EU-Forschungsförderung innere Sicherheit: IT-Technologien im „Horizon“-Programm

Forschungen zur inneren Sicherheit werden durch die Europäische Union (EU) in verschiedenen Kontexten und Formaten gefördert. Explizit geschieht dies durch das Rahmenprogramm „Horizon“, in dessen aktueller Version ist das „Cluster“ „zivile Sicherheit für die Gesellschaft“ von besonderer Bedeutung; aber auch in anderen Teilen des Programms finden sich sicherheitsrelevante Förderungen. Die auf die Entwicklung und Anwendung neuer (Informations)technologien begrenzte Untersuchung zeigt, dass der thematische Förderschwerpunkt auf Terrorismusbekämpfung und Migrationskontrolle liegt und Verdachtsschöpfung mit Methoden der Künstlichen Intelligenz vorangetrieben werden sollen.[1]

Die Forschungsförderung durch die Europäische Union ist vielfältig und unübersichtlich. Die Seite der Kommission listet 35 EU-Förderprogramme auf.[2] In der Mehrzahl handelt es sich dabei nicht um Forschungsförderung, sondern um die Etablierung neuer Verfahren, Zuständigkeiten, Qualifikationen etc.  in unterschiedlichen Bereichen oder die Umsetzung von EU-Politiken durch die Vergabe von Ressourcen in verschiedenen Feldern. So wird hier der Europäischen Sozialfonds ebenso aufgelistet wie Förderungen zur Vollendung des Binnenmarktes. Wegen der „Praxisorientierung“ von Forschung sind allerdings Überschneidungen zwischen diesen Programmen und „reinen“ Forschungsvorhaben nicht zu vermeiden.

Von den genannten Fördertöpfen haben sieben einen direkten Bezug zur Inneren Sicherheit. Zwei Programme unterstützen Maßnahmen im Bereich von Asyl, Migration (9,9 Mrd. Euro) und Grenz- und Visamanagement (6,4 Mrd.), zwei Programme sind auf den Zoll ausgerichtet (2 Mrd.), je ein Programm zielt auf die Betrugsbekämpfung (114 Mio.) und die Euro-Fälschung (6 Mio.). Schließlich gibt es den „Internal Security Fund“ (ISF). Für die Periode 2021-2027 ist dieses Programm mit 1,9 Mrd. Euro ausgestattet. Thematisch ist der ISF auf drei Bereiche ausgerichtet: (1) Prävention und Bekämpfung von Terrorismus und Radikalisierung, schwerer und organisierter Kriminalität und Cybercrime, (2) Opferschutz und (3) Vorbereitung auf, Schutz vor und Management von sicherheitsrelevanten Ereignissen, Risiken und Krisen. Gefördert werden können sehr unterschiedliche Vorhaben, von den Anschaffung von Technik über (deren) Implementation und Evaluation bis zur Ausbildung. Primär ist der ISF ein Instrument zum Ausbau, Vernetzung und Modernisierung der mitgliedstaatlichen Sicherheitsbehörden. Aber neben diesen gehören zum Kreis der Zuwendungsempfänger*innen auch private Firmen, Forschungsinstitute und Universitäten. Damit ist Forschungsförderung auch über den ISF möglich, wenngleich sie hier unmittelbar anwendungsbezogen sein muss. Von den elf Ausschreibungen der vergangenen beiden Jahre bezogen sich drei auf Fragen der Migration, je zwei auf Cyberkriminalität und den Schutz vor Anschlägen im öffentlichen Raum sowie auf die Themen Korruption, Drogenhandel und terroristische Inhalte im Internet. Nur bei drei Ausschreibungen sind die geförderten Projekte ausgewiesen: Während in den 14 aufgelisteten Förderungen (davon allein 9 zum Thema Kindesmissbrauch unter der Überschrift CYBER) deutsche Hochschulen und die Polizeien anderer Länder aktiv sind, sind deutsche Polizeien nicht beteiligt.[3]

Horizon

Die explizite oder „reine“ Forschungsförderung der EU geschieht im Rahmen des Programms „Horizon“ (dt. Horizont). Ähnlich wie in der deutschen Forschungsförderung existiert auf der EU-Ebene ein auf mehrere Jahre angelegtes Förderprogramm, das dann in einzelnen Aufrufen („Calls“) umgesetzt wird. Seit 1984 legt die EU (bzw. EG) „Forschungsrahmenprogramme“ auf. Im Anschluss an die 7. Fassung (2007-2013) wurden bisher getrennte Förderbereiche unter dem Titel „Horizon“ zusammengefasst. Nach dem Ende der ersten Förderperiode (Horizon 2020) wurde das Programm für die Jahre 2021-2027 unter dem Namen „Horizon Europe“ neu aufgelegt. Neben den Anträgen zu thematisch vorgegebenen Calls werden Horizon-Mittel auch durch den Europäischen Forschungsrat (ERC) vergeben, der Exzellenzforschung ohne Vorgabe von Themen oder Disziplinen fördert.[4]

Die gegenwärtige Horizon-Struktur besteht aus drei Säulen: 1. „Wissenschaftsexzellenz“, 2. „Globale Herausforderungen und industrielle Wettbewerbsfähigkeit“ und 3. „Innovatives Europa“. Die militärische Forschungsförderung bildet weiterhin einen gesonderten Bereich. Obwohl auch in der 1. und 3. Säule sicherheitsrelevante Forschungen gefördert werden können, liegt der hier interessierende Schwerpunkt eindeutig in der mittleren Säule. Denn unter den sechs hier genannten „Clustern“ ist auch „zivile Sicherheit für die Gesellschaft“ aufgeführt. Von den 48,8 Mrd. Euro der 2. Säule sind ca. 1,5 Mrd. Euro für dieses Cluster vorgesehen. Im Programm wird dessen Gegenstand folgendermaßen beschrieben: „Reaktion auf die Herausforderungen, die sich aus anhaltenden Sicherheitsbedrohungen, einschließlich Cyberkriminalität, sowie aus Naturkatastrophen und vom Menschen verursachten Katastrophen ergeben. Interventionsbereiche: katastrophenresiliente Gesellschaft; Schutz und Sicherheit; Cybersicherheit.“[5]

Bis Januar 2023 waren bereits 127 Calls für diesen Bereich erfolgt, bei denen die Bewerbungsfrist abgelaufen war, 13 weitere waren offen für Bewerbungen und weitere 44 waren für die nächste Zukunft angekündigt.[6] Von den 127 Calls entfielen 19 auf den Bereich Kriminalitäts- und Terrorismusbekämpfung, 14 auf den Katastrophenschutz. Bei den 10 Calls zum „Effektiven Management an den Außengrenzen der EU“ wird durchgehend gefördert, wer die Überwachungs- und Entdeckungskapazitäten technisch erhöhen will. Im Bereich Kriminalitäts- und Terrorismusbekämpfung ist die Mehrzahl auf einzelne Deliktsfelder ausgerichtet: Kindesmissbrauch, Umweltkriminalität, Waffen- und Drogenhandel etc. In einigen Ausschreibungen der aktuellen Förderperiode wird ausdrücklich Bezug auf die Chancen moderner IT genommen: „Verbesserter Zugang zu Forschungsdaten zur Kriminalitäts- und Terrorismusbekämpfung“, „Moderne Biometrie in der Forensik und bei der Polizei“, „Bekämpfung von Terrorismus und schwerer Kriminalität durch den Gebrauch von Reisedaten (travel intelligence)“, „Staatliche Überwachung durch den Gebrauch neuer Technologien (5G und mehr, Quanten-Computer, Verschlüsselung)“. In 12 dieser 19 Calls wurden bis Januar 2023 15 Projekte bewilligt. An vier der bewilligten Projekte ist keine Einrichtung aus Deutschland beteiligt; bei keinem Projekt ist eine deutsche Polizeibehörde dabei. Mit vier Projektteilnahmen – davon in einem Projekt als Koordinator – ist die „Hochschule für den öffentlichen Dienst in Bayern“ der aktivste deutsche Akteur, gefolgt von der Deutschen Hochschule der Polizei (3 Projekte, davon 1 als Koordinator).

Geförderte Projekte in Horizon 2020

Die von der EU seit dem 7. Rahmenprogramm geförderten Forschungsprojekte sind in der Datenbank CORDIS (Community Research and Development Information Service) verzeichnet.[7] In der Programmperiode „Horizon 2020“ wurden laut CORDIS 35.383 Projekte gefördert. Für die Projektsuche erlaubt die Seite verschiedene Filter. Aus den in der Suchmaske angebotenen thematischen Feldern (von „Industrial Technologies“ bis „Food and Natural Ressources“) bietet sich „Security“ zur Eingrenzung an. Der Filter ergibt 397 Projekte, d. h. nur etwas mehr als 1% der EU-Forschungsförderung stellt Sicherheitsfragen ins Zentrum. Grenzt man die Projektsuche weiter ein, so ergibt die Volltextsuche in den Projektbeschreibungen 45 Treffer beim Suchwort „police“ und 18 Treffer beim Suchwort „LEA“ (für Law Enforcement Agencies), durch Doppeltreffer reduziert sich die Gesamtzahl auf 54 Projekte. Die Durchsicht der Projektbeschreibungen nach dem Kriterium, ob fortgeschrittene Informationstechnologien im Fokus des Projekts stehen, reduziert die Zahl der hier interessierenden Projekte auf 28.

Allerdings zeigt die CORDIS-Recherche über den thematischen Filter „security“ nur ein unvollständiges Bild der polizeirelevanten Forschungsförderung. Die Volltextsuche in den Horizont 2000-Projektbeschreibungen ist wenig spezifisch, da die Suchbegriffe mehrdeutig sind und in unterschiedlichen Kontexten auftauchen. Durch die Kombination von Suchbegriffen lassen sich die Recherchen jedoch eingrenzen. Recherchen mit den Suchbegriffen „radicalization“ + „LEA“ (law enforcement agency) (5 neue Projekte), mit „radicalization“ + „terrorism“ (1), „migration“ + „terrorism“ (3), „border“ + „migration“ + „intelligene“ (4) und „artificial intelligence“ + „police“ (7) zu insgesamt 20 Förderungen, die mit dem Filter „security“ nicht erfasst waren. Nach der Durchsicht der Projektbeschreiben ergaben sich insgesamt 50 Projekte, in denen moderne (Informations)technologien eine herausragende Rolle spielen. Dabei wurden Projekte ausgeschlossen, deren Schwerpunkt im Katastrophenschutz liegt. Nicht berücksichtigt wurden auch Vorhaben zur Bewaffnung und sonstigen Ausstattung sowie jene, die über einen sozial- oder rechtswissenschaftichen Fokus verfügen. Anhand ihrer Kurzbezeichnungen sind sie in der folgenden Tabelle aufgeführt.

50 geförderte Horizon-Projekte im Bereich Innere Sicherheit (Auswahl)
(in Klammern Förderumfang in Mio. €) 

Internetkontrollen allgemein

ANITA (4)

APPARAISE (8)

DARLENE (7)

INFINITY (6,7)

PREVISION (8)

STARLIGHT (17)

TITANIUM (5)

Verdachtsgewinnung online oder
mithilfe von Datenanalysen

Terrorismus (TE) oder Radikalisierung

CounteR  (7)

DANTE (5)

INSIKT (1,5)

PROPHETS (1,5)

MINDb4ACT (3)

RED-Alert (5)

TENSOR (5)

AIDA (TE + Cybercrime) (7,7)

PROTON (TE + org. Kriminalität) (4,1)

TAKEDOWN (TE + org. Kriminalit.) (3,1)

BIO-AX (Videoscreening) (0,77)

GRACE (Kindesmissbrauch) (6,8)

Detektionen

AMBER (2,5)

ANDRUPOS (1,2)

PREVENT (1,9)

UCTIL (0,07)

Migration/Grenzen

C-BORD (11,8)

CRITERIA (4,9)

FOLDOUT (8,2)

MARISA (8)

MEDEA (3,5)

NESTOR (5)

PMT4NIIS (0,07)

SafeShore (5,1)

SMILE (5)

SAURON (7)

Smart-Trust (2,1)

UMAFAE (0,17)

Auswertung/Ermittlungshilfen

EXCHANGE (1,8)

SHUTTLE (9,5)

VISAGE (5)

LOCARD (6,8)

FORENSOR (4)

SURVANT (2)

VICTORIA (5)

Vernetzung/Ausbildung

ALIGNER (1,5)

AUGGMED (5,5)

CANVAS (1)

CYCLOPES (3,5)

ILEAnet (3,5)

pop AI (1,6)

BroadWay (11,8)

 

Nicht nur die Fördersummen dieser 50 Projekte sind sehr unterschiedlich, sondern auch die Zahl der Geförderten. Bei den kleinen Summen handelt es sich um Zuwendungen an einzelne Firmen, bei den großen Projekten können mehr als 50 Beteiligte aus verschiedenen Staaten beteiligt sein.

Die deutsche Beteiligung an den 50 Projekten ist auffallend gering. 14 Projekte finden ohne Akteure aus Deutschland statt. Die größte deutsche Beteiligten-Gruppe stellen Universitäten und Fachhochschulen sowie private Firmen dar (jeweils17 Projekte). Verschiedene Fraunhofer-Institute sind bei fünf Projekten dabei, nichtpolizeiliche Behörden und „Sonstige“ (Krankenhaus, Rotes Kreuz etc.) sind jeweils an drei Projekten beteiligt, das Bundesinnenministerium und das Bayerische Innenministerium sind jeweils bei einem Projekt dabei und die deutschen Polizeien bei vier Projekten: die Bundespolizei (STARLIGHT), die Deutsche Hochschule der Polizei (ILANet) und das Bundeskriminalamt (TITANIUM und VISAGE). Die am häufigsten vertretene Einrichtung aus Deutschland ist die „Hochschule für den öffentlichen Dienst in Bayern“ mit acht Projektbeteiligungen.

Thematische Schwerpunkte

Die in den CORDIS-Recherchen gefundenen 50 Projektförderungen konnten in sieben Gruppen zusammengefasst werden (s. Tabelle). Dabei erfolgte diese Zuordnung anhand der in der Projektbeschreibung vorgenommenen Selbstcharakterisierung. Weder wurde geprüft, ob die mit dem tatsächlich umgesetzten Projekt übereinstimmte, noch welche Ergebnisse erzielt wurden (11 sind noch nicht abgeschlossen). Insofern erlauben die Ergebnisse nur einen groben Überblick, in welchen Feldern mit welchen Ansätzen Forschung durch EU gefördert wird, die vorgibt, mit modernen (Informations)technologien einen Beitrag zur Inneren Sicherheit leisten zu können.

Werden die Projekte insgesamt betrachtet, so zeigen sich deutliche inhaltliche und strategische Schwerpunkte. Inhaltlich beschäftigen sich viele Forschungen mit der (illegalen) Migration auf der einen, Terrorismus und Radikalisierung auf der anderen Seite. „Strategisch“ ist kennzeichnend, dass fortgeschrittene Methoden der Datenauswertung im Zentrum stehen, die von der Verdachtsgewinnung bis zur Fallermittlung genutzt werden sollen. Die sechs in der Tabelle aufgeführten Gruppen lassen sich folgendermaßen beschreiben:

  • Internetkontrollen allgemein: In diesen Projekten stehen die Möglichkeiten von Künstlicher Intelligenz, Big Data, Auswertung von Massendaten ohne deliktische Konkretisierung im Zentrum.
  • Phänomenbezogene Verdachtsgewinnung: Die Mehrzahl dieser Projekte will online-Daten auswerten, um Hinweise auf Terrorismus, Radikalisierung, Cybercrime etc. zu finden. Häufig sollen auch Strukturen, Modi operandi entdeckt und Bekämpfungsmöglichkeiten entwickelt werden.
  • Detektionen: Die Projekte wollen zum Aufspüren von strafbaren Handlungen beitragen – von Identitäts- und Dokumentenfälschungen bis zu verdächtigen Personen und Gegenständen in öffentlichen Verkehrsmitteln. Die Überschneidungen zur Migrationskontrolle und zur Terrorismusbekämpfung sind offenkundig.
  • Migration: Die Projekte beziehen sich auf das „Migrationsmanagement“ – von der Durchleuchtung von Containern auf Sachen und Personen (C-Bord) bis zur Altersfeststellung von MigrantInnen (UMAFAE) – und die Abwehr illegalisierter Einwanderung, insbesondere durch die technischen Sicherungen der See- und Landaußengrenzen.
  • Auswertungen: Bei diesen Projekten steht nicht die Erhebung neuer Daten, sondern die Auswertung der bei den Behörden vorhandenen im Vordergrund – vom Umgang mit DNA-Spuren bis zur Nutzung von Videoaufnahmen.
  • Vernetzung/Ausbildung: Alle Projekte weisen eine europäische Dimension auf, immer geht es um EU-weit relevante Forschung. Insofern stellt diese Gruppe eine Restkategorie dar, die allgemein auf Vernetzungen oder Ausbildungsmethoden ausgelegt sind. Bei diesen Projekten handelt es sich häufig um traditionelle Formen der Vernetzung (Konferenzen, Wissensaustausch), bei denen die technischen Mittel mit anderen gemeinsam entwickelt/genutzt werden. BroadWay nimmt hier eine Sonderrolle ein, denn das Projekt zielt auf die Entwicklung eines einheitlichen europäischen Standards für die Breitband-Kommunikation der Katastrophenschutz- und Polizeibehörden der Mitgliedstaaten.

Im Folgenden wird anhand jeweils eines Projekts exemplarisch illustriert, was in den sieben Bereichen erforscht wird.

Internetkontrollen allgemein: STARLIGHT

Sustainable Autonomy and Resilience for LEAs using AI against high priority Threats, offizieller deutscher Titel: KI-bezogene Kriminalität mithilfe von KI-Lösungen bekämpfen. Laufzeit: 2021-2025, Fördersumme: 17,0 Mio. Euro

Koordination: CEA (französisches Forschungsinstitut aus dem Energiebereich)

Beteiligte: 52 Beteiligte, darunter Innen- und Justizministerien, Universitäten, Polizeibehörden, Europol, aus Deutschland: Bundespolizei, Zentralstelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich und ein privatwirtschaftliches Institut

Ziel: Das Projekt will „das allgemeine Verständnis von KI in allen Strafverfolgungsbehörden“ erhöhen. Es sollen „Möglichkeiten zur Nutzung von KI-Instrumenten und -Lösungen“ entwickelt werden. Konzentriert auf Terrorismus und KI-gestützte Kriminalität will das Projekt „hochwertige Datensätze, einen interoperablen und standardisierten Rahmen und eine KI-Drehscheibe etablieren, um die strategische Autonomie der EU im Bereich der künstlichen Intelligenz zu stärken“.

Deliktische Verdachtsgewinnung: PROTON

Modelling the PRocesses leading to Organized crime and TerrOrist Netzworks (Modellierung von Prozessen die zu Netzwerken von organisierter Kriminalität und Terrorismus führen), Laufzeit: 2016-2019, Fördersumme: 4,1 Mio. Euro

Koordination: Katholische Universität Mailand

Beteilige: 19 Beteiligte, vor allem Universitäten, aber auch Europol, aus Deutschland: Fraunhofer-Institut, Universität Erlangen-Nürnberg

Ziel: Das Projekt zielt auf die Aufdeckung von Netzwerken des Terrorismus und der organisierten Kriminalität. Ausgehend von einer Bestandsaufnahme verschiedener Faktoren, die zur Ausbildung derartige Netzwerke führen, soll ein Modell entwickelt werden, das die Etablierung präventiver Maßnahmen erlaubt. Das Vorhaben ist an Entscheidungsträgern auf unterschiedlichen Ebenen adressiert; ob auch Sicherheitsbehörden zu den avisierten „end-usern“ gehören, bleibt offen.

Detektionen: PREVENT

PRocurEments of innoVativE, advaNved systems to support security in public Transport, dt. Titel: Terroranschläge in öffentlichen Verkehrsmitteln verhindern, Laufzeit: 2019-2020, Fördersumme: 1,9 Mio.

Koordination: Privates Digital-Unternehmen (Spanien)

Beteiligte: 16 Beteiligte, zumeist aus dem Verkehrssektor, zwei Innenministerin, eine Polizeibehörde

Ziel: Entwicklung eines „interaktiven Online-Instruments“, das es „den Sicherheitskräften ermöglicht, verdächtige Personen und gefährliche Gegenstände (in öffentlichen Verkehrsmitteln) umgehend zu erkennen“. 

Migration/Grenzen: NESTOR

aN Enhanced pre-frontier intelligence picture to Safeguard The EurOpean boRders, offizieller deutscher Titel: Ganzheitliches Überwachungssystem für die EU-Grenzen , Laufzeit: 2021-2023, Fördersumme: 5 Mio. Euro

Koordination: Griechische Polizei

Beteilige: 20 Beteiligte, überwiegend IT-Unternehmen (davon 1 aus Deutschland), einige Innenministerien

Ziel: Gestützt auf „Analysetechnologien im optischen, thermischen Bildgebungs- und Funkfrequenzspektrum, die von einem interoperablen Sensornetz gespeist werden“, will das Projekt ein „umfassenden Grenzüberwachungssystem der nächsten Generation entwickeln. Ermöglicht werden soll auch „über See- und Landgrenzen hinweg eine Lageerkennung im Grenzvorbereich“.

Auswertungen/Ermittlungshilfen: LOCARD

Lawful evidence collecting an continuity platform development (offizieller deutschen Titel: Erfassung digitaler Beweise zur Verbrechensbekämpfung), Laufzeit: 2019-2022, Fördersumme: 6,8 Mio. Euro

Koordination: Griechisches IT-Unternehmen

Beteiligte: 22 Beteiligte, vor allem IT-Unternehmen, Polizei aus Griechenland und Rumänien, aus Deutschland: Technische Universität Berlin, Hochschule für den öffentlichen Dienst in Bayern

Ziel: Da terroristische und allgemein kriminelle Aktivitäten zunehmend mit digitalen Werkzeugen unternommen werden, will das Projekt eine Plattform bereitstellen, mit der „digitale Beweisdaten gespeichert und eine angemessene Beweiskette in der juristischen Arbeit sichergestellt werden können“.

Vernetzung: CYCLOPES

Fighting Cybercrime – Law Enforcement Practioners‘ Netzwork (offzieller deutscher Titel: Zusammenführung von Industrie und Wissenschaft zur Bekämpfung der Cyberkriminalität ), Laufzeit: 2021-2026, Fördersumme: 3,5 Mio. Euro

Koordination: Polnische Forschungsplattform (unter Polizei-Beteiligung)

Beteiligte: 20 Beteiligte, einige privatwirtschaftliche Unternehmen, Innenministerien aus drei Ländern, Polizeien aus sechs Ländern, aus Deutschland: Zentralstelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich, 1 privatwirtschaftliches Institut

Ziel: Durch das Projekt soll ein „Netzwerk für Strafverfolgungsbehörden zur Bekämpfung der Cyberkriminalität aufgebaut und unterhalten (werden), mit dem Synergien zwischen den Behörden, der Industrie und der wissenschaftlichen Gemeinschaft geschaffen werden sollen“.

Mehr Sicherheit durch Forschungsförderung?

Die Forschungsförderung innerhalb der Europäischen Union findet im Rahmen unterschiedlicher Strategien in unterschiedlichen Politikbereichen statt. Der hier untersuchte Bereich ergibt sich aus einer Überschneidung von innovationsorientierter Wirtschaftspolitik, und technikgestützten Sicherheitsversprechen – bezogen auf die die gegenwärtig als dominierend wahrgenommenen Gefährdungen. Ausweislich der geförderten Projekte bestehen diese in der illegalisierten Migration, Terrorismus und jenen Kriminalitätsformen, die durch das Internet erst ermöglicht werden oder durch digitale Begehungsformen in Ausmaß und Intensität zugenommen haben.

Da der vorgestellte Bereich explizit einen technischen Fokus hatte, überrascht es nicht, dass die Förderungen zum Ausbau der Überwachungskapazitäten, genauer: einer technikgestützten Kontrollinfrastruktur beitragen. Das beginnt auf der Ebene der Hardware bei den Durchleuchtungstechnologie (die Drohnen-Forschungen wurden hier bewusst ausgeklammert), auf der Ebene der Software betrifft dies der Anwendungen Künstlicher Intelligenz, die von der Verdachtsschöpfung bis zu den Verdichtungen zu konkreten Ermittlungsverfahren reichen. Im Moment scheint dies begrenzt auf einzelne Phänomenbereiche (von der Radikalisierung bis zu Kindesmissbrauch), offenkundig ist jedoch, dass die so entwickelten Instrumente und Verfahren auf alle Formen suspekten oder unerwünschten Verhaltens angewendet werden können. Bürgerrechtliche Probleme liegen deshalb im Gebrauch wie im Missbrauch der neuen, technikgestützten Handlungsräume. Es hat den Anschein, dass diese Frage in den geförderten Projekten deutlich zu kurz kommen.

[1]   Die Angaben in diesem Text beziehen sich auf den Stand von Januar 2023.
[2]   https://ec.europa.eu/info/funding-tenders/opportunities/portal/screen/home
[3]    ebd.
[4]   https://erc.europa.eu
[5]   Verordnung v. 28.4.2021, Amtsblatt L 170/1 v. 15.5.2021
[6]   https://ec.europa.eu/info/funding-tenders/opportunities/portal/screen/opportunities/topic-search
[7]   https://cordis.europa.eu/projects/de. Alle nachfolgenden Angaben stammen aus dieser Projektdatenbank.

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