Chronologie

zusammengestellt von Otto Diederichs

Mai 2013

01.05.: Rechtsradikale Terrorgruppe NSU: Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gibt die Ablehnung der Klage eines Journalisten gegen die Platzvergabe beim bevorstehenden Prozess bekannt; eine weitere Klage ist noch offen. Durch Medienberichte wird bekannt, dass ein psychatrischer Gutachter die Angeklagte Beate Zschäpe für voll schuldfähig erklärt hat. Da Zschäpe eine Untersuchung abgelehnt hatte, entstand das Gutachten anhand von Prozessunterlagen und Zeugenaussagen. Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages erklärt am 02.05. eine Videoübertragung des Verfahrens in einen Nebenraum für unzulässig. Unter großen Sicherheitsvorkehrungen beginnt am 06.05. der NSU-Prozess mit Befangenheitsanträgen gegen den Vorsitzenden Richter. Zur Anklageverlesung kommt es nicht; der Prozess wird bis Mitte Mai unterbrochen. Ebenfalls am 06.05. wird in Berlin durch ein Akteneinsichtsgesuch des Innenausschusses ein weiterer Fehler des Landeskriminalamtes (LKA) entdeckt: Statt vorhandener sieben Berichte des V-Mannes „VP 620“ waren dem Bundestagsuntersuchungsausschuss im Oktober 2011 lediglich zwei zugeleitet worden. Grund soll ein Kopierfehler gewesen sein. Am 10.05. weist das OLG München die Befangenheitsanträge der Verteidigung als unbegründet zurück. Vor dem Innenausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses muss Innensenator Frank Henkel (CDU) am 13.05. einen weiteren Aktenvermerk des LKA eingestehen, der bislang nicht weitergeleitet worden war. Am 14.05. wird in München der NSU-Prozess fortgesetzt; er endet nach längerem juristischem Gerangel mit der Verlesung der Anklage. Nach 16 Monaten kommt der Untersuchungsausschuss des Bundestages am 16.05. zu seiner letzten Sitzung zusammen. Nach zweiwöchiger Verhandlungspause wird der Münchner NSU-Prozess am 04.06. mit der Aussage der Mitangeklagten Carsten S. fortgesetzt. Dieser erklärt sich mehrerer Unterstützungstaten schuldig, darunter die Beschaffung der mutmaßlichen späteren Mordwaffe. In seiner Befragung am 05.06. erklärt sich auch der Mitangeklagte Holger G. für schuldig, dem Trio verschiedene Ausweispapiere zur Verfügung gestellt zu haben. Vor dem Thüringer NSU-Untersuchungsausschuss räumt die Mutter von Uwe Böhnhardt am 06.06. ein, sich mehrmals heimlich mit ihrem untergetauchten Sohn getroffen zu haben. Sie habe ihn zur Aufgabe bewegen wollen. Am 11.06. wird durch die Aussage von Carsten S. im NSU-Prozess ein Anschlag in Nürnberg aus dem Jahr 1999 bekannt, der möglicherweise dem NSU zuzurechnen ist. Bundesanwaltschaft (BAW) und Bundeskriminalamt (BKA) nehmen die Prüfung des Falles auf. Insgesamt sollen für den Zeitraum bis zum Jahr 2011 circa 4.000 bislang ungeklärte Tötungsdelikte und mehr als 10.000 nicht aufgeklärte Sprengstoffdelikte auf einen evtl. NSU-Bezug neu überprüft werden; der hierfür benötigte Zeitraum wird auf 20 Jahre geschätzt. Ebenfalls am 11.06. verteidigt der frühere Innenminister Günther Beckstein (CSU vor dem bayerischen NSU-Untersuchungsausschuss die seinerzeitige Ermittlungsarbeit der Polizei. Der Bundestags-Untersuchungsausschuss tritt am 13.06. überraschend noch einmal in die Beweisaufnahme ein. Grund ist eine neu aufgetauchte Akte über eine Geheimdienstquelle des baden-württembergischen Verfassungsschutzes namens „Krokus“. Am 18.06. bestätigt die BAW, dass im Fall des Nürnberger Anschlages offizielle Ermittlungen gegen Beate Zschäpe eingeleitet wurden. Vor dem Untersuchungsausschuss des bayerischen Landtages sagt am 18.06. ein Kriminalhauptkommissar als Zeuge überraschend aus, er habe den Begriff NSU bereits im Jahr 2007 erstmals gehört. Er sei den Ermittlern von einem Verfassungsschutzamt übermittelt worden. Im Archiv des sächsischen Verfassungsschutzes werden erneut bisher unbekannte Akten mit NSU-Bezug gefunden. Dies bestätigt das Amt am 19.06., der Vizechef des Landesamtes, Olaf Vahrenhold wird versetzt. Wie sich aus einer Aktenvorlage an die Abgeordneten des Berliner Innenausschusses am 20.06. ergibt, führte die Berliner Polizei neben der bislang bekannt geworden V-Person zeitweise offenbar noch zwei weitere V-Leute im Umfeld des NSU. Am 26.06. beginnt das Gericht zunächst mit der Beweisaufnahme zur Brandstiftung in der Zwickauer Wohnung des NSU-Trios, der im November 2011 das gesamte zerstörte. In diesem Komplex wird Beate Zschäpe schwere menschengefährdende Brandstiftung vorgeworfen. Am 27.06. wird aus dem Thüringer Untersuchungsausschuss bekannt, dass vermutlich eine weitere bisher unbekannte Adressenliste des NSU verschwunden ist. Auf Anfrage teilt die Staatsanwaltschaft Köln am 27.06. mit, dass die Ermittlungen gegen die Beteiligten an der Aktenschredder-Affäre im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) vom November 2011 eingestellt wurden, da es keinen Anfangsverdacht für strafrechtlich relevantes Handeln gegeben habe. Am 03.06. schließt der bayerische Untersuchungsausschuss seine Arbeit ab. Der Bundestagsuntersuchungsausschuss entdeckt in Verfassungsschutzakten hinweise darauf, dass vom LfV Thüringen eine weitere V-Person verschwiegen wurde. Dies wird am 07.07. bekannt. Am 09.07. beginnt im NSU-Prozess die Beweisaufnahme zum ersten Mord an Enver Simsek in Nürnberg im September 2000. Am 11.07., dem 22. Prozesstag, beginnt die Zeugeneinvernahme im Mordfall Habil Kilic. Er wurde im August 2001 in München erschossen und gilt als das vierte Opfer des NSU. Im Münchner NSU-Prozess sagt am 16.07. ein BKA-Beamter, der den Mitangeklagten Holger G. vernommen hatte. Er belastet darin die Hauptangeklagte Beate Zschäpe; sie sei nach Gs. Aussagen stets „in alles eingebunden“ und „ein gleichberechtigtes Mitglied“ der Gruppe gewesen. Mit der Zeugenbefragung im Mordfall Ismail Yasar geht der NSU-Prozess nach 32 Verhandlungstagen am 06.08. in die Sommerpause. Der Imbissbetreiber Yasar gilt als sechstes Opfer des NSU. Nach 75 Sitzungen veröffentlicht der Bundestagsuntersuchungsausschuss am 22.08. seinen Abschlussbericht. Darin werden schwere Versäumnisse der Sicherheitsbehörden dokumentiert.

03.05.: Telekommunikationsgesetz: Ohne Aussprache billigt der Bundesrat das Gesetz, das Internet- und Handy-Provider verpflichtet, den Sicherheitsbehörden Bestandsdaten (Namen, IP-Adres­sen, Passwörter etc.) auch ohne richterlichen Beschluss zur Verfügung zu stellen.

Trojaner: Das Bundesinnenministerium bestätigt, dass das Bundeskriminalamt (BKA) zu einem Preis von 147.000 Euro britische Trojaner-Software für eine zehnmonatige Probenutzung gekauft hat.

04.05.: Gewalt gegen Polizisten: Der nordrhein-westfälische Innenminister präsentiert das Lagebild „Gewalt gegen Polizei“. Danach wurden 2012 rund 6.000 Straftaten gegen PolizistInnen erfasst, 26 Prozent davon Beleidigungen oder passive Widerstandshandlungen. Die Zahl der Verletzten sank gegenüber 2011 um 3,1 Prozent auf 1.816. 15 BeamtInnen wurden schwer verletzt (mindestens einige Tage dienstunfähig). Am 02.12. stellt das Innenministerium eine bei der Universität Kiel in Auftrag gegebene Studie vor, die ebenfalls einem weiten Gewaltbegriff (inkl. verbale Provokationen) folgt.

06.05.: NSU: Vor dem Oberlandesgericht München beginnt der Prozess gegen Beate Zschäpe u.a.. Am 09.07. legt der Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtags seinen Bericht vor. Am 22.08. folgt der Bericht des Bundestagsausschusses.

07.05.: Razzien bei Fußball-Fans: Mit Durchsuchungen in Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg, Brandenburg und Berlin geht die Staatsanwaltschaft Rostock gegen Fans des FC Hansa Rostock vor. Hintergrund sind schwere Auseinandersetzungen vom November 2012 und April 2013.

21.05.: Anti-Castor-Demonstration: Das Amtsgericht (AG) Lüneburg verurteilt den Bundestagsabgeordneten der Linken, Diether Dehm, wegen Aufforderung zu Straftaten zu einer Geldstrafe von 2.250 Euro. Er hatte im Internet einen Aufruf zum „Schottern“ unterzeichnet.

Schläge in der Zelle: Die Staatsanwaltschaft München erhebt Anklage gegen einen Polizeibeamten wegen vorsätzlicher Körperverletzung im Amt. Der Beamte hatte im Januar in einer Haftzelle eine bereits mit Handschellen gefesselte junge Frau so heftig ins Gesicht geschlagen, dass sie wegen Nasenbeinbruchs und Verletzungen der Augenhöhle operiert werden musste. Unzulässigerweise wurde auch das Handy der Frau auf Kontakte zur Presse überprüft. Am 06.08. verurteilt das AG München den Beamten zu zehn Monaten Haft auf Bewährung und einer Geldauflage von 3.000 Euro. Er legt Berufung ein.

Rocker: Mit über 1.000 BeamtInnen verhindert die Polizei ein Aufeinandertreffen von „Hells Angels“ und „Bandidos“ in Mülheim (NRW). In Berlin durchsucht die Polizei mit einem Großaufgebot am 28.05. Clubhaus und Wohnungen von Mitgliedern eines „Hells Angels“-Ablegers und beschlagnahmen zahlreiche Waffen. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) verbietet am 03.07. den „Regionalverband Gremium Motorcycle Club Sachsen“; am gleichen Tag verbietet auch das brandenburgische Innenministerium zwei Chapter der „Hells Angels“. Zeitgleich werden in Berlin, Brandenburg, Niedersachsen, Sachsen und Sachsen-Anhalt Durchsuchungen durchgeführt. Am 28.08. führen PolizistInnen in Deutschland, der Schweiz und Österreich Razzien bei Mitgliedern des „Gremium MC“ durch.

22.05.: Tritte bei Festnahme: In Westerburg (Rheinland-Pfalz) prügeln und treten zwei Polizeibeamte unvermittelt auf einen 27-Jährigen ein. Die Staatsanwaltschaft Koblenz erhebt am 23.09 Anklage gegen die Beiden wegen Körperverletzung im Amt. Das Verfahren gegen zwei Kollegen wegen Strafvereitelung wird eingestellt.

Verdacht gegen Salafisten: Laut Pressemeldungen konnte das BKA DNA-Spuren an der im Dezember 2012 am Bonner Hauptbahnhof deponierten Bombe dem familiären Umfeld des Salafisten Marco G. zuordnen. Der im März festgenommene G. wird auch verdächtigt, Anschläge auf Mitglieder der Rechtspartei „Pro NRW“ geplant zu haben.

Rechtsextreme Internetplattform: Die Staatsanwaltschaft Rostock klagt die vier Betreiber des „Thiazi-Forums“ der Bildung einer kriminellen Vereinigung und der Volksverhetzung an.

Grossrazzia gegen „Revolutionäre Aktionszellen“: 300 PolizistInnen durchsuchen 21 Wohnungen und Objekte in drei Bundesländern.

Handygate: Zwei sächsische Abgeordnete der Linken klagen vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gegen das Urteil des Landgerichts (LG) Dresden, das die Funkzellenabfrage während der Anti-Nazi-Demonstration im Februar 2011 für rechtmäßig erklärt hatte. Insgesamt hatte die Polizei damals 81.229 Verkehrs- und 35.748 Bestandsdatensätze von den Providern abgefragt.

24.05.: V-Leute-Datei: Die Innenministerkonferenz (IMK) einigt sich in Hannover auf eine zentrale V-Leute-Datei, die 2014 starten und beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) geführt werden soll.

25.05.: Todesschuss: Im oberbayerischen Geltendorf wollen Streifenbeamte ein verdächtiges Fahrzeug überprüfen. Daraufhin werden sie beschossen, ein Polizist wird schwer verletzt. Der 49-Jährige Angreifer stirbt bei dem Schusswechsel.

27.05.: Polizei mit Kamera: Hessen startet am einen einjährigen Modellversuch: PolizistInnen werden in bestimmten Gegenden mit Videokameras ausgerüstet, um Gewalt gegen die BeamtInnen vorzubeugen. Gemäß Innenministerium wurden 2012 rund 3.300 Attacken registriert.

28.05.: V-Leute in der NPD: Durch eine Informationspanne wird bekannt, dass das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) im 760 Mitglieder starken NPD-Landesverband insgesamt 17 V-Leute führt.

Straffälliger Polizist: Durch Pressemeldungen wird bekannt, dass ein saarländischer Polizeikommissar vom Dienst suspendiert wurde, weil er heimlich Kolleginnen in den Umkleideräumen gefilmt hatte.

31.05.: Blockupy: In Frankfurt/M. verhindert die Polizei die Demo gegen die Banken und EU-Krisenpolitik, indem sie mehrere Hundert DemonstrantInnen einkesselt. Das Blockupy-Bündnis reicht am 06.06. beim Verwaltungsgericht (VG) Frankfurt eine Klage ein. Am 08.06. demonstrieren über 6.000 Menschen gegen das polizeiliche Vorgehen.

Juni 2013

01.06.: Videoüberwachung: Die Deutsche Bahn AG gibt bekannt, Bahnhöfe verstärkt mit Videotechnik ausrüsten zu wollen. Auswertung und Speicherung soll die Bundespolizei übernehmen. Zudem will man demnächst eine eigene Überwachungs-Drohne testen.

02.06.: Überwachung der Linksfraktion: Die Linksfraktion im Bundestag meldet, dass das BfV insgesamt 25 ihrer Abgeordneten überwacht. In dem am 30.08. vorgelegten hessischen Verfassungsschutzbericht wird die LINKE als „größte Partei im organisierten Linksextremismus“ benannt. Am 09.10.erklärt das BVerfG die Überwachung des thüringischen LINKE-Abgeordneten Bodo Ramelow für verfassungswidrig. Derart schwere Eingriffe in das freie Mandat seien nur in Ausnahmefällen begründet. Nach Angaben der LINKE-Bundestagsfraktion sind noch etwa 50 ähnliche Klagen anhängig. Am 10.10. wird bekannt, dass das BfV der Abgeordneten Petra Pau weiterhin die Aktenauskunft verweigert. Der Arbeitsaufwand sei zu hoch; zudem befürchtet man „absehbare Auswirkungen auf weitere anhängige oder zukünftige Auskunftsbegehren“.

03.06.: NPD-Verbotsverfahren 2003: Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg lehnt einen Antrag des Berliner „Tagesspiegel“ auf Aktenfreigabe nach dem Informationsfreiheitsgesetz ab und entscheidet, dass das Bundesinnenministerium (BMI) juristische Gutachten aus dem gescheiterten NPD-Verbotsverfahren von 2003 umfassend geheim halten darf, um den Erfolg eines neuerlichen Verbotsverfahrens nicht zu gefährden (Az.: OVG 12 S 23.13).

04.06.: Aktion gegen Schleuser: In mehreren Bundesländern geht die Polizei gegen eine mutmaßliche Schleuserbande vor, die rund 100 SyrerInnen illegal nach Deutschland gebracht haben soll. 28 Geschäftsräume und Wohnungen, vorwiegend in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, werden durchsucht, fünf Personen festgenommen.

06.06. NSA: Gestützt auf Dokumente von Edward Snowden berichtet der „Guardian“ erstmals über die Internet-Überwachungsprogramme des US-Geheimdienstes. Die Bundesregierung rechtfertigt zunächst diese Programme, zeigt sich dann aber empört, als am 23.10. bekannt wird, dass auch das Handy der Kanzlerin überwacht wurde (mehr dazu in diesem Heft auf S. xx-xx).

07.06.: Todesschuss: Auf einem Polizeirevier im bayerischen Starnberg fuchtelt ein 73-jähriger Mann mit einem langen Küchenmesser herum. Mehrere Polizeibeamte schießen auf den Mann und verletzen ihn tödlich. Die Staatsanwaltschaft gibt am 11.10. die Einstellung der Ermittlungen gegen die Polizisten bekannt. Die insgesamt sieben Schüsse, von denen einer den Mann in den Kopf traf, werden als Notwehr gewertet.

16.06.: Bundesnachrichtendienst: Durch Presseveröffentlichungen wird bekannt, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) ein 100 Mio. Euro teures „Technikaufwuchsprogramm“ zur verstärkten Internet-Überwachung startet. Eine erste Tranche von 5 Mio. habe die Bundesregierung bereits freigegeben.

18.06.: Mildere Strafen für Polizeiprügel: In der Berufung vor dem LG Berlin erhalten zwei Polizisten, die bei der „Freiheit-statt-Angst“-Demo im September 2009 einen Mann geschlagen hatten, ein mildes Urteil. Das LG senkt die Geldstrafen von je 6.000 auf 4.000 bzw. 2.000 Euro und verurteilt den einen nur mehr wegen fahrlässiger Körperverletzung.

20.06.: Razzien bei Salafisten: In Hamburg und anderen norddeutschen Städten durchsucht die Polizei Wohnungen. Die Inhaber werden verdächtigt, eine Nachfolgeorganisation des 2012 verbotenen Vereins „Millatu Ibrahim“ gegründet und eine „schwere staatsgefährdende Gewalttat“ vorzureiten. Festnahmen gibt es nicht.

25.06.: Durchsuchungen bei Islamisten: In Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen sowie in Belgien durchsuchen PolizistInnen neun Objekte, deren Inhaber verdächtigt werden, „radikal-islamistische“ Sprengstoffanschläge durch ferngesteuerte Modellflugzeuge zu planen und den „militanten Dschihad“ zu finanzieren; festgenommen wird niemand.

Urteil gegen Anti-Nazi-Demonstranten: Der Bundesgerichtshof (BGH) hebt das Urteil gegen einen 19-Jährigen auf, der bei einer Anti-Nazi-Demonstration im März 2012 in Nürnberg Polizisten angegriffen hatte und zu zweieinhalb Jahren Jugendstrafe verurteilt worden war. In der zweiten Runde vor dem LG Nürnberg wird der Mann am 25.10. nur mehr zu einer zwei Jahren auf Bewährung veruteilt.

26.06.: Aktionen gegen die DHKP-C: Bei von der Bundesanwaltschaft angeordneten Durchsuchungen in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen werden vier Personen festgenommen, die Gelder für die türkische „Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-front“ (DHKP-C) gesammelt und weitergeleitet haben sollen. Weitere Durchsuchungen gegen die in der EU als „terroristische Organisation“ gelistete Gruppe gibt es in Österreich, Belgien und den Niederlanden.

Verfassungsschutzberichte: Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet, dass Organisationen, die nur des Extremismus verdächtigt werden, künftig nicht mehr im Verfassungsschutzbericht genannt werden dürfen. Geklagt hatte die „Bürgerbewegung Pro Köln“.

28.06.: Todesschuss: In Berlin steigt ein offenbar verwirrter Mann nackt in einen Brunnen und fügt sich mit einem Messer Verletzungen zu. Als er damit einen der herbeigerufenen Polizisten bedrängt, schießt der Beamte und trifft den Mann tödlich. Am 23.08. werden die Ermittlungen gegen den Beamten eingestellt; der Polizist habe in Notwehr gehandelt.

28.06.: Rechter Bombenbauer: Die Polizei nimmt in München einen 33-jährigen Rechtsextremisten fest, der eine funktionsfähige Nagelbombe hergestellt hatte.

30.06.: Flüchtlingscamp geräumt: In den frühen Morgenstunden räumt die Polizei das Camp der „Non-Citizens“, die für die Anerkennung als Flüchtlinge, einen Abschiebestopp und gegen die Residenzpflicht kämpfen, auf dem Münchner Rindermarkt. Stadt und Landesregierung begründen die Räumung mit der lebensbedrohlichen Lage der 44 Asylsuchenden, die sich seit einer Woche im Hunger- und seit fünf Tagen im Durststreik befinden.

Juli 2013

03.07.: Entlassung: Die Personalchefin der bayerischen Polizei kündigt im Landtagsinnenausschuss die Entfernung des früheren Rosenheimer Polizeichefs aus dem Polizeidienst an. Er hatte im September 2012 einen 15-Jährigen getreten und mit dem Kopf gegen eine Wand geschlagen.

05.07.: Sicherungsverwahrung: Das OVG Münster entscheidet, dass Angehörige eines Sexualstraftäters, der nicht in nachträgliche Sicherungsverwahrung genommen werden darf, bei dem jedoch eine hohe Rückfallgefahr angenommen wird, mitüberwacht werden dürfen (Az.: 5 A 607/11). Am 07.08. erklärt das BVerfG das Anfang 2011 in Kraft getretene Therapieunterbringungsgesetz (ThUG), das an die Stelle der vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) für unzulässig erklärten nachträglichen Sicherheitsverwahrung trat, unter strengen Voraussetzungen für verfassungsgemäß (Az: 2 BvR 2302/11). In Bayern werden am 14.08. alle acht Personen freigelassen, die bisher nach dem ThUG verwahrt waren. Die Mehrzahl von ihnen muss eine elektronische Fußfessel tragen. Der BGH erkennt am 19.09. vier Sexualstraftätern, deren Sicherungsverwahrung nachträglich über 10 Jahre verlängert worden war, Entschädigungen zwischen 49.000 und 73.000 Euro zu. Gleichentags spricht der EGMR einem deutschen Straftäter ein Schmerzensgeld von 5.000 Euro zu, weil seine Sicherungsverwahrung 2009 ohne erneute medizinische Überprüfung verlängert worden war.

08.07.: Telefonüberwachung bei Polizei: Durch Presseberichte wird bekannt, dass im Münchner Polizeipräsidium fast 30 Jahre lang die Telefongespräche der Einsatzzentrale, des Kriminaldauerdienstes sowie des Polizeiführungsstabes illegal mitgeschnitten wurden.

10.07.: Gefilmte Schläge: Die Bremer Polizei teilt mit, dass sie Anzeige gegen mehrere Beamte gestellt hat. Die Polizisten hatten im Juni in einer Diskothek einen am Boden liegenden Mann geschlagen und getreten; der Vorfall war von einer Videokamera aufgezeichnet worden.

10.07.: Razzien gegen Neonazis: In Bayern führt die Polizei eine landesweite Razzia gegen das „Freie Netz Süd“, einen Dachverband von „Kameradschaften“ durch, um Beweismaterial für ein Verbot zu finden. Pistolen, Knüppel und Propagandamaterial werden beschlagnahmt.

12.07.: US-Ausspähprogramm „prism“: Nach seinem Gespräch mit US-Regierungsvertretern verteidigt Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) das weltweite elektronische US-Spionageprogramm „prism“. Hierdurch seien insgesamt 45 terroristische Anschläge verhindert worden; davon 25 in Europa und 5 in Deutschland, drei Tage später relativiert er seine Aussage. Während die Bundesregierung offiziell jede Kenntnis von „prism“ bestreitet, wird am 15.07. ebenfalls bekannt, dass der BND in dem zurück liegenden Jahren bei Entführungsfällen im Ausland auf dem Wege der Amtshilfe mehrfach nach Daten des „prism“-Programm anfragte. Am 17.07. melden Presseberichte, auch die Bundeswehr bediene sich in ihrem Afghanistan-Einsatz an „prism“-Informationen; dies wird vom BND umgehend bestritten. Durch weitere Pressemeldungen wird am 20.07. bekannt, dass der BND seit Längerem ebenfalls ein Teilprogramm von „prism“ nutzt. Darüber hinaus schult er das BfV in der Handhabung der Spähsoftware namens „XKeyscore“. Am nächsten Tag müssen BND und BfV dies bestätigen; das geschehe jedoch lediglich zu „Testzwecken“. Am 02.08 kündigt die Bundesregierung gegenüber den USA und Großbritannien die noch aus dem Jahr 1969 stammenden Abkommen, für die westlichen Besatzungsmächte Post- und Fernmeldeüberwachungen durchzuführen. Am 03.08. gibt die Bundesanwaltschaft bekannt, dass sie alle deutschen Geheimdienste und Ministerien aufgefordert hat, ihr Wissen über das „prism“-Ausspähprogramm mitzuteilen. Geprüft werden soll ob ein Ermittlungsverfahren wegen geheimdienstlicher Tätigkeit zu Lasten der Bundesrepublik eingeleitet werden sollte. Am 04.08. wird dann bekannt, das der BND seit Jahren in millionenfachem Umfang so genannte Meta-Daten (z.B. Rufnummern, IP-Adressen u.ä.) seiner Fernmeldeaufklärung an das „prism“-Programm weiterleitet. Am 06.08. wird auch das Abhörabkommen mit Frankreich aufgehoben. Am 08.08. räumt der BND schließlich ein, das Ausspähtool „XKeyscore“ bereits seit 2007 für seine Zwecke einzusetzen.

05.09.: US-Ausspähprogramm „prism“: In einer Pressekonferenz wirft der Bundesdatenschutzbeauftragte, Peter Schaar, dem Bundesinnenministerium (BMI) vor, ihm Auskünfte zum Ausmaß der „prism“-Überwachung des US-amerikanischen National Security Agency (NSA) und dessen auch vom Verfassungsschutz genutzten Analyseprogramm „XKeyscore“ zu verweigern. Ein BMI-Sprecher erklärt, diese Fragen lägen „außerhalb der Zuständigkeit“ von Schaar. In einem vertraulichen Gespräch lässt sich Bundespräsident Joachim Gauck am 06.09. von Schaar über dessen Einschätzung der Abhöraffäre informieren. Am 07.09. demonstrieren in Berlin rund 10.000 Menschen gegen den „Überwachungswahn“ der Geheimdienste. Unter Berufung auf Unterlagen des Bundesinnenministeriums berichten Medien am 13.09. dass das BfV im Jahr 2012 insgesamt 864 Datensätze an die NSA übermittelt hat; im Gegenzug erhielt aus den USA 4.700 Verbindungsdaten. Zudem seien an den britischen Geheimdienst 657 Datensätze gegeben worden. BfV-präsident Hans-Georg Maaßen erklärt, die Zusammenarbeit halte sich strikt an gesetzliche Vorgaben.

14.07: Militärischer Abschirmdienst: Nach eigenen Angaben hat der Dienst 2012 rund 400 Extremisten in der Bundeswehr enttarnt. Davon seien etwas mehr als 300 Rechte und rund 50 Islamisten gewesen.

17.07.: Durchsuchungen bei Neonazis: In mehreren Bundesländern sowie in der Schweiz und den Niederlanden werden Wohnungen, Geschäftsräume und Gefängniszellen von Mitgliedern eines „Werwolf“-Kommandos durchsucht, die verdächtigt werden, „ das politische System der Bundesrepublik gewaltsam“ beseitigen zu wollen. Beweismittel werden sichergestellt, zu Festnahmen kommt es nicht.

18.07.: Von Neonazi erschlagen: Bei einer Schlägerei zwischen Neonazis aus Thüringen und drei Spätaussiedlern auf einem Volksfest in Kaufbeuren (Bayern) erschlägt ein Neonazi einen unbeteiligten Kasachen.

21.07.: Mehr Sicherheitsüberprüfungen: Das LfV Brandenburg gibt bekannt, dass 2012 428 Bedienstete von Landesbehörden und Unternehmen sicherheitsüberprüft wurden (2011: 123). Hinzu kamen 6.438 Zuverlässigkeits­überprüfungen, die meisten nach dem Luftsicherheitsgesetz (2011: 2.525).

25.07.: „Deutsches Polizei-Hilfswerk“ (DPHW): In Sachsen durchsucht die Polizei Wohnungen von Mitgliedern des aus dem Umkreis der rechtsextremen „Reichsbürger“ kommenden DPHW. Ihnen wird die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen.

August 2013

08.08.: Körperverletzung im Amt: Das LG Duisburg verurteilt einen Polizisten, der im August 2009 einem schon am Boden liegenden 14-Jährigen einen Faustschlag ins Gesicht versetzt hatte, zu 1.000 Euro Geldstrafe.

13.08.: Telefonüberwachung: Der Berliner Senat verabschiedet den „Jahresbericht über die Praxis der Telefonüberwachung“. Danach hörte die Berliner Polizei 2012 im Auftrag der Staatsanwaltschaft mehr als 1,6 Mio. Gespräche von 641 Betroffenen ab (2011: 1,5 Mio.).

14.08.: Razzia gegen Salafisten: Auf der Suche nach salifistischen Schriften durchsuchen Polizeibeamte unter Federführung des LKA Baden-Württemberg am 14.08. insgesamt 21 Wohnungen und Geschäftsräume. Schwerpunkt der Aktion ist Nordrhein-Westfalen.

15.08.: Todesschuss: In den frühen Morgenstunden randaliert im bayerischen Merching ein Mann vor der Wohnung seiner Ex-Freundin. Beim Eintreffen der Polizei entwendet er einem Beamten die Waffe und schießt. Dessen Kollege erwidert das Feuer und tötet den Mann.

Polizist wegen sexueller Belästigung verurteilt: In Berufungsverfahren verurteilt das LG Düsseldorf einen 54-Jährigen Polizeibeamten zu einer Geldstrafe von 2.400 Euro. Er hatte Frauen, die eines Verkehrsvergehens beschuldigt wurden, per SMS eindeutige Angebote gemacht.

20.08.: Flüchtlingsproteste: In Würzburg starten rund 30 Asylsuchende und etliche UnterstützerInnen einer Marsch gegen die Residenzpflicht. Durch einen Pressebericht wird am 30.08. bekannt, dass das Landratsamt Dingolfing einem Asylbewerber zwar gestattet hat, den Landkreis für eine Woche zu verlassen. In dem Bescheid heißt es jedoch, die Erlaubnis berechtige „nicht zur Teilnahme an einem Protestmarsch oder einer Demonstration und erlischt in diesem Falle“. Am 03.09. löst die Polizei den Protestmarsch an der Münchner Stadtgrenze auf und führt die Flüchtlinge in Handschellen ab. In der Nacht zum 04.09. besetzen etwa 30 Asylsuchende in München das DGB-Gewerkschaftshaus. Rund 30 aus Bayern kommende Asylsuchende lassen sich notdürftig vor dem Brandenburger Tor in Berlin nieder und verlangen ihre Anerkennung als Flüchtlinge. Die Polizei greift nicht ein, das Aufschlagen von Zelten wird den Protestierenden aber trotz des Wetters verboten.. Einige Tage später treten sie zunächst in einen Hunger- und Durststreik. Bis zum 17.10. müssen bereits 19 von ihnen ins Krankenhaus eingeliefert werden. Gleichentags stoppt die bayerische Polizei auf der Autobahn einen Bus mit weiteren 35 Flüchtlingen, die die in Berlin Protestierenden unterstützen wollten. Nach Gesprächen mit Vertretern des Bundesamtes für Migration und der Berliner Integrationsbeauftragten setzen die Protestierenden den Hungerstreik vorläufig aus. Nach einer einwöchigen Protestaktion vor dem bayerischen Sozialministerium treten in München sechs Asylbewerber ebenfalls in einen unbefristeten Hungerstreik.

21.08: Polizei auf Schalke: Beim Spiel gegen Saloniki stürmt die Polizei den Schalker Fanblock. Durch den Einsatz von Schlagstöcken und Pfefferspray werden rund 80 Personen verletzt. Nach heftger Kritik des Vereins droht Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) am 12.09., keine Polizei mehr im Stadion einzusetzen. Am 14.09. mildert der Klub seine Kritik und Jäger sagt den Rückzug der Polizei wieder ab.

24.08.: Rechtsradikaler Polizist: In Sachsen-Anhalt nimmt ein Polizeibeamter einen Kollegen fest, der bei einem Laternenfest in Halle (Saale) mehrfach den Hitlergruß gezeigt hat. Der belastete Beamte wird umgehend vom Dienst suspendiert.

26.08.: Stuttgart 21: Das AG Stuttgart bestätigt Meldungen, wonach drei Polizeibeamte, die den schweren Wasserwerfereinsatz bei einer Demonstration gegen das Bahnhofsprojekt am 30. September 2010 zu verantworten hatten, bereits Anfang August verurteilt wurden: zwei zu einer siebenmonatigen Bewährungsstrafe, der dritte zu einer Geldstrafe. Mit besagtem Einsatz wird sich auch ein Untersuchungsausschuss befassen, den der baden-württembergische Landtag am 08.12. einsetzt.

Freispruch für Anti-Castor-Aktivistin: Das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg hebt Urteile gegen eine Kletteraktivistin auf, die 2008 und 2009 auf der Bahnstrecke Lüneburg-Dannenberg demonstriert hatte.

NPD-Funktionäre: Die Stralsunder Staatsanwaltschaft ermittelt gegen vier Funktionäre der Partei, die wenige Tage zuvor in Greifswald aus einer größeren Gruppe heraus ein links-alternatives Wohnprojekt angegriffen hatten.

28.08.: Überprüfung der Sicherheitsgesetze: Die Regierungskommission fordert in ihren Abschlussbericht u.a. die Stärkung der Bundesanwaltschaft und des Bundesschutzbeauftragten. Die je zur Hälfte vom Bundesinnen- und vom Bundesjustizministerium benannten Mitglieder sind sich aber in zentralen Fragen uneinig.

Finanzierung des Dschihad: In Berlin und Hamburg führt die Polizei Durchsuchungen bei zwei Frauen und zwei Männern durch, die im Verdacht stehen, Geld für pakistanische Dschihadisten zu sammeln. Es werden Geld und Datenträger beschlagnahmt; Festnahmen gibt es nicht.

September 2013

02.09.: Rechtsradikale Terrorgruppe NSU: Der Bundestag diskutiert den Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses. Vor der Debatte entschuldigt sich Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) im Namen des Parlaments bei den Angehörigen der NSU-Opfer für die zahlreichen Pannen der Sicherheitsbehörden. Nach vierwöchiger Sommerpause wird in München der NSU-Prozess mit dem Nagelbombenanschlag von 2004 in Köln und der Ermordung von Ismail Yasar im Jahr 2005 fortgesetzt. Ebenfalls am 05.09. nimmt auch der Thüringer Untersuchungsausschuss seine Arbeit wieder auf. Dort wird am 09.09. bekannt, dass das rechtsextreme Trio – nach dem damals noch nur wegen Sprengstoffmissbrauchs gefahndet wurde – sich Ende der 1990er Jahre auf Initiative des Verfassungsschutzes stellen wollte, wenn ihnen Straffreiheit gewährt würde. Die Staatsanwaltschaft lehnte das Ansinnen ab. Am 17.09. stellen die Anwälte von Beate Zschäpe Befangenheitsanträge gegen sämtliche Richter. Der Prozess muss unterbrochen werden. Im Thüringer Untersuchungsausschuss wird am gleichen Tag aus einem Aktenvermerk bekannt, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) im Jahr 2000 eine Operation zur Anwerbung von V-Leuten in der thüringischen rechtsextremen Szene vorbereitet hatte. Dem Bundestags-Untersuchungsausschuss war dies verschwiegen worden. Am 18.09. lehnt das Münchner Oberlandesgericht (OLG) die Befangenheitsanträge der Zschäpe-Verteidigung ab. Einen Tag später stellt eine Nebenklagevertreterin den Antrag, eine bislang unbekannte Zeugin zu hören, die sich bei ihr gemeldet hatte. Die Frau will Beate Zschäpe kurz vor dem Mord an Mehmet Kubasik am 04.04.2006 in Dortmund gemeinsam mit Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und einem weiteren Mann in der Nähe des Tatortes gesehen haben. Sie hatte sich bisher nicht bei der Polizei gemeldet. Am 23.09. sagt der Vater des im Juni 2001 in Hamburg erschossenen Süleyman Tasköprü aus, er habe damals zwei Deutsche in Tatortnähe fliehen sehen. Die Polizei ging dieser Spur jedoch nicht nach. Äußerst detailreich sagt am 30.09. die zuvor unbekannte Zeugin, Veronika von A., aus Dortmund aus. Wieweit ihre Erinnerungen zutreffend sind, bleibt fraglich. Am 01.10. wird der frühere Verfassungsschützer Andreas T. vernommen. Er war während des Mordes an Halit Yozgat im April 2006 in dessen Internet-Café anwesend, hatte sich jedoch nicht als Zeuge gemeldet. T. sagt aus, er habe familiäre und berufliche Probleme befürchtet, zumal von der Tat nichts bemerkt habe. Vor dem Thüringer Untersuchungsausschuss sagt am 06.10. ein Beamter des Landeskriminalamtes (LKA) aus, er habe bei einer Zielfahndung im Jahre 1998 den Eindruck gewonnen, dass das Erfurter LfV einen Erfolg seinerzeit gezielt hintertrieben habe. Am 21.10. sagt im NSU-Prozess eine Zeugin aus, die Beate Zschäpe kurz vor dem Mord an Ismail Yasar im Jahr 2005 in Tatortnähe gesehen haben will. Am 06.11. wird der Besitzer des rechtsgerichteten Jenaer Szeneladens, über den die Mordwaffe an den NSU gelangte, befragt. Er kann sich an die seinerzeitigen Vorgänge angeblich nicht mehr erinnern. Vor dem Thüringer Untersuchungsausschuss macht der Vater von Uwe Mundlos am 11.11. den Verfassungsschutz für den Aufbau des NSU verantwortlich. Unmittelbar nachvollziehbar sind seine Ausführungen nicht. Am 12.11. wird im Münchner NSU-Prozess die Frisörin Silvia S. vernommen. Sie hatte 2005 ihre AOK-Karte gegen Zahlung von 300 EUR an Beate Zschäpe überlassen. S. will sich seinerzeit keine weiteren Gedanken darum gemacht haben und sich heute an kaum noch etwas erinnern können. Am 19./20.11. sagt im Münchner NSU-Prozess die Mutter von Uwe Böhnhardt aus. Dabei macht sie die Sicherheitsbehörden mitverantwortlich für das Abtauchen ihres Sohnes in den Untergrund. Am 21.11. sagt André K. als Zeuge aus. Von seinem Zeugnisverweigerungsrecht macht der, der NSU-Unterstützung verdächtigte Rechtsextremist nicht Gebrauch. In seiner Aussage belastet er Tino Brandt, eine zentrale Figur der ostdeutschen rechten Szene und langjährigen V-Mann des LfV Thüringen, dem Trio beim Untertauchen geholfen zu haben. Vor dem Münchner OLG sagt am 27.11. der Cousin von Beate Zschäpe aus. Der ehemalige Skinhead erklärt, man sei in der gemeinsamen Jugend „schon rechts gerichtet“ gewesen. Die ebenfalls geladene Mutter Zschäpes macht als nahe Verwandte von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Im Münchner Prozess erheben die Nebenkläger am 03.12. Vorwürfe gegen das Gericht nachdem sich es dieses  zuvor abgelehnt hatte, die vollständigen Akten über den früheren Verfassungsschützer Andreas T. beizuziehen. T. war zum Zeitpunkt des Mordes an Halit Yozgat im April 2006 in dessen Internet-Cafe anwesend, will von der Tat jedoch nichts bemerkt haben. Am 04.12. wird ein ehemaliger V-Mann von Andreas T. als Zeuge vernommen. Zur Aufklärung trägt er nicht bei. In einem Fernseh-Magazin erhebt ein anonymer Beamter des LKA Thüringen schwere Vorwürfe gegen den LKA-Präsidenten. Er soll im Juni 2003 eine erfolgversprechende Fahndung nach Uwe Böhnhardt unterbunden haben. Ähnliche Vorwürfe waren vor dem Thüringer Untersuchungsausschuss erhoben worden. Ob sie zutreffen ist bislang unklar. Bei der Zeugenbefragung des Vaters von Uwe Mundlos kommt es am 18./19.12. zu einem bizarren Auftritt. Der Vater schildert seinen Sohn als „lieb und naiv“, gibt dem Verfassungsschutz eine Mitschuld an dessen Abdriften in die rechte Szene und beleidigt schließlich sogar den Richter als „Klugsch…“. Über Beate Zschäpe und den Mitangeklagten Ralf Wohlleben berichtet er nur Positives; Schuld sieht er nur bei Uwe Böhnhardt. Eine Video-Vernehmung der früheren Nachbarin des NSU-Trios muss am 20.12. nach kurzer Zeit abgebrochen werden. Die 91-Jährige ist dem Stress nicht gewachsen.

03.09.: „Besseres Hannover“ bleibt verboten: Das OVG Lüneburg verwirft die Klage eines Führungsmitglieds der im September 2012 wegen Volksverhetzung und Verbreitung nationalsozialistischer Propaganda verbotenen Gruppe. (Az.: 11 KS 288/12).

04.09.: Sexueller Missbrauch durch Polizisten: Aufgrund einer Strafanzeige nimmt die Berliner Polizei Ermittlungen gegen einen ihrer Beamten wegen sexuellen Missbrauchs zweier Kinder und eines Jugendlichen auf. Ebenfalls am 04.09. bestätigt die Staatsanwaltschaft Düsseldorf, dass sie gegen einen Polizeibeamten ermittelt, der auf der Toilette des Polizeireviers einen 20-Jährigen vergewaltigt haben soll.

Übergriffe gegen Anti-NPD-DemonstrantInnen: In Regensburg geht die Polizei mit Gewalt gegen DemonstrantInnen vor, die eine NPD-Demo blockieren. Politiker werfen der Polizei vor, regelrecht „eine Schneise in die Reihen der Demonstranten geschlagen“ zu haben.

06.09.: Stille SMS: Durch eine Anfrage der Bundestags-Linksfraktion wird bekannt, dass BKA, Zoll und BfV im ersten Halbjahr 2013 insgesamt 125.869 Handyortungen per „stiller SMS“ durchgeführt haben, fast gleich viel wie im ganzen Jahr 2012 (129.550). Durch eine Anfrage der PIRATEN-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus wird am 22.10. bekannt, dass die Berliner Polizei im ersten Halbjahr 2013 diese Methode 122.098 Mal genutzt hat (ganzes Jahr 2012: 145.666).

08.09.: Geheimes Anti-Terror-Projekt: Durch Presseberichte wird bekannt, dass der BND, das BfV und die US-amerikanische CIA ab 2005 in Neuss gemeinsam ein geheimes Anti-Terror-Projekt mit Namen „Projekt 6“ betrieben haben. Der BND bestätigt das. Das Projekt sei 2010 eingestellt worden. Ziel sei es gewesen, Informationen aus dem islamistischen Milieu zu gewinnen und V-Leute anzuwerben.

18.09.: Verfassungsschutz Niedersachsen: Aufgrund einer internen Untersuchung von Dateien und Akten wird bekannt, dass das LfV Niedersachen sieben JournalistInnen, darunter die Rechtsextremismus-Expertin Andrea Röpke, überwachte (siehe in diesem Heft auf S. xx). Am 27.09. muss das Amt einräumen, dass auch über eine Mitarbeiterin der GRÜNEN-Fraktion im niedersächsischen Landtag sowie einen Mitarbeiter der LINKEN-Chefin Katja Kipping Daten gesammelt und gespeichert wurden. Am 30.09. gibt der Göttinger Anwalt Sven Adam, der u.a. Andrea Röpke vertritt, bekannt, dass auch er im Visier des LFV stand. Am 06.11. entscheidet das VG Göttingen, dass das LfV die Daten über einen Göttinger Journalisten zu löschen hat (Az:1 A 246/11).

19.09.: Thüringer Polizeigesetz: Die CDU-SPD-Koalition paukt ein überarbeitetes Polizeigesetz durch den Landtag, das die ganze Palette von präventiven verdeckten Ermittlungsbefugnissen einschließlich Telefonüberwachung und Trojaner-Einsatz enthält. Der Landeverfassungsgerichtshof hatte im November 2012 wesentliche Teile des Polizeigesetzes von 2008 für verfassungswidrig erklärt und für eine Neuregelung eine Frist bis zum 30.09.2013 gesetzt.

23.09.: Außerdienstlicher Übergriff: Durch einen Pressebericht wird bekannt, dass zwei Berliner Zivilbeamte außerhalb des Dienstes drei Wochen zuvor einen dunkelhäutigen Mann zusammengeschlagen und getreten haben sollen. Die Polizei bestätigt eine „tätliche Auseinandersetzung“. Gegen die Beamten werde ermittelt.

29.09.: Polizist wegen Kinderpornos verurteilt: Durch einen Pressebericht wird bekannt, dass bereits im August ein Leitender Polizeibeamter im Kreis Lauenburg wegen des Besitzes von Kinderpornos zu einer Geldstrafe von 9.000 Euro verurteilt wurde. Zudem verlor der Mann seine Leitungsfunktion, darf jedoch im Polizeidienst bleiben.

Oktober

01.10.: Historikerkommission zum Verfassungsschutz: Die 2011 eingesetzte Kommission zur Aufarbeitung von NS-Einflüssen auf das BfV legt ihren Zwischenbericht vor. Demnach hatten in der Anfangszeit 205 Mitarbeiter des Amtes (13 Prozent) eine NS-Vergangenheit. Sie hätten vor allem einen „atmosphärischen Einfluss“ im Amt gehabt.

04.10.: Krimineller Polizist verurteilt: Ein wegen Spielsucht hochverschuldeter Polizist aus Mönchengladbach wird wegen eines Banküberfalls zu drei Gefängnis verurteilt.

06.10.: Überwachung von AnwältInnen: Durch einen Pressebericht wird bekannt, dass das BKA über mehrere Jahre Telefongespräche von AnwältInnen und ihren MandantInnen abgehört und ausgewertet hat. Im Falle eines Bochumer Anwalts, der in zwei Fällen abgehört worden war, erklärte der Ermittlungsrichter beim BGH die Überwachung für rechtswidrig.

14.10.: Polizeikennzeichnung: Die Gewerkschaft der Polizei gibt bekannt, dass zwei Polizeibeamte gegen die seit Jahresbeginn in Brandenburg geltende Kennzeichnungspflicht eine Klage beim Landesverfassungsgericht eingereicht haben. Am 20.11. bzw. am 23.11. erklären die Innenminister von Rheinland-Pfalz und Bremen, die Kennzeichnungspflicht zum 1. Januar 2014 einzuführen. In Hessen haben CDU und Grüne in ihrer am 23.12. unterzeichneten Koalitionsvereinbarung ebenfalls die Kennzeichnungspflicht vorgesehen.

19.10.: Scientology-Überwachung: In einem Schreiben an die LfV kündigt das BfV an, im Rahmen einer Neuordnung die Überwachung von Scientology „auf ein Minimum zu reduzieren“.

25.10.: Ermittlungen gegen Polizisten eingestellt: Die Dresdner Staatsanwaltschaft stellt die Ermittlungen gegen zwei Angehörige einer sächsischen Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit ein. Sie hatten bei der Dresdner Anti-Nazi-Demo am 19. Februar 2011 einen mutmaßlichen Steinwerfer, der sich auf den Lautsprecherwagen des Jenaer Jugendpfarrers Lothar König gerettet hatte, brutal wieder herunter geprügelt. Ein Video, das den Vorfall zeigt, war im Prozess gegen König vorgeführt worden. Das Verfahren gegen den Pfarrer, dem Aufruf zur Gewalt vorgeworfen wird, ruht gegenwärtig.

28.10.: Haftbefehl für Polizisten: Gegen einen Berliner Polizisten ergehat Haftbefehl wegen versuchten Totschlags. Der Beamte hatte in seiner Freizeit einen anderen Mann im Streit so schwer zusammengeschlagen, dass dieser auf der Intensivstation behandelt werden musste.

November

01.11.: Verfahren zum tödlichen Brechmitteleinsatz endgültig eingestellt: Das LG Bremen stellt den Prozess gegen einen ehemaligen Polizeiarzt gegen eine Zahlung von 20.000 Euro an die Mutter eines aus Sierra Leone stammenden Mannes ein, dem der Arzt Ende 2004 Brechmittel eingeflößt hatte, um verschlucktes Kokain sicherzustellen. Im Januar 2005 war der Mann an den Folgen der Aktion gestorben. In zwei vorhergehenden Verfahren war der Arzt freigesprochen worden.

12.11.: Polizeilicher Todesschuss: Gegen Mitternacht kündigt ein Mann telefonisch bei der Polizei in Stuttgart an, er werde nun bewaffnet auf die Strasse gehen. Als Polizisten eintreffen, schießt er mit einer Schreckschusspistole in die Luft und geht auf die Beamten zu. Ein Polizist schießt und trifft ihn tödlich in den Unterleib.

Gerichtsentscheidung gegen NPD: Wegen schwerer Fehler in ihrem Rechenschaftsbericht für 2007 entscheidet das BVerfG, dass die NPD insgesamt 1,27 Mio. Euro zurückzahlen muss. Staatliche Mittel nach dem Parteiengesetz erhält sie bis auf weiteres nicht mehr.

12.11.: Sonja Suder frei: Im Prozess um den Überfall auf die Wiener OPEC-Konferenz 1975 wird Sonja Suder vom Mordvorwurf freigesprochen. Das LG Frankfurt verurteilt die heute 80-Jährige jedoch wegen Brandanschlägen zu dreieinhalb Jahren Haft. Da ihr die Auslieferungshaft in Frankreich sowie zwei Jahre Untersuchungshaft in Deutschland angerechnet werden, wird der Haftbefehl außer Vollzu gesetzt.

14.11.: Ermittlungen gegen Polizisten wegen versuchten Mordes: Nach einer Haftbeschwerde entlässt das LG Leipzig einen Polizeibeamten aus der Untersuchungshaft. Gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen versuchten Mordes. Er soll mit seinem Dienstwagen absichtlich einen Drogendealer angefahren und verletzt haben.

27.11.: Entlassung eines Polizisten gescheitert: Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) München weist die Klage des Freistaates Bayern auf Dienstentfernung eines Polizeioberkommissars ab, der Ende 2006 seine Freundin vergewaltigt hatte und zu einer Bewährungsstrafe von 11 Monaten und zwei Wochen verurteilt worden war. Der VGH sah lediglich eine „Beziehungstat“ ohne „direkten Dienstbezug“ und verfügte nur die Herabstufung um zwei Dienstgrade.

Neonazi-Netzwerk bleibt verboten: Das OVG Berlin-Brandenburg bestätigt das Verbot der „Widerstandsbewegung in Südbrandenburg“ vom Juni 2012. Eine Revision lässt das Gericht nicht zu.

28.11.: Polizist wegen Tötungsverbrechen festgenommen: In Dresden wird ein Kriminalhauptkommissar des LKA Sachsen festgenommen, der einen Mann auf dessen Verlangen getötet haben soll. Anschließend habe er die Leiche zerstückelt und auf seinem Grundstück vergraben.

Dezember 2013

02.12.: Historikerkommission beim Bundesnachrichtendienst: Die 2010 eingesetzte Historikerkommission, die die Geschichte des Dienstes und seiner Vorläuferin, der Organisation Gehlen, bis 1968 untersuchen soll, legt erste Ergebnisse vor. Demnach waren 1950 rund 90 Prozent des Personals NS-belastet oder kamen aus der Wehrmacht. 1965 betrug die Quote immer noch 50 Prozent.

03.12.: NPD-Verbotsantrag: Der Bundesrat reicht beim BeVerfG einen neuen Verbotsantrag gegen die NPD ein. Bundesregierung und Bundestag schließen sich dem Antrag nicht an.

12.12.: Vorratsdatenspeicherung: Der Generalanwalt beim EU-Gerichtshof veröffentlicht sein Gutachten, wonach die Vorratsdatenspeicherung, so wie sie in der entsprechenden Richtlinie von 2006 vorgesehen ist, gegen die EU-Grundrechtscharta verstößt.

Polizeilicher Todesschuss: In Hürth bei Köln wird die Polizei am frühen Abend zu einem Ehestreit gerufen. Als die Beamten eintreffen, hat der Mann seine Ehefrau bereits lebensgefährlich mit einer Machete verletzt. Als er auch auf die Polizisten losgeht, schießt einer der Beamten auf ihn und verletzt ihn tödlich.

19.12.: Neue Datenschutzbeauftragte: Andrea Voßhoff (CDU), die als Befürworterin der Vorratsdatenspeicherung gilt, wird neue Bundesdatenschutzbeauftragte.

21.12.: Schwere Auseinandersetzungen in Hamburg: Bei einer Demonstration für den Erhalt des linken Kulturzentrums „Rote Flora“ kommt es zu schweren Auseinandersetzungen zwischen mehreren Tausend DemonstrantInnen und den rund 3.200 PolizistInnen. 117 PolizistInnen werden verletzt, 16 müssen im Krankenhaus behandelt werden. 30 DemonstrantInnen werden festgenommen, weitere 300 in Gewahrsam genommen, 500 verletzt. Bereits am Vortag hatte die Polizei die gesamte City zur „Gefahrenzone“ erklärt; damit konnten die Beamten ohne Anlass oder Verdacht Personen kontrollieren und durchsuchen, in Gewahrsam nehmen und Platzverweise erteilen.