zusammengestellt von Melanie Hillmann
01.03.:
• Konrad Porzner (SPD), seit 1990 Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), bittet um die Versetzung in den Ruhestand. Hintergrund ist ein Streit mit Kanzleramtsminister Friedrich Bohl (CDU). Nach dem Verzicht des designierten Nachfolgers Gerhard Güllich (SPD) am 2.4 tritt am 4.6. der bisherige Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) Hansjörg Geiger die Nachfolge an. Im Juni tritt Güllich vorzeitig in den Ruhestand. Neuer Vize-Präsident wird am 18.6. Rainer Keßelring.
• Wegen Erkrankung der Angeklagten muß der Prozeß gegen die mutmaßliche Terroristenhelferin Monika Haas unterbrochen werden. Die Angeklagte bleibt weiterhin in Haft. Am 9.5. beginnt die zweite Auflage des Prozesses.
• Die Lübecker Staatsanwaltschaft teilt mit, daß der wegen Verdachts der Brandstiftung in einem Lübecker Flüchtlingsheim inhaftierte Libanese Safwan Eid in der Haftanstalt abgehört wurde. Hierdurch habe sich der Tatverdacht gegen Eid erhärtet. Insgesamt seien sechs Gespräche zwischen ihm und seinen Besuchern mitgehört worden. Am 18.4. berichtet das Fernsehmagazin ”Monitor”, es sei im Besitz von Filmaufnahmen, welche die Feststellungen der Staatsanwaltschaft zur Brandursache widerlegen. Am 8.6. gibt der Sprecher der Lübecker Staatsanwaltschaft bekannt, daß der Haftbefehl gegen Eid aufgehoben wird.
• Die Landtagsfraktion der GRÜNEN in Hessen erstattet gegen den Präsidenten des BfV Anzeige wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt. Der Behörde wird vorgeworfen, den mit Haftbefehl gesuchten früheren V-Mann Klaus Steinmetz vor der Bundesanwaltschaft zu verbergen. Am 21.3. wird ein internationaler Haftbefehl gegen Steinmetz erlassen. Am 14.5. werden gegen sieben Beamte des Bundeskriminalamtes Ermittlungen eingeleitet. Ihnen wird in Zusammenhang mit Steinmetz und der Festnahmeaktion in Bad Kleinen im Juni 1993 u.a. Strafvereitelung im Amt, Nötigung und Unterdrückung von Urkunden vorgeworfen. Die Generalbundesanwaltschaft gibt am 13.6. bekannt, das Steinmetz derzeit keine Verhaftung befürchten müsse, da er in der Untersuchungshaft gefährdet sei.
03.03.:
• Bei einer Kundgebung am Atomkraftwerk Grundremmingen werden 35 DemonstrantInnen vorübergehend festgenommen, da sie nach Ansicht der Polizei gegen Demonstrationsauflagen verstoßen haben.
• Durch Presseberichte wird bekannt, daß die Festnahme von zwei mutmaßlichen Mitgliedern der Antiimperialistischen Zelle (AIZ) im Februar 1996 von schweren Pannen begleitet war. Die beiden Männer hatten die Überwachung durch Beamte des Bundeskriminalamtes (BKA) bemerkt und sollen belastendes Material vor der Festnahme beseitigt haben.
05.03.:
• Die Hamburger Staatsanwaltschaft erhebt Anklage wegen Gefangenenbefreiung und versuchter Strafvereitelung im Amt gegen die Therapeutin des sog. ”Heidemörders” Thomas Holst, die Diplom-Psychologin Tamar Segal. Am 30.5. beginnt der Prozeß. Bei der Fahndung nach Holst hatte die Polizei über längere Zeit Telefone, Wohnungen und Autos abgehört.
• Polizei und Staatsanwaltschaft führen in Berlin eine großangelegte Durchsuchungsaktion in den Geschäftsräumen der ”tageszeitung”, der ”jungen Welt” und der ”Kampagne gegen Wehrdienst, Zwangsdienst und Militär” durch. Hintergrund ist eine Anzeige des Bundeswehr-Generalinspekteurs wegen Beleidigung.
06.03.:
• Das Bundessozialgericht verbessert die Entschädigungsregelung für ausländische Opfer von Gewalttaten (Az: 9 RVg 4/95 u.a.).
• Trotz fehlender Fluchtgründe wird einem Kurden vom Verwaltungsgericht Sigmaringen, das Recht auf Asyl zuerkannt. Zur Begründung heißt es, der Mann habe bei seiner Rückkehr mit Mißhandlungen zu rechnen. (Az.: A 6 K 10223/95) Im Spionageprozeß gegen den früheren SPD-Fraktionsgeschäftsführer Karl Wienand sagt der ehemalige SPD-Vorsitzende Hans Jochen Vogel aus, für ihn sei klar gewesen, daß Wienand informelle Kontakte in die DDR gehabt habe. Im weiteren Verlauf des Prozesses erklärt der frühere SPD-Politiker Egon Bahr, Wienand habe Anfang der 70er Jahre keinen offiziellen Auftrag der SPD für Sondierungsgespräche mit der DDR erhalten.
• Der einstige Parlamentspräsident Phillip Jenniger (CDU) entlastet den Angeklagten am 13.5. durch die Aussage, er habe von den DDR-Kontakten des SPD-Politikers gewußt. Am 26.6. wird Wienand wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit für die ehemalige DDR zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Zudem soll Wienand eine Million DM Agentenlohnzurückzahlen. Die Verteidigung legt Revision ein.
• Das Bundeskriminalamt gibt bekannt, daß 1995 insgesamt 957 antisemitisch motivierte Straftaten registriert wurden.
• Bei einer Schülerdemonstration gegen das Brandenburgische Schulgesetz kommt es vor dem Landtag in Potsdam zu Ausschreitungen als die Jugendlichen versuchen, in das Gebäude einzudringen. Die Polizei nimmt vier Teilnehmer vorübergehend fest. Eine Schülerdemonstration am 25.3. in Berlin gegen geplante Einsparungen des Senats endet ebenfalls mit Auseinandersetzungen. Dabei werden zwölf Jugendliche festgenommen.
• Bei der Vorlage des bayerischen Verfassungsschutzberichtes erklärt Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU), die PDS sei eine zentrale Bedrohung und appelliert an die übrigen Bundesländer, die Partei nach dem Vorbild Bayerns und des Bundes als verfassungsfeindliche Organisation einzustufen. Am 13.6. teilt Sachsens Innenminister Klaus Hardraht (parteilos) anläßlich der Vorstellung des sächsischen Verfassungsschutzberichtes mit, daß mehrere Gruppierungen der PDS ins Visier des dortigen Verfassungsschutzes geraten seien. Am 24.5. legt Bundesinnenminister Kanther den Verfassungsschutzbericht des BfV für 1995 vor. Auch dieser Bericht stuft die PDS in Teilen als linksextremistisch und somit verfassungsfeindlich ein.
08.03.: • Das Fernsehmagazin ”Monitor” berichtet, das bayerische Landeskriminalamt habe in der Plutoniumaffäre wichtige Beweise zurückgehalten. Am 16.4. wird durch Presseberichte bekannt, daß der frühere V-Mann des BND ”Rafa” vor dem Bonner Untersuchungsausschuß nur gegen eine Zahlungvon 100.000 Mark aussagen will. Das Ministerium lehnt diese Forderung ab. Bei der geplanten Vernehmung erscheint ”Rafa” daraufhin nicht. Am 25.5. bestreitet der Sachgebietsleiter des BND-Referates 11A, Matthias Hochfeld, sein Amt habe den Plutoniumfall inszeniert.10.03.:
• Bei einer Demonstration der verbotenen ”Arbeiterpartei Kurdistans” (PKK), die als Frauendemonstration friedlich beginnt, kommt es in Bonn zu schwerenAuseinandersetzungen zwischen der Polizei und militanten Kurden. Der NRW-Landesvorsitzende der ”Gewerkschaft der Polizei” (GdP) Klaus Steffenhagen fordert daraufhin ein Demonstrationsverbot für Kurden.
• Am 16.3 verbietet das Verwaltungsgericht in Gelsenkirchen eine Großkundgebung zum kurdischen Neujahrsfest in Dortmund. Daraufhin blockieren mehrere tausend Kurden Autobahnen und Grenzübergänge. In mehreren Teilen Deutschlands kommt es zu massiven Auseinandersetzungen. In Dortmund wird schließlich eine Demonstration von der Polizei zugelassen, an der sich ca. 15.000 KurdInnen beteiligen. Bundesweit nimmt die Polizei bis zum Abend 496 Kurden fest, 1.906 werden in Gewahrsam genommen und gegen 5.000 werden Platzverweise ausgesprochen. Am 20./21.3. kommt es erneut in mehreren Städten zu Ausschreitungen. Ein Schweigemarsch in Berlin verläuft friedlich.
• Außenminister Klaus Kinkel (FDP) und Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) fordern eine Verschärfung des Ausländerrechts.
• Der Konflikt zwischen der Bundesrepublik und radikalen Kurden spitzt sich am 2.4 erneut zu. PKK-Chef Abdallah Öcalan wirft derBundesregierung vor, die türkische Regierung in ihrem Kampf gegen die Kurden zu unterstützen und droht mit Anschlägen gegen deutsche Touristen. Kurdische Vereinigungen in Deutschland distanzieren sich von den Drohungen. Am 3.4. wird bekannt, daß militante Aktivisten mit der Ermordung von Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) und Außenminister Kinkel gedroht haben sollen. Die Sicherheitsmaßnahmen werden verschärft.
• Die PKK bestreitet, in die Morddrohungen verwickelt zu sein. In einem Interview räumt Öcalan Mitte Mai ein, daß die gewalttätigen Proteste der PKK ein Fehler waren. Am 16.6. demonstrieren in Hamburg bis zu 80.000 Kurden friedlich für eine politische Lösung der Kurdenfrage.
13.03.: • Die Bonner Regierungskoalition beschließt eine Verschärfung der Geldwäschevorschriften. Künftig soll es für eine Sicherstellung ausreichen, daß die Ermittler ”Gründe” für die Vermutung geltend machen können, Gelder seien krimineller Herkunft.14.03.:
• In Berlin wird in einer Grünanlage ein Vietnamese mit einemKopfschuß gefunden. Am 18.3 stirbt der Mann. In den folgenden Tagen werden fünf weitere Vietnamesen erschossen aufgefunden. Am 3.4. werden zwei Vietnamesen als mutmaßliche Killer festgenommen. Am 12.5. werden in einer Mietwohnung erneut sechs Tote gefunden. Nach Polizeiangaben sind alle Opfer einer Auseinandersetzung innerhalb der sog. ”Zigaretten-Mafia”.
• In Berlin erwirkt die Staatsanwaltschaft erstmals einen Haftbefehl gegen einen 19jährigen Graffiti-Sprayer. Er wird am 21.3. zu einer Jugendstrafe von 18 Monaten ohne Bewährung verurteilt.
15.03.:
• Im Prozeß um das ”Mykonos-Attentat” von 1992 erläßt der Bundesgerichtshof einen Haftbefehl gegen den iranischen Geheimdienstchef Ali Fallahian als mutmaßlichen Auftraggeber des Mordes. Der Haftbefehl belastet die deutsch-iranischen Beziehungen. Am 18.3. demonstrieren etwa 200 Iraner vor der deutschen Botschaft in Teheran. Am 28.3. lehnt das Berliner Kammergericht die Vorladung Fallahians ab. Kurz vor dem Schlußplädoyer der Staatsanwaltschaft stellt der Iran am 24.6. überraschend zwei bislang gesperrte Zeugen zur Verfügung. Sie könnten den Hauptangeklagten Kazem Darabi entlasten und sollen in Teheran vernommen werden können.
• Die Bundesanwaltschaft erweitert die bisherige Anklage gegen den früheren DDR-Spionagechef Markus Wolf wegen Landesverrat, Agententätigkeit und Bestechung um den Vorwurf der Freiheitsberaubung und Nötigung in zwei Fällen.
18.03.: • Von Rechtsradikalen wird in Magdeburg ein 23jähriger Sudanese in den Kopf geschossen.20.03.: • In Hamburg beginnt der Prozeß gegen mutmaßliche PKK-Mitglieder. Den drei Männern wird vorgeworfen, sich an Aktionen gegen türkische Einrichtungen beteiligt zu haben. Am 10.4. beginnt in Stuttgart ebenfalls ein Prozeß gegen vier mutmaßliche Gebietsleiter der verbotenen PKK.25.03: • In Berlin werden Sprengstoffanschläge auf das Haus eines Jura-Professors und drei Fahrzeuge verübt. Am 28.3. bekennt sich die Gruppe ”Klasse gegen Klasse” zu den Anschlägen.27.03.: • Der 23jährige Bosnier Boro Matic wird in München zu lebenslanger Haftverurteilt. Er hatte im Februar nach einem Tankstellenüberfall einen Polizisten erschossen und eine Polizistin schwer verletzt.28.03.:
• Der als ”Rosenmontagsräuber” bekanntgewordene Gewalttäter Norbert Hagner wird in Leienkaul nach einer dreißigstündigen Geiselnahme von der Polizei überwältigt.
• Der bisherige Leiter der ”Abteilung Bundesgrenzschutz” im Bundesinnenministerium Ulrich Kersten wird neuer Präsident des Bundeskriminalamtes. Er ist der erste BKA-Präsident, der das Amt als politischer Beamter bekleidet.
29.03.:
• In Hamburg beschließt die Innenministerkonferenz eine Härtefallregelung für abgelehnte Asylbewerber. Danach sollen Familien nach sechs Jahren und Kinderlose nach neun Jahren Aufenthalt in der Bundesrepublik bleiben dürfen.
• In Berlin wird in der Wagenburg an der ”East-Side-Gallery” ein 19jähriger Mann erstochen. Am 2.4. wird ein 18jähriger Tourist vor der Wagenburg mit einer Eisenstange niedergeschlagen und ausgeraubt.
• Am 5.4. nimmt die Polizei nach einer Razzia sechs Personen wegen Drogenbesitzes fest. Am 10.4. protestieren etwa 300 Bewohner und Symphatisanten der Wagenburg gegen eine geplante Umsiedlung. Am 10.5. werden bei einer neuerlichen Razzia der Polizei zwei Bewohner der Wagenburg festgenommen.
Melanie Hillmann ist Studentin am ”Otto-Suhr-Institut” der ”Freien Universität Berlin”