Business Crime Control – Bürger beobachten Wirtschaftskriminalität

von Bernhard Gill

„Kapital-Verbrechen“ – darunter versteht der im März dieses Jahres gegründete Verein „Business Crime Control (BCC)“ nicht nur die illegalen, sondern allgemein alle sozial- und umweltschädlichen Geschäftspraktiken, wie sie bei der Kapitalverwertung gang und gäbe sind. Häufig werden solche Praktiken immer noch als Kavaliersdelikte behandelt oder ihre Verfolgung sogar aus politischen Gründen hintertrieben. Mit dem Aufbau eines eigenen Dokumentationszentrums will BCC zu einer stärkeren Sensibilisierung der Öffentlichkeit beitragen und helfen, die meist nur unsystematische Berichterstattung der Presse zu verbessern.

Jahrelang hatte Hans See, Politikwissenschaftler in Frankfurt und Buchautor , nach wissenschaftlicher Literatur zur Wirtschaftskriminalität gesucht. Er fand zwar eine „Springflut von Büchern über Wirtschaftsverbrechen“, doch allenthalben mangelte es an einer Aufarbeitung der übergreifenden Zu-sammenhänge. U.a. mit Brigitte Erler (ehemalige Leiterin von Amnesty In-ternational Deutschland), Dieter Schenk (Ex-BKA-Beamter und Kripo-Kritiker), Manfred Such (ehemals Bundestagsabgeordneter der GRÜNEN und Kriminalhauptkommissar) und Rolf Knecht (Betriebsratsvorsitzender von Honeywell Deutschland) gründete See daraufhin den Verein „Business Crime Control“ .

Die Ziele, die sich BCC gesteckt hat, sind ehrgeizig: „Eine mitgliederstarke Organisation gegen die Verbrechen des Kapitals soll aufgebaut werden, die zunächst in der Bundesrepublik Deutschland, möglichst gleichzeitig aber auch in anderen europäischen Staaten, schließlich – ähnlich wie amnesty in-ternational – weltweit über Sektionen und Mitarbeiter und ein eigenes Infor-mations- und Dokumentationszentrum verfügt. Die Wirtschaftsverbrechen sollen weltweit erfaßt, systematisch auf ihre Strukturen, auf Ursachen und Folgen untersucht und die Erkenntnisse der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden“, heißt es im Gründungsaufruf. In Frankfurt ist bereits ein Ortsverein entstanden, weitere Gründungen in München, Kassel, Dortmund und Gera stehen bevor. In Kürze will man mit dem Aufbau einer öffentlich zugänglichen Datenbank beginnen. Auf Ortsebene sollen (auf ehrenamtlicher Basis) von der Presse vernachlässigte Themen recherchiert werden. Z.B. will man die weiteren Konsequenzen des Imhausen-Skandals (Lieferung von Giftgasanlagen nach Libyen) weiterverfolgen. Im Oktober ist in Frankfurt ein internationaler Kongreß geplant, zu dem u.a. der Schweizer Abgeordnete und Buchautor3 Jean Ziegler seine Mitwirkung zugesagt hat. Für die Zukunft sind auch Forschungsprojekte und die Herausgabe einer eigenen Zeitschrift geplant.

Derzeit beträgt die Mitgliederzahl ca. 100, bis zum Jahresende hofft man auf 800 Mitstreiter. Hauptsächlich engagieren sich bei BCC Menschen, die selbst geschädigt wurden, und solche, die z.B. als Juristen oder Kaufleute kurzfri-stig in Unternehmen mit unsauberen Geschäftspraktiken „hereingerochen“ haben.

Unklar ist noch, was mit der vielen Post geschehen soll, die man von Ge-schädigten erhält. Von unsauberen Konkurspraktiken sei darin ebenso zu lesen wie von Erfahrungen eines Reiseunternehmers mit der Donauschiffahrt in der UdSSR. Auch eine Klärung des eigenen Identitätsprofils zwischen Umwelt- und Menschenrechtsgruppen sowie Verbraucherschutzorganisationen steht noch aus.

Deutlich abgrenzen will sich BCC allerdings gegenüber Bestrebungen von Polizei und Nachrichtendiensten, mit der „Organisierten Kriminalität“ staatliche Eingriffsbefugnisse zu erweitern. Grundsätzlich steht der Verein aber auch für die Mitarbeit von Polizeibeamten offen, denn insbesondere engagierte Sachbearbeiter machten häufig die Erfahrung, daß Ermittlungen höheren Orts aus politischen Motiven behindert würden. Ein Konzept, wie der Wirtschaftskriminalität begegnet werden könnte, etwa mit einem erweiterten Akteneinsichtsrecht, muß allerdings noch erarbeitet werden.

Bernhard Gill ist Mitglied der Redaktion Bürgerrechte & Polizei/ CILIP.
Mit Fußnoten im PDF der Gesamtausgabe.

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