zusammengestellt von Manfred Walter
April 1991
01.04.: Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble bekräftigt seine Forderung nach Zugang zu den STASI-Akten.
03.04.: In Düsseldorf wird der Vorstandsvorsitzende der Berliner Treu-handanstalt, Detlev Karsten Rohwedder, von einem RAF-Kommando erschossen.
In Hamburg beginnt der Revisionsprozeß gegen die Rechtsanwältin Isolde Oechsle-Misfeld, 1986 Anwältin und mutmaßliche Komplizin von Werner Pinzner, der bei seiner Vernehmung einen Staatsanwalt erschossen hatte.
04.04.: Bundesjustizminister Klaus Kinkel (FDP) schließt sich den For-derungen Schäubles nach Einsicht in die STASI-Akten an.
Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) fordert ein „STASI-Gesetz“, um für die Einsichtnahme von Bundeskriminalamt und Verfassungsschutz in STASI-Akten eine Rechtsgrundlage zu schaffen.
08.04.: Bayerns Innenminister Edmund Stoiber (CSU) unterzeichnet im Rahmen einer Moskau-Reise mit dem Leiter der Hauptverwaltung für innere Angelegenheiten der Stadt Moskau eine Vereinbarung zur Zusammenarbeit der bayerischen und der Moskauer Polizei.
09.04.: Nach Aussagen des RAF-Aussteigers Werner Lotze bestanden auch über das Jahr 1985 hinaus Kontakte zwischen RAF und STASI; bislang war nur ein Zeitraum bis 1984 bekannt.
Personalreduzierungen beim Verfassungsschutz werden bekanntgegeben: In Schleswig-Holstein soll die Behörde von 122 auf 78, in Niedersachsen von 320 auf 248 Beamte schrumpfen. Baden-Württemberg will 100 Mann abbauen und auch in Nordrhein-Westfalen und Hessen werden erste Überlegungen angestellt. Anders das BfV, dort werden 50 neue Stellen bewilligt.
10.04.: Die Berliner Justiz fahndet wegen Beihilfe zum Mord nach dem ehemaligen STASI-Oberstleutnant Helmut Voigt. Er soll indirekt am Anschlag auf das „Maison de France“ 1983 beteiligt gewesen sein.
11.04.: Erste Meldungen über Kontakte zwischen STASI und Palästi-nenserorganisationen dringen an die Öffentlichkeit.
16.04.: In Frankfurt beginnt eine Neuauflage des Prozesses gegen den „Startbahn-West“-Gegner Alexander Schubart. Dem 60jährigen wird vorgeworfen, im Herbst 1981 in einer Kundgebungsrede die hessischen Verfassungsorgane genötigt zu haben; am 06.05. wird er zu einer Strafe von anderthalb Jahren auf Bewährung verurteilt; Schubart kündigt Revision an.
19.04.: Der Bundesrat verweigert einer Verschärfung des Außenwirt-schaftsgesetzes die Zustimmung; der Gesetzentwurf, der dem Zollkriminal-institut zur Verhinderung illegaler Rüstungsexporte Eingriffe in das Post- und Fernmeldegeheimnis gestatten wollte, wird an den Vermittlungsausschuß überwiesen.
21.04.: Die Hamburger Bürgerschaft verabschiedet ein neues Polizeige-setz, in dem die Ausweitung der Datenerhebung durch die Polizei geregelt wird; das Gesetz tritt am 01.08.91 in Kraft.
22.04.: Vor dem Oberlandesgericht Koblenz erhebt die Bundesanwaltschaft Anklage gegen Henning Beer; am 23.05. beginnt gegen das ehemalige RAF-Mitglied der Prozeß wegen Mordes und versuchten Mordes; am 03.07 wird Beer unter Anwendung der Kronzeugenregelung zu einer Jugendstrafe von sechseinhalb Jahren verurteilt; der Generalbundesanwalt legt Revision ein.
24.04.: Die Justizministerkonferenz verständigt sich einstimmig auf einen Gesetzentwurf zur Entlastung der Rechtspflege; er sieht u.a. vor, das Beweisantragsrecht einzuschränken und die Sprungrevision abzuschaffen; am 28.05. wird der Entwurf im Bundesrat eingebracht.
25.04.: Gleich am ersten Prozeßtag gesteht Susanne Albrecht ihre Be-teiligung am Mord an dem Bankier Jürgen Ponto 1977; am 03.06. wird sie unter Anwendung der Kronzeugenregelung zu einer Haftstrafe von 12 Jahren verurteilt; eine zunächst eingelegte Revision wird einen Monat später zurückgezogen, Frau Albrecht akzeptiert das Urteil.
26.04.: Der Bundesrat einigt sich auf eine geänderte Fassung des Geset-zespaketes zur Bekämpfung der Drogenkriminalität und der Organisierten Kriminalität (OrgKG); am 24.07. stimmt das Kabinett der Bundesratsfassung zu.
Die Generalbundesanwaltschaft legt Revision gegen das Urteil gegen Andreas Eichler und Frank Hoffmann ein; im März waren sie als mutmaßliche Polizi-stenmörder (Startbahn West) zu je 15 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden.
29.04.: Der Generalbundesanwalt erhebt vor dem Oberlandesgericht Stutt-gart Anklage gegen Silke Maier-Witt; dem früheren RAF-Mitglied wird Beteiligung an der Entführung und Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer 1977 vorgeworfen; der Prozeß soll am 28.08. beginnen.
Durch die öffentliche Kritik von Richtern wird bekannt, daß in den Ländern der alten BRD 1990 insgesamt 2443 Telefonüberwachungen genehmigt worden waren; viermal mehr als vor 10 Jahren.
Am 11.06. im Bundestag bekanntgegebene Gesamtzahlen der richterlichen und staatsanwaltschaftlichen Anordnungen zur Telefonüberwachung gemäß 100a, 100b: 1986 = 1532, 1987 = 1805, 1988 = 2191, 1989 = 2247, 1990 = 2494 (BT-Plenarprotokoll 12/30 v. 12.6.90).
Mai 1991
01.05.: Unter Berufung auf ihm vorliegende Unterlagen wirft das Fern-sehmagazin „Monitor“ dem Bundeskriminalamt Informationsweitergabe an den irakischen Geheimdienst vor; das BKA dementiert.
Desweiteren veröffentlicht „Monitor“ Unterlagen über eine Zusammenarbeit der STASI mit dem international als Terrorist gesuchten „Carlos“; der Staatssekretär im Bonner Innenministerium, Eduard Lintner (CDU), erhebt darüberhinaus die Anschuldigung, es habe Kontakte zwischen STASI und Rechtsradikalen gegeben.
04.05.: Die Innenministerkonferenz beschließt Maßnahmen zur besseren Koordination zur Terrorismusbekämpfung; hierzu soll der Informationsaustausch zwischen Polizei und Verfassungsschutz intensiviert werden.
Um Fußballkrawallen zukünftig besser begegnen zu können, wird zudem die Errichtung einer Datei „Gewalttäter Sport“ beschlossen.
06.05.: Das Landgericht Offenburg eröffnet das Verfahren gegen den Schäuble-Attentäter, Dieter Kaufmann; er wird noch am ersten Verhandlungstag in eine psychiatrische Klinik eingewiesen.
09.05.: Der Berliner Staatsanwaltschaft wird das Urteil im „Schmücker-Prozeß“ zugestellt, sie muß nun prüfen, ob die vom Generalstaatsanwalt beim Berliner Kammergericht angekündigte Berufung gegen die Einstellung des Verfahrens aufrechterhalten wird; am 03.06. wird die Revision zurückgenommen, nach Angaben des Generalstaatsanwalts beim Berliner Landgericht sind die Urteilsgründe überzeugend; das Urteil im längsten Prozeß der deutschen Justizgeschichte ist damit rechtskräftig.
10.05.: Nach Angaben des „Bundesverbandes Deutscher Detektive (BDD)“ sind bereits 70% seiner Mitglieder in den neuen Bundesländern aktiv.
11.05.: Polizeikrise in Berlin: In einer in der Bundesrepublik einmali-gen Aktion werfen die Polizeiführer dem dritthöchsten Beamten der Stadt, Lan-despolizeidirektor Kittlaus, geschlossen Illoyalität, Führungs- und Ent-scheidungsschwäche vor; der Polizeipräsident übernimmt bis auf weiteres dessen Führungsaufgaben und legt ca. drei Wochen später ein neues Konzept vor, bei dem die bisherige Position des Landespolizeidirektors entfällt; Kittlaus soll nun eine extra für ihn eingerichtete Führungsposition zur Aufklärung der sog. Regierungs- und Vereinigungskriminalität übernehmen.
Auf dem 46. Deutschen Anwaltstag wirft der Saarbrücker Rechtsanwalt Prof. Egon Müller der Polizei vor, zu häufig und oft Durchsuchungen ohne ausreichende Rechtsgrundlage vorzunehmen; nur noch in ca. 5%-10% aller Fälle werde zuvor eine richterliche Genehmigung eingeholt; eine am 18.05. vorgelegte Studie der FU Berlin bestätigt dies.
12.05.: Durch ein an die Öffentlichkeit gelangtes internes Papier der Verfassungsschutzbehörden wird bekannt, daß der Verfassungsschutz beab-sichtigt, verstärkt Agenten und V-Leute im RAF-Umfeld einzusetzen.
15.05.: Die Berliner Staatsanwaltschaft läßt die Wohnung des einstigen DDR-Devisenbeschaffers Alexander Schalck-Golodkowski am Tegernsee durchsuchen.
16.05.: In Frankfurt klagen 22 Demonstranten, um die Zulässigkeit ihrer Ingewahrsamnahme durch die Polizei während einer Golfkriegs-Demonstration feststellen zu lassen.
18.05: Eine Berliner Tageszeitung veröffentlicht Informationen, denen zufolge es 1989 nach der Abwahl des CDU-Senates zu einer Verfassungs-schutzintrige gegen den rot-grünen Senat gekommen sein soll, an der ein-flußreiche Beamte des Berliner Landesamtes und des Bundesamtes für Ver-fassungsschutz beteiligt gewesen sein sollen; die Informationen basieren auf Abhörprotokollen der STASI.
20.05: Der Geheimdienstkoordinator im Bundeskanzleramt, Staatsminister Lutz Stavenhagen (CDU), kündigt eine 10%ige Reduzierung des Bun-desnachrichtendienstes an; verbunden damit sind Überlegungen für eine Aufgabenverschiebung der rd. 7000 BND-Mitarbeiter in Richtung Aufklärung von Technologie-Transfer und Drogenhandel.
Der Generalbundesanwalt eröffnet neue Verfahren gegen die drei inhaftierten RAF-Mitglieder Adelheid Schulz, Ingrid Jacobsmeier und Sieglinde Hofmann.
21.05.: Der bayerische Innenminister Edmund Stoiber (CSU) fordert, die PDS als verfassungsfeindliche Organisation einzustufen und durch den VfS beobachten zu lassen.
22.05.: Durch den „Bündnis 90“-Abgeordneten Arnold in Dresden wird die STASI-Gruppe „Unbekannte Mitarbeiter (UMA)“ bekannt; der STASI-Beauftragte der Bundesregierung, Gauck, bestätigt deren Existenz.
Bundesinnenminister Schäuble tritt auf einem CDU-Kongreß zur inneren Si-cherheit öffentlich dafür ein, Verdeckten Ermittlern künftig „milieubedingte Straftaten“ zu gestatten.
25.05.: UdSSR und BRD vereinbaren eine Intensivierung der polizeilichen Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Drogen- und Organisierten Kriminalität.
26.05.: Das Verfahren gegen die Mitherausgeber der Berliner Zeitschrift „Radikal“, Benny Härlin und Michael Klöckner, wird eingestellt; 1984 waren sie wegen Werbung für eine terroristische Vereinigung zu zwei Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt worden; dieses Urteil war im Februar 1991 jedoch vom Bundesgerichtshof aufgehoben und an das Berliner Kammergericht zurückverwiesen worden.
28.05.: Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble kündigt anläßlich des 40jährigen Bestehens des Bundesgrenzschutzes eine Neuorganisation und Aufgabenerweiterung des BGS an.
29.05.: In Hamburg wird bekannt, daß die dortige Staatsschutzabteilung der Polizei die Aktivitäten der Menschenrechtsorganisation „amnesty inter-national“ in der Hansestadt seit Mitte der 80er Jahre systematisch beobachtet hat.
Juni 1991
01.06.: Deutschland und Polen vereinbaren gemischte polizeiliche Kom-missionen, um gemeinsam gegen Kriminalität im Grenzgebiet vorzugehen.
Das neue Bundesdatenschutzgesetz tritt in Kraft.
04.06.: Vor dem Oberlandesgericht Koblenz erhebt der Generalbundesanwalt Anklage gegen Inge Viett wegen Beteiligung am Sprengstoffanschlag auf den einstigen Nato-Oberbefehlshaber General Alexander Haig im Juni 1979.
05.06.: Nach einem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofes erfüllt eine Sitzblockade schon dann den Tatbestand der vollendeten Nötigung, wenn die Polizei deshalb Autofahrer anhalten und umleiten muß (AZ: 1 StR 3/90).
Der Haushalt des Bundesinnenministers wird von 4,9 Mrd. DM auf 8,2 Mrd. DM angehoben; besonderen Anteil daran haben die Übernahme von ca. 10.000 öffentlich Bediensteten der ehemaligen DDR und die Ausdehnung des BGS in die fünf neuen Länder.
07.06.: In Bonn konstituiert sich der „KoKo-Untersuchungsausschuß“, der die Verwicklungen des einstigen DDR-Devisenbeschaffers Alexander Schalck-Golodkowski in STASI- und Geheimdienstgeschäfte klären soll.
08.06.: Namhafte Berliner Politiker erklären in einer Presseverlautba-rung, daß der Berliner Verfassungsschutz seit 1975 die rechtsradikale Szene Berlins „voll unter Kontrolle“ habe, da „die Mehrzahl der Vorstandsmitglieder Geheimdienstmitarbeiter“ seien.
09.06.: Bundesjustizminister Kinkel befürwortet die Kronzeugenregelung für ehemalige STASI-Agenten.
11.06.: die frühere Top-Agentin des MfS im Bundeswirtschaftsministerium, „Sonja Lüneburg“ wird bei Berlin festgenommen.
„Störer“ genießen keinen Grundrechtsschutz auf Versammlungsfreiheit; dieses Urteil fällt das Bundesverfassungsgericht (AZ: 1 BvR 772/90).
Durch eine Briefbombe wird der Referatsleiter der Berliner Bauverwaltung Hanno Klein getötet; Klein war maßgeblich am Verkauf des Grundstückes am Potsdamer Platz an Daimler Benz beteiligt.
13.06.: Der Leiter der Übersetzungsabteilung im BfV wird wegen Verdachts der Arbeit für das MfS festgenommen.
17.06.: In Leipzig werden die ersten 275 Bereitschaftspolizisten in der Ex-DDR vereidigt.
In Sachsen-Anhalt wird bei einer Fahrzeugkontrolle ein Polizeibeamter an-geschossen und lebensgefährlich verletzt.
18.06.: Trotz des Widerstandes von ca. 200 DemonstrantInnen wird im Zwischenlager Gorleben Atommüll eingelagert; es kommt zu Auseinandersetzungen mit der Polizei.
19.06.: Mit dem größten Polizeiaufgebot seit der IWF-/Weltbanktagung beginnt in Berlin die KSZE-Konferenz; es sind rd. 3500 Beamte im Einsatz.
20.06.: Durch eine parlamentarische Anfrage der PDS im Bundestag wird bekannt, daß sich bereits seit September 1990 STASI-Akten im Besitz des BKA befinden; am 22.06. bestätigt Ex-DDR-Innenminister Diestel (CDU), daß er während seiner Amtszeit bereits im Frühjahr 1990 „ohne Rechtsgrundlage“ STASI-Akten an die Bundesregierung ausgehändigt habe; Bundesinnenminister Schäuble bestätigt und verteidigt dieses Vorgehen.
Polizeistreik in Mecklenburg-Vorpommern; rd. 7000 ehemalige Volkspolizisten streiken für soziale Sicherheit und die Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen.
21.06.: Innenminister Alwin Ziel (SPD) stellt die neuen Polizeipräsi-denten Brandenburgs vor; der Kandidat des „Bündnis 90“, Manfred Such, ist damit endgültig durchgefallen, seine Stelle erhält die STASI-Auflöserin Uta Leichsenring.
Der Militärische Abschirmdienst (MAD) läßt verlauten, daß er Bewerbungen von Militärpfarrern aus den Neu-Bundesländern zunächst auf deren „Zuverlässigkeit“ überprüfen wird.
In Leipzig wird im Verlauf einer Fahrzeugkontrolle durch einen „offen-sichtlich ungewollt(en)“ Schuß eines Polizeibeamten ein Mann getötet.
25.06.: Spanien und Portugal unterzeichnen das Schengener Abkommen.
26.06.: Der hessische Datenschutzbeauftragte Spiros Simitis kündigt an, nach sechzehn Jahren nunmehr sein Amt aufgeben zu wollen.
27.06.: Nahezu einmütig – gegen die Stimme Bayerns – verabschieden die Datenschutzbeauftragten eine Entschließung gegen das OrgKG.
28.06.: Das Landgericht Verden spricht einem Demonstranten 2000 DM Schmerzensgeld zu, der durch einen Wasserwerfereinsatz 1984 erheblich verletzt worden war (AZ: 8 O 186/87)
Der als „Erfurter STASI-Jäger“ bekanntgewordene Matthias Büchner übergibt der Staatsanwaltschaft brisante Akten, die er im Herbst 1989 nach einer überraschenden Beschlagnahmeaktion durch das Zentrale Kriminalamt (ZKA) der DDR „vor dem Zugriff von Bundeskriminalamt und Verfassungsschutz in Sicherheit gebracht“ hatte; BKA und BfV geben an, das Aktenmaterial niemals erhalten zu haben; daraufhin veranlaßte Prüfungen ergeben zunächst, daß die Akten nicht mehr aufzufinden sind; zwei Tage später tauchen sie in der Staatsschutzabteilung des GLKA wieder auf.
29.06.: Auf dem EG-Gipfel in Luxemburg setzt sich Bundeskanzler Helmut Kohl mit seinen Projekten einer gemeinschaftlichen Einwanderungspolitik sowie der Forderung nach Gründung einer europaweiten Polizei (Europol) durch; bis Ende 1993 sollen die Pläne verwirklicht sein.
30.06.: Bundesjustizminister Klaus Kinkel spricht sich für eine Verlän-gerung der 1992 auslaufenden Kronzeugenregelung aus.
Juli 1991
01.07.: Zur Bekämpfung der Schwarzarbeit wird ein Sozialversiche-rungsausweis eingeführt.
Der ehemalige Verfassungsrichter Martin Hirsch stellt beim Bundesgerichtshof einen Wiederaufnahmeantrag zur Rehabilitierung des ersten Verfassungsschutz-Präsidenten Otto John; dieser war 1954 unter bisher ungeklärten Umständen in der DDR aufgetaucht; obwohl er stets erklärte, entführt worden zu sein, war er nach seiner ebenso überraschenden Rückkehr 1956 zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt worden.
02.07.: In der Personalauswahlkommission der Berliner Polizei zur Über-prüfung ehemaliger Vopos auf eine evtl. STASI-Mitarbeit wird ein früherer IM entdeckt; alle Fälle, an denen er mitgewirkt hat, sollen nun neu geprüft werden.
Das inhaftierte RAF-Mitglied Helmut Pohl bestätigt Kontakte zwischen RAF und STASI.
04.07.: Die Nachrichtenagentur ADN meldet unter Berufung auf ihr vor-liegende Materialien, „mit 99prozentiger Sicherheit“ habe sich der Spio-nageabwehrchef des BfV, Dr. Engelbert Rombach, 1984 dem MfS als Spion angeboten.
06.07.: In Baden-Württemberg fliegt ein illegaler Spielcasino-Ring auf, über den das dortige LKA seit einigen Jahren versuchte, Verdeckte Ermittler in das Milieu einzuschleusen; zwei Führungsbeamte werden in diesem Zusammenhang von ihren Aufgaben entbunden.
08.07.: Der Bremer Staatsgerichtshof annuliert das Ausländerwahlrecht für die im September stattfindene Wahl der Stadtteilparlamente.
09.07.: Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble legt den Tätigkeitsbericht des BGS für 1990 vor; aus ihm geht u.a. hervor, daß zur Unterstützung der Länderpolizeien im abgelaufenen Jahr an 292 Tagen insgesamt 15.800 Mann im Einsatz waren; die Kosten für die Unterhaltung des rd. 30.000 Mann starken BGS werden mit 1,3 Mrd. DM angegeben.
Generalbundesanwalt von Stahl beziffert die Zahl der zu erwartenden Spio-nageprozesse gegen STASI-Agenten mit 5000.
Helmut Perschau, früherer CDU-Bürgermeisterkandidat in Hamburg, wird neuer Innenminister in Sachsen-Anhalt; er löst Wolfgang Braun ab, der wegen früherer STASI-Kontakte im Rahmen einer Kabinettsumbildung nicht mehr aufgestellt wird; auch gegen den sächsischen Innenminister, Rudolf Krause, werden STASI-Vorwürfe erhoben.
10.07.: Um eine Ratte unter einer Schrankwand zu entfernen, zerlegen herbeigerufene Bremer Streifenbeamte das komplette Möbelstück; kurz vor der Vollendung flüchtet das Tier ins Freie.
Als erstes Neu-Bundesland erhält Sachsen auf Beschluß des Landtages in Dresden ein eigenes Polizeigesetz.
12.07.: Die Bundesbehörde zur Aufarbeitung der STASI-Akten schlägt Alarm: mit 550 Mitarbeitern sind dort etwa 150.000 Anträge zu bearbeiten und jeden Monat kommen 30.000 hinzu; bisher bearbeitet werden konnten lediglich 45.000 Stück; der Direktor der Behörde, Geiger, fordert 1500 neue Mitarbeiter.
15.07.: Der Spiegel veröffentlicht Aussagen von ehemaligen STASI-Of-fizieren, wonach das einstige MfS verschiedene Polit-Affären in der BRD ausgelöst und/oder gesteuert hat.
16.07.: Der Haushaltsausschuß des Berliner Abgeordnetenhauses lehnt die Beschaffung von Hubschraubern für die Berliner Polizei wegen der dadurch entstehenden Kosten in Höhe von ca. 1,2 Mio. DM ab.
18.07.: Im Frankfurter Bahnhofsviertel werden 2 Jugoslawen aus einem fahrenden Auto heraus erschossen; die Polizei befürchtet den Beginn eines Bandenkrieges; nach einer weiteren Schießerei am 28.07 kann die Polizei den Fall klären; danach handelt es sich um Auseinandersetzungen zwischen jugoslawischen Drogendealern und Hütchenspielern.
22.07.: Im Verlaufe einer Kfz-Überprüfung werden im Frankfurter West-end-Viertel zwei Polizeibeamte angeschossen, eines der Opfer schwebt in Lebensgefahr.
Nach der Überprüfung durch den Richterwahlausschuß werden lediglich 16 Richter und 5 Staatsanwälte der ehemaligen DDR in den Dienst des Landes Berlin übernommen.
23.07.: Die Berliner Polizei zieht 6000 Makarov-Pistolen der früheren Volkspolizei aus dem Verkehr, da diese beim Schießen Quecksilber freisetzen; da die Waffen aus Kostengründen (ca. 7 Mio. DM) nicht sofort zu ersetzen sind, müssen Urlauber, Kranke und Innendienstler ihre Pistolen abgeben; es wird überlegt, die alten Makarovs in Länder der Dritten Welt zu verkaufen.
24.07.: In Erding beginnt der Prozeß gegen einen 42jährigen Kriminal-hauptmeister; er hatte im Herbst 1990 bei einem fingierten Rauschgiftgeschäft einen Kollegen erschossen; am nächsten Tag wird das Verfahren wieder eingestellt; obwohl das Gericht die Meinung vertrat, der Beamte habe leichtfertig gehandelt, wertete es das Verschulden als gering; Urteil: 6000 DM Geldstrafe, zu zahlen an eine Polizeistiftung.
Der Bundesgerichtshof verwirft die Beschwerde des ehemaligen STASI-Majors Harry Schütt, wonach er nach bundesdeutschem Recht nicht wegen nach-richtendienstlicher Betätigung bestraft werden könne, solange dies nicht auch für BND-Agenten gelte; nach Ansicht des BGH stellt ein solches Vorgehen jedoch nur „scheinbar eine Ungleichbehandlung“ dar, da sich die Tätigkeiten von MfS und BND nur bei „ausschließlich formaler Betrachtung“ gleichsetzen ließen (AZ: 3StE 4/91-3-geh).
Gleichfalls verworfen wird vom BGH ein Antrag des mit Haftbefehl gesuchten ehemaligen DDR-Spionagechefs Markus Wolf auf sicheres Geleit für eine Zeugenaussage vor dem Hamburger Landgericht (AZ: 4 BJs 42/89-3).
Die Bundesregierung stimmt dem Bundesratsentwurf des OrgKG zu.
Mit rund 1500 Polizei- und BGS-Beamten wird in Hamburg das Stadtteilzentrum „Rote Flora“ geräumt. Es kommt zu gewalttätigen Auseinandersetzungen.
30.07.: Das Berliner Kammergericht setzt, entgegen der Meinung des BGH im Fall Schütt, den am 22.07. begonnenen Prozeß gegen den letzten Chef der DDR-Aufklärung, Werner Großmann und vier weitere MfS-Offiziere wegen „Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes“ aus und legt die Frage dem Bundesverfassungsgericht zur Klärung vor.
Manfred Walter ist Redaktionsmit-glied von Bürgerrechte & Polizei/CILIP.