Innenausschüsse, Parlamentarische Kontrollkommissionen, G 10-Gremien und G 10-Kommissionen – Aufgaben und Befugnisse

von Martina Kant

Ein Großteil der Arbeit in den Parlamenten wird in den Fachausschüssen geleistet. Hier werden Haushaltspläne, Gesetze etc. (vor)beraten und für die Schlußdebatten und -abstimmungen im Plenum vorbereitet. Jedem Geschäftsbereich einer Landesregierung und der Bundesregierung steht dabei ein solcher Fachausschuß, sowohl als Beratungs- wie auch als Kontrollorgan gegenüber. Für den Geschäftsbereich der Innenminister sind dies die Innenausschüsse, die Parlamentarischen Kontrollkommissionen und die ‚G 10-Gremien‘.

Die Mitglieder dieser Ausschüsse werden jeweils von den im Parlament ver-tretenen Fraktionen gestellt. Eine Ausnahme von diesem Prinzip stellt ledig-lich die ‚G 10-Kommission‘ dar, deren Mitglieder vom Parlament bestimmt werden, ansonsten aber von diesem unabhängig sind.

Der Innenausschuß

Wenngleich mit z.T. leicht voneinander abweichenden Bezeichnungen, haben die Innenausschüsse die Aufgabe, die gesamte Bandbreite der Sicherheitsbelange des jeweiligen Landes oder des Bundes abzudecken. Neben Fragen der Polizei und der Geheimdienste gehören hierzu auch die Datenverarbeitung und der Datenschutz, Asylangelegenheiten und Personalangelegenheiten des öffentlichen Dienstes. Bei einigen Innenausschüssen kommen zusätzlich die Bereiche Sport (Bremen, Bund, Rheinland-Pfalz) oder Europaangelegenheiten (Hessen) hinzu.
In erster Linie jedoch liegt die Aufgabe der Innenausschüsse (auch im öffent-lichen Bewußtsein) in der Behandlung von Sicherheitsfragen, vorrangig jene mit Polizeibezug. Einige Ausschüsse können am Rande auch Angelegenheiten des Verfassungsschutzes (mit)beraten. Die Sitzungen sind überwiegend nichtöffentlich, doch sind auch öffentliche Sitzungen möglich, wie etwa in Berlin. Hier sind alle Sitzungen des ‚Ausschuß für Inneres, Sicherheit und Ordnung‘ grundsätzlich öffentlich, sofern der Ausschuß im Einzelfall nichts anderes beschließt.

Die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK)

Parlamentarische Kontrollkommissionen gibt es ebenfalls beim Bundestag und den Landesparlamenten , wobei in Baden-Württemberg der ‚Ständige Ausschuß‘, in Hamburg und Nordrhein-Westfalen ein ‚Parlamentarischer Kontrollausschuß‘ bzw. ein ‚Parlamentarisches Kontrollgremium‘ und in Berlin, Niedersachsen und dem Saarland ein ‚Verfassungsschutzausschuß‘ die Aufgaben einer PKK wahrnehmen.
Der PKK beim Bundestag obliegt die Kontrolle der Bundesregierung hinsichtlich der Tätigkeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), des Bundesnachrichtendienstes (BND) und des Militärischen Abschirmdienstes (MAD); die PKK der Landtage kontrollieren die jeweilige Landesregierung in Angelegenheiten der Landesämter für Verfassungsschutz (LfV). Der PKK gehören beim Bund neun, in den Ländern zwischen drei und zehn Mitglieder an, die Abgeordnete sein müssen und in der Regel vom Parlament für die Dauer einer Wahlperiode gewählt werden. Nur in Berlin wählen die Fraktionen, denen mindestens je ein Sitz zusteht, ihre jeweiligen VertreterInnen selbst aus. Das wesentliche Kontrollinstrument der PKK gegenüber der Regierung ist die Unterrichtungspflicht: Die Regierung bzw. das Innenministerium muß die PKK in bestimmten Zeitabständen über die allgemeine Tätigkeit der Geheimdienste bzw. des LfV und über Vorgänge von besonderer Bedeutung unterrichten, z.T. auch über konkrete Themen und Einzelfälle, wenn die PKK dies wünscht (z. B. in Bayern, Brandenburg und Hessen). Der Anspruch ist allerdings in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz und Thüringen dahingehend eingeschränkt, daß die Regierung aus Gründen des Quellenschutzes Zeit, Art und Umfang der Unterrichtung selbst bestimmen kann.
Die Befugnisse, welche die PKK oder ein entsprechendes Gremium zur Erfüllung ihrer Kontrollaufgabe besitzen, sind in Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Saarland und Sachsen-Anhalt vergleichsweise weitreichend. Dort hat die PKK auf Antrag das Recht auf Einsicht in Akten, Dateien und andere Unterlagen, auf Zutritt zu den Räumen der Verfassungsschutzbehörde (ausgenommen Saarland) sowie auf Anhörung von Angehörigen des LfV bzw. Auskunftspersonen. Dieses Recht kann eingeschränkt werden, wenn das Staatswohl oder die Erfüllung der Aufgaben des LfV im Einzelfall (erheblich) gefährdet wird. Der PKK des Bundestages wird ebenfalls Akteneinsicht und die Anhörung von Angehörigen der Geheimdienste gewährt. Dies geschieht allerdings nicht auf gesetzlicher Grundlage, sondern aufgrund einer rechtlich unverbindlichen Erklärung der Bundesregierung , die auch nur gegenüber den für die andauernde Wahlperiode gewählten PKK-Mitgliedern abgegeben wurde. Ein Akteneinsichtsrecht gibt es auch – allerdings nur im Einzelfall – in Hessen, Mecklenburg-Vorpommern (bei besonderem Aufklärungsbedarf können auch Bedienstete des LfV befragt werden) und Nordrhein-Westfalen. Die PKK von Schleswig-Holstein kann im Einzelfall eine/n Beauftragte/n mit Befähigung zum Richteramt bestellen, die/der die Rechtmäßigkeit der Verfassungsschutztätigkeit überprüft und Akteneinsichtsrecht hat. Während die sächsische PKK wenigstens das Recht auf Erteilung von Auskünften durch den Staatsminister des Innern hat, gibt es in Bayern und Rheinland-Pfalz keine über das eingeschränkte Unterrichtungsrecht hinausgehenden Rechte. Mit dem Recht auf Mitberatung der Wirtschaftspläne der Geheimdienste steht der PKK des Bundestages und der Landtage von Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und dem Kontrollgremium Nordrhein-Westfalens ein weiteres Instrument zur Verfügung. Dabei wird die Tätigkeit anhand der in den Wirtschaftsplänen enthaltenen Daten über Struktur, Personal und Vorhaben der Dienste insgesamt politisch überprüft. In einigen Bundesländern kann die PKK den Datenschutzbeauftragten mit der Überprüfung einzelner Maßnahmen des LfV auf ihre Rechtmäßigkeit beauftragen. Andere Bundesländer lassen Eingaben von LfV-Maßnahmen betroffener Bürger und Eingaben von LfV-Bediensteten zur Anhörung in der PKK zu.
Die Beratungen der PKK sind fast überall geheim. Auch nach ihrem Ausscheiden sind die Kommissionsmitglieder zur Geheimhaltung aller ihnen während ihrer Tätigkeit bekanntgewordenen Dinge verpflichtet. Sie dürfen aufgrund ihrer Informationen keine parlamentarischen Initiativen starten und auch in ihren Fraktionen nichts mitteilen. Die Sitzungen des Berliner Verfas-sungsschutzausschusses sind – und das ist bislang einmalig in der Geschichte der PKK – prinzipiell öffentlich. Die Öffentlichkeit kann nur durch einen Be-schluß des Ausschusses ausgeschlossen werden, wenn das öffentliche Interesse oder berechtigte Interessen eines Einzelnen es gebieten. Ausnahmen von der Geheimhaltung gibt es allerdings auch in Brandenburg und Niedersachsen, wenn die Mehrheit bzw. zwei Drittel der PKK-Mitglieder dem zustimmt, und in den Parlamentarischen Kontrollkommissionen des Bundestages, von Sachsen-Anhalt und Sachsen: Hier sind aber lediglich Bewertungen aktueller Vorgänge von der Geheimhaltungspflicht befreit – ebenfalls durch 2/3- bzw. Mehrheitsbeschluß. In einigen Bundesländern und beim Bund unterrichtet die PKK das Parlament in bestimmten Zeiträumen (z.B. in der Mitte und am Ende einer Wahlperiode) über ihre bisherige Tätigkeit.

Das G 10-Gremium

Das G 10-Gremium dient der abstrakten, politischen Kontrolle der geheim-dienstlichen Überwachungsmaßnahmen nach dem G 10-Gesetz. Anders als die G 10-Kommission ist das Gremium eine parlamentarische Kontrollinstanz. Ihr gehören fünf vom Bundes- bzw. von den Landtagen gewählte Abgeordnete an. In Bayern, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Sachsen-Anhalt werden die Aufgaben des G 10-Gremiums von der PKK bzw. vom Verfassungsschutzausschuß wahrgenommen. In Thüringen ist ein solches Gremium nicht vorgesehen.
Der Minister muß dem G 10-Gremium mindestens halbjährlich (in Bayern mind. jährlich) einen zusammenfassenden Bericht über die individuellen Be-schränkungsmaßnahmen des Post- und Fernmeldegeheimnisses erstatten. Die-se Sitzungen sind auch in Berlin geheim. Einzelfälle werden dabei nicht er-örtert, sondern nur grundsätzliche Fragen. Dem G 10-Gremium des Bundestages obliegt darüber hinaus die Zustimmung zur Bezeichnung eines Gebietes als „Gefahrengebiet“, dessen Fernmeldebeziehungen mit der Bundesrepublik im Rahmen der „strategischen Kontrolle“ durch den BND überwacht werden können. Die G 10-Gremien berichten ihren Parlamenten jährlich, z.T. auch halbjähr-lich, unter Einhaltung der Geheimhaltungspflicht über ihre Kontrolltätigkeit.

Die G 10-Kommission

Der G 10-Kommission ist ein spezieller Bereich geheimdienstlicher Tätigkeit vorbehalten. Sie prüft alle tatsächlichen Eingriffe in das Grundrecht auf Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis aus Art. 10 GG auf ihre Zulässigkeit und Notwendigkeit. Durch das Notstandsverfassungsgesetz von 1968 war eine Legalisierung der Überwachung des Briefverkehrs und von Ferngesprächen durch die Geheimdienste ermöglicht und gleichzeitig der grundgesetzlich verankerte Rechtsweg gegen Überwachungsmaßnahmen ausgeschlossen worden. Im vom Bundestag verabschiedeten ‚G 10-Gesetz‘ und in den entsprechenden Ausführungsgesetzen der Länder wurde durch die Vorschrift zur Bildung einer unabhängigen und Weisungen nicht unterworfenen Kommission zur Überprüfung der Beschränkungsmaßnahmen versucht, ein Äquivalent für den fehlenden Rechtsweg zu schaffen. Die durch das ‚Verbrechensbekämpfungsgesetz‘ von 1994 noch weiter ausgedehnte ’strategische Kontrolle‘ durch den BND ist von der Überprüfung durch die G 10-Kommission allerdings ausgeschlossen.
Die Kommission besteht aus drei Mitgliedern, wobei der/die Vorsitzende die Befähigung zum Richteramt besitzen muß. Üblicherweise sind die Mitglieder keine Abgeordneten (anders in Hamburg), sie gehören jedoch in der Regel den Parteien an. Die Kommissionsmitglieder und ihre StellvertreterInnen werden z.T. vom Landesparlament, von den Mitgliedern der PKK oder des G 10-Gremiums für die Dauer einer Wahlperiode gewählt und führen ihr Amt bis zur Wahl einer neuen Kommission fort.

Im sog. G 10-Verfahren, d.h. bei der Telefon- oder Postkontrolle durch die Geheimdienste, müssen der G 10-Kommission (außer bei Gefahr im Verzug) vor Vollzug der Maßnahme vom zuständigen Innenminister oder -senator alle erforderlichen Unterlagen vorgelegt werden, damit die Kommission sowohl die Rechtmäßigkeit als auch die Notwendigkeit einer Maßnahme überprüfen kann. Eine eigene Sachaufklärung betreibt sie allerdings nicht, kann aber vom Innenminister zusätzliche Anhaltspunkte für das Vorliegen der Voraussetzungen verlangen. Der Kommission steht dafür ein uneingeschränktes Akteneinsichtsrecht zu, und sie kann jede Dienstkraft der Geheimdienste be-fragen, ohne daß diese auf ihre Schweigepflicht verweisen könnte. Auf Wunsch gibt es keinen Quellenschutz für durch die Dienste erlangte Informationen. Damit hat die G 10-Kommission im Vergleich zu Gerichten weitergehende Rechte. Ihre Verhandlungen und Beratungen sind geheim. Sie kann vor ihrer Entscheidung den Datenschutzbeauftragten zu Fragen des Datenschutzes anhören. Die Kommission hat Zutritt zu allen Dienstgebäuden der Geheimdienste, der Post und sonstigen Kommunikationsanlagen. Stimmt die G 10-Kommission der Beschränkungsanordnung nicht zu, muß diese unverzüglich aufgehoben werden. Die Kommission kann ihre Zustimmung mit Auflagen versehen, z.B. nur für kürzere Zeiträume Genehmigungen erteilen, bestimmte Erkenntnisse für die Verwertung sperren oder die Art der Ausführung bestimmen.
Außer bei der Anordnung von Beschränkungsmaßnahmen wird die G 10-Kommission auch aufgrund von Beschwerden aus der Bevölkerung wegen vermuteter Eingriffe in Art. 10 GG tätig. Darüber hinaus kontrolliert sie durch Besuche in den Einrichtungen der Geheimdienste und der Post, ob die Vorschriften zur Vernichtung des erlangten Datenmaterials eingehalten werden. Die G 10-Kommissionen der Länder haben die genannten Befugnisse nur gegenüber Beschränkungsmaßnahmen der jeweiligen Landesämter für Verfassungsschutz, d.h. auch nicht gegenüber der Post, da diese eine Bundesbehörde ist.

Martina Kant studiert Politologie an der FU Berlin und ist Mitarbeiterin der ‚Arbeitsgruppe Bürgerrechte‘.
Mit Fußnoten im PDF der Gesamtausgabe.