Offener Brief: Filmen von rassistischen Polizeieinsätzen zur Beweissicherung zulassen!

Wir erfahren regelmäßig von Zeug*innen rassistischer Polizeigewalt, dass sie kriminalisiert werden, wenn sie Polizeimaßnahmen filmen. Sie werden bedroht, geschlagen, Handys werden konfisziert und Video-Material gelöscht. Nicht selten werden sie durch Anzeigen wie „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ kriminalisiert. Die Polizei behauptet, dass Filmen verboten sei. Dabei beruft sie sich immer wieder auf den sogenannten „Abhörparagrafen“ § 201 StGB (Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes). Dieser besagt, dass, wer unbefugt „das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufnimmt“, eine Straftat begeht.

Polizeiliche Maßnahmen im öffentlichen Raum können jedoch nicht als „nichtöffentlich“ verstanden werden. „Eines Schutzes der Unbefangenheit bedarf ein Amtsträger, dessen Handeln rechtlich gebunden ist und als solches der rechtlichen Überprüfung unterliegt, […] nicht“ (LG Osnabrück 10. Große Strafkammer vom 24.09.2021). Daher kritisieren wir die missbräuchliche Anwendung dieses Paragraphen als klaren Versuch, eine kritische Öffentlichkeit und Zeug*innenschaft zu kriminalisieren.

Dieser Rechtsauffassung haben sich auch zahlreiche Gerichte in den letzten Jahren angeschlossen:

  • Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg 1. Strafsenat vom 12.09.2018
  • LG München I 25. Kleine Strafkammer vom 11.02.2019
  • LG Kassel 2. Große Strafkammer vom 23.09.2019
  • LG Aachen 10. Große Strafkammer vom 19.08.2020
  • AG Frankenthal vom 16.10.2020

Wir sind überzeugt, dass es höchste Zeit ist, als Bündnis gegen diese gewaltvolle Praxis der Polizei vorzugehen und fordern die Entkriminalisierung des Filmens von polizeilichen Maßnahmen. In einem demokratischen Rechtsstaat muss es für die Bürger*innen die Möglichkeit geben, rechtswidriges Polizeiverhalten zu dokumentieren. Nur so kann die Polizei in ihrer Arbeit kontrolliert und rechenschaftspflichtig gemacht werden. Es muss politisch klargestellt werden, dass Videoaufnahmen von polizeilichen Maßnahmen als Beweismittel vor Gericht zugelassen sind. Sie dienen der Sichtbarmachung rassistischer Polizeigewalt und der Identifizierung und Überführung von gewalttätigen Polizeibeamt*innen. Das Filmen darf nicht verhindert werden.

Wir fordern:

  • Videoaufnahmen von Polizeieinsätzen durch Zeug*innen und Betroffene zu entkriminalisieren;
  • die Konfiszierung von Handys und/oder Löschung von
  • Videoaufnahmen durch die Polizei zu verbieten;
  • Videoaufnahmen als sichere Beweismittel vor Gericht zuzulassen;
  • verdächtige Polizeibeamt*innen zu identifizieren und zu verurteilen.

Erstunterzeichner*innen:

KOP – Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt
ISD Bund
ISD Berlin
Dedcolonize Berlin
RomaniPhen
Wrangelkiez United!
EOTO e.V.
FACQ Berlin
ISKS
Migrantifa Berlin
ReachOut Berlin
Antirassistische Initiative
Bürgerrechte & Polizei/ CILIP
BVG – Weil wir uns fürchten

Berlin, den 30.11.2022

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