Grundzüge der Parlamentarischen Kontrolle in anderen europäischen Staaten – Eine Auswahl

Otto Diederichs

Mit ihren Geheimdiensten tun sich alle Staaten recht schwer. Besonders gilt dies für Großbritannien, wo die Existenz des Auslandsgeheimdienstes ‚MI 6‘ (heute SIS) erst 1992 überhaupt offiziell bestätigt wurde. Der überall gültigen Manie folgend, wonach für geheimdienstliche Aktivitäten nichts so schädlich ist wie Öffentlichkeit, bleiben die Ergebnisse von (parlamentarischen) Kontrollen ebenso wie in der Bundesrepublik auch in anderen Staaten weitestgehend geheim. Solche Kontrollgremien bestehen mittlerweile in den meisten europäischen Nachbarstaaten – wenngleich sie, wiederum ebenso wie in der Bundesrepublik, in der Regel erst als Folge von Skandalen eingerichtet wurden.

Frankreich

Auslandsgeheimdienst: ‚Direction Générale des Sécurité Extérieure‘ (DGSE)
Inlandsgeheimdienst: ‚Direction de la Surveillance du Territoire‘ (DST)

Es gibt keinen parlamentarischen Kontrollausschuß. Auch andere ständige Kontrollgremien, in denen Abgeordnete mitwirken könnten, bestehen nicht. In Einzelfällen können Untersuchungsausschüsse zur Überprüfung bestimmter Vorgänge eingerichtet werden. Auch zur Überprüfung von Verwaltungs-, Finanz- und technischen Fragen können Kontrollausschüsse gebildet werden, deren Mitglieder ebenso wie die Mitglieder von Untersuchungsausschüssen durch Mehrheitsbeschluß des Parlaments gewählt werden.

Großbritannien

Auslandsgeheimdienst: ‚Secret Intelligence Service‘ (SIS)
Inlandsgeheimdienst: ‚Security Service‘
weitere Dienste: ‚Government Communication Headquarters‘ (GCHQ), ‚Defense Intelligence Service‘ und weitere besondere Einheiten.

Seit 1994 besteht mit dem ‚Intelligence Services Act‘ erstmals eine Rechts-grundlage für eine Geheimdienstkontrolle. Seither überwacht ein vom Pre-mierminister ernannter Commissioner die Arbeit der Dienste. Er verfaßt jährlich einen Bericht für den Premierminister, der anschließend (u.U. mit Einschränkungen) an die Kammern des Parlamentes weitergeleitet wird. Parallel zu den Aufgaben des Commissioners besteht ein ‚Intelligence and Security Committee‘, das die Tätigkeiten von Security Service, SIS und GCHQ überprüft. Das neunköpfige Committee setzt sich aus Parlamentariern des Ober- und Unterhauses zusammen. Sie werden vom Premierminister (in Abstimmung mit dem Oppositionsführer) ernannt. Auch das Committee verfaßt einen Jahresbericht für den Premierminister, der von diesem (ggf. wieder mit Einschränkungen) an die Parlamentskammern weitergeleitet wird.

Italien

Militärischer Geheimdienst: ‚Servizio per le informazioni e la sicurezza mi-litaire‘ (SISMI)
Inlandsgeheimdienst: ‚Servizio per le informazioni e la sicurezza democra-tica‘ (SISDE)

Seit Ende 1977 ist die Regierung gesetzlich verpflichtet, halbjährlich in schriftlicher Form über die Arbeit der Sicherheitsdienste zu berichten. Wei-terhin besteht ein vierköpfiger Parlamentsausschuß aus Abgeordneten beider Parlamentskammern, die von den Präsidenten der jeweiligen Kammer (auf der Grundlage der Verhältnisgleichheit) nominiert werden. Der Ausschuß kann vom Ministerpräsidenten und einem sog. interministeriellen Ausschuß Informationen über die Grundzüge der Geheimdienststrukturen und die grundlegenden Aktivitäten der Dienste verlangen. Alle erhaltenen Informationen unterliegen ebenso wie die Ausschußberichte der Geheimhaltung.

Niederlande

Militärischer Geheimdienst: ‚Militaire Inlichtingen Dienst‘ (MID)
Inlandsgeheimdienst: ‚Binnenlandse Veiligheidsdienst‘ (BVD)

Es besteht ein ständiger Kontrollausschuß, dessen vier Mitglieder die Ge-schäftsführer der vier größten Fraktionen der zweiten Kammer des Parlamentes bilden. Die Sitzungen des Ausschusses sind geheim. Jährlich erstattet der Ausschuß dem Parlament in öffentlicher Sitzung einen Bericht über seine Arbeit.

Österreich

Militärische Geheimdienste: ‚Heeresnachrichtenamt‘ und ‚Abwehramt‘
Sicherheitpolizeilicher Dienst: ‚Staatspolizei‘ (Stapo)

Für die Kontrolle der Dienste bilden der Verteidigungsausschuß und der In-nenausschuß sog. Sicherheitskontrollausschüsse mit je 17 Mitgliedern. Jedem Ausschuß muß wenigstens ein Mitglied jeder im Parlament vertretenen Fraktion angehören. Die Ausschüsse haben das Recht auf Akteneinsicht, die Sitzungen sind vertraulich.

Schweden

Militärische Geheimdienste: ‚försvarets underrättelsetjänst‘ und ‚försvarets radioanstalt‘
In- und Auslandsgeheimdienst: ‚Säkerhetspolis‘ (SÄPO)

Seit 1988/89 hat vor einer Verabschiedung von Richtlinien für die Arbeit der SÄPO eine (verbindliche) Abstimmung mit den Parteivorsitzenden stattzufinden. In den Vorstand der SÄPO werden von der Regierung acht VertreterInnen des Parlamentes (im Regelfall Mitglieder des Rechtsausschusses) benannt. Der Vorstand wird laufend über die Aufgaben und die Arbeit der SÄPO informiert und hat beratende Funktion in Sicherheitsfragen. Er entscheidet außerdem über den Haushalt der SÄPO und bei Sicherheitsüberprüfungen des Personals und erstattet der Regierung jährlich einen Bericht. Der Etat der SÄPO wird weiterhin vom Rechtsausschuß des Parlaments geprüft, der über die Aktivitäten der SÄPO einmal jährlich im Rahmen eines Besuches unterrichtet wird. Eine ähnliche Regelung besteht hinsichtlich des militärischen Geheimdienstes seit 1975/76, allerdings ist hier im Vorstand nur ein Abgeordneter (meist aus dem Verteidigungsausschuß) vertreten. Der Verteidigungsausschuß kann vom Verteidigungsministerium Berichte anfordern und überprüft den Haushalt des Geheimdienstes. Beide Dienste unterliegen zudem der Kontrolle des Ombudsmannes des Reichstages, der auch das Recht zur Akteneinsicht besitzt.

Schweiz

Militärischer Geheimdienst: ‚Unterabteilung Nachrichten und Abwehr (UNA) des Eidgenössischen Militärdepartement‘ (mit div. Untergliederungen)
Inlandsgeheimdienst: (es gibt keine Trennung zur Polizei); auf Bundesebene: Abt. Staatsschutz der ‚Bundespolizei'(BUPO), sowie Staatsschutzabteilungen bei den kantonalen Polizeien.

Kontrolliert werden BUPO und UNA durch eine ‚Sicherheitsdelegation‘, eine Untergruppe der ‚Eidgenössischen Geschäftsprüfungskommission‘ (GPK). Die ‚Sicherheitsdelegation‘ besteht aus je drei Mitgliedern des ‚Stände-‚ und des ‚Nationalrates‘. Sie ist eine ständige Delegation. Jährlich werden vier (zweitägige) Sitzungen abgehalten, die je zur Hälfte der BUPO und der UNA gewidmet sind. Sie legt der ‚Geschäftsprüfungskommission‘ einen Rechen-schaftsbericht ab, über dessen evtl. Veröffentlichung die GPK entscheidet. In den einzelnen Kantonen bestehen unterschiedliche Regelungen, z.T. besteht keinerlei Kontrollgremium. Für die Einrichtung einer ‚Parlamentarischen Untersuchungskommission‘ (PUK) ist die Zustimmung der Mehrheit des Par-laments nötig.

Spanien

Militärischer Geheimdienst (mit Funktionen im Innern): ‚Centro Superior de Información de la Defensa‘ (CESID)
Polizeiliche Geheimdienste: ‚Cuerpo de la Guardia Civil‘ (CGC) und ‚Cuer-po Nacional de Policía‘ (CNP)

Eine parlamentarische Kontrolle besteht nicht, die Abgeordneten haben le-diglich ein allgemeines Frage- und Interpellationsrecht. Eine nachträgliche Kontrolle ist allenfalls über Untersuchungsausschüsse möglich.

Quellen: Deutscher Bundestag, Wissenschaftlicher Parlamentsdienst, Parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit in einigen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, Norwegen und den USA, Bonn, September 1995; Jones, S. et alii, Internationales Geheimdienst-Lexikon, Berlin 1993

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