Redaktionsmitteilung

Klimawandel, Aufstieg der Rechten, Machtkonzentrationen im Finanzmarktkapitalismus – viele Aspekte der „multiplen Krise“ spitzen sich gegenwärtig zu und sind daher zunehmend umkämpft. Entsprechend deutlich zeigt ein Blick auf das Gewaltmonopol im Jahr 2023, wie die Polizei die herrschende Ordnung nicht nur absichert, sondern, wenn nötig, auch gegen Protest durchsetzt. In Lützerath etwa räumten im Januar über 3.000 Beamt*innen ein Dorf für einen börsennotierten Energieversorger. Die dabei eingesetzte Gewalt galt teils als unverhältnismäßig und mithin rechtswidrig. Auch in Leipzig, wo die Stadt im Juni Demonstrationen gegen die Verurteilung einer militanten Antifaschistin verboten hatte, dürften Bundes- und Landespolizei den legalen Rahmen überschritten haben: Sie riefen die Bahn zur Meldung „linker“ Anreisender auf und kesselten selbst Minderjährige stundenlang ein.

Die Polizei setzt beim Protest Policing jedoch nicht nur herrschende Interessen mit Gewalt durch, sondern agiert auch als politische Akteurin: Seit sie in Sozialen Medien aktiv ist, kommentiert sie etwa – entgegen dem Neutralitätsgebot – das Demonstrationsgeschehen simultan und  beeinflusst damit nicht nur den Protest selbst, sondern zunehmend auch dessen öffentliche Wahrnehmung. Das Heft gibt Einblick in solche Rollen der Polizei sowie in die konkrete Praxis des Protest Policing. Themen sind Institutionenausbau, koloniale Kontinuitäten, Effekte der Digitalisierung, affektive Techniken und die Frage, ob es ein überproportional repressives Polizieren linker Proteste gibt.

***

Wie Straf- und Kontrollinstitutionen Herrschaftsverhältnisse stützen und formen, untersucht auch unsere nächste Ausgabe, die Kapitalismus intersektional betrachtet. Denn z. B. polizeiliche Zwangsräumungen sichern Eigentum ab, betreffen aber zugleich häufig Arme, Migrantisierte und Ältere. Im Gefängnis sitzen oft arme People of Color, die dadurch noch tiefer in Armut geraten. Sicherheit als Marktprodukt konsumieren im neoliberalen Kapitalismus zunehmend auch Privathaushalte, die als ‚dual earner‘ Kinderüberwachung digital organisieren.

Beitragsbild: EndeGelände am 30. November 2019 im Tagebau Schleenhain (Tim Wagner)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert