Chronologie

Juli
7.7., Berlin (W.): Die 1. Kammer des VG erklärt den Polizeikessel anläßlich des Besuchs von  Präsident Reagan am 12.6.87 in Berlin für rechtswidrig.
9.7., Berlin (W.): Das Kammergericht lehnt die Revision der TAZ gegen ein Urteil des LG v. Juni 88 ab. Das LG hatte einen Redakteur wegen Verstoß gegen Paragraph 130a StGB (Abdruck eines Bekennerschreibens einen Tag nach Inkrafttreten des   130a) zu einer Geldstrafe verurteilt.
11.7., Berlin (W.): Ab sofort kann vom LfV Auskunft über gespeicherte Daten und Dossiers verlangt werden. Zugesagt ist die großzügige Beantwortung. Die Anfragen der HerausgeberInnen dieser Zeitschrift sind bisher nur in 2 Fällen beantwortet worden. Eingereicht ist eine Auskunftsklage.
12.7., Köln: Es wird bekannt, daß das Bundesamt f. VfS seit Anfang des Jahres die Adressen von Wohnungen und Arbeitsstätten aller Aus- und Übersiedler aus Osteuropa in einer Datei mit dem Namen ADOS (Adressendokumentation Ost) speichert. VfS-Präsident Boeden versichert (am 3.11.), die Aus- und Übersiedler würden nicht „beschnüffelt“, bestätigt und verteidigt aber die Existenz der Datei.
16.7., Wien: Drei kurdische Politiker werden bei einem Geheimtreffen von Unbekannten ermordet. Unter den Opfern befindet sich auch der Generalsekretär der Demokratischen Partei Kurdistans.
17.7., NRW: Inneminister Schnoor befürwortet eine stärkere Zentralisierung zur Beschleunigung der Asylverfahren.
Amsterdam: Durch eine „zügige und reibungslose Zusammenarbeit“ zwischen BKA und der Polizei in Amsterdam werden insgesamt 117 kg Heroin beschlagnahmt.
Lothringen: Drei Mitglieder der IRA werden von der französischen Polizei festgenommen.
19.7., Berlin (W.): Eine Arbeitsgruppe, die die „Fehlentwicklungen“ im LfV untersucht, legt ihren ersten Bericht vor. Inzwischen ist der zunächst als „VS“ (Verschlußsache) klassifizierte Text vom Innensenat öffentlich zugänglich gemacht worden.
Bonn: Bundesinnenminister Schäuble kündigt die Novellierung der Gesetze über den unmittelbaren Zwang des Bundes an, um für die Polizeibeamten des Bundes (BKA und BGS) eine Rechtsgrundlage für den gezielten Todesschuß zu schaffen.
Madrid: Zwei hohe spanische Militärs werden von der ETA ermordet.
Paris: Aufgrund einer richterlichen Entscheidung werden vier Gefangene der Action Directe nach neun Wochen Hungerstreik in den Normalvollzug verlegt. Den Beschluß hebt ein anderer Untersuchungsrichter wenige Stunden später wieder auf.
Bamberg: Das OLG verkündet für Karl-Heinz Hoffmann – Begründer der Wehrsportgruppe Hoffmann – Haftverschonung.
21.7. Berlin (W.): Die besetzten Häuser in der Marchstr. werden von der Bauaufsicht geschlossen und durch die Polizei geräumt.
22.7., Lüneburg: Das OVG lehnt die Entlassung eines DKP-Mitglieds aus dem nds.  Schuldienst ab. Am 28.9. verurteilt das BAG in Kassel das Land Niedersachsen zur Wiedereinstellung von zwei Lehrern, die aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur DKP entlassen worden waren. Dessen ungeachtet wird nach einem Urteil des nds. Disziplinargerichtshofs vom 1.11. erneut eine Lehrerin wegen ihrer DKP-Mit-gliedschaft aus dem Schuldienst entlassen. Am 16.11. lehnt das Arbeitsgericht Stuttgart die Entlassung eines DKP-Mitglieds aus dem Schuldienst ab.
26.7., Stockholm: Ein Schöffengericht verurteilt den 42jährigen K.P. wegen des Mordes an Olof Palme zu lebenslänglicher Haft. K.P. wird in einer Revisionsverhandlung am 2.11.89 rechtskräftig freigesprochen.
Schleswig-Holstein: Wegen einer privaten Hitlerfeier werden vier Beamte der Bereitschaftspolizei Eutin von Innenminister Bull vom Dienst suspendiert; ein Disziplinarverfahren wird eingeleitet. Am 12.10. werden die Polizisten wegen gemeinschaftlichen Aufstachelns zum Rassenhaß zu Freiheitsstrafen auf Bewährung bzw. einer Geldstrafe und Geldbußen verurteilt.
27.7., Berlin (W.): Nach Beschluß des VG muß Innensenator Pätzold den Auswertungsleiter für Links- und Rechtsextremismus des LfV, Senatsrat Bakker, weiter beschäftigen. Damit scheitert ein Versuch, personelle Konsequenzen aus den skandalösen Praktiken des LfV in den letzten Jahren zu ziehen.
29.7.: Karlsruhe: Der BGH lehnt die Revision gegen ein Urteil des Bay. OLG vom Dezember letzten Jahres ab. Eine 23jährige war wegen der Anmietung von Räumen für eine Veranstaltung über die Haftbedingungen von RAF-Gefangenen nach  129a StGB zu zehn Monaten Freiheitstsrafe auf Bewährung verurteilt worden. Das Urteil ist jetzt rechtskräftig.

August
1.8., Mannheim: In zwei Urteilen des VGH Baden-Württemberg wird die Errichtung von Altenwohnheimen und Sammelunterkünften für Flüchtlinge in reinen Wohngebieten verboten.
2.8., Essen: Vor dem LG beginnt der Prozeß um das Gladbecker Geiseldrama.
3.8., Berlin (W.): Der Berliner GdP-Vorsitzende fordert eine Entlastung der Schutzpolizei von Schutzaufgaben bei Veranstaltungen etc. Begründung: In den ersten 6 Monaten d.J. wurden von 11.000 Berliner Schutzpolizisten 550.000 Überstunden geleistet.
Berlin (W.): Die Westalliierten übertragen der Berliner Polizei u.a. die Befugnis zur Erteilung aller Waffenlizenzen.
5.8., Hannover: Anläßlich der „Chaos Tage“ kommt es zu gewalttätigen Ausschreitungen zwischen Jugendlichen und der Polizei. 120 Jugendliche werden festgenommen.
8.8., Stuttgart: Bei einer Personenkontrolle werden zwei Polizeibeamte von einem Liberianer mit einem Bajonett getötet; zwei Beamte werden lebensgefährlich verletzt.
9.8., Niedersachsen: Der Innenminister kündigt an, zukünftig alle Asylbewerber, die wegen Rauschgifthandel festgenommen werden, sofort abschieben zu lassen. (Vgl. den Beitrag „Drogenkrieg in Hannover“ in dieser Ausg.)
Karlsruhe: Gegen die Tierschutzorganisation „animal peace“ wird wegen des Verdachts der Gründung einer kriminellen Vereinigung ermittelt.
28.8., Karlsruhe: Das OLG erkennt den genetischen Fingerabdruck als Beweismittel für die Identitätsfeststellung in einem Vaterschaftsprozeß an.

September
2.9., Münster: Bei einem Attentat auf Angehörige der britischen Rheinarmee werden zwei britische Soldaten lebensgefährlich verletzt.
4.9., Berlin (W.): Es wird bekannt, daß Heinrich Lummer (CDU) während seiner Amtszeit als Innensenator dem VfS Kontakte zur Stasi verschwiegen hat.
Wackersdorf: Der Polizeiführungsstab für die WAA-Sicherung soll zum Jahresende aufgelöst werden.
Hamburg: Der Senat lehnt ein generelles Bleiberecht für die 1.200 – 1.500 in der Stadt lebenden Sinti und Roma ab.
7.9., Hannover: Die Staatsanwaltschaft stellt alle Verfahren gegen leitende Beamte des Inneministeriums im Zusammenhang mit den Vorfällen um den Geheimagenten Mauss und der Spielbankenaffäre ein.
8.9., Unna: Die IRA erschießt die Frau eines britischen Soldaten.
9.9., Würzburg: Bei der Überprüfung von zwei Autodieben durch eine Zivilstreife wird ein 17jähriger Jugendlicher durch einen Schuß in den Kopf getötet.
Namibia: 50 Beamte des BGS landen als Teil der UN-Truppe in Namibia. Dies ist der zweite Einsatz bundesdeutscher Polizeiverbände im Ausland, nachdem 1977 die GSG 9 in Somalia eine entführte Lufthansa-Maschine stürmte.
16.9., Berlin (W.): Jahrelang geheimgehaltene Unterlagen im Mordfall Schmücker werden von der Justizverwaltung für das 4. Verfahren freigegeben. (Vgl. unse-ren Beitrag in dieser Ausg.)
22.9., Bonn: Der Bundesrat verabschiedet den Gesetzentwurf zum Ausländerzentralregister. (Vgl. die Kritik in dieser Ausg.)
Berlin (W.): Es wird bekannt, daß das LfV ohne Kenntnis des Innensenators bis vor kurzem die Hauptbeschuldigte im Schmücker-Mordprozeß, Ilse Schwipper, überwacht und abgehört hat.
28.9., Bonn: BMI und BMJ bestätigen in einer Antwort auf eine Anfrage der Grünen, daß die Verschärfung des Demonstrationsstrafrechts 1988 mit äußerst fragwürdigem Zahlenmaterial über gewalttätige Ausschreitungen bei Demon-strationen begründet wurde. (Vgl. den Beitrag in d. Ausg.)

Oktober
7.10., DDR: Bei Demonstrationen in verschiedenen Städten kommt es zu gewalttätigen Übergriffen der Volkspolizei und der Stasi. (Vgl. den Beitrag in dieser Ausg.)
11.10., Niedersachsen: Der 11. parlamentarische Untersuchungsausschuß zum sogenannten „Celler Loch“ legt seinen Abschlußbericht vor. (Vgl. den Beitrag in dieser Ausg.)
12.10., Karlsruhe: Das BVerfG untersagt in einer einstweiligen Anordnung die geplante Wahlberechtigung von Ausländern bei der nächsten Kommunalwahl in Schleswig-Holstein.
19.10., London: Der Court of Appeal hebt die Urteile gegen die „Guildford Four“ auf, weil Polizeibeamte Beweise gefälscht und das Gericht in die Irre geführt hatten; die vier Inhaftierten werden nach 14 Jahren freigelassen. Die „Guildford Four“ waren wegen ihrer angeblichen Beteiligung an zwei Bombenanschlägen 1975 zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt worden. Gegen die beteiligten Polizisten ermittelt die Staatsanwaltschaft.
24.10., Bonn: Die Bundesregierung beschließt ein Sofortprogramm gegen die Drogensucht und schärfere Gesetze gegen Drogenhändler. Vorgesehen sind u.a. der personelle Ausbau des BKA, verbesserte technische Ausstattung der Fahnder und gesetzliche Grundlagen für verdeckte Ermittlungen und „unkonventionelle“ Fahndungsmethoden.
26.10., Wildenrath: Ein britischer Soldat und sein Kind werden erschossen. Die IRA bekennt sich zu dem Anschlag.

November
1.11., Dresden: Gegen 70 Mitglieder der Sicherheitsorgane werden wegen verschiedener Übergriffe gegen Demonstranten Ermittlungsverfahren eingeleitet.
2.11., Wiesbaden: Das BKA dementiert Presseberichte, wonach seine Beamten 90 Minuten vor dem Start des später über dem schottischen Lockerbie abgestürzten PanAm-Fluges vor verdächtigen Vorgängen in der Ladezone der Maschine gewarnt hätten. In den folgenden Tagen tauchen weitere Meldungen über Warnungen des israelischen Geheimdienstes Mossad und über die Verwicklung des CIA in den Bombenanschlag auf.
3.11., Bühl: Die IMK spricht sich gegen den Abbau der Grenzkontrollen zwischen der BRD, Frankreich und den Benelux-Staaten (Schengen-Gruppe) zum vorgesehenen Zeitpunkt (1.1.90) aus, weil ein grenzüberschreitendes Kommunikationssystem als Ausgleichsmaßnahme noch nicht ausgebaut worden sei. Am 14.11. einigen sich die Minister und Staatssekretäre der fünf Staaten darauf, den Wegfall der Grenzkontrollen auf Ende 1991 zu verschieben. Mitte 1991 soll ein gemeinsames Computer-Fahndungssystem einsatzbereit sein.
Berlin (W.): Auf Weisung von Justizsenatorin Limbach wird überprüft, ob das Verhalten von Generalstaatsanwalt Treppe und vier weiteren Staatsanwälten in einem früheren Prozeß gegen den ehemaligen V-Mann des VfS Telschow strafrechtlich zu beanstanden ist. Die Staatsanwälte stehen im Verdacht der Rechtsbeugung, weil sie dem Gericht verschwiegen, daß der damals wegen Steinwürfen und Sachbeschädigungen Angeklagte V-Mann des LfV war.
13.11., Berlin (O.): Das DDR-Verteidigungsministerium hebt den Schießbefehl an den Grenzen auf.
14.11., Köln: Vor dem LG beginnt der Prozeß gegen Gabriele Tiedemann wegen des Vorwurfs der Beteiligung am Überfall auf die OPEC-Konferenz vom 21.12.75 in Wien.
17.11., Göttingen: Nach gewälttätigen Auseinandersetzungen zwischen Skinheads und „Autonomen“ wird eine junge Frau auf der Flucht vor der Polizei von einem Privatauto tödlich überfahren. Zuvor war im örtlichen Polizeifunk die Jagd auf die „Autonomen“ verkündet worden. Am 19.11. wird eine Mahnmache unter Schlag-stockeinsatz aufgelöst. Dieser Einsatz und die Äußerungen im Polizeifunk werden vom Innenministerium mißbillgt.
19.11., Hessen: Auf der Autobahn zwischen Offenbach und Frankfurt wird ein ausgebrochener österreichischer Häftling von einem Sondereinsatzkommando erschossen; sein Komplize wird verletzt. Zuvor hatten die beiden Männer in einer Gaststätte vier Menschen erschossen und anschließend eine Geisel genommen. Die Geisel bleibt beim Einsatz der Polizei unverletzt.
21.11., Berlin (O.): Vor einer Strafkammer beginnt der erste öffentl. Prozeß gegen einen Volkspolizisten, der beschuldigt wird, einen in Zusammenhang mit den politischen Protesten in Berlin (O.) Festgenommenen auf dem Revier mißhandelt zu haben.

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