Am 24. September 2014 verabschiedete der UN-Sicherheitsrat seine Resolution 2178 (2014), mit der die 193 Mitgliedstaaten teils verpflichtend zu Maßnahmen gegen Rekrutierung, Organisation, Transport, Ausrüstung und Finanzierung von Personen aufgefordert werden, die ihre Heimat mit dem Ziel verlassen, terroristische Handlungen zu begehen, zu planen oder vorzubereiten oder eine terroristische Ausbildung anzubieten bzw. zu erhalten. Die Staaten sollen solche Handlungen unter Strafe stellen, Reisebewegungen „ausländischer Kämpfer“ unterbinden, Reisedaten sammeln und analysieren, um Risikoprognosen zu erstellen. Fluggesellschaften sollen verpflichtet werden, vor dem Abflug „Advance Passenger Information“ (API) an die Behörden des Ziellandes zu übermitteln. Der internationale Austausch „operativer Informationen“ soll intensiviert, die Nutzung der UN-Terrorlisten und der entsprechenden „Special Notices“ von Interpol ausgeweitet werden.[1]
Bereits am 30. August hatte der Europäische Rat ein gemeinsames Vorgehen gegen „ausländische Kämpfer“ gefordert. Ein Paket mit 22 Maßnahmen, das die Innen- und JustizministerInnen bereits im Juni 2013 auf Initiative des EU-Terrorismuskoordinators abgesegnet hatten, soll zügig umgesetzt werden: Neben dem Ausbau von Informationsaustausch und -auswertung bei Europol, Eurojust, Frontex und Interpol, der Intensivierung der Zusammenarbeit mit Drittstaaten, Deradikalisierungsprojekten und einer Überprüfung des Terrorismus-Strafrechts der EU geht es dabei um zwei Dinge: Zum einen sollen die alten Pläne zur Schaffung eines EU-Regimes zur Fluggastdatenspeicherung (EU PNR) endlich realisiert werden. Zum anderen wird überlegt, wie das neue Schengen-Informationssystem (SIS II) auch bei der Kontrolle von einreisenden EU-BürgerInnen systematisch abgefragt werden kann.[2]
Bereits 2007 hatte die EU-Kommission einen ersten Vorschlag für ein EU PNR vorgelegt, auf den sich die Mitgliedstaaten jedoch nicht einigen konnten, bevor der Lissabon-Vertrag 2009 in Kraft trat. Im Februar 2011 machte die Kommission einen neuen Anlauf. Gemäß dem Richtlinien-Entwurf sollen die Fluggesellschaften ihre umfangreichen Fluggastdaten für sämtliche Interkontinentalflüge an Zentralstellen der Mitgliedstaaten schicken, wo diese für fünf Jahre gespeichert und ausgewertet werden dürfen.[3] Das Plenum des Europäischen Parlaments (EP) verwies den Kommissionsentwurf im Juni 2013 an den zuständigen Innenausschuss zurück, mit der Bitte, ein kritisches Votum zu überdenken. Wegen der EP-Neuwahlen beschäftigte sich der neue Innenausschuss jedoch erst am 11. November 2014 wieder mit der Vorlage. Vor dem Hintergrund des Urteils des EU-Gerichtshofs zur Vorratsdatenspeicherung blieb man dort skeptisch. Im Rat drängt eine Mehrheit jedoch darauf, auch Daten innereuropäische Flüge zu erfassen oder dies den Mitgliedstaaten zumindest freizustellen. Zudem werkeln mindestens 15 EU-Länder mit finanzieller Unterstützung der Kommission längst an eigenen nationalen PNR-Systemen.[4] Auch wenn das EP letztlich für ein EU PNR votiert, könnte der folgende Trilog also schwierig werden.
Die Diskussion um die SIS-II-Abfragen ergeben sich daraus, dass EU-BürgerInnen bei der Einreise an den EU-Außengrenzen laut Schengener Grenzkodex nur einer Mindestkontrolle zur Identitätsprüfung unterzogen werden dürfen; umfangreiche Datenbankabfragen z.B. im SIS II sind einzig auf „nicht systematischer Grundlage“ erlaubt, um sicherzustellen, dass eine Person keine Gefahr darstellt. Überlegt wird im Rat daher, entweder die rechtlichen Spielräume maximal auszuschöpfen und gemeinsame Risikoindikatoren für die Auswahl von Personen zur nicht-systematischen Kontrolle zu entwickeln und eine solche Praxis durch die Überarbeitung des Schengen-Handbuchs harmonisieren zu lassen oder den Grenzkodex so zu ändern, dass künftig auch alle EU-BürgerInnen bei der Einreise systematisch überprüft werden dürfen. (E. Töpfer)
[1] UN-Dok. S/RES/2178 (2014) v. 29.9.2014
[2] Ratsdok. 13416/14 v. 26.9.2014
[3] KOM(2011) 32 endgültig v. 2.2.2011
[4] http://www.statewatch.org/news/2014/oct/pnr-back-door.htm