Nachdem Deutschland seit dem 16. September 2024 wieder die Grenzen zu allen Nachbarstaaten kontrollieren lässt, sind Frankreich und die Niederlande nachgezogen: Frankreich begann am 1. November mit der Kontrolle sämtlicher Grenzen zu seinen Nachbarn. In den Niederlanden erklärte die neue Rechtsregierung Ende Oktober, die Land- und Luftgrenzen zu seinen beiden Nachbarn Deutschland und Belgien vom 9. Dezember an kontrollieren zu lassen. Beide Länder ordneten die Grenzkontrollen zunächst für sechs Monate an. Österreich hatte bereits am 16. Oktober mit der Kontrolle seiner Grenzen zur Slowakei und zu Tschechien begonnen und kontrolliert seit 12. November auch die Grenzen zu Ungarn und Slowenien; nur an seiner Grenze zu Deutschland kontrolliert Österreich nicht. Zum Jahreswechsel 2024/25 wird es damit Binnengrenzkontrollen in mindestens sieben von 29 Ländern des Schengenraums geben. Neben den vier genannten Ländern verlängern die drei skandinavischen Staaten Dänemark, Schweden und Norwegen bereits seit Jahren immer wieder die Kontrollen ihrer Grenzen. Zudem hat Italien Kontrollen seiner Grenzen zu Slowenien bis zum 18. Dezember notifiziert, und Slowenien wiederum kontrolliert seine Grenzen zu Ungarn und Kroatien noch bis zum 21. Dezember; eine Verlängerung scheint in beiden Fällen nicht unwahrscheinlich. Begründet werden die Kontrollen mal mit Druck auf die Asylsysteme, mal mit terroristischen Gefahren oder organisierter Kriminalität oder schlicht mit Verweis auf die globale Sicherheitslage.[1] Abschied auf Raten vom Schengenraum? weiterlesen
Alle Beiträge von Eric Töpfer
Bericht zur Überprüfung des SWIFT-Abkommens
Am 13. November 2024 veröffentlichte die EU-Kommission den siebenten Bericht über die Überprüfung der Durchführung des sogenannten SWIFT-Abkommens.[1] Das Abkommen zwischen der EU und den USA trat vor 14 Jahren in Kraft. Es sollte den Zugriff der US-Behörden auf die Daten der „Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication“ (SWIFT) im Rahmen des nach 9/11 gestarteten „Terrorist Finance Tracking Program“ (TFTP) sicherstellen, auch nachdem die Organisation zur Abwicklung von internationalem Zahlungsverkehr Teile ihrer Server nach Europa verlegt hatte. Das Abkommen verpflichtet SWIFT, den US-Behörden auf Anfrage und nach Prüfung durch Europol in der EU gespeicherte Zahlungsverkehrsdaten bereitzustellen, wenn dies zur „Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Terrorismus und Terrorismusfinanzierung notwendig“ ist. Im Gegenzug verpflichten sich die USA, Erkenntnisse aus dem TFTP sowohl proaktiv als auch auf Anfrage mit Behörden in der EU zu teilen. Die Einhaltung der Vorschriften wird in regelmäßigen Abständen durch ein gemeinsames Team aus Beamt*innen des US-Finanzministeriums, der EU-Kommission und von Datenschutzbehörden aus zwei EU-Mitgliedstaaten überprüft. Bericht zur Überprüfung des SWIFT-Abkommens weiterlesen
Teile des „Sicherheitspakets“ seit Ende Oktober in Kraft
Am 31. Oktober 2024, nur 52 Tage nachdem das Kabinett den Entwurf beschlossen hatte, trat mit dem Gesetz zur Verbesserung der inneren Sicherheit und des Asylsystems der erste Teil des „Sicherheitspakets“ in Kraft,[1] mit dem die Ampel-Regierung nach den tödlichen Messerangriffen von Mannheim und Solingen harte Kante zeigen wollte. Der zweite Teil des Pakets, das Gesetz zur Verbesserung der Terrorismusbekämpfung, war hingegen am 18. Oktober im Bundesrat abgelehnt worden.
Mit dem neuen Gesetz wurde, erstens, das Bundesverfassungsschutzgesetz geändert, um den Geheimdiensten die Überwachung von Finanzströmen zu erleichtern. Nachdem die Innenministerkonferenz (IMK) bereits 2020 eine Arbeitsgruppe zur Erarbeitung von Maßnahmen zur Aufklärung von Einnahmequellen rechtsextremer Organisationen eingesetzt hatte,[2] war ein entsprechender Prüfauftrag in den Ampel-Koalitionsvertrag aufgenommen worden.[3] Ohne Aufsehen wurde nun § 8a BVerfSchG geändert, um „besondere Auskunftsverlangen“ der Dienste zu Bestands- und Transaktionsdaten bei Banken und anderen Finanzunternehmen auch dann zu ermöglichen, wenn keine Gewaltaffinität der beobachteten „Bestrebungen“ erkennbar ist. Bewegten sich die von den G10-Kommissionen zu genehmigenden Auskunftsverlangen bislang im niedrigen zweistelligen Bereich pro Jahr,[4] ist nun ein deutliches Wachstum zu erwarten. Dabei ist absehbar, dass nicht nur Rechtsextreme ins Visier geraten. Teile des „Sicherheitspakets“ seit Ende Oktober in Kraft weiterlesen
EuG: EDPS-Klage gegen Europol-Verordnung unzulässig
Am 6. September 2023 wies das Europäische Gericht (EuG) die Klage des EU-Datenschutzbeauftragten (EDPS) gegen die Novelle der Europol-Verordnung als unzulässig ab.[1] Der EDPS hatte Mitte September 2022 erstmals eine Nichtigkeitsklage eingereicht, um die Annullierung von Bestimmungen zu erreichen, durch die er seine Unabhängigkeit und Kontrollbefugnisse von den gesetzgebenden Institutionen der EU verletzt sah. Dabei ging es um die rückwirkende Legalisierung der Verarbeitung von Massendaten durch Europol, deren Löschung der Datenschutzbeauftragte im Januar 2022 auf Grundlage der bis Juni des gleichen Jahres gültigen Fassung der Europol-Verordnung angeordnet hatte.[2] EuG: EDPS-Klage gegen Europol-Verordnung unzulässig weiterlesen
Medienaufsicht unterstützt BKA bei Internetkontrolle
Am 24. Mai 2023 meldeten die Landesmedienanstalten, dass sie ab sofort enger mit dem Bundeskriminalamt (BKA) zusammenarbeiten, um „Hassrede“ im Internet zu bekämpfen.[1] Dazu sollen Verdachtsfälle an die Zentrale Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet beim BKA (ZMI BKA) gemeldet werden. Die 14 Landesmedienanstalten sind zuständig für die Aufsicht über Rundfunk und Telemedien und verfolgen auf Grundlage des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages u. a. Volksverhetzung, Gewaltverherrlichung, NS-Propaganda und Pornographie im Netz. Dafür durchforstet die nordrhein-westfälische Medienanstalt schon seit Mai 2021 mit der „intelligenten“ Software KIVI automatisiert das Internet und meldet verdächtige Inhalte an das BKA. Nachdem der KIVI-Einsatz bereits letztes Jahr auf die anderen Medienanstalten ausgeweitet worden war, ziehen diese nun auch bei der Zusammenarbeit mit dem BKA nach.[2] Medienaufsicht unterstützt BKA bei Internetkontrolle weiterlesen
Neue Richtlinie zum polizeilichen Informationsaustausch
Am 11. Juni 2023 trat eine neue Richtlinie über den Informationsaustausch zwischen den Polizei- und Zollbehörden der EU-Mitgliedstaaten in Kraft.[1] Abgelöst wurden damit der 16 Jahre alte Rahmenbeschluss 2006/960/JI („Schwedische Initiative“) sowie Vorschriften des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ). Diese hatten – jenseits der Regeln für die großen IT-Systeme der EU – bisher den europarechtlichen Rahmen abgesteckt für grenzüberschreitende Datenübermittlungen zur Verhütung, Aufdeckung und Untersuchung von Straftaten, etwa wenn im Nachklapp zu Treffern bei Abfragen in den DNA-, oder Fingerabdruckdatenbanken anderer Mitgliedstaaten diese um weitere Informationen ersucht wurden. Neue Richtlinie zum polizeilichen Informationsaustausch weiterlesen
Redaktionsmitteilung
Um 1860 begann der britische Kolonialbeamte William James Herschel in Bengalen Fingerabdrücke zu nutzen, um Betrug bei der Auszahlung von Ruhegehältern an pensionierte Sepoys, die subalternen indischen Soldaten, zu verhindern. Damit legte er das Fundament für die Biometrie, die sich heute zur Schlüsseltechnologie entwickelt hat für die Kontrolle von grenzüberschreitender Mobilität und Migration, aber in wachsendem Maße auch der einheimischen Bevölkerung. Als „kolonialen Bumerang“ beschrieb Michel Foucault das Phänomen, dass Praktiken und Technologien, die in den Kolonien zur Durchsetzung und Sicherung imperialer Herrschaft entwickelt wurden, früher oder später auch in ihrem Mutterland zum Einsatz kommen. Redaktionsmitteilung weiterlesen
Brandenburg bekommt Polizeibeauftragte
Nach zwei Jahren zäher Verhandlungen hat die rot-schwarz-grüne Koalition in Brandenburg am 16. Dezember 2022 ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt und ein Gesetz zur Einrichtung einer Polizeibeauftragtenstelle verabschiedet.[1] Damit wird Brandenburg nun das siebente Bundesland mit einer solchen Ombudsperson. Anders als in den anderen Ländern, wo die Stellen zusätzlich als Bürger- oder Feuerwehrbeauftragte immer auch andere Aufgaben haben, wird sie in Brandenburg ausschließlich für Polizeithemen zuständig sein. So wie die bereits existierenden Beauftragten ist aber auch die Stelle in Brandenburg Hilfsorgan des Landtags bei der parlamentarischen Kontrolle, soll die Bevölkerung im „Dialog“ mit der Polizei unterstützen und auf eine einvernehmliche Erledigung von Beschwerden hinwirken; zugleich ist sie zuständig für Eingaben aus der Polizei. Dafür verfügt die*der Beauftragte über umfassende Auskunfts-, Akteneinsichts-, Anhörungs- und Betretungsrechte. Brandenburg bekommt Polizeibeauftragte weiterlesen
EU-Datenschützer bringt Europol-Befugnis vor Gericht
Am 16. September 2022 ging der seit Monaten andauernde Konflikt um die Massendatenverarbeitung durch Europol in die nächste Runde. Der Europäische Datenschutzbeauftragte (EDPS) schaltete den Europäischen Gerichtshof (EuGH) ein und beantragte, zwei Bestimmungen der geänderten Europol-Verordnung für nichtig zu erklären, die am 28. Juni des Jahres in Kraft getreten war.[1] Die beiden Bestimmungen, die durch Verordnung (EU) 2022/991 eingefügten Artikel 74a und 74b, legalisieren rückwirkend die Verarbeitung von Daten zu Personen, ohne dass diese in Verbindung zu Straftaten stehen. Am 3. Januar 2022 hatte der EDPS angeordnet, Massendatendatensätze, die Europol u. a. im Rahmen der Encrochat-Verfahren aus den Mitgliedstaaten erhalten hatte, bis spätestens Anfang Januar 2023 zu löschen, nachdem die Sechs-Monats-Frist verstrichen war, welche die alte Verordnung Europol eingeräumt hatte, um angelieferte Daten zu prüfen und Informationen zu Unbeteiligten, Opfern, Zeug*innen oder Kontaktpersonen herauszufiltern. Gemäß der geänderten Verordnung kann Europol entsprechende Daten nun entgegen der Anordnung des EDPS weiterverarbeiten. EU-Datenschützer bringt Europol-Befugnis vor Gericht weiterlesen
Datendrehscheibe Ausländerzentralregister
Drei Monate nach Verkündung des Gesetzes zur Weiterentwicklung des Ausländerzentralregisters antwortete die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion zur Umsetzung des Gesetzes und zur aktuellen Nutzung des Registers (AZR).[1] Demnach waren Ende Juli 2021 etwa 19 Mio. Personen im allgemeinen Datenbestand des AZR erfasst, von denen nur 11,6 Mio. in Deutschland lebten. 3.861 öffentliche Stellen mit etwa 67.000 Nutzer*innen waren im automatisierten Verfahren angeschlossen. Datendrehscheibe Ausländerzentralregister weiterlesen