Europol-Jahresbericht

Europol arbeitet jetzt schon hervorragend, wird aber demnächst noch besser. Das ist zusammengefasst die penetrante Werbebotschaft, die das Europäische Polizeiamt auf den 114 Seiten seines Jahresberichts kundtut und die der Rat vorschriftsgemäß ans Europäische Parlament weiterreicht, damit dieses sich über die Arbeit der zentralen EU-Polizeiinsti­tution informiere.[1]

Zentrale Aufgabe von Europol ist nach wie vor die Sammlung und Bearbeitung von Informationen. Dazu dient einerseits das erst im Oktober 2005 in Betrieb gesetzte „Informationssystem“, auf das die bei Europol stationierten VerbindungsbeamtInnen aller und die nationalen Zentralen von 26 Mitgliedstaaten Zugang haben. 136.784 Abfragen wurden im vergangenen Jahr registriert. Die Zahl der gespeicherten „Objekte“ stieg im Laufe des Jahres von 34.742 auf 62.660 und erreichte im Juni 2008 die Marke von 85.000.[2] Ob dies der Zahl der erfassten Personen (laut geltender Europol-Konvention: Verurteilte, Ver­dächtigte und potenziell Verdächtige) entspricht, ist aus dem Bericht nicht zu entnehmen. Die Steigerung sei in erster Linie darauf zurückzuführen, dass nunmehr fünf Staaten ihre Daten selbst in das System eingeben können. Die BRD tut das seit November 2005, die Niederlande seit September 2006; im Jahre 2007 kamen Dänemark, Spanien und Belgien hinzu. Demnächst will Europol den Nutzern eine zweite Version des Systems zur Verfügung stellen, über deren Neuerungen sich der Bericht jedoch ausschweigt.

Sechzehn „operative“ Projekte hat Europol im Jahre 2007 betrieben. In den korrespondierenden Arbeitsdateien zu Analysezwecken können hier – anders als bei „strategischen“ Projekten – auch detaillierte Personendaten gespeichert und ausgewertet werden. Über die Zahl der jeweils Betroffenen ist seit 2003 nichts mehr zu erfahren.[3] Der Bericht ordnet die Projekte zwar groben Deliktsbereichen zu. Worauf sich die Analysen konkret bezogen, lässt sich aber aus der Darstellung dieser „prioritären“ Kriminalitätsbereiche nur teilweise entnehmen. Danach befassten sich

  • vier Projekte mit Gruppen der Organisierten Kriminalität
  • drei mit Drogenhandel (synthetische Drogen, Netzwerke im Kokain- und Netzwerke im Heroinhandel)
  • drei mit Straftaten gegen Personen, worunter der Bericht u.a. den Missbrauch von Kindern (insbesondere Kinderpornografie auf dem Internet), die Einschleusung von Nicht-EU-BürgerInnen und den Menschenhandel zählt; an einem Projekt zu dem letzteren Bereich waren 19 Mitgliedstaaten beteiligt
  • zwei mit Finanz- und Eigentumskriminalität, ein Bereich, der vom Mehrwertsteuerbetrug über die Geldwäsche und die Produktpiraterie bis hin zu organisierten Einbrüchen reicht. Hier gab es ein Projekt, das sich zunächst mit Einbrecherbanden aus dem ehemaligen Jugoslawien befasste, dann aber über diesen ethnischen Zusammenhang hinaus ausgedehnt wurde
  • zwei mit der Fälschung von Geld bzw. Zahlungsmitteln (Euro-Fäl­schung und Kreditkartenbetrug) sowie
  • zwei mit Terrorismus.

Im Dunkeln bleibt, in wie vielen Fällen Europol die (zunächst in einer Empfehlung des Rates, mittlerweile aber in einem Protokoll zur Europol-Konvention festgehaltene) Möglichkeit der Beteiligung an gemeinsamen Ermittlungsgruppen der Mitgliedstaaten wahrnahm.

Zugenommen hat im vergangenen Jahr auch der über Europol gesteuerte Informationsaustausch mit und zwischen den Mitgliedstaaten. 2007 wurden rund 260.000 Nachrichten ausgetauscht (2006: 210.000). Dadurch seien 7.618 „Fälle“ initiiert worden (2006: 7.246). 28 Prozent betrafen den Handel mit illegalen Drogen.

Im Dezember 2007 arbeiteten insgesamt 592 Personen bei Europol, darunter 421 von Europol angestellte (davon über die Hälfte im „Serious Crime Department“) und 114 VerbindungsbeamtInnen. Hinzu kamen nationale ExpertInnen. Im deutschen Verbindungsbüro arbeiteten drei BeamtInnen des Bundeskriminalamts, die restlichen vier kamen von der Bundespolizei, dem Zollkriminalamt, dem Berliner sowie dem nordrhein-westfälischen Landeskriminalamt. Neben den 27 Mitgliedstaaten sind auch Interpol, die drei Schengen-assoziierten Staaten (Norwegen, Island, Schweiz) sowie Australien, Kolumbien und vier US-Behörden (Secret Service, Drug Enforcement Agency, Postal Inspection Service, FBI) mit Verbindungsbüros bei Europol präsent.

(Heiner Busch)

[1]      Ratsdok. 7804/08 v. 28.3.2008
[2]     Ratsdok. 11161/08 v. 30.6.2008
[3]     s. Bürgerrechte & Polizei/CILIP 77 (1/2004), S. 90-92