„‚Grenzpolizeiliche Unterstützungskräfte“ (GUK) – Hilfspolizisten bei der Grenzsicherung Ost

von Katina Schubert

„Ganztägig unter Kontrolle“ heißt im Jargon des Bundesgrenzschutzes das Kürzel für die ‚Grenzpolizeilichen Unterstützungskräfte‘, die seit dem Frühjahr des vergangenen Jahres die Polizeivollzugsbeamten des BGS bei der Abschottung der Bundesrepublik und ihrer Schengener Vertragspartner gegen Flüchtlinge aus dem Osten unterstützen und bei der Bekämpfung von Schleuserei, Kfz-Verschiebungen und grenzüberschreitender Kleinkriminalität mitwirken. Die GUK gelten als ein Instrument zur Steigerung der Grenzschutzeffiziens im Rahmen der „Anreizminderung“- und Abschreckungsstrategie gegen Flüchtlinge und Schlepper. Begleitet wird der Einsatz von technischer Hochrüstung der Grenzschutztruppen und Überlegungen, wie durch den Einsatz von Bundeswehrangehörigen oder Wehrpflichtigen die Grenzüberwachung möglichst „kostengünstig“ organisiert werden kann.

Ungewöhnliche Situationen erfordern „unkonventionelle Schritte“, so Ex-Bundesinnenminister Rudolf Seiters (CDU) Anfang 1993 anläßlich der Vorstellung seines Konzeptes, zur Stärkung der Personaldecke des Bundesgrenzschutzes „Grenzpolizeiliche Unterstützungskräfte“ an den Ostgrenzen einzusetzen. Denn „eine noch wirksamere Bekämpfung der illegalen Zuwanderung und der grenzüberschreitenden Kriminalität insbesondere an den 1.241 km langen Ostgrenzen Deutschlands zu Polen und zur Tschechischen Republik verlangt einen konzentrierten Einsatz des BGS in diesem Bereich. Bundesinnenminister Seiters hat am 20. August 1992 angeordnet, alle Maßnahmen und Instrumente, die der BGS einsetzen kann, sei es im taktisch-operativen Bereich einschließlich der arbeitsteiligen Zusammenarbeit mit dem Zoll, sei es im Bereich der Ausstattung und technischen Ausrüstung des BGS, mit dem Ziel zu überprüfen, die Effizienz der polizeilichen Überwachungsmaßnahmen weiter zu steigern.

Nachdem der Plan, Bundeswehrsoldaten zur Sicherung der Ostgrenzen abzuordnen, Anfang 1993 schon einmal gescheitert war und die Unterstützung durch drei rotierende BGS-Verbände aus dem Westen nicht ausreichte, entwickelte das Bundesinnenministerium (BMI) die Idee, das BGS-Personal durch die Einstellung von Hilfspolizisten zu erhöhen.
Der Bundesinnenminister will – gemäß den Vereinbarungen der Vertragsstaaten zur Sicherung der Außengrenzen des Schengen-Gebiets – die Überwa-chungsintensität sowohl an den Grenzübergängen als auch an den ‚grünen Grenzen‘ zu Polen und der Tschechischen Republik (CR) gegen illegale Ein-wanderInnen, Flüchtlinge sowie Schlepper, Kfz-Verschieber oder Drogendealer steigern.
1.700 ‚Grenzpolizeiliche Unterstützungskräfte‘ (GUK) sollen die Polizeivoll-zugsbeamten des BGS an den Grenzen zu Polen und der CR sowie dem Abschnitt der Ostseeküste Mecklenburg-Vorpommerns unterstützen. Dabei dürfen sie bis auf Schlagstock und Reizgas keine Bewaffnung tragen und keine ‚hoheitlichen Aufgaben‘ vollziehen, mithin z. B. weder Entscheidungen zu Festnahmen noch zu Durchsuchungen, Rückschiebungen etc. treffen.

Bewerbungen

Mit einer breit angelegten, wohnortnahen Werbekampagne warb der BGS im Frühjahr vergangenen Jahres entlang der Grenze um „einsatzfreudige, pflichtbewußte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Bereich grenzpolizeilicher Aufgaben (Innen- und Außendienst)“. 1.700 GUK zwischen 18 und 40 Jahren aus den unmittelbaren Ostgrenz-Gebieten sollten befristet auf drei Jahre eingestellt werden, beworben hatten sich über 5.000. Einige der BewerberInnen fühlten sich durch die Ausscheidung offenbar berufen, unter legalem Dach gegen Schlepper und Kleinkriminelle vorzugehen. „Ich werde dafür sorgen, daß kein polnischer Schlepper mehr meinen Garten ausräumt“, erklärte exemplarisch ein 29-jähriger Bewerber . Erkenntnisse, daß sich gezielt Neo-FaschistInnen oder RassistInnen beworben haben, um militant und im gesetzlichen Rahmen gegen Flüchtlinge vorgehen zu können, lagen nach Angaben des BMI und der GdP bislang nicht vor.

Die überwiegende Anzahl der eingestellten GUK sind zwischen 20 und 30 Jahre alt, ca. 50% sind Frauen, und fast alle waren vorher erwerbslos. Damit ist der BGS zu einem der größten (wenn nicht zum größten) Arbeitgeber der strukturschwachen, mit einer Arbeitslosenquote von 20% und mehr gebeutelten Grenzregionen avanciert. „Seiters neue Zonenrandförderung“ und „größte Arbeitsbeschaffungsmaßnahme seit der Wende“ titelte die Presse .

Einsatzfelder

1.600 GUK befinden sich derzeit (Stand 24.2.1993) im Einsatz. Weitere 100 sollen eingestellt werden, da ebensoviele unterdessen in die reguläre Ausbil-dungslaufbahn zum Polizeivollzugsbeamten (PVB) gewechselt sind.

Die überwiegende Zahl der GUK, rund 1.300, sind im Bereich des Grenz-schutzpräsidium (GSP) Ost den Grenzschutzämtern Frankfurt/Oder und Pirna zugeteilt. 58 operativ und 14 administrativ eingesetzte GUK helfen als Ange-hörige des Grenzschutzamts (GSA) Rostock bei der Sicherung der Seegrenze Richtung Baltikum, und 225 GUK (195 Operative und 30 Administrative) sind dem GSA Schwandorf/Bayern zur Sicherung der Grünen Grenze zur CR zugeteilt.

1.400 dieser Hilfskräfte sollen im ‚operativen‘ Bereich eingesetzt werden. Sie unterstützen die BeamtInnen des BGS bei den ‚Mobilen Überwachungstrupps‘ (MÜT) an der grünen Grenze und in den ‚Schubtrupps‘, welche an den Grenzlinien aufgegriffene, illegal eingereiste Menschen aufnehmen, zur örtlich zuständigen Grenzschutzstelle bringen und dann „an andere Orte“, so ein Sprecher des Bundesinnenministeriums, begleiten. Dies bedeutet in der Regel die Rückschiebung über die Grenze oder den Transport zum Flughafen Berlin-Schönefeld und von dort die Abschiebung ins Herkunftsland. Hauptbetroffene sind BulgarInnen und RumänInnen. Ebenfalls an der grünen Grenze sind sie in der Logistik der ‚Mobilen Fahndungstrupps‘ tätig, d.h. sie unterstützen die BGS-BeamtInnen als FahrerInnen oder FunkerInnen bei der Suche nach Schleusern aber auch KFZ-Schiebern. An den offiziellen Grenzübergängen helfen sie bei Abfertigung und Kontrollen, übernehmen Computerarbeiten, etwa Abfragen im polizeilichen Informationssystem INPOL oder im ‚Ausländerzentralregister‘ (AZR).

Das Verhältnis zwischen BGS-BeamtInnen und GUK-Kräften wurde vom Bundesinnenministerium für alle operativen Einsätze auf 3:1 festgesetzt. Zu-mindest in den ‚Mobilen Überwachungstrupps‘ ist diese Richtzahl längst von der Realität überholt; dort begleitet nach Erkenntnissen der ‚Gewerkschaft der Polizei‘ (GdP) eher ein Beamter zwei GUK.

Rund 300 GUK sind für den Innendienst vorgesehen, d.h. sie nehmen den BGS-BeamtInnen Schreib- und Ablagearbeiten ab, führen erkennungsdienstliche Behandlungen durch und geben Fingerabdrücke und Daten in das ‚Automatische Fingerabdruck-Identifizierungssystem‘ (AFIS) beim BKA ein.

Schmalspurausbildung

Anders als bei Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen führt die Ausbildung und Tätigkeit als GUK nicht zu einer Erweiterung der beruflichen Qualifikation. Vielmehr gleicht die Tätigkeit – so Sven Hübner, Sekretär der GdP beim GSP Ost – eher dem „Tüten kleben“, denn außer für eine Minderheit, die den Seiteneinstieg in die reguläre Ausbildung zum PVB schaffen, sind die Erfahrungen als GUK auf dem Arbeitsmarkt kaum verwertbar. Es sei denn, sie finden Anstellung in der florierenden Branche privater Sicherheitsunternehmen.

So durchlaufen die HelferInnen eine gerade einmal sechswöchige theoretische Einweisung in die Tätigkeit des BGS. In Kurzfassung, d.h. in zwei Aktenordnern zusammengefaßt, soll ihnen der Stoff aus zweieinhalb Jahren Polizeiausbildung sowie Grundkenntnisse technischer Anwendungen z.B. als FunkerInnen oder FahrerInnen vermittelt werden. An die theoretische Einweisung schließt sich ein vierwöchiges Praktikum am Einsatzort an, währenddessen die GUK die BeamtInnen zunächst nur begleiten sollen, in der Praxis aber durchaus schon in begrenztem Rahmen nach dem Motto ‚learning by doing‘, tätig werden. Ob die GUK nach Ablauf ihrer Dreijahresverträge weitere Verwendung beim BGS finden oder die Institution GUK darüber hinaus beibehalten wird, ist nach BMI-Angaben ggw. noch unklar. Bis 1996 soll der derzeitige, mit 3.400 angegebene personelle Fehlbestand, abgebaut sein. Andererseits, so ist aus dem BMI zu hören, kann die Überwachung der Ostgrenzen, insbesondere der waldreichen und gebirgigen Abschnitte zur Tschechischen Republik gar nicht dicht genug sein.

GUK-Kräfte sind zudem wesentlich billiger als reguläre BeamtInnen. So könnte das Modell GUK durchaus zum Pilotprojekt für ‚Billigpolizisten‘ bei Bund und Ländern werden. Obwohl die FDP Forderungen nach 30.000 zusätzlichen Polizeistellen erhob und der Skandal um die ‚Freiwillige Polizeireserve‘ (FPR) in Berlin gerade ein Jahr zurückliegt, dachte Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) erst jüngst öffentlich darüber nach, „Polizeireservisten“ in den normalen Polizeidienst zu integrieren: „Warum soll in einem Streifenwagen neben einem richtigen Polizisten nicht ein Polizeireservist sitzen?“

Katina Schubert ist Mitglied der ‚Ini-tiative gegen das Schengener Abkom-men‘ und wissenschaftliche Mitarbeite-rin des Bundestagsabgeordneten Ulrich Briefs (fraktionslos)
Mit Fußnoten im PDF der Gesamtausgabe.