Die EU-Kommission will den Zugang zu Inhalts-, Verkehrs- und Bestandsdaten mit einer Verordnung für sogenannte „elektronische Beweismittel“ vereinfachen.[1] Die Justizbehörde eines Mitgliedstaats könnte demnach eine Herausgabeanordnung erlassen, der innerhalb von zehn Tagen entsprochen werden muss. Im „Notfall“ verkürzt sich die Frist auf sechs Stunden. Die betroffenen Internetdienstleister erhalten vorher eine „Sicherungsanordnung“, damit die verlangten Daten nicht gelöscht werden. Anordnungen zur Herausgabe von Teilnehmer- und Zugangsdaten dürften für „jede Art von Straftaten“ erlassen werden, Anordnungen zur Herausgabe von Transaktions- und Inhaltsdaten nur für Straftaten mit einer zu erwartenden Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren.
Im Verordnungsentwurf hatte die Kommission einen direkten Zugriff der Behörden auf Server verworfen. Nun fordert die bulgarische Ratspräsidentschaft, auch den Direktzugriff und das Abhören in Echtzeit zu ermöglichen.[2] Laut dem Brüsseler Informationsdienst Euractiv hätten sich außerdem „Minister aus Belgien, Portugal, Zypern, Frankreich, Griechenland, Italien und Estland“ für das Abfangen von Kommunikationsdaten in Echtzeit ausgesprochen.[3]
Die Verordnung beträfe alle Firmen, die „interpersonelle Kommunikationsdienste“ anbieten, darunter Cloud-Speicher, Internet-Telefonie, Messenger, E-Mail-Dienste und Online-Marktplätze. Außerdem soll die Regelung für soziale Netzwerke wie Twitter und Facebook gelten. Die US-Regierung würde einem Direktzugriff auf ihrem Hoheitsgebiet vermutlich nur zustimmen, wenn auch US-Behörden eine solche Maßnahme in der EU zugestanden würde. Die geplante Verordnung zu „elektronischen Beweismitteln“ kann insofern als Antwort auf den jüngst in den USA erlassenen „CLOUD Act“ („Clarifying Lawful Overseas Use of Data Act“) verstanden werden, der dort niedergelassene Firmen zur Offenlegung von Bestands-, Verkehrs- und Inhaltsdaten zwingt.[4] Der „CLOUD Act“ enthält eine Klausel, wonach einzelne EU-Mitgliedstaaten mit der US-Regierung ein Partnerabkommen schließen können. Anstatt mühseliger Verhandlungen jedes einzelnen EU-Mitgliedstaates soll nun der Rat ein solches Rahmenabkommen für alle Mitgliedstaaten aushandeln. Österreich übernimmt in der zweiten Jahreshälfte die Ratspräsidentschaft und will die Verordnung zu „elektronischen Beweismitteln“ als Priorität behandeln. Eine erste Einigung soll im Oktober erzielt werden, der Rechtsakt soll schließlich bis Jahresende verhandelt sein. Großbritannien führt bereits Gespräche für ein eigenes, bilaterales Abkommen nach dem Brexit.