von Günter Saathof
Im Koalitionsabkommen der Regierungsfraktionen von CDU/CSU und FDP wurde ’87 vereinbart, eine „unabhängige Regierungskommission“ zu begründen, die die Ursachen der Gewalt erforschen und Konzepte zu ihrer Verhinderung und Bekämpfung entwickeln sollte. Das Endgutachten liegt nun vor. Unser Autor ist Mitarbeiter der Fraktion „Die Grünen“ im Bundestag.
I. Einsetzung und Auftrag der Gewaltkommission
Eigentümlich für den wissenschaftlichen wie praktischen Standort der Gewaltkommission war bereits in der Planungsphase das „Einvernehmen, daß die Einsetzung dieser Regierungskommission parallelen gesetzlichen Maßnahmen nicht entgegensteht“ (Koalitionsabkommen).
Zur Einsetzung der Kommission kam es zunächst nicht.
Dies änderte sich erst mit den „Schüssen an der Startbahn West“ vom 2. November 1987, denen zwei Polizisten zum Opfer fielen. Wenig später, am 16.12.1987, wurde die „unabhängige Regierungskommission“ von der Bundesregierung berufen. Wie es der Anlaß (und Vorlauf) erwarten ließ, waren hierbei die Würfel zugunsten einer stärkeren Position des BMI gefallen. Dies schlug sich nicht nur in der Zusam-mensetzung der Kommission nieder, sondern ebenso in dem durch Kabi-nettsbeschluß formulierten Arbeitsauftrag:
„2. Die Gewaltkommission hat den Auftrag, bis Ende 1989
– in einer Sekundäranalyse die Ursachen, insbesondere
– der politisch motivierten Gewalt,
– der Gewalt auf Straßen und Plätzen,
– der Gewalt im Stadion,
– der Gewalt in der Schule und
– der Gewalt in der Familie
zu untersuchen und Konzepte zu entwickeln, die so praxisnah und handlungsorientiert gefaßt sein sollen, daß sie von Gesetzgebung, Verwaltung und Justiz auch möglichst kurzfristig umgesetzt werden können.“
Nach mehr als zweijähriger Tätigkeit haben die Vorsitzenden der Kommission das Endgutachten der Öffentlichkeit am 16.1.1990, dem Innenausschuß des Bundestages am 7.2.1990 vorgestellt. Erwähnenswert: seitens des BMI bzw. der Kommissionsvorsitzenden selbst wurden 1988 und 1989 Zwischenberichte über die Ergebnisse der Kommissionsarbeit – was insbesondere im Zusammenhang mit den Debatten zum „Artikelgesetz“ sinnvoll gewesen wäre – kategorisch abgelehnt. Auch einzelnen Mitgliedern der Kommission wurden öffentliche Äußerungen untersagt.
II. Die Struktur und Zusammensetzung der Kommission
Zum Vorsitzenden wurde der Kriminologe und frühere Justizminister Niedersachsens H.D. Schwind, zum stellvertretenden Vorsitzenden der Strafrechtler und frühere Berliner Justizsenator J. Baumann bestimmt. Unterhalb dieser Ebene war die 36-köpfige Kommission geteilt in zwei Arbeitsgruppen mit je 16 Mitgliedern. Die Arbeitsgruppe A beschäftigte sich mit der „Prävention“, die Arbeitsgruppe B mit der „strafrechtlichen Kontrolle“. Innerhalb jeder AG gab es Unterkommissionen, die zugleich be-stimmte Fachdisziplinen (z.B. Polizeipraxis, Psychiatrie, Kriminologie) repräsentieren sollten. Zentrales Gremium zur Koordinierung der Ergebnisse war schließlich das Plenum, das die wesentlichen Vorschläge des Endgutachtens – das jedoch allein von den Kommissionsvorsitzenden verfaßt wurde – durch Mehrheitsentscheidungen absegnete.
Von den 36 Mitgliedern sind (Mehrfach-Nennungen möglich) immerhin 8 Ministerialbeamte oder ehemalige Ministeriale, 5 Mitarbeiter des BKA oder eines LKAs, 7 Richter oder Staatsanwälte, 8 Strafrechtswissenschaftler oder Kriminologen, 3 Öffentlich-Rechtler, 4 Psychiater, aber nur 2 Soziologen, 4 Psychologen, 1 Politologe, hingegen kein Pädagoge oder Sozialpädagoge.
Noch gravierender ist es um die „Unabhängigkeit“ oder „Ausgewogenheit“ bestellt, sieht man sich an, welche zusätzlichen Experten zu Worte kamen:
Von den genannten 46 Experten waren 28 Polizeipraktiker, Polizeiwis-senschaftler, Kriminaldirektoren oder entsprechende Ministerialbeamte, 5 Richter, 3 Staatsanwälte, hingegen z.B. nur je ein Experte aus den Bereichen Soziologie, Jugendverbandsarbeit, Frauen- und Kinderschutz, 2 Jugendforscher, 2 Psychologen, 1 Kommunikationswissenschaftler usw. Bei alledem bleibt hier unberücksichtigt, welche Ausrichtungen ihrer Fachdisziplinen die jeweiligen Experten vertraten.
III. Gewaltbegriff und methodischer Ansatz
Ein wissenschaftstheoretischer Grundsatz, wonach der Blickwinkel der eigenen Fachdisziplin und das „erkenntnisleitende Interesse“ auch den Untersuchungsgegenstand selbst definiert und konstituiert, wird in doppelter Hinsicht durch die Arbeitsmethodik der Kommission bestätigt. Dies betrifft zum einen den Gewaltbegriff, der die Grundlage der Kommissionsarbeit bildet, zum anderen die spezifische Handlungsorientierung der Kommission, die einen „handhabbaren Gewaltbegriff“ erfordern.
Polizeipraktiker und Staatsanwälte sind eben mit einem anderen Gewaltverständnis vertraut als Soziologen und Politologen. Die Vorschläge, die sie zur „Prävention“ und „Bekämpfung“ von Gewalt vortragen, orientieren sich an den Handlungskompetenzen und ideologischen Grundlagen ihrer Profession. Die grundlegende Begrifflichkeit von Gewalt war interessanterweise im Regierungsauftrag nicht vorgegeben. Die Kommission legte selbst fest, daß „der Gewaltbegriff aus der Sicht des staat-lichen Gewaltmonopols bestimmt werden“ soll (Endgutachten S. 12). Sie legte ferner fest, daß primär „Gegenstand der Untersuchung und von Lösungskonzepten die politisch motivierte Gewalt (sein sollte) sowie die Gewalt auf Straßen und Plätzen“ (S. 12).
Bewußt wurden – wie das EG selbst hervorhebt – eine Vielzahl von Dimension oder Ausprägungen der Gewalt von der Betrachtung ausgeklammert, darunter die Gewalt im Straßenverkehr, die klassische Gewaltkriminalität, die „strukturelle Gewalt“, schließlich auch die „terroristische Gewalt“. Letzteres erscheint um so unverständlicher, teilt man die Auffassung, wonach eine vernünftige Diskussion über politisch motivierte Gewalt unter Ausklammerung einer Betrachtung struktureller Gewaltverhältnisse (etwa Überlebensbedrohungen) aber auch der „terroristischen Gewalt“ schlechthin unmöglich ist.
Auf der ersten Plenarsitzung der Kommission wurde beschlossen – „um überhaupt zu einer Verständigung über Ursachen der Gewalt … zu kommen“ (S. 20) – einen Gewaltterminus zu benutzen, der „die zielgerichtete, direkte physische Schädigung von Menschen durch Menschen erfaßt“ (S. 16 f.).
Das EG hebt selbst hervor, die Auswahl des Gewaltbegriffs sei keineswegs wertfrei erfolgt (S. 17), strategische Zwecke schienen auf allen Seiten durch, der Gewaltbegriff sei geradezu prädestiniert zu einem „Kampfbegriff“ (S. 16), der über Verbleib oder Ausgrenzung aus einer jeweiligen politischen Gruppierung – also auch die Kriminalisierung spezifischer Handlungen – entscheide.
Verworfen wird eindeutig die Verwendung des Begriffs der „strukturellen Gewalt“ nach Galtung. Eine detaillierte Auseinandersetzung mit dieser Begrifflichkeit unterbleibt allerdings. Hier reicht der Hinweis, „eventuell eingesetzte eigene Gewalt (der neuen Protestbewegungen) erscheint damit lediglich als Gegengewalt“ (S. 17). Nun wird man viel kritisches zu Galtungs Gewaltbegriff sagen können – eine pauschale Legitimation gesellschaftlicher Gegengewalt(en) impliziert er mit Sicherheit nicht.
Der von der Kommission zugrunde gelegte Gewaltbegriff hatte schließlich den Wortlaut:
„Der Gewaltbegriff soll aus der Sicht des staatlichen Gewaltmonopols bestimmt werden. Dabei soll es primär um Formen physischen Zwanges als nötigender Gewalt sowie Gewalttätigkeiten gegen Personen und/oder Sachen unabhängig von Nötigungsintentionen gehen. Ausgeklammert werden sollen die physisch vermittelte Gewalt im Straßenverkehr und die strukturelle Gewalt“ (S. 20).
Der auf Körperlichkeit und Sachen bezogene Gewaltbegriff wird schließlich doch erweitert um die Kategorie des „vergleichbar schweren psychischen Zwangs“ (S. 329). Eine gewisse Konsequenz zeitigt dies für die Beurteilung der höchstrichterlichen Rechtssprechung: Die Versuche, einer Vergeistigung (Psychifikation) in den Gewaltbegriff und damit das Strafrecht einzuführen, werden als ungeeignet zurückgewiesen.
Auf den defizitären Charakter des Gewaltbegriffs und der damit intendierten Ausblendung spezifischer Gewaltphänomene und Bedrohungspotentiale in der Gesellschaft (z.B. Gewalt gegen Ausländer, Vernichtung der ökologischen Lebensgrundlagen) hat unmittelbar nach Veröffentlichung des Endgutachtens eine unabhängige Wissenschaftlergruppe auf Initiative der Kriminologen Albrecht und Backes hingewiesen, die ihre Kritik demnächst in einer eigenen Monographie der Öffentlichkeit vorstellen will.
Wie sensibel Kommissionsmitglieder mit einer solchen Kritik umzugehen pflegen, machte der Unterkommissionsvorsitzende R. Wassermann unter dem Titel „Wie man Gewalt fördert“ in „Die Welt“ vom 14.2.1990 klar: Er unterstellte den Kritikern schlichtweg, „haargenau jenes Liebäugeln … mit der Gewalt, dem die Gewaltkommission den Kampf angesagt hat.“
Konstitutiv für das Herangehen an den Gewaltbegriff ist, daß es letztlich nicht um Gewaltverhältnisse, um objektive Gewaltdrohungen – wie die atomare Abschreckung – geht, sondern um einen Gewaltbegriff, der dem Tatstrafrecht entlehnt ist, der vor allem die isolierte Gewalttat thematisiert.
IV. Uneingeschränkte Durchsetzung des Rechts und des staatlichen Gewaltmonopols
Grundlegend für die Studie ist außer der Normierung des Gewaltbegriffs die Setzung, die sich hinter der Formel verbirgt, die „Gewalt aus der Sicht des staatlichen Gewaltmonopols bestimmen“ zu wollen. Ist es bereits wissenschaftlich bedenklich, einen Gewaltbegriff nicht objektiv, dafür aus dem Blickwinkel eines interessierten Beteiligten bestimmen zu wollen, geht es hier um ein zweites Diktum:
„Nur wenn dem Rechtsstaat das Monopol legitimer physischer Gewalt zugestanden, und den Versuchen, dieses auszuhöhlen, mit Entschiedenheit begegnet wird, können das friedliche Zusammenleben in einer pluralistischen, demokratisch verfaßten Gesellschaft erhalten und die geordnete Freiheit gesichert werden, …“ (S. 1).
Ob dies das Gewaltmonopol tatsächlich auch leistet oder hingegen die Ausübung dieser legitimen Gewaltanwendung zugleich gewaltfördernd, gewaltsetzend oder gewaltreproduzierend ist, wird von der Studie nicht geprüft. Massiv wird aber darauf hingewiesen, daß diese „Soll-Funktionen“ einer eigenständigen und um-fangreichen wissenschaftlichen Evaluation vorbehalten sein sollten (S. 146).
Allein: Dieses Eingeständnis, das den 158 Vorschlägen leicht den Boden entziehen könnte, bleibt folgenlos.
Um es an einem Beispiel zu erläutern: Konsequent gedacht aus der Sicht des Gewaltmonopols ist es sicherlich, wenn ein Vorschlag der Kommission lautet, bei Hausbesetzungen unverzüglich zu räumen. Ob dies zugleich als friedensstiftende Handlungsmaxime empfehlenswert ist, steht auf einem anderen Blatt. Ein guter Grund übrigens, sich weitere Forschungsvorhaben von der Bundesregierung fördern zu lassen (vgl. S. 243 ff).
Da die friedensstiftende Funktion des rechtsstaatlich zivilisierten Gewalt-monopols gesetzt, aber nicht geprüft wird, ist es leicht, die Anerkennung und Durchsetzung des Gewaltmonopols zum Dreh- und Angelpunkt der gesamten Vorschläge zu machen. Hierauf basierend fordert die Gewaltkommission in ihren kriminalpolitischen Leitlinien und allgemeinen Empfehlungen sowohl, „die Duldung rechtswidriger Zustände und rechtsfreier Räume“ zu beenden, die „Funktion und Legitimation des staatlichen Gewaltmonopols in der Bevölkerung bewußt zu machen und zu verdeutlichen“, als auch ein konsequentes Konzept der Prävention und Repression gegen Rechtsbrecher einzusetzen.
V. Ergebnisse zum Ausmaß der Gewalt
Die Untersuchungsergebnisse zum Ausmaß der Gewalt, der Gewaltkriminalität und zu den erwarteten Tendenzen (S. 21-83) können hier ebenso wie der Komplex der „Entstehungszusammenhänge und Erklärungsansätze“ (S. 84-145) nur sehr gerafft referiert werden. Ich will dies exemplarisch für den Kern der Studie und der Vorschläge, die „politisch motivierte Gewalt“, ausführen.
Die Vorschläge scheinen selbst nicht gerade in engstem Zusammenhang mit diesen Erklärungsansätzen zu stehen: Das Endgutachten kommt zu der Selbsterkenntnis: „Die Vorschläge der Kommission fest verankert in den Ursachen (-theorien) zur Gewalt zu sehen, wäre verfehlt“ (S. 146).
Ein Blick in diese Kapitel scheint dennoch nützlich, hängt die Notwendigkeit zusätzlicher strafrechtlicher Maßnahmen oder Eingriffsbefugnisse der Polizei doch auch wesentlich von dem Nachweis der Erforderlichkeit, also der Zunahme von Gewalt ab. Hier hält das Endgutachten einige Überraschungen bereit:
Die Gewaltkriminalität habe insgesamt in den letzten Jahren nicht zu-, sondern seit 1982 durchgängig abgenommen (S. 24). Erheblich abgenommen habe ebenfalls der Schußwaffengebrauch (S. 25).
Gemessen an dem eigenen Gewaltbegriff der Kommission kann eine Steigerung der Gewaltkriminalität auf den Grundlagen der polizeilichen Kriminalstatistik (PKA) nicht belegt werden. Zu Recht vermerkt das EG, die Kriterien der PKS seien unzureichend. (S. 26). Aussagen über erwartbare Tendenzen seien auf diesem empirischen Hintergrund praktisch nicht möglich; beziehe man demographische Entwicklungen ein, erwartet das EG gar einen deutlichen Rückgang (S. 28 ff).
Solchermaßen von der Empirie tatsächlicher Gewaltkriminalität im Stich gelassen, taucht als rettender Anker für den späteren Vorschlagsteil ein Kriterium besonderer Güte auf, das „Bedrohtheitsgefühl“ in der Bevölkerung (S. 31 ff.) oder auch ein „allgemeines Unsicherheitsgefühl“. Entsprechendes staatliches Handeln ist demnach nicht erst bei einem nachgewiesenen oder prognostizierten Anstieg der Gewalt bzw. einer Gewaltkriminalität angezeigt, sondern bereits bei einer zunehmenden Verbrechensfurcht!
Das EG stellt weiterhin deutlich heraus, daß es keine enge Beziehung zwischen der Gewaltbereitschaft (Einstellung) und dem tatsächtlichen Gewaltverhalten gibt (S. 33). Untersuchungen, die die Kommission selbst in Auftrag gegeben hat, bestätigen gar „…, daß eine Entwicklung zu größerer politischer Gewaltbereitschaft nicht auszumachen ist.“! (S. 37).
Die Regierungskommission muß zugeben, daß in den letzten Jahren ein Rückgang bei den „unfriedlichen Demonstrationen“ zu verzeichnen war. Trotzdem behauptete der Vorsitzende Schwind bei der öffentlichen Vorstellung des Endgutachtens am 16.1.1990 eine solche Zunahme. Die Statistik wurde folgendermaßen dafür hergerichtet: Im Schnitt (!) der 80er Jahre seien mehr Demonstrationen gewalttätig verlaufen als im Schnitt der 70er Jahre. Bezogen auf den Prozentsatz der „gewalttätigen“ oder „unfriedlichen“ Demonstrationen an der Gesamtzahl der Demonstrationen ist dies nicht nur amtlicherseits wi-derlegt die von Schwind behauptete Zunahme (die die Kommission wohl zur Begründung bestimmter „Vorschläge“ benötigt!) bricht jedoch vollends in sich zusammen, stellt man in Rechnung, daß gerade in den letzten Jahren von dem amtlich erfaßten „unfriedlichen“ Aktionen etwa 40% (!) Sitzblockaden waren – Aktivitäten, die der Regierungskommission zufolge nicht als gewalttätige Aktionen bezeichnet werden sollten (vgl. CILIP 34, S. 48 ff).
Die Kommission muß in vielen anderen Bereichen entweder zugeben, daß es keinen Grund zu einer Dramatisierung gibt oder daß seriöse Angaben über das Ausmaß der Gewalt zur Zeit unmöglich:
„Quantitativ handelt es sich bei der politisch motivierten Gewalt … ge-genwärtig immer noch um ein Randphänomen.“ (S. 53). Allenfalls in Teilbereichen läge „qualitativ gesehen eine Zunahme politisch motivierter Gewalt“ vor (ebenda). Aber: „Das Ausmaß dieses Gewaltfeldes genau und sicher zu erfassen, ist anhand der vorhandenen Statistiken unmöglich.“ (ebd.). Oder: „Die Statistiken erlauben keine zuverlässigen Aussagen über die Intensität sozialer Proteste, die Entwicklung des Umfangs und der Qualität von demonstrativen Aktionen sowie deren Grad der Gewalt“ (S. 54). Allerdings ließen sich mit Hilfe der Statistiken Schlaglichter setzen, die auf besondere Gefahren der politisch motivierten Gewalt aufmerksam machen“ (ebd.).
Zum Bereich der Haus- und Geländebesetzungen sowie der Zusammenrottungen stellt die Kommission fest, nähere Angaben zum Ausmaß der Gewalt seien hier nicht möglich (S. 59). Dies gelte auch für die Gewalt in Stadien (S. 67).
Zwar sei der Vandalismus in öffentlichen Einrichtungen (Schulen…) im Anstieg begriffen, grundsätzlich die Gewalt in der Schule jedoch „kein zentrales Thema“ und „für den von den Medien behaupteten generellen Gewaltanstieg im hiesigen Schuldbereich gibt es keine empirischen Belege“ (S. 72).
Auch über die Gewalt in der Familie existierten keine zuverlässigen Angaben (S. 81 ff.).
Über Publikationen, „in denen die Gewalt gebilligt, befürwortet und zur Nachahmung empfohlen wird“, führt die Kommission aus: „Ob und inwieweit allerdings ein ‚Wirkungszusammenhang‘ zwischen diesen Publikationen und der Anwendung von Gewalt besteht, ist ungeklärt.“ (S. 50). Schließlich bleibt noch der Komplex der „Anschläge“ und der „gewalttätigen Ausschreitungen bei Demonstrationen“. Hier fällt auf, daß die Kommission zwar umfangreich Angaben, z.B. über die „Schwarzen Blöcke“ oder von Gruppen der Ökologiebewegung ausführt, jeglichen Hinweis jedoch dafür schuldig bleibt, ob es hier tatsächlich eine Zunahme derartiger Anschläge in den letzten Jahren gegeben hat. Statt Zahlenangaben werden nur qualitative Betrachtungen angestellt.
Eine intensive Prüfung der Abschnitte zum „Ausmaß der Gewalt“ ergibt also, daß daraus zusätzliche Eingriffsbefugnisse der Polizei nicht begründet werden können. So ist es beinahe zwingende Konsequenz, daß die Vorschläge für den repressiven Bereich nicht auf der Empirie der Gewalt(tätigkeiten) beruhen.
VI. Entstehungszusammenhänge und Erklärungsansätze
Wie gering der Wissensstand der Wissenschaften – übrigens nicht nur kon-servativer Herkunft! – auch zu diesen Dimensionen heute noch ist, führt das EG ebenfalls mehrfach vor Augen. Wissenschaft dringt bis heute allenfalls zu der Gewißheit von „Kann-Formeln“ vor:
„Ein negatives Selbstkonzept kann nonkonforme Reaktionen in Bela-stungssituationen fördern“. Oder: „Das Fehlen von positiven Vorbildern in der Erwachsenenwelt (…) begünstigt mittelbar aggressives Handeln des jungen Menschen“. Oder: „Die Darbietung erfolgreicher gewalttätiger Modelle schafft insbesondere für Kinder und Jugendliche einen Anreiz, gewalttätiges Verhalten als erfolgversprechend und normal anzusehen“. Oder: „Der Rückzug aus der Gemeinschaft, die soziale Desintegration, wird vielfach als wesentlicher Faktor im Prozeß der Entwicklung von sozial abweichendem Verhalten und Krimi-nalität, insbesondere auch Gewaltkriminalität, gesehen“ (S. 85 ff.).
Ein gewichtiges – gleichwohl strittiges – Theorem ist das des „Gewalttrans-fers“: „Wenn es auch bislang keine Indizien für einen unmittelbaren Transfer von Gewalt in der Familie und Schule in die politische Auseinandersetzung hinein gibt, ist doch wahrscheinlich, daß die Neigung zu aggressivem und gewalttätigem Handeln, vor allem in Konfliktsituationen, aufgrund früherer Erfahrungen bereits mitgebracht wird“ (S. 89 ff.).
Insgesamt sieht die Kommission eine ungeheure Fülle von Sachverhalten, die gewalttätiges Verhalten (oder Handeln) begünstigen.
Beweiskraft haben diese Erwägungen allesamt nicht. Gelegentlich scheinen gar Deutungen durch, die für die Vorschläge unheilvolles erwarten lassen:
„Durch ihre Informationsflut und Sensationsorientierung können Massenmedien ein eher negatives Weltbild vermitteln. Die Heraushebung von sozialen und Umweltkatastrophen und politischen und wirtschaftlichen Skandalen führt bei sensiblen und jungen Menschen zu einer Endzeitstimmung. Diese Menschen neigen dazu, die Schuld für wirkliche und vermeintliche Mißstände bei den früheren Generationen und den gegenwärtigen Machtträgern zu suchen, denen sie kein Vertrauen mehr entgegenbringen. Dies ist auch eine Ursache für Orientierungslosigkeit der Jugend und Aggression gegen das Bestehende.“ (S. 93 ff.)
Sollte man daraus den Schluß ziehen, die Massenmedien hätten künftig ein positives Weltbild zu vermitteln?
Allerdings – und dies ist uneingeschränkt anzuerkennen – hat sich die Kommission bemüht, auch politische und soziale Ursachen bzw. Bedingungen der Entstehung von Gewalt zu benennen. Genannt werden sowohl „belastende sozio-ökonomische Lebensumstände von Familien, wie Armut, Arbeitslosigkeit, schlechte Berufschancen“, „die soziale Isolation von Familien“, Leistungsdruck in der Schule, negative „schulökologische Voraussetzungen“, eine „Sinnarmut und Verengung von Freiräumen“ als auch Überlebensbedrohungen, eine dramatische Wohnungspolitik oder objektive politische Defizite, insbesondere in den Dimensionen politischer Partizipation. Zwar wird von der Kommission der Zusammenhang von Protestaktionen des zivilen Ungehorsam oder von Hausbesetzungen mit den Bedingungen gesellschaftlichen Unfriedens gesehen, dies heißt jedoch nicht, daß die Kommission den entsprechenden Handlungsformen ausreichendes Verständnis entgegenbrächte, geschweige denn, ihnen eine Berechtigung (z.B. als Abwehrrechte) zubilligte.
Auch wenn letztlich einige Vorschläge, auf die noch einzugehen sein wird, z.B. zur Wohnungspolitik oder zu Partizipationsfragen unterbreitet werden, erschlägt letztlich die Legitimationsfrage – von Regelverletzungen und „Widerstandshandlungen“ – eine adäquate Auseinandersetzung mit diesen Protestformen. Die Gefahren, die von solchen Regelverletzungen ausgehen, werden letztlich höher bewertet, als die Gefahren, gegen die sich solche Protestaktionen richten:
„Bereits der selektive Rechtsgehorsam … gefährdet den inneren Frieden. Die Friedenssicherungspflicht des Staates schließt aus, daß das Recht nur noch für die Gesetzestreu-Einfältigen umfassend verbindlich ist.“ (S. 41 ff.). Deshalb:
Wohin es führen könne, wenn der Staat perspektivisch das Gewaltmonopol verliere, „… belegt das Beispiel des Libanon anschaulich.“ (S. 40). Den (notwendigen) Gesetzesgehorsam stellen „… die Teile der Bevölkerung bewußt oder unbewußt in Frage, die begrenzte Regelverletzungen bis hin zur offenen Gewalt in Kauf nehmen bzw. ausüben, um die gesteigerte Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf ihre – oft als existentiell empfundenen – Anliegen zu lenken“. (S. 42).
Werden die Lebensbedrohungen dermaßen in den „Empfindungsbereich“ der Beteiligten verlagert, braucht man sie auch nicht so ernst zu nehmen, daß damit wenigstens begrenzte Regelverletzungen legitimierbar wären.
VII. Zwischen Volksbegehren und Vorbeugehaft: Diskussion der Vorschläge
Der Vorschlagsteil gliedert sich in 12 „Allgemeine Empfehlungen“ und 158 konkrete Vorschläge, die sich an verschiedene Zielgruppen, vor allem an den Gesetzgeber und exekutive Institutionen, richten. Die allgemeinen Empfehlungen „geben die erwünschten Rahmenbedingungen wieder, die (…) zu den Voraussetzungen erfolgreicher Umsetzung der Vorschläge notwendigerweise gehören.“ (S. 240). Hierzu gehören etwa die „Berechenbarkeit der staatlichen Reaktionen“, die „Verdeutlichung von Funktion und Legitimation des staatlichen Gewaltmonopols“, die „Besinnung der staatlichen und gesellschaftlichen Verantwortungsträger auf ihre Leitbildfunktion“, aber auch der „Abbau von Zukunftsängsten“ oder „die Behebung von Partizipationsdefiziten“. Entscheidend ist letztlich deren Gewichtung, die Intensität der geforderten Eingriffe, ihr Bezug zum tatsächlichen Ausmaß der Gewalt und ihren Ursachen, aber auch die ideologische Folie des zugrunde liegenden Systemkonzepts.
Mit letzterem ist gemeint, an welchen politischen Grundwerten sich die Kommissionsmitglieder vor allem orientieren, ob z.B. mehr an der Stärkung von Bürgerrechten oder an der Stärkung des Staates. Die Gesamtschau der politischen Grundlagen, Empfehlungen und Vorschläge fällt eindeutig zugunsten eines autoritären Staatskonzeptes aus. Dem gilt ein großer Teil der Erziehungsempfehlungen und Vorschläge für die politische Bildung, dem gelten auch die meisten Vorschläge im „präventiven“, erst recht im „repressiven“ Bereich. Die wissenschaftliche und politische Alternative kann sicherlich nicht darin bestehen, jegliche Form von „Gegengewalt“ zu legitimieren oder gar noch dazu aufzurufen.
Von der Kommission hätte man aber erwarten dürfen, daß sie die politischen Grundkonflikte, die sich in solchen Auseinandersetzungen spiegeln, ehrlicher reflektiert hätte. An einem Exempel: Letztlich weichen die Autoren der zentralen – und weithin tabuisierten – Grundfrage der letzten 15 Jahre aus, die auch weithin das Feld der „politisch motivierten Gewalt“ bestimmt hat: Wie beurteilt man den Sachverhalt, daß demokratisch legitimierte Volksvertreter das (Über-)Leben der gesamten Bevölkerung durch bestimmte politische Entschei-dungen riskieren; wie begründet man angesichts solcher Potentiale noch „absoluten Gesetzesgehorsam“?
Nur derjenige, der diese Gefahren gering oder doch geringer einschätzt als das „Chaos“ durch ein funktionsunfähiges Gewaltmonopol, wer in jedem Fall – apriori – davon ausgeht, daß Politiker im Zweifel immer die richtigen (oder doch reversible) Entscheidungen treffen, wird sich für den Primat von Vorschlägen aussprechen, die eben diese Sicherung des staatlichen Gewaltmonopols (bzw. die Stärkung der Exekutivbefugnisse von Polizei, Staatsanwaltschaften etc.) als vorrangiges Ziel haben.
Auf diesem Hintergrund müssen die Vorschläge, die zur Erweiterung von Partizipationsmöglichkeiten bei wichtigen politischen Entscheidungen vor-getragen werden, als absolut unzureichend angesehen werden.
Ein Zugewinn an dadurch erzielten Freiheiten wird durch weitreichende Vorschläge auf anderen Gebieten, die massive Einschränkungen von Bürgerrechten bedeuten, mehr als wettgemacht. Eigentümlich auch, daß die Vorschläge zur „Partizipation“, aber auch Eingriffe in Eigentumsrechte von Hausbesitzern (bei Hausbesetzungen) mehrheitlich recht vage und zahnlos formuliert sind, während die repressiv orientierten Vorschläge scharf und eindeutig ausfallen. Dafür nun einige Beispiele:
V. 78: „Über den kommunalen Bereich hinausgehend, wäre zu überlegen, ob den Bürgern nicht organisierte Gelegenheit gegeben werden sollte, nach dem Beispiel der schwedischen Kommission im Vorfeld der Gesetzgebung einen probeweisen Konsens zu erarbeiten.“
V. 79: „Volksbegehren, die auf Initiatve des Volkes erfolgen und das Ziel haben, das Parlament zu einer Entscheidung über einen konkreten politischen Vorschlag zu veranlassen, werden begrüßt.“
Zur Befürwortung des Instituts der Volksabstimmung konnte sich die Kommission im übrigen nicht entscheiden.
V. 82 (Auszug): „Beim Umgang mit illegalen Hausbesetzungen gibt es daher zunächst nur einen Weg: sofortige Räumung. Unabhängig davon gilt, daß auf Dauer leerstehende Wohnungen im Widerspruch zur Sozialpflichtigkeit des Eigentums stehen.“
V. 84: „Die demokratischen Parteien … müssen sich besonders intensiv bemühen, Teile der jungen Bevölkerung wiederzugewinnen und zu aktiver Partizipation anzuregen. Dabei ist auch an gemeinsame Informationsver-anstaltungen mit aggressionsarmem Umgangsstil zu denken.“
Ob das wohl ein ernstzunehmender Vorschlag ist, sich vorzustellen, wie die CDU eine Informationsveranstaltung mit aggressionsarmen Umgangsstil für Punker, Autonome, Schulversager etc. macht?
Lediglich 2 Vorschläge hält die Kommission für den Problemkomplex „Politische Entscheidungen, die die Lebensgrundlagen künftiger Generationen betreffen“ bereit. Diese sprechen für sich:
V. 85: „Der Umweltschutz soll als Staatsziel in das Grundgesetz eingeführt werden.“ (Also nicht einmal als Grundrecht)
V. 86: „Es muß politischer Konsens darüber bestehen, daß bei gegenwärtigen Entscheidungen die Lebensgrundlagen künftiger Generationen besonders zu gewichten sind.“ (Ein Vorschlag, dem wohl auch bisher kein Politiker widersprochen hat).
Während also eine erweiterte Kontrolle der Staatsgewalt durch die Bürger fehlt, die „Partizipationsvorschläge“ wesentlich den Charakter von Appellen haben, sieht dies mit der staatlichen Kontrolle der Bürger etwas anders aus:
V. 122: „Entfallen des Antragserfordernisses in 123 StGB (Haus-friedensbruch), wenn nach Auffassung der Strafverfolgungsbehörden ein besonderes öffentliches Interesse die Verfolgung anbietet.“
V. 126: „Erweiterung der Tathandlungen bei 130 a (Anleitung zu Straftaten) durch das Androhen der in 129 a aufgeführten, aber in 126 StGB nicht erwähnten Straftatbestände des 305 a StGB und des 315 Abs. 1 StGB.“
V. 130: „In den Polizeigesetzen der Länder Erhöhung der Höchstfrist bei polizeilicher Ingewahrsamnahme aus präventiven Gründen auf maximal 4 Tage.“
V. 132: „Änderung des 246 StPO dahin, daß verspätete Beweisanträge wie bloße Beweisanregungen zu behandeln sind, wenn nicht ein triftiger Grund für die Verspätung glaubhaft gemacht wird.“
Von den insgesamt 158 Vorschlägen beziehen sich allein 66 auf die „Verhinderung und Bekämpfung politisch motivierter Gewalt“, der Rest verteilt sich auf die anderen Kategorien. Außer den hier genannten Verschärfungen sind Einschränkungen der Rechte von Verteidigern (u.a. V. 114, 115, 132) und von Angeklagten und Zeugen (u.a. V. 131, 133, 134), eine Änderung im Pressegesetz (V. 127), der Ausbau polizeilicher Vorfeldkontrollen (V. 129), der erweiterte Einsatz von V-Leuten und verdeckten Ermittlern (V. 98), der Aufbau von Sonderdezernaten für politische Gewaltdelikte (V. 103), eine Verschärfung des 125 a StGB, eine Regelung für die Rasterfahndung usw. aufgenommen worden. Daneben nehmen sich Vorschläge wie die nach einem Konflikttraining für Polizeibeamte oder die Idee, „vermehrt emphatische Lautsprecherdurchsagen bei Demonstrationen einzusetzen zur Beeinflussung friedlich motivierter Teilneh-mer“ (V. 92) eher bescheiden aus.
Insgesamt zeigt – bis auf zwei Ausnahmen – das gesamte repressive Konzept erstaunliche Konvergenz zu bereits durchgeführten (Artikelgesetz) oder beabsichtigten (Strafverfahrensänderungsgesetz) Rechtsänderungen der Bundesregierung. Die Ausnahmen sind der Vorschlag, den 240 StGB zu reformie-ren und eine spezifische Rechtsänderung innerhalb des Artikelgesetzes noch einmal zu „überdenken“:
Da die Notwendigkeit der kürzlich erfolgten Änderung des 27 Abs. 2 VersG bestritten wird, wird – nein, keine Rücknahme dieser Verschärfung -, eine „wissenschaftliche Begleitforschung“ zu den Auswirkungen dieser Vorschrift gefordert. Als „Alternative“ wird auf alle Fälle eine entsprechende Änderung des 125 Abs. 3 StGB (!) ersonnen (V. 117).
240 StGB soll so geändert werden, daß einerseits die Sitzblockaden, wenn sie bestimmte Bedingungen erfüllen, straflos blieben, andererseits die Qualität der Verwerflichkeitsklausel verändert wird. Die Vorschläge 118 und 119 beinhalten im wesentlichen, kurzfristige und nur wenig belästigende Blockaden nicht mehr strafrechtlich zu verfolgen, den Gewaltbegriff im 240 Abs. 1 StGB auf die „physische Gewalt“ einzuschränken, dafür aber das Institut des „vergleichbar schweren psychischen Zwangs“ mit hinein zu nehmen, schließlich die moralisch-ethische Verwerflichkeitsklausel durch einen neutralen Terminus zu ersetzen. Es ist ersichtlich, daß damit eine gewissen Entschärfung bei den Aktionsformen, nicht aber auf der Legitimationsseite eingeleitet würde.
Betrachtet man auch kurz die anderen Problembereiche der Gewalt, die von der Kommission bearbeitet worden sind (Familie, Schule, Stadien etc.), fällt das Urteil über die Vorschläge nicht viel anders aus: es gibt einige unterstützenswerte Anregungen – z.B. den Ausbau von Frauenhäusern, Kin-derschutzzentren, die Einführung der Strafbarkeit von Vergewaltigung in der Ehe, die Abschaffung der Prügelstrafe usw. Die Vorschläge erhalten aber eine eigentümliche Ambivalenz innerhalb eines Rahmens, der vorhandene Konfliktformen letztlich nicht zum Austrag bringt, sondern sie herrschaftlich pazifiert. Bei Ehekonflikten wird z.B. eine für die Sozialarbeit hochproblematische engere Zusammenarbeit mit der Polizei befürwortet. In der Schule soll das „Wir-Gefühl“ durch die Einrichtung von „Schulchören“ etc. aufgebaut werden, und Schüler dazu verpflichtet werden, zerstörtes Schulmobiliar selbst zu reparieren. Das neue Schulfach „Rechtskunde“ soll deutlicher über Rechte und Pflichten aufklären, eine Mitsprache der Schüler an der Gestaltung der Fächer, eine Wahl der Lehrer, eine Demokratisierung der Schule etc. ist aber nicht vorgesehen.
Die Kulturministerien und Schulver-waltungen sollten darüber wachen, daß bei der Lehrer- und Hochschul-lehrerauswahl nicht weiterhin derjenige, der sich „destruktiv zu der Pro-blematik staatlicher Kontrolle politisch motivierter Gewalt äußert und verhält“ (!) geduldet wird (S. 274).
Ob die Vorschläge das leisten, was sie zu leisten vorgeben, eine Minimierung der Gewalt, darf in der Mehrzahl der Fälle bezweifelt werden. Ein Konzept der „Sicherheit 2000“, das eine Gewaltminimierung auf Kosten gesellschaftlicher und individueller Freiheiten vorsieht, das nicht einmal in Ansätzen Handlungsalternativen von Staat und Gesellschaft erwägt, kann von einer an Bürgerrechten orientierten Politik wohl auch kaum akzeptiert werden. Doch hat ein solches Konzept einen „strategischen“ Vorteil gegenüber der „Kritik“: es gibt Handlungsanleitungen konkreter Art für die Politik, eine Ebene, auf der die „Exekutive“ der „Kritik“ und „Theorie“ immer noch weit überlegen ist.