Stellungnahme zum MAD-Gesetz-Entwurf vom 6.4.1989

1. Generelle Anmerkungen

Der MAD entstand 1956 nach Gründung der Bundeswehr durch einen Organisationsakt des Bundesverteidigungsministers, dem dieser Geheimdienst unterstellt ist. Im Zuge dieses Organisationsaktes wurden das „Amt für die Sicherheit der Bundeswehr“ (ASBw) und sechs regionale Untergliederungen des MAD in den Wehrbereichen geschaffen. Das ASBw wurde 1984 nach dem Wörner-/Kießling-Skandal in MAD-Amt umbenannt. Der militärische Geheimdienst der Bundesrepublik verfügt über ein Personal von ungefähr 2.000 Bediensteten.

Legitimiert wird die Tätigkeit des MAD mit der Notwendigkeit, die „Funktionsfähigkeit der Streitkräfte“ zu sichern. Ein Auftrag, dem das Bundesverfassungsgericht in mehreren Urteilen Verfassungsrang verliehen hat (BVerfGE, 28, 243 ff.; 48, 127 ff.).

Gestützt auf diesen Auftrag entfaltete der MAD im Laufe der Jahre eine exzessive geheimdienstliche Tätigkeit. Unter Sicherheit der Bundeswehr wurde vom MAD mehr verstanden als nur die Überprüfung der Loyalität der Soldaten. Die Beobachtung „extremistischer Bestrebungen“, der Aufgabe des VfS, die dem MAD im Bereich der Bundeswehr obliegt, führte diesen Geheimdienst schnell aus dem Bereich der Bundeswehr heraus. Beobachtet wurden nicht nur die wenigen Versuche insbesondere der K-Gruppen, Soldaten politisch zu organisieren. Der MAD richtete sein Augenmerk auch regelmäßig auf Aufrufe und Aktionen, die sich von außerhalb des Militärs an Soldaten wendeten – so im Falle der Friedensbewegung. Deshalb war es kein Zufall, daß sich in der inzwischen auf-gelösten, etwa 50.000 Personen umfassenden „Zerset-zerdatei“ des MAD so prominente Friedensbewegte wie Walter Jens, Luise Rinser oder Helga Schuchardt fanden.

In dem Bestreben, der „Zersetzung der Wehr- und Verteidigungsbereitschaft“ entgegenzuwirken, trat der MAD dabei auch in Konkurrenz zum VfS. Das bekannteste Beispiel ist die Demonstration gegen das Bremer Bundeswehrgelöbnis am 6. Mai 1980, bei deren Vorbereitung V-Leute von MAD, VfS und polizeilichem Staatsschutz miteinander „Bündnisverhandlungen“ als Juso-, KBW- etc. Vertreter führten (vgl. CILIP 17, S.70 ff.).

Der Bremer Fall mag durchaus in seinen Folgen außergewöhnlich sein, Konkurrenzen dieser Art sind aber angesichts der Tatsache, daß in der BRD drei Geheimdienste und ein wichtiger Zweig der Polizei, nämlich der Staatsschutz, auf ähnlichem Gebiet arbeiten, fast unausweichlich. Dies gilt umso mehr für das Verhältnis von MAD und VfS, die – wenn auch auf unterschiedlichem Gebiet, hier im Zivilbereich, dort im militärischen – dieselbe Aufgabenstellung haben: die „Beobachtung extremistischer Bestrebungen und sicherheitsgefährdender und geheimdienstlicher Tätigkeiten“.

Zu den Aufgaben des MAD zählt auch die Mitwirkung bei der Sicher-heitsüber-prüfung der Bundeswehrbediensteten – samt ehelichem oder auch nicht-ehelichem Anhang. Jährlich werden vom MAD etwa 200.000 Sicherheitsüberprüfungen durchgeführt. Auch in dieser Frage unter-scheiden sich in erster Linie die Bereiche, in denen die Geheimdienste arbeiten, nicht die grundsätzlichen Aufgabenstellungen.

Im Unterschied zum VfS gibt es für den MAD bisher keine gesetzliche Grundlage, sondern nur Dienstanweisungen. Zu einer gesetzlichen Festlegung kam es auch nach dem Kießling/Wörner-Untersuchungsausschuß des Bundestages 1984 nicht. Der Entwurf für ein MAD-Gesetz 1985/86 blieb wie die anderen Geheimdienstgesetze zunächst liegen. Im Kern dient der Entw. nur dazu, die Arbeitsbereiche und Zuständigkeiten von VfS und MAD besser abzugrenzen, damit Kollissionen wie in Bremen 1980 sich möglichst nicht wiederholen.

2. Detailkommentierung

Zu 1: Aufgaben als Verfassungsschutzbehörde

Die Aufgaben des MAD werden mit denen des VfS parallelisiert. In Abs.1 heißt es deswegen: „Der militärische Abschirmdienst … nimmt … Aufgaben wahr, die denen einer Verfassungschutzbehörde entsprechen.“
In den einzelnen Absätzen dieser Norm erhält er demgemäß dieselben Aufgaben, die auch in 3 BVerfSchG genannt sind:
– Extremismus-Beobachtung (Abs.2 Nr.1),
– Spionageabwehr (Abs.2 Nr.2),
– Mitwirkung bei Sicherheitsüberprüfungen (Abs.4 Nr.1),
– Mitwirkung beim technischen Geheimschutz (Abs.4 Nr.2).

Diese Aufgaben soll er jeweils innerhalb des militärischen Bereichs aus-führen. Seine Arbeit richtet sich einerseits gegen Personen aus diesem Bereich und andererseits gegen Personen, die „extremistische Bestrebungen“ oder „sicherheitsgefährdende Tätigkeiten“ gegen die Bundeswehr oder militäri-sche Einrichtungen der Stationierungsstreitkräfte und der NATO auf bundesdeutschem Boden unternehmen.

Während die genannten Regelungen sich also noch weitgehend auf den militärischen Bereich beziehen, gibt der Abs.3 ihm eine weit darüber hinaus reichende Vollmacht: die „Beurteilung der Sicherheitslage“ der genannten militärischen Institutionen. Zur Erfüllung dieser Aufgabe müßte der MAD auf alle möglichen Informationen und Personen zurückgreifen. Diese Aufgabenstellung ist damit völlig uferlos (vgl. 4 Abs.1 Nr.4).

Zu 2: „Verfassungschützerischer“ Zugriff des MAD auf Personen außerhalb des militärischen Bereichs

Im Rahmen der „Extremismusbeobachtung“ und der Spionageabwehr im militärischen Bereich darf der MAD seine Recherchen auch auf Personen außerhalb dieses Bereichs erstrecken:

– auf die Ehegatten oder Lebensgefährten der Beobachteten (Abs.1 Nr.1),
– auf andere Personen, die möglicherweise mit denen zusammenar-beiten, von denen „extremistische Bestrebungen“ und „sicherheits-gefährdende Tätigkeiten“ gegen den militärischen Bereich ausgehen (Abs.1 Nr.2)
sowie
– auf weitere Personen zum Schutz seiner „Nachrichtenzugänge“, Mitarbeiter etc. (Abs.2).
Außer im erstgenannten Fall muß er sich mit dem VfS ins Benehmen setzen.

Zu 3: Zusammenarbeit mit dem VfS

Abs.1 und 3 verpflichten MAD und VfS zur Zusammenarbeit und gegenseitigen Unterrichtung. Die Abs. gebrauchen nahezu die gleichen Formulierungen, die das BVerfSchG für die Zusammenarbeitspflicht und die gegenseitige Unterrichtung der Länderämter- und des BfV ( 1 und 4 Abs.1) benutzt.
Abs.2 gibt den VfS-Ämtern die gleichen Befugnisse, ihre Aufgaben auf den militärischen Bereich auszustrecken wie dies dem MAD in 2 Abs.2 gewährt wird.

Zu den 4, 5 und 6: Befugnisse

Auch die Befugnisse des MAD sind weitestgehend mit denen des BfV identisch. Die entsprechenden Regelungen verweisen deshalb auf die des BVerfSchG. Es sind dies in 4:
– Abs.1: Erhebung von Daten auch durch nachrichtendienstliche Mittel, Speicherung, Verarbeitung und Nutzung von Daten,
– Abs.2: die Pflicht zur Berichtigung falscher Daten bzw. zu ihrer Löschung und Sperrung,
– Abs.3: die Pflicht, Dateianordnungen aufzustellen,
– Abs.4: die Berichtspflicht gegenüber dem Dienstherren, dem BMVg,
– in den 5 und 6: die Pflichten zur Übermittlung von Informationen, wie sie in derselben Form auch der VfS hat.

Zur Erfüllung der Aufgaben einer VfS-Behörde im militärischen Bereich stehen dem MAD alle Befugnisse der Datenverarbeitung zu: von der Erhebung bis zur Übermittlung.

Nur für die Beurteilung der Sicherheitslage des Militärs werden Be-schränkungen formuliert: Eine eigenständige Befugnis zur Datenerhebung kommt dem MAD für diese Aufgabenstellung nicht zu. Die Informatio-nen, die er zur Beurteilung der Sicherheitslage braucht, muß er deshalb vom VfS und vom BND beziehen. M.a.W.: der MAD darf zur „Beurtei-lung der Sicherheitslage“ alle möglichen Informationen des VfS sowie

des BND und der Strafverfolgungsbehörden nutzen. Er darf in diesem Bereich aber nicht selbst erheben oder gar nachrichten-dienstliche Mittel einsetzen. Mit dieser Abgrenzung wird also das Maß der dem MAD zugänglichen Informationen keineswegs beschränkt. Gespeichert, genutzt, verarbeitet und übermittelt werden dürfen Daten auch hier – es geht nur um eine funktionale Abgrenzung zum VfS und BND.

Zu 7: „Geltung“ des BDSG und Verwaltungsverfahrensgesetzes

Auch hier wir zum BVerfSchG (vgl. 24) „parallelisiert“, d.h. die da-tenschutzrechlichen Regelungen dieser Gesetze werden für den MAD suspendiert.

Literatur zum MAD:

Gusy, Christoph, Der Militärische Abschirmdienst, in: Die öffentliche Verwaltung, Heft 2/1983, S. 60 ff.
Kloss, Herbert, MAD – der militärische Abschirmdienst der Bundeswehr, in: Beiträge zur Konfliktforschung 1/1987, S. 99 ff.
Diskussion und Feststellungen des Dt. Bundestages in Sachen Kießling. Zur Sache – Themen parlamentarischer Beratung, 2/1984