Ende 2006 hatte die deutsche Delegation in der „Multidisziplinären Gruppe Organisierte Kriminalität“ ein Papier über die „Intensivierung der Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der grenzüberschreitenden Schwerkriminalität durch den vereinfachten grenzüberschreitenden Einsatz von Verdeckten Ermittlern (VE)“ vorgelegt.[1] Zum Ende der deutschen Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 verabschiedete der Rat eine Entschließung mit dem gleichen Titel.[2] Darin verweist er auf das EU-Rechtshilfe-Übereinkommen aus dem Jahre 2000 und das Neapel II-Abkommen über die Amtshilfe zwischen den EU-Zollbehörden von 1997, die zwar grundsätzlich den grenzüberschreitenden VE-Einsatz vorsehen, aber keine „ausreichend detaillierte[n] Mechanismen für eine zügige und wirksame Zusammenarbeit“ böten. „Bestehende rechtliche und praktische Hindernisse“ zu identifizieren und auszuräumen, sei auch „im Interesse der beteiligten Polizeibeamten“. Die MDG soll nun prüfen, ob hierzu Handlungsbedarf auf EU-Ebene bestehe und falls erforderlich bis Ende 2008 den Entwurf für einen Rechtsakt des Rates vorlegen.
Vor dem Hintergrund der bisherigen Diskussion der Gruppe ist weder klar, ob die Mitgliedstaaten derzeit eine solche EU-weite Regelung wollen, noch was diese gegebenenfalls umfassen und wie verbindlich sie sein soll. Zwar ergab eine erste Umfrage über die aktuellen rechtlichen Bedingungen in den Mitgliedstaaten, dass alle bis auf einen über eine gesetzliche Regelung verfügen, die verdeckte Ermittlungen generell zulässt und der Tätigkeit von ausländischen VE auf dem eigenen Territorium zumindest nicht im Wege steht.[3] Die große Mehrheit hat auch schon Erfahrungen mit grenzüberschreitenden Einsätzen dieser Art gemacht. Die Begeisterung für eine EU-weite Regelung hält sich aber in Grenzen.
Eine Vereinheitlichung hinsichtlich der Zuständigkeiten für die Genehmigung und justizielle Überprüfung des Einsatzes ausländischer VE hielt die slowenische Präsidentschaft in ihrem Diskussionspapier für kaum möglich, da diese Frage aufs engste verbunden sei mit dem jeweiligen nationalen Strafprozessrecht.[4] Eine Festlegung auf einen Deliktkatalog und die Abschaffung des Prinzips der beiderseitigen Strafbarkeit schien zwölf Delegationen – darunter die BRD, Britannien, die Niederlande und Schweden – nicht ratsam. Unterstützung fand die Vorstellung nur bei Portugal, Spanien und Italien. Eine zeitliche Befristung wird von mindestens fünf Staaten abgelehnt. Die BRD hält dies für unnötig. Man müsse dafür Sorge tragen, dass das Instrument nicht inflexibel werde.[5]
Die klarste Absage kommt bisher von der österreichischen Delegation, die es nicht für „angebracht“ hält, den „sensitiven Bereich der verdeckten Ermittlungen zu harmonisieren … insbesondere im Hinblick auf die Grundrechte der betroffenen Personen.“[6] Wichtiger als eine rechtliche Fixierung sei eine Verbesserung der operativen Zusammenarbeit. Die deutsche Delegation sieht vor allem Bedarf für eine Regelung des grenzüberschreitenden VE-Einsatzes in Eil-Fällen.[7] Eine solche finde sich beispielhaft in den bilateralen Abkommen zwischen der BRD und der Schweiz sowie den Niederlanden. In grenznahen Gebieten komme es immer wieder vor, dass ein VE seinen Einsatz im Nachbarland fortsetzen müsse und keine Zeit für eine frühzeitige Genehmigung in Form eines Rechtshilfeersuchens bleibe. Darüber hinaus plädiert die deutsche Delegation grundsätzlich für eine „Modellvereinbarung wie bei den gemeinsamen Ermittlungsgruppen“ – eine Lösung, die bereits der Rat in seiner Entschließung vom Juni 2007 ins Spiel gebracht hatte. Solche „Empfehlungen“ sind zwar rechtlich nicht bindend, erzeugen aber erfahrungsgemäß eine ziemliche Sogwirkung. In einer solchen „Modellvereinbarung“ könnten auch Regeln für die Geheimhaltung der Identität eines VE Eingang finden, heißt es in dem Papier der slowenischen Präsidentschaft. Genau diese hält die BRD für „eine Priorität“.
(Heiner Busch)