„Europäische Polizeipartnerschaft“

Am 1. Juli hat die Bundesregierung die halbjährlich wechselnde EU-Rats­prä­si­dent­schaft übernommen, zuletzt hatte Deutschland diesen Vorsitz im ersten Halbjahr 2007 inne.[1] Im Bereich Justiz und Inneres steht das Programm des Innen- und des Justizministeriums unter dem Motto: „ein Europa der Sicherheit und der gemeinsamen Werte“; die Bundesregierung setzt dort auf eine „Europäische Polizeipartnerschaft“: Gemäß diesem Prinzip sollen europäische Polizist*innen nicht nur in ihrem eigenen Land, sondern auch in anderen Mitgliedstaaten alle Informationen abrufen können, die sie für erforderlich halten.

Unter dieses Ziel fasst die Bundesregierung z.B. die Ausweitung der bestehenden Prüm-Ver­fahren, mit denen DNA- und Fingerabdruckdaten in allen EU-Mitgliedstaaten abgefragt werden können. In einem „Next Ge­ne­ra­tion Prüm“ (Prüm.nG) könnten auch Gesichtsbilddateien durchsucht werden.[2] Das Bundesinnenministerium wird im Rah­men der Ratsprä­sidentschaft auch sein Steckenpferd „Europäischer Kriminalaktennach­­weis“ (EPRIS) weiterverfolgen. Damit sollen alle EU-Po­li­zeibehör­den gegenseitig Polizeiakten abfragen können. Dies beträfe auch Personen, zu denen Ermittlungen wieder ein­ge­stellt werden.[3]

Zu den deutschen Prioritäten gehört auch die Weiterverfolgung des Pro­jekts „Interoperabilität“, mit dem die EU biometrische Daten aus ver­schiedenen Systemen in einer einzigen Datei verschmelzen will, damit diese von einem noch größeren Kreis berechtigter Behörden mit einer neuen Suchmaschine durchstöbert werden. 300 Mio. Euro soll allein die Gesichtserkennung für das System kosten.[4] Alle Details werden in der neuen Ratsarbeitsgruppe „Datenaustausch im Bereich Justiz und Inneres“ (IXIM) ausgehandelt.[5]

Die Bundesregierung will sich zudem dringend um den Abschluss der „Verordnung zur Verhinderung der Verbreitung terroristischer Online-Inhalte“ bemühen. Das alte EU-Par­la­ment hatte hierzu gefordert, dass polizeiliche Anordnungen zur Entfernung von Postings nicht grenz­über­schreitend erteilt werden dürfen, sondern auf das eigene Land beschränkt bleiben sollen. Der Rat ist damit nicht einverstanden.

Im Programm der deutschen Ratspräsidentschaft heißt es außerdem vage, dass der Austausch von gesundheitsbezogenen Daten europaweit verbessert werden soll. Die Bundesregierung wirbt für einen rechtssicheren europäischen „Gesundheitsdatenraum“ und will hierfür einen Verhaltenskodex vorschlagen. So schlägt die Bundesregierung vor, Passagierdaten zur Nachverfolgung von Corona-Infektionen zu nutzen.[6]

Die Justiz- und Innenminister*innen wollen über die Initiativen auf ihren Treffen am 8./9. Oktober 2020 in Luxemburg sowie am 3./4. Dezember in Brüssel beraten. Alle offen gebliebenen Vorhaben werden im kommenden Jahr von Portugal und Slowenien weitergeführt, die zusammen mit Deutschland die derzeitige Trio-Ratspräsidentschaft bilden.

[1] www.eu2020.de
[2] vgl. Prüm mit Gesichtsbildern, in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 120 (Nov. 2019), S. 96f.
[3] vgl. EU-Vernetzung von Polizeiakten, in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 118-119 (Juni 2019), S. 172f.
[4] https://ted.europa.eu/udl?uri=TED:NOTICE:221106-2019:TEXT:EN:HTML
[5] vgl. BR-Drs. 113/20 v. 5.3.20
[6] Ratsdok. 9031/20 v. 2.7.2020

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