Acht Schüsse sind keine Notwehr – Berliner Polizeibeamter verurteilt

von Kampagne für Opfer rassistisch motivierter Polizeigewalt

Ermittlungen gegen PolizistInnen werden regelmäßig verschleppt und eingestellt. Nur selten müssen sie sich vor einem Gericht verantworten. Nach den Todesschüssen auf Dennis J. kommt es zum Prozess und zu Verurteilungen.

Am 16. Januar 2009 wird Dennis J. beerdigt. 300 Leute sind zum Friedhof am Hermannplatz in Berlin-Neukölln gekommen, um sich von dem 26-Jährigen zu verabschieden. Im Anschluss daran ziehen etwa 150 Angehörige und FreundInnen mit Fotos von Dennis in einem Trauerzug zum Sitz des Polizeipräsidenten in Berlin. In Sprechchören fordern sie „Gerechtigkeit“.

„Wir verlangen Gleichbehandlung für alle, egal auf welcher Seite des Gesetzes die Person steht“, wendet sich Dennis’ Schwager an die Trauernden. „Warum musste Dennis sterben? Warum ist der Beschuldigte noch auf freiem Fuß? Warum schweigen die Beamten und die Beschuldigten, wenn es nichts zu verheimlichen gibt?“ Man werde keine Ruhe geben, bis die Fragen beantwortet sind. Danach löst sich die Kundgebung auf – eine unerwartete Aktion von Menschen, die sich bis dahin nicht als politisch bezeichnet hätten. Sie gehören nicht zu denen, die mit viel Beschwerdemacht ausgestattet sind.[1]

Wenn der Tod eines 26-Jährigen über 300 Menschen dazu bewegt, zu einer Beerdigung zu kommen, darunter sehr viele „people of colour“, ist das auffällig, auch für die Medien, die seit dem 1. Januar 2009 umfangreich berichten. Die taz titelt am Tag nach der Beerdigung „Multikulti auf der Straße“, der Tagesspiegel „Wut am Grab“, die Morgenpost „Trauermarsch für Dennis J.“.

Was war passiert?

Dennis J. war am Silvesterabend 2008 im brandenburgischen Schönfließ unter nicht geklärten Umständen von einem Berliner Polizeibeamten erschossen worden. Der Beamte R. feuerte acht Schüsse ab, von denen schon der erste tödlich war. Der Schütze schweigt, seine beiden am Einsatz beteiligten Kollegen B. und S. unterstützen das Schweigen durch die Aussage, sie hätten wegen lauter Silvesterböller die Schüsse nicht gehört. Nicht nur für die Familie und die vielen trauernden FreundInnen ist das unglaubwürdig.

Die Berliner Polizei hatte angeblich den Hinweis erhalten, dass der mit Haftbefehl gesuchte Dennis sich bei seiner Freundin in Schönfließ aufhalte. Die Beamten fanden ihn vor deren Haus, wo er in dem geparkten Auto wartete. Noch in ersten Verlautbarungen hatte es geheißen, Dennis habe mit dem Wagen zu fliehen versucht und dabei einen Beamten verletzt. Erst danach seien die tödlichen Schüsse gefallen.[2] Diese gängige „Notwehrsituation“, die Polizeibeamte gewöhnlich mit Erfolg für sich reklamieren, lässt sich in diesem Fall aber nur schwer aufrechterhalten. Denn anders als bei den Schüssen auf Tennessee Eisenberg[3] gibt es diesmal unabhängige ZeugInnen am Tatort.

Widersprüche tun sich schnell auf und lassen sich nicht einfach wegdefinieren. Die Schüsse wurden teils auf das fahrende Auto abgegeben, auf offener Straße, auf der sich unbeteiligte Personen befanden. Ein absolut unprofessionelles Verhalten der Polizeibeamten, befanden sie sich doch nicht in einer plötzlichen Stresssituation. Die drei Beamten seien bewusst in diese Situation gegangen und hätten alles falsch gemacht, demonstriert Prof. Oesten Baller vom Fachbereich Polizei der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege Berlin in der Sendung „Klartext“ des RBB-Fernsehens am 28. Januar 2009. Schon bald wird in den Medien spekuliert, die Polizisten müssten eine zusätzliche Motivation, vielleicht sogar einen unprofessionellen Jagdeifer gehabt haben.

Zudem war der Polizei bekannt, dass Dennis J. nie bewaffnet war. Das bestätigt in der genannten Klartext-Sendung auch der Berliner Polizeipräsident Dieter Glietsch: „Es handelt sich hier nicht um einen bekannten, bewaffneten Gewalttäter, sondern um einen Straftäter, der zwar viele Straftaten begangen hat, bei dem bisher nie Anzeichen vorlagen, dass er bewaffnet ist.“

Beginn der Ermittlungen und der Solidarität

Knapp zwei Wochen nach den Schüssen ermittelt die Staatsanwaltschaft Neuruppin (Brandenburg) gegen den Schützen wegen Totschlags, gegen seine Kollegen wegen versuchter Strafvereitelung. Sie hegt erhebliche Zweifel an der Version der Polizisten. Der Schütze wird zunächst festgenommen, aber gegen Meldeauflagen wieder aus der Haft entlassen und erhält Personenschutz aus Berlin. Es scheint, als solle auf diesem Weg versucht werden, den Täter mindestens als potentielles Opfer aufzubauen.

Hingegen wird der Erschossene, Dennis J., in den Medien wahlweise als „Intensivtäter“ (Tagesspiegel), „Kleinkrimineller“ (B.Z.) oder „gesuchter Krimineller“ (SpiegelOnline) bezeichnet.[4] Was in anderen Fällen die Notwehrversion stützt und Solidarität verhindert, funktioniert hier nicht: Neben den Angehörigen und FreundInnen von Dennis J. engagieren sich bald politische Gruppen gegen Polizeigewalt und dafür, dass die Notwehrversion ins Wanken gerät.

Am 11. Juli 2009 findet in Neukölln/Kreuzberg eine Demonstration statt. Die Presse berichtet an diesem Tag darüber, dass nach einem Gutachten die Schüsse auf Dennis J. nicht gerechtfertigt sein konnten. Die ermittelnde Oberstaatsanwältin äußert sich allerdings ausdrücklich nicht dazu, ob dies nun zur Anklageerhebung führen würde. Das ist der Anlass für die Familie und die UnterstützerInnen erneut zu zeigen, dass sie über diesen Todesschuss kein Gras wachsen lassen wollen. Inzwischen thematisieren sie nicht nur den Tod von Dennis J., sondern erinnern auch an andere durch Polizeigewalt zu Tode gekommene Menschen. Auch ihre Portraits werden an der Demonstration gezeigt und die Umstände ihres Todes in Erinnerung gerufen (Oury Jalloh und Tennessee Eisenberg, später auch Halim Dener und Carlo Giuliani).

Am 15. August 2009 soll in Neukölln ein Hoffest mit anschließender Kundgebung stattfinden. Kaffee und Kuchen stehen bereit und Informationen zum Umgang mit Polizeigewalt sind ausgelegt. Der Versuch der Polizei, diesen winzigen Infostand zu verbieten, gelingt nicht. Schnell bildet sich ein Kreis aus Familienmitgliedern und UnterstützterInnen und macht deutlich, dass die Anwesenden sich nicht diktieren lassen, ob sie Informationen verteilen oder nicht. Die angedrohte Räumung des Infostandes findet nicht statt. Die PolizeibeamtInnen ziehen sich zurück und werden nicht mehr gesehen. Es ist offensichtlich, dass sie eine Eskalation bei diesem Thema an diesem Ort vermeiden wollen.

Der Prozess

Am 4. Mai 2010 wird im Landgericht Neuruppin der Prozess gegen den Schützen R. wegen Totschlags und gegen seine beiden Kollegen S. und B. wegen versuchter Strafvereitelung eröffnet. Die Kampagne für Opfer rassistisch motivierter Polizeigewalt (KOP) war angefragt worden, das Verfahren zu beobachten. Die Ergebnisse sind auf ihrer Internetseite dokumentiert.[5] Es beginnt unter massiver Polizeipräsenz und ungewohnten Sicherheitsmaßnahmen. Die drei Angeklagten werden von fünf Rechtsanwälten verteidigt. Der Justiziar der Berliner Polizei begleitet alle Prozesstage. Drei NebenklägerInnen sind gemeinsam mit ihren Anwälten anwesend, am fünften Prozesstag kommt eine weitere Nebenklägerin mit ihrer Anwältin dazu. Ebenfalls vom ersten bis zum letzten Verhandlungstag verfolgen Verwandte, FreundInnen und UnterstützerInnen das Geschehen im Gerichtssaal. Das Verfahren stößt bei lokalen wie überregionalen Medien auf großes Interesse.

Die Angeklagten äußern sich nicht zu den Tatvorwürfen und lassen stattdessen durch ihre Anwälte Einlassungen verlesen, nach denen sie in einer Notwehr- oder Nothilfesituation gehandelt haben wollen. Es werden ZeugInnen gehört. Zwei Mädchen, die zum Zeitpunkt des Geschehens 13 und 15 Jahre alt waren, sagen aus, der Wagen sei erst gestartet worden, nachdem der erste Schuss gefallen war. Auch sei es auf der Straße ruhig gewesen, Silvesterböller seien nicht zu hören gewesen. Dies bestätigen weitere ZeugInnen im Prozessverlauf. Die Behauptung der Angeklagten B. und S., sie hätten die Schüsse ihres Kollegen aufgrund der Silvesterknallerei nicht wahrnehmen können, wird nachhaltig erschüttert. Die Notwehrversion steht zunehmend auf wackligen Beinen.

Nachlässigkeit oder System? Mehrere ZeugInnen stellen vor Gericht unabhängig voneinander fest, dass Passagen aus ihren polizeilichen Vernehmungsprotokollen nicht mit ihren ursprünglichen Aussagen übereinstimmen. Auch sind auffällig viele Protokolle nicht unterschrieben, was den vorsitzenden Richter dazu veranlasst, sich „ein bisschen misstrauisch über das Zustandekommen dieser polizeilichen Protokolle“ zu äußern.[6] Die Tatortarbeit stellt sich als nachlässig heraus: Zwei Projektile wurden nicht gefunden, ein in der Nähe geparktes Fahrzeug übersehen – ein Aspekt, der für die Rekonstruktion des Geschehens wichtig ist. Außerdem haben nicht mehr identifizierbare Berliner Polizeibeamte die Kleidung der späteren Angeklagten sichergestellt, da sich die Brandenburger ErmittlerInnen dafür offensichtlich nicht interessierten. Ein Vernehmungsbeamter sagt aus, den Angeklagten sei direkt nach dem Geschehen die Möglichkeit gegeben worden, sich über mehrere Stunden gemeinsam mit ihrem Vorgesetzten zu besprechen.

Befangener Gutachter und kollegiale Kollegen: Der Unfallgutachter Wanderer unterstützt die Einlassung des Schützen R., indem er eine Notwehrsituation nicht ausschließt. Seiner Einschätzung nach hätte Dennis J. den Wagen bereits vor Abgabe des ersten Schusses gestartet haben können. Die Nebenklage lehnt den Gutachter wegen Befangenheit ab, da er bereits vor Auftragserteilung durch das Gericht ein Privatgutachten in der gleichen Sache für die Verteidigung erstellt hat. Der Antrag wegen Befangenheit wird abgelehnt. Die Befragung der Gutachter zieht sich hin, ohne dass mehr Klarheit gewonnen wird. Zu guter Letzt wird der berufliche Ehrgeiz des Schützen R. thematisiert. Er wird von mehreren Kollegen als hochmotivierter Festnahmespezialist beschrieben. Auch die Beamten S. und B. werden als ambitioniert im Dienst charakterisiert.

Plädoyers: Am 28. Juni 2010 werden die Plädoyers gehalten. Die Staatsanwaltschaft sieht es als erwiesen an, dass der Angeklagte R. sich des „Totschlags“ – des minderschweren Falls – schuldig gemacht hat. Bei den Angeklagten B. und S. sieht er den Tatbestand der „versuchten Strafvereitelung im Amt“ erfüllt. Dem schließt sich die Nebenklagevertretung an. Staatsanwaltschaft und Nebenklage fordern für den Schützen eine mehrjährige Haftstrafe und für B. und S. Bewährungsstrafen. Dass diese sich ihrem Kollegen eher verpflichtet gefühlt hätten als der Wahrheit, führen sowohl Nebenklage als auch die Staatsanwaltschaft auf den „berüchtigten Korpsgeist“ der Berliner Polizei zurück. Dass R. mit seiner „Ballerei in einem Wohngebiet eklatant gegen die Regeln des Schusswaffengebrauchs“ verstoßen, wegen einer „übersteigerten Motivation jegliches Maß verloren“ und damit „den Tod von Dennis J. in Kauf genommen“ hat, ist für den Staatsanwalt offensichtlich und rechtfertige das geforderte Strafmaß. Die Verteidigung plädiert auf Freispruch. Der Schütze habe sich in einer Notwehr- und Nothilfesituation befunden und seine Kollegen keine Schüsse gehört.[7]

Das Urteil – In der Sache gut, im Strafmaß enttäuschend

Am 3. Juli 2010 wird das Urteil verkündet. R. wird wegen Totschlags im minderschweren Fall schuldig gesprochen und zu zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wird. Die Mitangeklagten werden wegen versuchter Strafvereitlung im Amt – ebenfalls im minderschweren Fall – zu Geldstrafen verurteilt. Das Urteil führt zu Aufregung im Gerichtssaal. Noch vor der Begründung verlassen Verwandte und FreundInnen unter Protest den Raum, Rufe wie „Mörder“ werden laut.

Gemäß der mündlichen Begründung sei R. besonders haftempfindlich, weil er im Gefängnis aufgrund seiner Position erhebliche Probleme zu erwarten habe, weshalb eine Bewährungsstrafe gerechtfertigt sei. Außerdem hätte R. seine berufliche Perspektive verloren. Als Strafminderungsgründe nennt der Richter die herausragende Gefährlichkeit des Polizeiberufs, die unübersichtliche Situation, Stress und die vermeintlich rechtsstaatliche Motivation und Durchführung der Festnahme.

Dass eine Haftstrafe mit der Begründung zur Bewährung ausgesetzt wird, der Verurteilte sei „haftempfindlich“, hat auch die Nebenklagevertreterin Böhler noch nicht erlebt. Auch die Minderungsgründe sieht sie kritisch. Der Angeklagte sei als ehrgeizig und erfahren beschrieben worden, was die Stressthese angreift. Auch die völlige Ignoranz der gesetzlichen Grundlagen zum Schusswaffengebrauch und das vollständige Leeren des Magazins, widerlege die These von der Rechtsstaatlichkeit der Festnahme. Eine Festnahme um den Preis der Tötung könne eher ein niedriger Beweggrund im Sinne eines Mordmerkmals sein, weil sich in dem erheblichen Missverhältnis zwischen einem Menschenleben einerseits und der Befriedigung des beruflichen Ehrgeizes durch die Verhinderung der Flucht andererseits eine besondere Geringschätzung gegenüber dem Leben des Opfers zeigt.

Der für B. und S. angeführte Minderungsgrund, es sei besonders schwer für PolizistInnen gegeneinander auszusagen, stößt ebenfalls auf das Unverständnis der Nebenklagevertreterin. Schließlich seien sie diejenigen, die Straftaten aufklären sollen. Daher sei das Schweigen und Lügen Amtsmissbrauch und müsse strafschärfend, nicht jedoch strafmildernd gewertet werden.

Der Protest geht weiter

Während zweimal wöchentlich verhandelt wird und sich immer neue Widersprüche auftun, rufen Familie und FreundInnen noch etwa zwei Wochen vor der Urteilsverkündung am 19. Juni zu einer Demonstration unter dem Motto „Nicht Freund und Helfer, sondern Richter und Henker“ durch Neukölln und Kreuzberg mit anschließender Kundgebung am Sitz des Polizeipräsidenten von Berlin auf. Das Interesse der am Rande stehenden PassantInnen ist sehr groß. Fast alle haben von den tödlichen Schüssen auf Dennis J. gehört und sind voller Sympathie für die Demonstrierenden. Eine ungewöhnliche Situation in Berlin.

Am Abend nach der Urteilsverkündung findet eine spontane Kundgebung und Demonstration statt. Wie schon im Gerichtssaal werden auch hier „Mörder“-Rufe laut. Die RednerInnen heben einerseits als Erfolg hervor, dass es diesen Prozess überhaupt gegeben hat und die Täter verurteilt wurden. Andererseits wird Kritik an diesem Urteil geäußert, denn R. habe Dennis J. erschossen und müsse dafür ins Gefängnis. Außerdem wird kritisiert, dass die beiden Kollegen versucht hätten, das Tötungsdelikt zu decken, wofür sie nicht mehr im Polizeidienst bleiben dürften.

Ein „bislang unbekanntes Aktionsbündnis“ bekennt sich zu Sachbeschädigungen, die es in den Zusammenhang mit den Todesschüssen auf Dennis J. stellt.[8] Zwei Tage nach der Urteilsverkündung findet die Veranstaltung „Tödliche Polizeigewalt: Niemand wird vergessen“ im Festsaal Kreuzberg statt. Das Bündnis gegen Polizeigewalt wird immer breiter. Neue Aktivitäten sind geplant.

Was bleibt

Der Prozess hat gezeigt, dass es unerlässlich ist, dass Betroffene von polizeilicher Gewalt resp. ihre Angehörigen als NebenklägerInnen auftreten und damit die Möglichkeit der Akteneinsicht zu haben. Nur so kann ein Teil der Ermittlungstätigkeit eingesehen und gegebenenfalls weitere Maßnahmen eingefordert werden. Die Betroffenen können so wenigstens zum Teil Kontrolle ausüben. Der Prozess hat aber auch gezeigt, dass unabhängige ZeugInnen notwendig sind, um die Definitionsmacht der Täter über das Geschehen einzuschränken. Liegt diese bei den beteiligten und den ermittelnden PolizistInnen alleine, ist die Chance verschwindend gering, deren Versionen in Frage zu stellen. Als nützlich erwies sich in diesem Fall zudem, dass Staatsanwaltschaft und Polizei nicht aus dem gleichen Bundesland kamen. Die ermittelnde Staatsanwaltschaft war so nicht Quasi-Kollegin, was für eine einigermaßen unabhängige Ermittlung sicherlich förderlich ist. Die Medien spielen eine wichtige Rolle bei der vorprozesslichen Definition des Geschehens. Sie können neben und auch gegen die ErmittlerInnen Fragen stellen und Zweifel äußern.

Unabhängige ZeugInnen, Brandenburger Staatsanwaltschaft, kritisch fragende Medien, die Entschlossenheit der NebenklägerInnen und Solidarität mit ihnen sind die Voraussetzungen für eine Prozesseröffnung gewesen. Es wurde die Möglichkeit geschaffen, sich an der Definitionsmacht des Geschehens zu beteiligen. Auch wenn der Prozess in Neuruppin nicht zur Zufriedenheit der Familie und der UnterstützerInnen ausgegangen ist, war es ein Erfolg, dass er überhaupt stattgefunden hat. Das letzte Wort ist außerdem noch nicht gesprochen.

KOP – Kampagne für Opfer rassistisch motivierter Polizeigewalt

Die Kampagne für Opfer rassistisch motivierter Polizeigewalt wurde 2002 durch die Opferberatungsstelle ReachOut, das Antidiskriminierungsbüro (ADB e.V.), den Ermittlungsausschuss (EA) und Netzwerk Selbsthilfe e.V. gegründet. KOP dokumentiert rassistisch motivierte Polizeigewalt und unterstützt die Opfer bei Bedarf auch finanziell, damit sie sich gegen das ihnen zugefügte Unrecht auf juristischem Weg wehren können.

KOP will der Ohnmachtssituation des Übergriffs praktische Solidarität mit den Betroffenen entgegensetzen. Dazu bieten die Beratungsstellen innerhalb der Kampagne Betroffenen von rassistischer Polizeigewalt kostenlose Beratung und psychologische Unterstützung an. Bei der juristischen Auseinandersetzung, die vielen Betroffenen durch (Gegen-)Anzeigen wegen „Widerstands gegen Vollzugsbeamte“ aufgezwungen wird, unterstützt KOP durch Vermittlung von RechtsanwältInnen und durch Prozessbegleitung. Durch den spendenfinanzierten Rechtshilfefond der Kampagne versucht KOP, Prozesskosten im Rahmen der Möglichkeiten mitzufinanzieren.

Spenden sind erwünscht: Netzwerk Selbsthilfe e.V., Stichwort „Rechtshilfefonds“, Bank für Sozialwirtschaft BLZ 100 205 00, Konto 302 98 04                                   www.kop-berlin.de

[1]      Pütter, N.: Polizeiübergriffe – Polizeigewalt als Ausnahme und Regel, in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 67 (3/2000), S. 6-19
[2]     Märkische Allgemeine v. 2.1.2009
[3]     siehe den Beitrag von Otto Diederichs in diesem Heft, S. 57-61
[4]     Tagesspiegel v. 11.7. 2009; BZ v.11.1.2009; spiegel online v. 7.1.2009
[5]     http://kop-berlin.de/de/2010/07/dossier-dennis/
[6]     Mitschrift der KOP-Prozessbeobachtung
[7]     alle Zitate aus der Mitschrift der KOP-Prozessbeobachtung
[8]     Berliner Morgenpost v. 12.7.2010