Fünfzig Jahre nach Verabschiedung der Notstandsgesetze steht der innere Einsatz des Militärs erneut auf der politischen Agenda und die Terrorismusbekämpfung soll die Aufrüstung der Polizei mit neuen Waffen legitimieren.
Zwei Entwicklungen, die nichts Gutes verheißen. Erstens: Im Januar 2017, zwei Wochen nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche, gab der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière in der FAZ „Leitlinien für einen starken Staat“ aus und warb darin unter anderem für den Einsatz der Bundeswehr in „nationalen Katastrophenfällen“.[1] Zwei Monate später fand eine erste gemeinsame Terrorabwehr-Übung von Polizei und Militär statt. Zweitens: Seit 2017 schwappt eine Welle neuer Polizeigesetze durchs Land. Baden-Württemberg und Bayern gingen voran und bescherten ihrer Polizei nicht nur neue Überwachungsbefugnisse, sondern auch „Explosivmittel“ für die Sondereinheiten.[2] Stehen wir also pünktlich zum 50. Jubiläum der Notstandsgesetze vor einer neuen Militarisierung im Innern? Kein Notstand. Verschiebungen im Verhältnis von Polizei und Militär weiterlesen →
Im Februar 2018 fand in Berlin der 26. Europäische Polizeikongress statt. Die vom „Behörden Spiegel“, einer überregionalen (privaten) Zeitung für den öffentlichen Dienst, organisierte Verkaufsausstellung mit Kongresscharakter versammelt VertreterInnen von Sicherheitsbehörden, Politik und Wirtschaft.[1]
In diesem Artikel beleuchten wir die diskursiven Interaktionsdynamiken zwischen VertreterInnen deutscher Polizeien (und verwandter Sicherheitsorganisationen) und Wirtschaftsakteuren auf diesem Kongress, an dem wir selbst teilnahmen. Wir fokussieren insbesondere die narrativen Bezüge zwischen beiden und werden herausarbeiten, wie Narrationen der Wirtschaftsakteure eine Militarisierung der Polizei stimulieren. Es gibt für eine solche Untersuchung wohl kaum einen besseren Ort als den Europäischen Polizeikongress, denn sein zentraler Zweck ist die Förderung der Zusammenarbeit und der Vernetzung von polizeilicher Führungsebene mit der Sicherheits- und Rüstungsindustrie. Narrative der Militarisierung: Zum Verhältnis von Wirtschaft und Polizei auf dem Europäischen Polizeikongress weiterlesen →
Im April 2017 verabschiedete der Bundestag ein neues BKA-Gesetz. Jetzt ziehen die Länder nach. Das einzig Positive an dieser Entwicklung: Erstmals seit Jahrzehnten regt sich breiterer Widerstand. 40.000 Leute demonstrierten am 10. Mai 2018 gegen das bayerische Polizeiaufgabengesetz, 20.000 gingen am 7. Juli 2018 gegen das nordrhein-westfälische Polizeigesetz auf die Straße.
Von den Gesetzen über das Bundeskriminalamt und die Bundespolizei abgesehen ist das Polizeirecht in Deutschland Ländersache. Obwohl der Bund hier also nichts zu husten hat, kündigten CDU, CSU und SPD im Februar 2018 in ihrem Koalitionsvertrag die „Erarbeitung eines gemeinsamen Musterpolizeigesetzes (gemäß Innenministerkonferenz)“ an.[1] Die in die Klammer verbannte Innenministerkonferenz (IMK) hatte bereits im Juni 2017 beschlossen, eine „länderoffene Arbeitsgruppe unter Beteiligung des Bundesinnenministeriums“ für die Erarbeitung eines solchen Musters einzurichten, um „hohe gemeinsame gesetzliche Standards und eine effektive Erhöhung der öffentlichen Sicherheit zu erreichen“.[2]Neue deutsche Welle: Zum Stand der Polizeigesetzgebung der Länder weiterlesen →
Die Rüstungsindustrie darf sich freuen: Sobald das Haushaltsgesetz 2018 unter Dach und Fach ist, will das Bundesinnenministerium einen großen Auftrag ausschreiben. Zehn „Sonderwagen 5“ sollen für die Bundespolizei angeschafft werden, 45 für die Bereitschaftspolizeien der Länder. Rheinmetall und die österreichische Firma Achleitner dürften mit ihren Angeboten schon in den Startlöchern stehen. Sie produzieren den „Survivor“, einen Panzerwagen, den auch schon mehrere Landespolizeien angeschafft haben. Das sächsische Innenministerium hat bereits angekündigt, dass es seinen mit einem Maschinengewehr ausstatten will. Dafür will man im neuen Polizeigesetz die Befugnis zum Einsatz „besonderer Waffen“ einführen. Redaktionsmitteilung weiterlesen →
Not a state of emergency – an introduction
by Heiner Busch
Fifty years after the passage of the emergency laws, domestic military operations have once more appeared on the political agenda, and counter-terrorism is used to legitimize the arming of police forces with new weaponry. The shift in the relationship between police and the military initially became visible during deployments abroad. However, it does not adhere to the concept of a state of emergency – dreamt up as the combating of insurgencies – that shaped the development of the governmental apparatus of force in the Federal Republic of Germany. Summaries weiterlesen →
Sachsen versucht den jahrelangen Personalabbau bei der Polizei mit ehrenamtlichen PolizeihelferInnen und angestellten HilfspolizistInnen zu kompensieren – eine Art Just-in-time-Sicherheitsproduktion.
Seit Jahren sind Bund und Länder entsprechend des Dogmas der „Schwarzen Null“ bestrebt, Personalkosten einzusparen. Eine besondere Belastung für den Staatshaushalt wird dabei im Beamtenstatus gesehen. Bevor PolizeibeamtInnen eingesetzt werden können, müssen sie drei Jahre ausgebildet werden; und sobald sie den Beamtenstatus erreicht haben, sind sie praktisch unkündbar, selbst wenn gesundheitliche Einschränkungen nur noch eine Verwendung für den Innendienst zulassen. Sächsische HilfspolizistInnen – Sicherheitswacht, Wachpolizei, Ortspolizei weiterlesen →
Seit Jahrzehnten fordern Bürgerrechtorganisationen und internationale Menschenrechtsgremien die Einrichtung unabhängiger Polizeibeschwerdestellen in Deutschland. Doch die Vorstellungen, wie diese ausgestaltet sein sollen und was „unabhängig“ heißt, gehen auseinander. In den letzten Jahren wurden Beschwerdestellen in Innenministerien, polizeiexterne Ermittlungsstellen und Polizeibeauftragte bei Landtagen eingerichtet. Ein Überblick.
Spätestens seit dem studentischen Ermittlungsausschuss zum tödlichen Polizeischuss auf Benno Ohnesorg 1967 ist die Forderung nach unabhängiger Polizeikontrolle auf der Agenda der bundesdeutschen Bürgerrechtsbewegung. Ging es dabei ursprünglich bewusst um zivilgesellschaftliche Alternativen zu staatlichen Verfahren in Form von selbstorganisierten Ermittlungsausschüssen oder Initiativen wie „Bürger beobachten die Polizei“, wird seit Ende der 1970er Jahren über die Institutionalisierung und rechtliche Normierung einer unabhängigen Kontrolle der Polizei nachgedacht. Unter dem Eindruck des Hamburger Polizeiskandals versuchte sich erstmals Hamburg von 1998 bis 2001 mit der ehrenamtlichen Polizeikommission an einem Gremium zur unabhängigen Bearbeitung von Beschwerden gegen die Polizei, bis das Intermezzo der Schill-Partei dem Projekt ein Ende setzte. Unabhängige Polizeibeschwerdestellen – Zum Stand der Dinge weiterlesen →
Die EU verzahnt ihre Strukturen der inneren und äußeren Sicherheit. Der Kampf gegen Terrorismus und Schleuser soll den Datenaustausch zwischen Militär und Strafverfolgung rechtfertigen.
Am 22. März 2017 trafen sich die AußenministerInnen der Anti-ISIS-Koalition in Washington: Die US-geführte „globale Koalition“, der fast alle EU-Mitgliedstaaten sowie die EU selbst angehören, feierte nicht nur die militärischen Erfolge gegen den „Islamischen Staat“. Nebenbei vereinbarte man den Austausch von Informationen und Beweismitteln aus Kampfgebieten („battlefield information and evidence“) zwischen Militärs und Strafverfolgungsbehörden. Dabei geht es unter anderem um Informationen, die in Syrien oder dem Irak bei „ausländischen Kämpfern“ sichergestellt werden. In der Abschlusserklärung ermutigten die MinisterInnen die beteiligten Staaten und Organisationen, „kollektive Strafverfolgungskanäle wie Interpol und Europol“ zu nutzen.[1]Daten aus Kampfgebieten – Europol startet eine „Kriminalitätsinformationszelle“ weiterlesen →
Seit 1991 hat das US-Verteidigungsministerium Waffen und sonstiges Material im Wert von 6,8 Milliarden Dollar an lokale und staatliche Polizeibehörden ausgereicht, davon allein 450 Millionen im Haushaltsjahr 2013/14. Nur vier Prozent der 2013/14 gelieferten Ausstattung waren „controlled property“, also reine Militärausrüstung.
„Nur“ vier Prozent? Immerhin hieß das rund 78.000 Schusswaffen, mehr als 600 minengeschützte Kettenfahrzeuge, also Mine Resistant Ambush Protected Vehicles (MRAPs), und sonstiges taktisches Kampfmaterial. Zwischen Januar 1997 und Oktober 1999 kamen so 253 Flugzeuge und Hubschrauber, rund 7.900 M16-Gewehre, 180 Granatwerfer, 8.100 schusssichere Helme und 1.160 Nachtsichtgeräte in Polizeibesitz. Zwischen Januar 2006 und April 2014 lieferte das Pentagon an lokale und bundesstaatliche Polizeibehörden rund 80.000 Sturmgewehre, 200 Granatwerfer, 12.000 Bajonette, 50 Flugzeuge sowie 422 Helikopter. Allein die beiden für Ferguson (Missouri) zuständigen County-Polizeien (weniger als 1.000 Bedienstete) erhielten vom US-Militär u. a. neun MRAPs, zwölf M16-Sturmgewehre und drei Hubschrauber.[1]Kapitalistische Kampfbünde – Zum Verhältnis von Polizei und Militär in den USA weiterlesen →
Von den 343.000 BeamtInnen der nationalen Polizeien Italiens gehören heute 57,8 Prozent einem Korps mit militärischem Status an. Die lange Tradition solcher Polizeiorganisationen prägt die Sicherheitspolitik des Landes bis heute.
Italien ist das Land mit der größten Anzahl von Polizeibehörden in Europa, der höchsten Polizeidichte und den höchsten Kosten pro EinwohnerIn für die öffentliche und private Sicherheit. Bis zur Reform von 1981 hatten alle italienischen Polizeieinheiten einen militärischen Status. Seither sind die Staatspolizei und die Gefängnispolizei „zivil“; Carabinieri und Finanzpolizei (Guardia di finanza) behielten ihren militärischen Status, ebenso die Forstpolizei, die 2017 in die Carabinieri integriert wurde, sowie die Küstenwache. Diese Polizeikorps wurden alle zu Beginn des 19. Jahrhunderts geschaffen und waren Teil des Königreichs Piemont, sie existierten also bereits vor der Vereinigung Italiens (1861). Ihre Geschichte ist geprägt von Kontinuität, Anpassungen und Innovation durch die Einführung neuer Technologien. Eine italienische Staatstradition – Polizeien mit militärischem Status weiterlesen →
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