Alle Beiträge von Eric Töpfer

EuG: EDPS-Klage gegen Europol-Verordnung unzulässig

Am 6. September 2023 wies das Europäische Gericht (EuG) die Klage des EU-Datenschutzbeauftragten (EDPS) gegen die Novelle der Europol-Verordnung als unzulässig ab.[1] Der EDPS hatte Mitte September 2022 erstmals eine Nichtigkeitsklage eingereicht, um die Annullierung von Bestimmungen zu erreichen, durch die er seine Unabhängigkeit und Kontrollbefugnisse von den gesetzgebenden Institutionen der EU verletzt sah. Dabei ging es um die rückwirkende Legalisierung der Verarbeitung von Massendaten durch Europol, deren Löschung der Datenschutzbeauftragte im Januar 2022 auf Grundlage der bis Juni des gleichen Jahres gültigen Fassung der Europol-Verordnung angeordnet hatte.[2] EuG: EDPS-Klage gegen Europol-Verordnung unzulässig weiterlesen

Medienaufsicht unterstützt BKA bei Internetkontrolle

Am 24. Mai 2023 meldeten die Landesmedienanstalten, dass sie ab sofort enger mit dem Bundeskriminalamt (BKA) zusammenarbeiten, um „Hassrede“ im Internet zu bekämpfen.[1] Dazu sollen Verdachtsfälle an die Zentrale Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet beim BKA (ZMI BKA) gemeldet werden. Die 14 Landesmedienanstalten sind zuständig für die Aufsicht über Rundfunk und Telemedien und verfolgen auf Grundlage des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages u. a. Volks­verhetzung, Gewaltverherrlichung, NS-Propaganda und Pornographie im Netz. Dafür durchforstet die nordrhein-westfälische Medienanstalt schon seit Mai 2021 mit der „intelligenten“ Software KIVI automatisiert das Internet und meldet verdächtige Inhalte an das BKA. Nachdem der KIVI-Einsatz bereits letztes Jahr auf die anderen Medienanstalten ausgeweitet worden war, ziehen diese nun auch bei der Zusammenarbeit mit dem BKA nach.[2] Medienaufsicht unterstützt BKA bei Internetkontrolle weiterlesen

Neue Richtlinie zum polizeilichen Informationsaustausch

Am 11. Juni 2023 trat eine neue Richtlinie über den Informationsaustausch zwischen den Polizei- und Zollbehörden der EU-Mitgliedstaaten in Kraft.[1] Abgelöst wurden damit der 16 Jahre alte Rahmenbeschluss 2006/960/JI („Schwedische Initiative“) sowie Vorschriften des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ). Diese hatten – jenseits der Regeln für die großen IT-Systeme der EU – bisher den europarechtlichen Rahmen abgesteckt für grenzüberschreitende Datenübermittlungen zur Verhütung, Aufdeckung und Untersuchung von Straftaten, etwa wenn im Nachklapp zu Treffern bei Abfragen in den DNA-, oder Fingerabdruckdatenbanken anderer Mitgliedstaaten diese um weitere Informationen ersucht wurden. Neue Richtlinie zum polizeilichen Informationsaustausch weiterlesen

Redaktionsmitteilung

Um 1860 begann der britische Kolonialbeamte William James Herschel in Bengalen Fingerabdrücke zu nutzen, um Betrug bei der Auszahlung von Ruhegehältern an pensionierte Sepoys, die subalternen indischen Soldaten, zu verhindern. Damit legte er das Fundament für die Biometrie, die sich heute zur Schlüsseltechnologie entwickelt hat für die Kontrolle von grenzüberschreitender Mobilität und Migration, aber in wachsendem Maße auch der einheimischen Bevölkerung. Als „kolonialen Bumerang“ beschrieb Michel Foucault das Phänomen, dass Praktiken und Technologien, die in den Kolonien zur Durchsetzung und Sicherung imperialer Herrschaft entwickelt wurden, früher oder später auch in ihrem Mutterland zum Einsatz kommen. Redaktionsmitteilung weiterlesen

Brandenburg bekommt Polizeibeauftragte

Nach zwei Jahren zäher Verhandlungen hat die rot-schwarz-grüne Koalition in Brandenburg am 16. Dezember 2022 ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt und ein Gesetz zur Einrichtung einer Polizeibeauftragtenstelle verabschiedet.[1] Damit wird Brandenburg nun das siebente Bundesland mit einer solchen Ombudsperson. Anders als in den anderen Ländern, wo die Stellen zusätzlich als Bürger- oder Feuerwehrbeauftragte immer auch andere Aufgaben haben, wird sie in Brandenburg ausschließlich für Polizeithemen zuständig sein. So wie die bereits existierenden Beauftragten ist aber auch die Stelle in Brandenburg Hilfsorgan des Landtags bei der parlamentarischen Kontrolle, soll die Bevölkerung im „Dialog“ mit der Polizei unterstützen und auf eine einvernehmliche Erledigung von Beschwerden hinwirken; zugleich ist sie zuständig für Eingaben aus der Polizei. Dafür verfügt die*der Beauftragte über umfassende Auskunfts-, Akteneinsichts-, Anhörungs- und Betretungsrechte. Brandenburg bekommt Polizeibeauftragte weiterlesen

EU-Datenschützer bringt Europol-Befugnis vor Gericht

Am 16. September 2022 ging der seit Monaten andauernde Konflikt um die Massendatenverarbeitung durch Europol in die nächste Runde. Der Europäische Datenschutzbeauftragte (EDPS) schaltete den Europäischen Gerichtshof (EuGH) ein und beantragte, zwei Bestimmungen der geänderten Europol-Verordnung für nichtig zu erklären, die am 28. Juni des Jahres in Kraft getreten war.[1] Die beiden Bestimmungen, die durch Verordnung (EU) 2022/991 eingefügten Artikel 74a und 74b, legalisieren rückwirkend die Verarbeitung von Daten zu Personen, ohne dass diese in Verbindung zu Straftaten stehen. Am 3. Januar 2022 hatte der EDPS angeordnet, Massendatendatensätze, die Europol u. a. im Rahmen der Encrochat-Verfahren aus den Mitgliedstaaten erhalten hatte, bis spätestens Anfang Januar 2023 zu löschen, nachdem die Sechs-Monats-Frist verstrichen war, welche die alte Verordnung Europol eingeräumt hatte, um angelieferte Daten zu prüfen und Informationen zu Unbeteiligten, Opfern, Zeug*innen oder Kontaktpersonen herauszufiltern. Gemäß der geänderten Verordnung kann Europol entsprechende Daten nun entgegen der Anordnung des EDPS weiterverarbeiten. EU-Datenschützer bringt Europol-Befugnis vor Gericht weiterlesen

Datendrehscheibe Ausländerzentralregister

Drei Monate nach Verkündung des Gesetzes zur Weiterentwicklung des Ausländerzentralregisters antwortete die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion zur Umsetzung des Gesetzes und zur aktuellen Nutzung des Registers (AZR).[1] Demnach waren Ende Juli 2021 etwa 19 Mio. Personen im allgemeinen Datenbestand des AZR erfasst, von denen nur 11,6 Mio. in Deutschland lebten. 3.861 öffentliche Stellen mit etwa 67.000 Nutzer*innen waren im automatisierten Verfahren angeschlossen. Datendrehscheibe Ausländerzentralregister weiterlesen

„Reisende Täter“ – OK-Bekämpfung und rassistische Stigmatisierung

Seit mehr als zehn Jahren steht die Figur der „reisenden Täter“ im Zentrum der polizeilichen Bekämpfung von mutmaßlich organisierter Eigentumskriminalität. Im Rahmen der täterorientierte Verfolgungsstrategie haben insbesondere als Sint_izze und Rom_nja markierte Menschen ein hohes Risiko, ins Visier polizeilicher Ermittlungen wegen Organisierter Kriminalität (OK) zu geraten.

 Als nach 2008 die Einbruchszahlen in Deutschland deutlich stiegen, waren die vermeintlich Schuldigen schnell benannt: „Reisende Täter“ oder „mobile kriminelle Banden“ aus Ost- und Südosteuropa wurden von Innenpolitik und Polizei verantwortlich gemacht und die Bekämpfungsstrategien entsprechend ausgerichtet. Den Höhepunkt fand die Entwicklung, als die Innenministerkonferenz (IMK) auf ihren Sitzungen 2016 erklärte, dass die Bekämpfung reisender Einbrecherbanden weiterhin oberste Priorität habe und die konsequente Umsetzung eines „täterorientierten Ansatzes“, eine Stärkung der länderübergreifenden Zusammenarbeit sowie die Verschärfung des Strafrechts und neue Befugnisse zur Strafverfolgung forderte.[1]
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