Alle Beiträge von Eric Töpfer

Redaktionsmitteilung

Um 1860 begann der britische Kolonialbeamte William James Herschel in Bengalen Fingerabdrücke zu nutzen, um Betrug bei der Auszahlung von Ruhegehältern an pensionierte Sepoys, die subalternen indischen Soldaten, zu verhindern. Damit legte er das Fundament für die Biometrie, die sich heute zur Schlüsseltechnologie entwickelt hat für die Kontrolle von grenzüberschreitender Mobilität und Migration, aber in wachsendem Maße auch der einheimischen Bevölkerung. Als „kolonialen Bumerang“ beschrieb Michel Foucault das Phänomen, dass Praktiken und Technologien, die in den Kolonien zur Durchsetzung und Sicherung imperialer Herrschaft entwickelt wurden, früher oder später auch in ihrem Mutterland zum Einsatz kommen. Redaktionsmitteilung weiterlesen

Brandenburg bekommt Polizeibeauftragte

Nach zwei Jahren zäher Verhandlungen hat die rot-schwarz-grüne Koalition in Brandenburg am 16. Dezember 2022 ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt und ein Gesetz zur Einrichtung einer Polizeibeauftragtenstelle verabschiedet.[1] Damit wird Brandenburg nun das siebente Bundesland mit einer solchen Ombudsperson. Anders als in den anderen Ländern, wo die Stellen zusätzlich als Bürger- oder Feuerwehrbeauftragte immer auch andere Aufgaben haben, wird sie in Brandenburg ausschließlich für Polizeithemen zuständig sein. So wie die bereits existierenden Beauftragten ist aber auch die Stelle in Brandenburg Hilfsorgan des Landtags bei der parlamentarischen Kontrolle, soll die Bevölkerung im „Dialog“ mit der Polizei unterstützen und auf eine einvernehmliche Erledigung von Beschwerden hinwirken; zugleich ist sie zuständig für Eingaben aus der Polizei. Dafür verfügt die*der Beauftragte über umfassende Auskunfts-, Akteneinsichts-, Anhörungs- und Betretungsrechte. Brandenburg bekommt Polizeibeauftragte weiterlesen

EU-Datenschützer bringt Europol-Befugnis vor Gericht

Am 16. September 2022 ging der seit Monaten andauernde Konflikt um die Massendatenverarbeitung durch Europol in die nächste Runde. Der Europäische Datenschutzbeauftragte (EDPS) schaltete den Europäischen Gerichtshof (EuGH) ein und beantragte, zwei Bestimmungen der geänderten Europol-Verordnung für nichtig zu erklären, die am 28. Juni des Jahres in Kraft getreten war.[1] Die beiden Bestimmungen, die durch Verordnung (EU) 2022/991 eingefügten Artikel 74a und 74b, legalisieren rückwirkend die Verarbeitung von Daten zu Personen, ohne dass diese in Verbindung zu Straftaten stehen. Am 3. Januar 2022 hatte der EDPS angeordnet, Massendatendatensätze, die Europol u. a. im Rahmen der Encrochat-Verfahren aus den Mitgliedstaaten erhalten hatte, bis spätestens Anfang Januar 2023 zu löschen, nachdem die Sechs-Monats-Frist verstrichen war, welche die alte Verordnung Europol eingeräumt hatte, um angelieferte Daten zu prüfen und Informationen zu Unbeteiligten, Opfern, Zeug*innen oder Kontaktpersonen herauszufiltern. Gemäß der geänderten Verordnung kann Europol entsprechende Daten nun entgegen der Anordnung des EDPS weiterverarbeiten. EU-Datenschützer bringt Europol-Befugnis vor Gericht weiterlesen

Datendrehscheibe Ausländerzentralregister

Drei Monate nach Verkündung des Gesetzes zur Weiterentwicklung des Ausländerzentralregisters antwortete die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion zur Umsetzung des Gesetzes und zur aktuellen Nutzung des Registers (AZR).[1] Demnach waren Ende Juli 2021 etwa 19 Mio. Personen im allgemeinen Datenbestand des AZR erfasst, von denen nur 11,6 Mio. in Deutschland lebten. 3.861 öffentliche Stellen mit etwa 67.000 Nutzer*innen waren im automatisierten Verfahren angeschlossen. Datendrehscheibe Ausländerzentralregister weiterlesen

„Reisende Täter“ – OK-Bekämpfung und rassistische Stigmatisierung

Seit mehr als zehn Jahren steht die Figur der „reisenden Täter“ im Zentrum der polizeilichen Bekämpfung von mutmaßlich organisierter Eigentumskriminalität. Im Rahmen der täterorientierte Verfolgungsstrategie haben insbesondere als Sint_izze und Rom_nja markierte Menschen ein hohes Risiko, ins Visier polizeilicher Ermittlungen wegen Organisierter Kriminalität (OK) zu geraten.

 Als nach 2008 die Einbruchszahlen in Deutschland deutlich stiegen, waren die vermeintlich Schuldigen schnell benannt: „Reisende Täter“ oder „mobile kriminelle Banden“ aus Ost- und Südosteuropa wurden von Innenpolitik und Polizei verantwortlich gemacht und die Bekämpfungsstrategien entsprechend ausgerichtet. Den Höhepunkt fand die Entwicklung, als die Innenministerkonferenz (IMK) auf ihren Sitzungen 2016 erklärte, dass die Bekämpfung reisender Einbrecherbanden weiterhin oberste Priorität habe und die konsequente Umsetzung eines „täterorientierten Ansatzes“, eine Stärkung der länderübergreifenden Zusammenarbeit sowie die Verschärfung des Strafrechts und neue Befugnisse zur Strafverfolgung forderte.[1]
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Neues Polizeigesetz und Polizeibeauftragte*r für Bremen

Nachdem jahrelang gestritten wurde, verabschiedete die rot-grün-rote Koalition in Bremen am 19. November 2020 eine Novelle des Landespolizeigesetzes.[1] Damit unterzog der Stadtstaat im Wesentlichen sein polizeiliches Datenschutzrecht einer umfassenden Reform, die zur Umsetzung der Datenschutzrichtlinie (EU) 2016/680 und der Vorgaben aus dem BKA-Gesetz-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 20. April 2016 überfällig war. Anders als zahlreiche andere Bundesländer hat Bremen die Gelegenheit allerdings kaum für Verschärfungen genutzt. Zwar wurde die präventivpolizeiliche Telekommunikationsüberwachung normiert, aber auf Quellen-Telekommunikationsüberwachung, Aufenthaltsgebote oder elektronische Fußfesseln verzichtet. Lediglich einige heimliche Maßnahmen wie längere Observationen oder der Einsatz Verdeckter Ermittler (VE) können nun bereits bei „drohender Gefahr“ angeordnet werden; wobei es den VE jetzt ausdrücklich untersagt ist, unter ihrer Legende Sex oder Liebesverhältnisse zu haben. Die bislang unbestimmte Höchstdauer des Freiheitsentzugs bei Ingewahrsamnahmen wurde auf acht Tage festgelegt. Neues Polizeigesetz und Polizeibeauftragte*r für Bremen weiterlesen

G 10-Maßnahmen 2018

Ende Juni 2020 legte das Parlamentarische Kontrollgremium seinen Bericht über die Abhör- und Postkontrollmaßnahmen der Geheimdienste des Bundes (Bundesamt für Verfassungsschutz – BfV, Bundesnachrichtendienst – BND und Militärischer Abschirmdienst – MAD) nach dem Artikel 10-Gesetz (G10) für das Jahr 2018 vor.[1] Individuelle Überwachungsmaßnahmen nach § 3 G 10 wurden 2018 insgesamt in 222 Fällen angeordnet, davon 72 erstmalig; die restlichen Anordnungen verlängerten laufende Maßnahmen. Davon liefen beim BfV im 1. Halbjahr 83 Maßnahmen (2. Hj.: 99), beim BND 18 (2. Hj.: 15) und beim MAD fünf (2. Hj.: 2). G 10-Maßnahmen 2018 weiterlesen

Vorbereitungen für eine neue Europol-Verordnung

Ende 2020 will die EU-Kommission einen Vorschlag zur Ausweitung des Mandats des europäischen Polizeiamtes Europol vorlegen.[1] Mit dem Ziel die „operative Polizeikooperation“ zu stärken, soll die seit Mai 2017 gültige Europol-Verordnung 2016/794 novelliert werden. Ein im Frühjahr 2020 veröffentlichtes Papier gibt erste Hinweise, wohin die Reise gehen wird.[2] Erstens soll Europol eine Rechtsgrundlage für das eigenständige Sammeln von Daten aus den Beständen von Privatunternehmen erhalten, eventuell sogar durch automatisierte Abfragen. Bislang darf das Polizeiamt solche Daten nur verarbeiten, wenn sie durch nationale Behörden übermittelt wurden. Vorbereitungen für eine neue Europol-Verordnung weiterlesen