes Jahr wiederholte, als er den Evaluationsbericht seines Ministeriums vorlegte.[1]„Vergrenzung“ des Inlands – Von der Schleierfahndung zur neuen Bundespolizei weiterlesen →
Im Juni dieses Jahres finden in der Schweiz und Österreich die Fußball-Europameisterschaften statt. Allein in der Schweiz werden zur Euro08 zwischen vierzig- und fünfzigtausend Bedienstete aus Polizei, privaten Sicherheitsunternehmungen, Staatsschutz, Grenzwache und Armee zum Einsatz kommen.
„Fragwürdiger Einsatz ausländischer Polizisten an der Euro“ – so betitelte die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) am 17. Dezember 2007 ein Interview mit den zwei renommierten Schweizer Verfassungsrechtlern Rainer Schweizer und Markus Mohler. Erst die Ankündigung, dass ein halbes Jahr später zwischen 500 und 1.000 französische und deutsche PolizistInnen in der Schweiz zum Einsatz kämen, hatte die professorale Intelligenzia aufgeschreckt und dazu motiviert, die Sicherheitsvorkehrungen für den weltweit drittgrößten Sportanlass unter verfassungsrechtlichen Aspekten zu kritisieren. Etwas spöttisch, aber durchaus korrekt, kommentierte ein Leser tags darauf die Kritik: Die Bedenken der „Herren Professoren“ seien sicherlich berechtigt, kämen aber „leider etwas spät“. Mobilmachung ohne Augenmaß – Die Schweiz rüstet sich für die Euro08 weiterlesen →
19.12.: ‘Ndrangheta-Mitglieder verhaftet: Die Polizei verhaftet aufgrund eines Amtshilfeersuchens italienischer Ermittlungsbehörden in Oberhausen und Frechen (Nordrhein-Westfalen) zwei mutmaßliche Mitglieder der mafiösen Organisation, der die sechs Morde vor einer Duisburger Pizzeria im August 2007 zur Last gelegt werden. Gleichzeitig werden zwei weitere Männer in San Luca in Italien verhaftet.
20.12.: Durchsuchungen nicht rechtmäßig: Der Bundesgerichtshof (BGH) stellt die Unzulässigkeit der Hausdurchsuchungen im Vorfeld des G8-Gipfels fest. Da es sich bei den G8-Gegnern nicht um eine terroristische Vereinigung handele, sei die Bundesanwaltschaft für die Ermittlungen nicht zuständig gewesen. (Az.: StB 12/07, 13/07 und 47/07; s.a. S. 58-63 in diesem Heft) Chronologie weiterlesen →
Zu vermuten ist sie immer. Offensichtlich wurde sie oft. Sie nachzuzeichnen gelang selten: die Steuerung so genannter Terrorismusverfahren durch den Verfassungsschutz. Ein eklatantes Beispiel dafür bietet nun das Ermittlungsverfahren 2 BJs 10/06-2 gegen 17 AktivistInnen der Anti-G8-Bewegung, das die Bundesanwaltschaft (BA) im April 2006 einleitete.
So spektakulär dieses Ermittlungsverfahren in die Öffentlichkeit drang, so spektakulär sein vorläufiger Ausgang: Am 9. Mai 2007 waren mehrere hundert BeamtInnen des Bundeskriminalamtes (BKA), verschiedener Landeskriminalämter und der Bereitschaftspolizei aufgeboten, um in Berlin, Bremen und Hamburg, in Brandenburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein 40 Wohnungen, Büros und Projekte der linken Szene zu durchsuchen.[1] Sie waren auf der Suche nach vermeintlich konspirativen Strukturen einer ominösen „militanten Kampagne zur Verhinderung des G8-Gipfels“, die unter verschiedenen Gruppennamen vor allem im Raum Hamburg und Berlin zwölf Brandanschläge auf Autos und Gebäude durchgeführt haben soll. Festnahmen gab es keine. Das Dickicht der Dienste – Der Einfluss des Verfassungsschutzes in § 129a-Verfahren weiterlesen →
Im Mai 2006 wurde das Gemeinsame Analyse- und Strategiezentrum illegale Migration (GASIM) eingerichtet. Die dortige Zusammenarbeit von Polizei und Geheimdiensten wird – auch gegen parlamentarische Anfragen – gut abgeschirmt.[1]
GASIM will es den beteiligten Behörden ermöglichen, ihre Informationen zum „Phänomenbereich“ der unerlaubten Zuwanderung „zusammenzuführen und zu verdichten“, sich in „operativen und strategischen Fragen zu unterstützen“ und ihr Vorgehen bei der grenzüberschreitenden Bekämpfung irregulärer Migration zu koordinieren. Ein Wackelpudding – Das Analyse- und Strategiezentrum illegale Migration weiterlesen →
Im Gegensatz zur Abschottung der EU-Außengrenzen und den Lagern in den Pufferstaaten findet der Einschluss unerwünschter MigrantInnen im Innern der EU kaum Beachtung. Auch hier werden jedoch Orte des Ausnahmezustands installiert, um diejenigen unter Druck zu setzen, die eigentlich gar nicht hier sein sollten.
Das bundesdeutsche Lagersystem, das seit Anfang der 80er Jahre den bürokratischen Umgang mit geduldeten MigrantInnen und Flüchtlingen bestimmt, wird derzeit neu konfiguriert. Seit der Installation so genannter Ausreisezentren (§ 61 Aufenthaltsgesetz – AufenthG) wird das gesamte Lagersystem der Effektivität der äußeren Grenzziehungen angepasst. Immer weniger MigrantInnen finden den irregulären Weg in die BRD, die vorhandenen Lagerkapazitäten werden ab- und umgebaut. Am größten deutschen Abschiebelager in Bramsche (Niedersachsen) wird das Funktionieren des Konzepts der „freiwilligen“ Ausreise deutlich.[1]Grenzräume im Innern – Bramsche und das Konzept der „freiwilligen“ Ausreise weiterlesen →
In der öffentlichen Rede über Europas Grenzen ist kaum ein Ausdruck so missverständlich wie der vom „Wegfall der Grenzen“. Selbst die korrekte Formulierung vom „Wegfall der Binnengrenzkontrollen“ zwischen den Schengen-Mitgliedstaaten verschleiert den Umstand, dass an die Stelle vollständiger Personen- und Warenkontrollen an den nationalstaatlichen Grenzen ein komplexes Kontrollarrangement getreten ist. Die nationale Grenze bleibt in diesem System weiterhin eine Option, zu der die Regierungen dann schreiten dürfen (und schreiten), wenn sie es für angezeigt halten, Ein- und Ausreisende zu kontrollieren und gegebenenfalls die Bewegungsfreiheit für Einzelne zu beschränken. Die beiden anderen, für den Alltag bedeutsameren Elemente des europäisierten Grenzregimes sind die Verlagerungen der Grenzen nach außen und innen. Die Sicherung der Außengrenzen mit technischen Sperren, mit polizeilichen und militärischen Mitteln und unter Einsatz moderner Überwachungstechnik sind ebenso Ausdruck der Grenzverschiebung nach außen wie die Einrichtung von Lagern in verschiedenen Anrainerstaaten der Union. Die neuen Grenzen im Innern zeigen sich an den ausgeweiteten Befugnissen, jede Person ohne Vorliegen von Verdacht oder Gefahr kontrollieren zu dürfen. Was vormals nur der Grenzübertritt erlaubte, ist nun beim Betreten eines Bahnhofs, bei der Fahrt auf der Autobahn oder beim Passieren eines „gefährlichen Ortes“ zulässig. Literatur weiterlesen →
In ihrem Bericht vom Dezember 2007 zeigt die Gemeinsame Kontrollinstanz (GKI), die für das Schengener Informationssystem (SIS) zuständige Datenschutzgruppe, erstmals genauer, wie die beteiligten Staaten mit dem Instrument der „verdeckten Registrierung“ und „gezielten Kontrolle“ umgehen.[1]
Mit Art. 99 des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) existiert auf EU-Ebene ein Überwachungsinstrumentarium, das im Wesentlichen der „polizeilichen Beobachtung“ nach § 163e der deutschen Strafprozessordnung oder den jeweiligen Regelungen der Landespolizeigesetze entspricht. Der Artikel erlaubt es den Schengen-Staaten, Personen und Fahrzeuge im SIS zur „verdeckten Registrierung“ oder „gezielten Kontrolle“ (Durchsuchung) auszuschreiben. Wenn sie an der Grenze oder im Inland eines anderen Schengen-Staates angetroffen werden, dann erhält die ausschreibende Behörde über die nationalen Kontaktstellen, die so genannten SIRENE-Büros, eine Rückmeldung. Übermittelt werden sollen Ort, Zeit oder Anlass der Überprüfung, Reiseweg und -ziel, die Daten des mitgeführten Fahrzeugs, Begleitpersonen bzw. Insassen des Fahrzeugs und weitere „Umstände des Antreffens“. „Bei der Erhebung dieser Daten ist darauf zu achten, dass der verdeckte Charakter der Maßnahme nicht gefährdet wird“, heißt es in Absatz 4 des Artikels. 33.541 Personen unter Überwachung – Polizeiliche Beobachtung mit Hilfe des SIS weiterlesen →
Der Schutz der Außengrenzen spielt für die EU-Innenpolitik eine zentrale Rolle. Mit allen erdenklichen Mitteln soll der „Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ gegen Unerwünschte gesichert werden.
Der Frankfurter Schriftsteller Jakob Arjouni hat unlängst eine satirische Negativutopie vorgelegt: Sein Roman „Chez Max“ spielt im Jahr 2064.[1] Ein Zaun schützt das mit Wohlstand und allen Fortschritten der Technik gesegnete „Eurasien“ vor der Armut, der Gewalt und den Bürgerkriegen im Süden und natürlich auch vor illegalen Einwanderern, die den Terrorismus ins gelobte Land importieren könnten. In Eurasien ist es gängige Praxis, dass Verbrechen bereits im Vorfeld erkannt werden. Für das Ausschalten potenzieller Täter und „illegaler“ ImmigrantInnen sorgt die staatliche Geheimorganisation „Ashcroft“, für die Max Schwarzwald, die Hauptfigur des Romans, der Wirt des „Chez Max“, arbeitet. Die neuen europäischen Grenzen – Abschottung nach außen – Vergrenzung nach innen weiterlesen →
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